aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Alexander Hochgesang

Christel Gewitzsch

Lehrer und Vikar in Cappenberg

Repro: cg

Durch die Veränderungen, die die Säkularisation in das Leben vieler Ordensleute brachte, verschlug es den Angehörigen des Franziskanerordens Alexander Hochgesang 1806 als Lehrer an die Cappenberger Schule. Über sein Alter gibt es unterschiedliche Angaben. Mal heißt es, er sei 1760 geboren, mal 1767. Von seinem Leben bevor er nach Cappenberg kam, ist nicht viel bekannt. In den neunziger Jahren unterrichtete er am Gymnasium in Rheine, an dem er 1799 Präfekt wurde. 1805, so schrieb er in einem Brief an den Freiherrn vom Stein, bildete er im Kloster zu Warendorf preußische Offiziere weiter. Als einige weitere Pläne scheiterten, verließ er ohne Erlaubnis das Kloster und ging nach Cappenberg, wo er als Lehrer und Hilfsgeistlicher tätig war. Mit der Schulstelle verband sich wie so oft die Arbeit als Küster und Organist. Diese Aufgaben gab der Lehrer schon aus organisatorischen Gründen an einen Stellvertreter weiter.[1]

In Cappenberg erlebte Hochgesang die politischen Wechselfälle dieser Region mit. Ende 1806 nahm das französische Militär das Münsterland in Besitz, Anfang 1808 überließ Napoleon es dem Großherzogtum Berg, bis es 1813 wieder unter preußische Verwaltung gestellt wurde.

Man könnte Hochgesang aufgrund seiner bisherigen Tätigkeiten für die Lehraufgabe an einer Elementarschule für überqualifiziert halten. In der Auflistung seiner Besitztümer, die anlässlich der Testamentseröffnung erstellt werden musste, werden aber sämtliche Bücher, meistenteils kleine Schulbücher, mit einem Wert von nur zehn Talern verzeichnet. Als Vergleich: Sein Besitz an Porzellan und Gläsern wird mit fast 17 Talern beziffert.[2]

Auf jeden Fall fühlte sich Hochgesang in Cappenberg unterbezahlt, besonders, wenn er sein Gehalt mit dem des damaligen Kaplans Berning verglich. Dem Maire von Bork legte er 1811 auf dessen Anfrage seine Einkünfte dar.[3] Laut Bestallungsdekret vom 2. Juni 1806, unterzeichnet von Seiner Königlich Preußischen  Majestät, standen ihm jährlich 200 Reichsthaler Berliner Courant zu, die ihm von der Domänenkasse ausbezahlt wurden. Für diesen Betrag verpflichtete er sich, einen Messdiener für die Cappenberger Kirche zu stellen und an Sonn- und Feiertagen die Frühmesse zu halten. Als weitere Einnahmen standen ihm das Schulgeld pro Kind von einem Gulden, bzw. 16 Gute Groschen (2/3 Taler), zehn Taler aus dem Schulfond von Münster und vier bis sechs Taler aus Verpachtungen zu. Von diesem Geld sah er aber nicht viel. Fast die Hälfte seiner Schüler konnte das Schulgeld nicht aufbringen, die Zulage aus Münster erhielt er seit 1807 nicht mehr und die Pächter, die geneigt waren, die neuen Agrargesetze sehr großzügig zu ihren Gunsten auszulegen, glaubten sich nicht nur von Abgaben, sondern auch vom Pachtzins befreit.

Eine neue Schulorganisation solle in Arbeit sein, so hatte Hochgesang gehört, und in die setzte er seine erste Hoffnung auf eine zukünftig vollständige Bezahlung. Den Maire Fuisting bat er um Unterstützung, ein Jahr später den Präfekten des Ruhrdepartements Romberg – alles vergeblich. Der Vorschlag des Präfekten, einen Teil der Schulgelder aus der Kommunalkasse von Werne bezahlen zu lassen, falls es richtig sei, dass die Hälfte der Cappenberger Schulkinder in Werne wohne, wurde vom dortigen Maire Schlebrügge wortreich zurückgewiesen.

