Anmietung oder Neubau eines Amtshauses?
Christel Gewitzsch
Im Frühjahr 1891 flatterte Amtmann Döpper eine Kündigung zum 1. Mai 1892 auf den Tisch. Seine bisherige Amtswohnung im Schürmannschen Haus war per Erbschaft an Hugo Reygers gegangen, der das Mietverhältnis aufkündigte. Eine neue Wohnung für die Familie Döpper, einschließlich einer Amtsstube, musste auf die Schnelle gefunden werden. Zuerst erklärte sich die Amtsversammlung in Bork damit einverstanden, eine eigene Baumaßnahme ins Auge zu fassen. Gemeindevorsteher und Amtmann sollten sich nach einem Bauplatz umsehen und sogleich Kontakt zum Kreisbaumeister Wethmar in Lüdinghausen aufnehmen, damit dieser einen Kostenvoranschlag und Bauzeichnungen anfertigte. Im Mai legte Wethmar die gewünschten Papiere vor. Er räumte ein, großzügig geplant zu haben, doch könne man kann eher etwas ablassen als zusetzen. Sein Kostenvoranschlag belief sich auf 17.000 Mark.(1)
Anmietung
Drei Monate später lehnte die Amtsversammlung eine weitere Verfolgung dieses Planes ab. Stattdessen verhandelten Vorsteher Schulze Wethmar und Oberrentmeister Hintze im Auftrag der Amtsversammlung mit dem Bauunternehmer Aloys Kirschner über die Anmietung des Wohnhauses der Maria Finger, Witwe des Dr. med. Finger, geborene Zangerl. Nach längeren Verhandlungen kam es zu einer Einigung und schließlich wurden zur definitiven Abschlusse eines Mietsvertrages mit dem p Kirschner, welcher sich als Bevollmächtigter der Frau Wittwe Zangerl zu legitmiren hatte, die Herren 1. Schulze Wethmar zu Hassel, 2. Vorsteher Spinn Evert zu Selm, 3. Vorsteher Borgschulze in Altlünen, 4. Oberrentmeister Hintze zu Cappenberg von der Versammlung beauftragt, welche die Wahl annahmen.(2)
Am 30. April 1892 wurde folgender Vertrag geschlossen:
Miethvertrag(3)
zwischen den Unterzeichneten als
1. den Bauunternehmer Aloys Kirschner zu Dülmen, Bevollmächtigter der Frau Wittwe Dr. med. Finger zu Bork, als Vermiether und
2. dem Amte Bork, vertreten gemäß Sitzungsprotocoll vom 5. August 1891 – durch den Beigeordneten Oberrentmeister Hintze zu Cappenberg und die Amtsverordneten ist heute folgender Miethvertrag abgeschlossen worden:
§1.
Es vermiethet der Bauunternehmer A. Kirschner zu Dülmen, Namens der Frau Wittwe Dr. med. Finger zu Bork, an die sub. 2 aufgeführten Vertreter des Amtes Bork die in dem der Frau Wittwe Dr. med Finger gehörigen unter Nr. 1 in Bork gelegenen Wohnhause vorhandenen in dem anliegenden Grundriß mit a bezeichneten Wohn- und Wirthschaftsräumen. Dieselben bestehen aus vier Kellern, sechs Piècen [Räume] und 1 Abort im Erdgeschoß, fünf Piècen und 1 Abort in der Etage sowie in dem Dachbodenraum über diesem Gebäudetheil.
§2.
Der hinter dem Haus liegende Garten, welcher im Grundriß mit b.c.d.e. bezeichnet und durch Anlage einer lebenden Hecke von dem übrigen Theil des Gartens getrennt worden, sowie der Hofraum, sind in der Vermiethung eingeschlossen.
§3.
