aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Amtmann von Stojentin in eigener Sache

Christel Gewitzsch

31 Jahre alt war der Leutnant a. D. Carl Rudolph von Stojentin, als er 1841 kommissarischer Amtmann in Bork wurde. Er löste den vom Dienst suspendierten Friedrich Köhler ab. Als Gehalt standen ihm 400 Taler zu, doch gingen davon – mit kurzfristigen Ausnahmen – 100 Taler weiterhin an Köhler. Erst als dieser 1845 endgültig ohne Pensionsanspruch pensioniert wurde, war für Stojentin diese Verpflichtung ausgestanden.

Geldquellen

Gleich nach Beginn seiner Amtszeit hatte Stojentin eine unerwartet aufgetauchte Chance zur Verbesserung  seines Einkommens ergriffen. Von der Verwaltung der Postorganisation erhielt er das Angebot, als Postexpediteur tätig zu sein, denn seinen  Vorgänger Köhler hatte man auch von diesem Nebenamt suspendiert. Da Stojentin in mündlichen Erklärungen Zustimmung signalisiert worden war, trat er das Amt an, bevor eine offizielle Genehmigung dazu vorlag. Und die bekam er auch nicht. Landrat Schmising verwies auf die große Unordnung in den übernommenen Dienstpapieren[1] und erinnerte Stojentin an die notwendige Einstellung eines Gehilfen für die laufende Arbeit. Der Gehilfe wurde eingestellt und Schmising leitete den Antrag Stojentins an die Regierung weiter. Die wollte erst dann zustimmen, wenn sie von der völlig geordneten Verwaltung in Bork überzeugt werden konnte und tadelte außerdem die ohne Erlaubnis erfolgte Übernahme der Post-Expedition.

Der Borker Gemeinderat erkannte die missliche finanzielle Lage des Amtmanns an und war bereit, ihm 100 Taler Zulage zuzubilligen. Und 1842 äußerte sich auch die Regierung nach einer Revision zufrieden mit der Arbeit Stojentins und genehmigte 50 Taler aus der Amtskasse, falls der Amtmann nachweisen konnte, dass das Personen-Register vollständig angelegt worden war. Stojentin musste jahrelang mit schwankenden Einnahmen haushalten und sorgte sich um die Zukunft seiner immer zahlreicher werdenden Familie. Der seit 1839 verheiratete Amtmann hatte 1843 Frau und vier Kinder zu versorgen.  Einige Monate vor der Pensionierung Köhlers hatte die Regierung insofern ein Einsehen, indem sie Stojentin erstens eine Entschädigung als Vorsteher der Gemeinde Bork von 37 Talern aus der Gemeindekasse bewilligte und zweitens - etwas später - dem Beschluss der Borker Amtsversammlung zustimmte, Stojentin eine Büromietsentschädigung von jährlich 30 Talern zu zahlen. Als die Abgabe an Köhler wegfiel, war es mit der Büromiete aber sofort vorbei, so dass Stojentin nur 22 Taler und 15 Silbergroschen erhielt. Rund ein Jahr danach bewilligte man ihm die Entschädigung wieder.

Geldforderungen

Mit der Büromiete hatte es noch eine besondere Bewandtnis. Nach Köhlers Suspendierung  schaffte Landrat Schmising die Registratur des Amtes in das Haus des Beigeordneten Lenfert. Stojentin konnte nach seinem Amtsantritt im Ort keinen anderen Platz für ein Büro finden, woraufhin Lenfert, wie er schreibt, auf Anordnung des Landrats ein Zimmer zu dessen Geschäftsführung herrichtete. 35 Taler forderte er nun dafür und die Amtsversammlung hatte sich zur Übernahme dieser Kosten bereit erklärt. Schmising aber lehnt ab. Die Entrichtung dieses Miethgeldes fällt Ew. Hochwohlgeboren zur Last. Hätten Sie gleich nach Ihrer Ankunft in Bork das Bureau zu sich ins Haus genommen, so hätte wohl die Gemeinde dem p. Lenfert Entschädigung zahlen müssen, weil ich bei Suspendirung des p. Köhler die Registratur in sein des Beigeordneten Haus geschafft hatte. Aber jetzt weiß ich solche Ausgabe zur Last der Gemeinde nicht zu rechtfertigen.

Stojentin weigerte sich zuerst, diese Miete zu zahlen. Unter anderem auch deshalb, weil er Lenfert in früheren Zeiten mehrmals dazu aufgefordert hatte, ihm die Höhe seiner Forderungen zu nennen. Damals hatte dieser erwidert, daß er eine besondere Miethe nicht fordere. Die jetzt genannte Summe erschien Stojentin viel zu hoch. Als er aber eine erste Mahnung vom Landratsamt erhielt, wird er wohl klein beigegeben haben. Eine zweite Erinnerung taucht nicht auf.