Während der Zeit des Großherzogtums konnte die unvollständige Entlohnung Hochgesangs nicht aus der Welt geschafft werden. Aus der nachfolgenden preußischen Zeit sind aber keine Klagen Hochgesangs zu diesem Thema mehr in den Akten.

Skizze: cg

Dafür musste Schlebrügge – inzwischen Landrat des Kreises Lüdinghausen – dem Vikar 1819 auf Anweisung der Regierung helfend beispringen. In Cappenberg und Umgebung machte das Gerücht die Runde, Hochgesang habe sich der Regierung gegenüber in dem Sinne geäußert, dass dem Landrat ein Geistlicher in Cappenberg genügen würde.[4] Der Cappenberger Pfarrer Berning war gestorben und Hochgesang hatte sich in einem privaten Schreiben um die frei gewordenen Stelle beworben. Diesen Brief, von dem eine Abschrift im Dorf kursierte, nutzten interessierte Kreise, um den Vikar in Verruf zu bringen, der mit seiner Bewerbung den Vorschlag verbunden hatte, die Schullehrerstelle vorübergehend - nicht auf Dauer - mit einem Substituten zu besetzen. Hochgesang würde bei der Gemeinde in ein schlechtes Licht gerückt, schrieb der Landrat, und der Bürgermeister möge den Kuraten und späteren Pfarrer Kemner und die Vorsteher der Bauerschaften über den tatsächlichen Zusammenhang belehren. Ein Gehilfe wurde Hochgesang allerdings zur Seite gestellt. Wilhelm Kiese aus dem Kirchspiel Werne unterrichtete ab dem 15. April 1819 in der Cappenberger Schule und war dort mindestens bis 1821 tätig.[5]

Schule hielten Hochgesang und seine Nachfolger bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in dem ehemaligen Waschhaus im Schlosspark, östlich vom Schloss gelegen. In dem massiven Gebäude bezog der Lehrer eine Wohnung. Gartengrundstücke und eine Wiese standen ihm zur persönlichen Nutzung zur Verfügung. 

Stein kommt nach Cappenberg

Die 1816 erfolgte Übernahme der Domäne Cappenberg durch den Freiherrn vom Stein  brachte in das Leben des Lehrers eine willkommene Abwechslung und neue Kontakte. Stein interessierte sich durchaus für die Schule auf seinem Grund und Boden. In einer schriftlichen Anweisung an den Oberförster Poock vom 10. Oktober 1817 genehmigte er die Überlassung von hundert Ruten an die Schule, damit Hochgesang dort eine Baumschule anlegen konnte. Die Bedingung dafür war aber, dass der Lehrer für die Pflanzungen und die Unterrichtung der Kinder Pläne vorlegte.[6] Als Hochgesang rund zehn Jahre später hoffte, von Stein Platz für einige Maulbeerbäume zu bekommen, um damit den dringenden Wunsch der Regierung nach Förderung des Seidenbaus zu erfüllen, hatte er scheinbar keinen Erfolg.

Einmal konnte Hochgesang auch etwas für den Staatsminister tun. Wohl auf seine Vermittlung hin, wurde Stein die Mitgliedschaft in dem Philosophisch-Medizinischen Vereine zu Würzburg angetragen. Hochgesang durfte Stein das Diplom dazu überreichen, was dieser auch sehr huldreich und gnädig anzunehmen geruhte.[7]

Hochgesangs Briefe anlässlich des Todes Steins

Drei Briefe Hochgesangs an den Erzbischof von Köln Graf Ferdinand August von Spiegel, die diesen über Steins Erkrankung, dessen Tod und das Begräbnis informierten, belegen eine Nähe zum Steinschen Haushalt und detaillierte Kenntnisse über den Hausherrn.