Das Trottoir sowie die Treppe vor dem Hause an der Straße werden vom Vermiether nach Anweisung abgeändert. Ferner wird die Einfahrt zum Hofe an der Stiege zugemauert und in der Mauer eine verschließbare Pforte angebracht; der Hof selbst aber durch eine vom Vermiether aufzuführende Mauer von dem übrigen Theil des Hofes getrennt. Der Brunnen resp. die Pumpe auf dem Hofe ist in verabredeter Weise den Miethern zur Disposition zu stellen.
§4.
Die in §1. bezeichneten Räume werden vom Vermiether in gutem wohn- und brauchbarem Zustande den Miethern, welche darüber frei verfügen können, übergeben. – Eine nähere Beschreibung des Zustandes derselben soll dem gegenwärtigen Miethvertrage angeschlossen werden.
§5.
Die Vertretung des Amtes Bork ist verpflichtet die gemietheten Räume in einem guten und brauchbaren Zustande beim Ablaufe des Miethvertrages zurückzuliefern.
Etwa erforderlich werdende Anstreicher- und Tapezier-Arbeiten während der Dauer der Miethzeit haben Miether zu tragen, welche auch alle Reparaturen die während der Dauer des Mietvertrages nothwendig werden und den Kostenbetrag von 5 Mark für jede einzelne Reparatur nicht übersteigen, ausführen lassen müssen.
Für die Abnutzung der Thüren, Fenster, Schlösser pp durch die Zeit und dem Gebrauch ist beim Ablauf des Miethvertrages keine Vergütung vom Miether zu gewährend, wohl aber sind alle vorerwähnten Gegenstände in gutem brauchbaren Zustande alsdann zurückzuliefern.
§.6.
Die Kosten für Reinigen der Schornsteine, der Aborte, für die Abfuhr des Kehrichts und der Asche, sowie für das Reinigen der Straßen und Rinnen von Schnee und Eis, werden von den Miethern getragen.
§7.
Die Dauer der Miethzeit wird auf zehn Jahre und zwar vom 1. Mai 1892 bis dahin 1902 festgesetzt, jedoch mit der Maaßgabe, daß die Vertretung des Amtes Bork berechtigt ist, nach Ablauf von fünf Jahren gegenwärtigen Miethvertrag aufzuheben. Im letzteren Falle müssen Miether ein halbes Jahr vorher kündigen.
§8.
Die Miethe beträgt pro Jahr 750 Mark, buchstäblich
- Siebenhundertfünfzig Mark –
und muß in einer Summe postnumerando bezahlt werden.
§9.
Gegenwärtiger Miethvertrag soll in duplo ausgefertig und jedem Theile ein Exemplar behändigt werden. Die Stempelkosten trägt die Vertretung des Amtes Bork.
(Rand: Der nebengedachte §9 fällt in soweit aus, als anstatt des Duplums eine beglaubigte Abschrift angefertigt worden ist. Döpper Amtmann)
Bork, den 30. April 1892
Hintze, Beigeordneter, Wethmar, Borgschulze, Witthoff, Kirschner
Vor Abschluss des Vertrages musste der Amtmann sich bereit erklären, für die von ihm zu benutzenden Wohnräume pp dem Amte eine Mietsentschädigung von jährlich 300 Mark zu zahlen.
Nachträglich entschied die Amtsversammlung, dem Amtmann Döpper für Beschaffung des Materials zur Heizung der Bureauöfen, Einlegen des Feuers, Reinhaltung des Bureaus und Putzen der Fenster vom 1.5. c. ab jährlich fünf und siebzig Mark aus der Amtskasse zu bewilligen, was den Amtmann auf die Idee brachte, dies auch für die Zeit vor dem 1. Mai zu fordern. Da drei Amtsverordnete fehlten, vertagte die Versammlung die Entscheidung darüber. Ein Jahr später lehnte sie Döppers Antrag ab, da sie sich nicht für competent erachte, die von dem Amtmann Döpper beanspruchte Entschädigung für die Zeit vor dem 1.5.92 zu bewilligen.(4)
Im Laufe der Zeit kam es zu einer Aufstockung des Amtspersonals. Um die Räumlichkeiten anzupassen, genehmigte 1896 der Kreisausschuss die außerplanmäßige Ausgabe von 200 Mark für die Umänderung eines Zimmers und den Bau einer Toilette. Wände wurden versetzt, neue Fußbodenbretter gelegt, Türen angepasst und der Kellereingang verlegt. Das Zimmer wurde tapeziert, Decken und Wände mit Leimfarbe gestrichen, Türen, Fenster und Fußböden mit guter Oelfarbe.(5) Für den Abort wurden Mauern gezogen, ein feiner Wandputz aufgebracht, das Dach mit Zink abgedeckt, Röhren eingebaut und alte Sitze passend gemacht und wieder verwendet.