Geldminderung

Nachdem den Amtmann 1846 die Mitteilung über eine Einkommensminderung erreichte, Überschüsse aus der Klassen- und Gewerbesteuer sollten ihm nicht mehr zustehen, versuchte er, auf anderem Wege eine bessere Bezahlung zu erreichen. Er brachte das in der Landgemeindeordnung angeführte Maximum von drei Silbergroschen pro Kopf der Bevölkerung ins Gespräch. Danach stünde ihm ein Gehalt von 464 Talern und 18 Silbergroschen zu. Seine Bitte untermauerte er wie folgt: ..., als es Ew. Hochgeboren nicht unbekannt ist, wie ich allein für Wohnungsmiethe jährlich 60 T. entrichten, dabei die Lebensbedürfnisse sehr theuer erstehen muß und eine zahlreiche Familie zu ernähren habe. – Wenn ich nun ferner noch erwäge, wie ich durch verschiedentliche Gehalts Abzüge zur Bestreitung der Gehalts-Competenz des früheren Bürgermeisters Köhler in den früheren Jahren bedeutend benachtheiliget worden, so hatte ich der Hoffnung um so mehr mich hingeben können, endlich einmal ein bestimmtes ausreichendes und unverkürztes Einkommen zu erzielen, wodurch ich in den Stand gesetzt wurde meine und meiner Familie Subsistenz zu sichern.

Geldbedürfnis

Dieses schrieb Stojentin im Januar 1847. Er hatte damit keinen Erfolg. Im Juli des Jahres wandte er sich erneut mit einer Eingabe an die Regierung. In der folgenden Vorschrift eines Briefes stellt er seine finanzielle Lage ausführlich dar:

Bork 7.7.1847
Die Gehaltserhöhung des unterzeichneten Amtmanns betreffend

Die K.H. Reg. hat durch neben allegirte hochverehrliche Verf. auf den gehorsamst wieder beygefügten Beschluß der Amtsversammlung vom 20ten Januar d.J. nur genehmiget, daß mein Einkommen als Amtmann um 30 T. jährlich von 1845 ab erhöht werde, da es nicht in der Absicht des Gesetzes liege den seitherigen Normalsatz bis zu dem durch die Landgemeinde-Ordnung gedachten Maximum von 3 Sgr. auf den Kopf der Bevölkerung zu erhöhen und Seitens Herrn Ober-Präsidenten bei Festsetzung des Normalen Gehalts meinen Verhältnissen wohl erwogen seien.