Die Erkrankung Steins  im Februar 1829 war erst als eine Erkältung abgetan worden, weil er sich kurz vorher an einem kalten, windigen Tag auf den Weg zur Kirche nach Lünen gemacht hatte. Als keine Besserung eintrat, rief Stein den jungen, aber vertrauenswürdigen Arzt Dr. Wiesmann aus Olfen zu sich. Der konnte helfen. Sicherheitshalber zog der Arzt noch einen Professor und Regimentsarzt aus Münster hinzu. Als eigentliche Ursache der Beschwerden erkannten beide einen zu hohen Schweinefleischkonsum und ungesunde  Essensgewohnheiten, weshalb sie Stein auf Diät setzten.

Dass Hochgesang liebend gern seine Lehrerstelle in Cappenberg gegen eine andere Aufgabe getauscht hätte, machte er am Ende des ersten Briefes an Spiegel überdeutlich. Mit treuseligen, offenen Worten pries er die Schönheit Kölns und der Rheinlandschaft und schrieb: Oh! dachte ich wohl öfters: bescherte der liebe Gott dir hier ein für dich passendes Plätzchen, wie glücklich! wie froh! würdest du sein![8]

Den zweiten Brief an Spiegel verfasste Hochgesang eine Stunde nach dem Tod Steins, den er in dessen Krankenzimmer miterlebt hatte, und zehn Tage danach berichtete er nach Köln über die Testamentseröffnung und den Beginn des feierlichen Leichenzugs von Cappenberg nach Nassau. Die erste Etappe nach Lünen begleitete eine große Menschenmenge: die Dienerschaft, die Einwohner, die Bürgermeister aus Bork, Werne und Lünen, das Gerichtspersonal aus Werne; die Herren Pfarrer aus Bork, Werne, Selm, Süd-und Nordkirchen; die beiden Leibärzte und endlich der Herr Landrat Schlebrügge und Herr Oberpräsident von Vincke, Excellenz.[9]

Hochgesangs Testament

Foto: cg

Hochgesangs Hoffnung auf eine Stellenveränderung erfüllte sich nicht. Bis zu seinem Lebensende am 27. August 1834 blieb er in Cappenberg. Die Inventarliste des Nachlasses, die zur Vollstreckung seines Testaments angefertigt werden musste, lässt vermuten, dass der Lehrer wohl ein auskömmliches Leben geführt hat.[10] 140 Taler, die bei Schulze-Wethmar hinterlegt waren, und einige kleinere offenstehende Zahlungen summierten sich zu einem Kapital von insgesamt 269 Talern, dem allerdings Forderungen in Höhe von rund 407 Talern entgegenstanden. Der Rentei Cappenberg schuldete er allein 88 Taler an Pachtgeldern; die Haushälterin Anna Maria Jörgen konnte einen Schuldschein aus dem Jahr 1833 über 55 Taler vorlegen; bei Pastor Schemm standen 174 Messen  und mehrere von ihm bezahlte Rechnungen offen; die Weinhandlung Melchior in Köln bekam noch 23 Taler. Für die Erben blieben durch Möbel und allerlei Hausrat summa summarum 789 Taler übrig, von denen die Haushälterin, die zur Miterbin bestimmt worden war, 116 Taler erhielt.

Februar 2016
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[1] Alfred Hartlieb von Wallthor, Das Lebensende des Freiherrn von Stein, in: Westfalen Bd. 35, Münster 1957, S. 8.
[2] LAV NRW W, Oberlandesgericht Münster II, Nr. 19.
[3] StA Selm, AB-1 – 244.
[4] StA Selm, AB-1 – 275.
[5] StA Selm, AB-1 – 220.
[6] Manfred Botzenhart, Freiherr vom Stein, 5. Band, Stuttgart, S. 661.
[7] Wallthor, Lebensende, S. 86.
[8] Wallthor, Lebensende, S. 87.
[9] Wallthor, Lebensende, S.88.
[10] LAV NRW W, Oberlandesgericht Münster II, Nr. 19.

 
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