Kauf oder Vertragsverlängerung?
Die Witwe des Bauunternehmers Kirschner aus Dülmen fragte im Juli 1900 beim Amt Bork an, ob es gewillt sei, schon vor Ablauf der Pachtzeit die Besitzung zu kaufen. Die Amtsverordneten sahen sich daraufhin das Gebäude und die Umgebung genauer an und fragten nach, ob die gesamte Finger’sche Besitzung zum Verkauf stand und welcher Preis der Witwe vorschwebte.
Amtmann Busch formulierte das in seinem Schreiben an Frau Kirschner folgendermaßen: Ich bemerke hierbei schon jetzt ergebenst, daß das Amt nur einen mäßigen Preis zahlen wird, weil event. zur gründlichen Instandsetzung besonders des westlichen Anbaues und zur Umänderung der ganzen Einrichtung noch hohe Kosten Aufwendungen erforderlich sind. Kann event. sofortige kostenfreie Übereignung erfolgen?
Da ich mit einem Grundbesitzer bereits Unterhandlungen angeknüpft habe behufs Erwerbung eines Bauplatzes für ein neues Amtsgebäude, so darf ich wohl um recht baldigen Bescheid bitten.
Maria Finger wollte gar nicht verkaufen, was in Bork die Frage nach den Bedingungen eines neuen Mietvertrages aufbrachte. Wieder drängte Busch auf eine schnelle Beantwortung und die Notwendigkeit von günstigeren Bedingungen. Frau Finger teilte aber nur mit, dass sie geneigt sei, nach Ablauf des jetzigen Kontraktes einen neuen Miethsvertrag mit der Gemeinde Bork zu beiderseitiger Zufriedenheit zu schließen. Ihre nachfolgenden persönlichen Anmerkungen - Höre von meiner Tochter, daß Sie, Ihre liebe gute Frau u. l. Kinderchen sich der besten Gesundheit und Zufriedenheit erfreuen. Mit den herzlichsten Grüßen an Sie, Ihre liebe Frau, zeichnet sich mit aller Hochachtung – hielt der Amtmann in diesem Zusammenhang wohl für unangemessen. Sie wurden durchgestrichen.
Die Zeit verging. Ein Vierteljahr später versuchte der Amtmann, einen Verhandlungstermin mit Frau Finger festzulegen. Bis zum 10. Februar 1901 wollte Busch das erledigt wissen, doch Frau Finger hatte ganz andere Vorstellungen. Sie sah sich nicht in der Lage, einen Termin festzusetzen: ... da das Wetter zu ungünstig ist und ich auf meinen Gesundheitszustand Rücksicht nehmen muß. Werde aber nicht verhehlen Sie dann in Kenntniß zu setzen, wenn der Termin wegen Weitervermiethung meines Hause statt finden soll. Vor dem 20. bis 22. Februar, so schrieb sie später, könne sie keineswegs nach Bork kommen. Erst Mitte Mai meldete sie sich wieder und kündigte an, am 21. des Monats zu Verhandlungen bereit zu sein. Amtmann Busch bestellte umgehend die drei Gemeindevorsteher für nachmittags vier Uhr auf seine Amtsstube.