Wenn nun zwar die Landgemeinde-Ordnung nicht ausdrücklich ausschließt, daß den Amtmännern ohne weiteres der Normalsatz des Gehaltes bewilliget werden soll, so ist doch die Höhe des Gehalts hauptsächlich von der Zustimmung der Amts-Verordneten abhängig gemacht, und glaube ich daher, zumal da aus dem vorgedachten Beschluß der Amts-Versammlung die Absicht deutlich zu erkennen, wenn seitheriges Einkommen, in Rücksicht meiner Lage, meinen früher erlittenen Verlusten durch die dem ehemaligen Bürgermeister Köhler nachträglich noch zugestandenen Gehalts-Competenz, so wie in Betracht der gegenwärtigen Theuerung und namentlich in Hinblick auf die von mir nicht anders als für 60 T. zu erzielende Wohnungsmiethe, zu erhöhen – mich wohl befugt erachten zu dürfen, gehorsamst bemerklich zu machen, wie mir durch die von K. H. Reg. bewilligte Gehaltszuschuß von 30 T. eigentlich nur dasjenige wiedergegeben, was mir durch die Nichtzahlung der Klassen- und Gewerbesteuer-Ueberschüsse (welche ungefähr so viel betrugen) entgangen worden. Daß übrigens die Amtsverordneten nicht nur durch den augenblicklichen Stand der Dinge zu der Ueberzeugung gelangt, daß mein seitheriges Diensteinkommen zu erhöhen sei, dafür bürgen schon sämmtliche über diesen Gegenstand eingereichten Beschlüsse des früheren Gemeinderaths und der jetzigen Amtsversammlung, die alle die Verbesserung meines Einkommens im Auge haben. Aber auch Ew. Hochgeboren werden die Ueberzeugung gewonnen haben, daß ich mit einer zahlreichen Familie bei der hier vorherrschenden Theuerung der Lebensmittel und den obwaltenden Schwierigkeiten in Beschaffung eines nur irgend zureichenden Unterkommens außer Stande bin von den mir von K. H. Reg. zugebilligten Diensteinkommen einen geeigneten Haushalt sorgenlos unterhalten und zur Tilgung meiner Schulden in entsprechender Weise wirken kann. Daß ich in einer hülfsbedürftigen Lage mich schon zur Zeit meiner Anstellung befand, ist durch des Herrn Ministers v Rochow und des verstorbenen H. Oberpräsidenten v Vinke Excellenzen wie aus dem gehorsamst beigefügten Originalbescheide klar zu ersehen, hinreichend anerkannt und bin ich den Königl Hochlöblichen Regierungen der Provinz Westphalen dieserhalb auch zur baldigsten Verleihung einer meinen Verhältnissen und meiner Qualification entsprechenden Stelle dringend anempfohlen. – Meine Anstellung ist inzwischen, nachdem auch Sr. Majestät der König, wie das gehorsamst abschriftlich ferner beigefügte Rescript der Ministerien des Krieges und des Innern vom 17 August 1841 darthut, mir die Anstellungsbefähigung allergnädigst ertheilt hat, erfolgt, indeß entspricht die Höhe des Diensteinkommens meinen bedrängten Verhältnissen in keiner Weise, wie dieses die seither auf Erhöhung meines Einkommens gestellten Anträge der Gemeinderäthe und Amts-Verordneten schon allein bekunden. In betreff meines Unterkommens habe ich nur mit großer Mühe für mich und meine Familie eine beschränkte Wohnung für den hohen Preis von 60 T jährlich erzielen können und nur selten wird sich selbst bei günstiger gestellten Verhältnissen ein Bürgermeister oder Amtmann im Regierungs-Bezirk Münster befinden, dessen Einkommen durch die Beschaffung der Wohnungsmiethe um 60 T vermindert wird. Ein großer Theil hat sogar Dienstwohnungen und erhält Büreaumiethe neben bei gezahlt, während ich durch Hergabe des Büreau-Locals, das geräumigste Zimmer meines Hauses, bei dem Heranwachsen meiner 5 Kinder in einer Weise eingeschränkt mich befinde, daß ich zur Verlegung desselben in ein anderes Haus, also noch zu besonderen Kosten, mich baldigst veranlaßt sehen werde.

Unter Darlegung dieser Umstände wird also eine Verbesserung meines Einkommens wohl für billig erachtet werden, um so mehr, da die Amts-Versammlung ihre ausdrückliche Einwilligung ertheilt und die nöthigen Geldmittel bei Aufstellung der verschiedenen Etats bereits zur Disposition gestellt hat.

Ich bitte daher gehorsamst, meine Lage nochmals gehörig in Erwägung ziehen und der Königl. Hochlöbl. Regierung auf Grund dieses Berichts und der beigefügten Anlagen geneigtest Vortrag machen zu wollen, damit mir wenigstens die nach dem Beschlusse der Amts-Versammlung im Januar v.J. seit 1845 noch zustehenden 30 T jährlich (nachdem ich bereits 30 T jährlich empfangen) nachträglich noch von Königl. Hochlöbl. Regierung wenn auch nur als laufende Zulage oder als Büreaumiethe zugestanden werde.
Der Amtmann v Stj.

Witwengeld

Inwieweit Stojentin mit diesem Brief erfolgreich war, lässt sich nicht sagen. In der Akte taucht dieses Thema nicht mehr auf. Erst nachdem Stojentin nach mehrjähriger Krankheit – er klagte über langes Leiden an der Lunge, Brust und Leber, so wie ... andauernde rheumatische und gichtische Körperbeschwerden – am 14. Dezember 1855 nachmittags um ½ 2 Uhr starb, erfahren wir durch die Zahlungen an die Witwe die Höhe seines letzten Gehalts. Es betrug 475 Taler, so dass der Witwe für den Sterbemonat Dezember und dem Gnadenmonat Januar zusammen 79 Taler und fünf Silbergroschen zukamen.

Für den 8. Januar 1856 lud Landratsvertreter Rospatt Amts- und Gemeinderäte zu einer Versammlung ein, auf der die interimistische Verwaltung der dortigen Bürgermeistereistelle beraten und den Gemeinderäthen der Einzelgemeinden ein Vorschlag betreffend die Fürsorge für die verwittwetet Frau Bürgermeister von Stojentin zur Berathung und Beschlußfassung vorgelegt werden sollte.
November 2018
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[1] und alle folgenden Zitate: StA Selm, AB-1 – 26.

 
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