Aus der einliegenden Handacte betr. den Neubau eines Amtshauses nebst einer Wohnung für den Amtmann in Bork. (1907-1912) geht hervor, dass ein weiterer Mietvertrag abgeschlossen wurde und zwar mit einer Laufzeit bis 1912. Fünf Jahre vorher sah sich das Amt gezwungen, zwei weitere Zimmer im Nebenhaus für 120 Mark anzumieten. Auch dieser Vertrag sollte bis 1912 gültig sein. In derselben Sitzung beschloss die Amtsversammlung erneut, eine Kommission zu bilden, die sich auf die Suche nach einem Grundstück für ein Amtshaus machen sollte.
1909 mietete das Amt vom Kaufmann Bernard Hentzel zusätzliche Wohn- und Wirtschaftsräume im Haus Nr. 62, dem früheren Haus des Ziegeleibesitzers und Vorsitzenden der Ortskrankenkasse Steinbusch. 600 Mark mussten dafür pro Jahr aufgebracht werden.
Die Verhandlungen über das Mietobjekt Nr. 1 wurden ab 1909 mit der Erbengemeinschaft Finger geführt. Im ersten Kontakt ging es um einen neuen Anstrich für das Gebäude, oder doch mindestens für die Holzteile. Die Erben meinten, das Haus entspräche dem Vertrag, räumten aber ein, vielleicht vorbeikommen zu wollen, um die Notwendigkeit der Arbeiten zu überprüfen.
Ein Jahr später wollten sie das Haus verkaufen und fragten, ob das Amt interessiert sei. 50.000 Mark wollten sie dafür haben. Als Aloys Finger, der die Erben in dieser Sache vertrat, einige Monate später von einem ihm vorliegenden Angebot von 45.000 Mark schrieb, bot Bork wegen des schlechten Zustands und der daraus resultierenden hohen Reparaturkosten 30.000 Mark. Der Verkauf kam nicht zustande.
Ebenso wenig wie der Kauf der Besitzung des Hugo Reygers, der sein Haus dem Amt für 180.000 Mark anbot.
Neubau
Im Oktober 1910 kam die Amtsversammlung zu dem Schluss, dass die verstreut untergebrachte Verwaltung auf Dauer nicht effektiv arbeiten konnte. Deshalb erklärte sie sich mit der Errichtung eines neuen Amtshauses ausdrücklich u. bedingungslos einverstanden.(6)
Ein Bauplatz war schnell gefunden. Schon Ende Dezember 1910 beschloss die Versammlung den Kauf eines ungefähr vier Morgen großen Grundstücks der Witwe Sommer zum Preis von 30.000 Mark. Alle weiteren Planungen und Entscheidungen sollten so vorangetrieben werden, dass das neue Amtshaus am 1. Mai 1912 bezogen werden konnte.
Mitte 1911 entschieden die Amtsverordneten, den Neubau in die Hände der Architekten Dietrich und Karl Schulze aus Dortmund zu legen. Die Kosten wurden mit circa 153.000 Mark angegeben. Gleichzeitig schaltete das Amt in der Lüdinghauser und Lüner Zeitung Anzeigen, um zur Abgabe von Angeboten aufzurufen.
Die Erd- und Mauerarbeiten gingen an den Bauunternehmer Otto Holzknecht. Stefan Franzen sollte die Zimmer-, Ignaz Schnellhardt die Dachdecker- und Hechtkauf aus Bork die Klempnerarbeiten erledigen. Die Ausführung der Glaser-, Anstreicher- und Linoleum-Arbeiten am Neubau wurde dem Anstreichermeister F. Kortenbusch übertragen. Es wurde dabei zur Bedingung gemacht, dass die Firma Schröder und Baum aus Dortmund das Linoleum verlegte. Für die Ausführung der Kunststeinarbeiten waren die Zementfabrik J. B. Schroer aus Dortmund und das Ibbenbürener Sandsteinwerk im Gespräch. Der Amtmann durfte nach Eingang der Offerten entscheiden, ob Natur-oder Kunststein verwendet werden sollte.
Mit einer minimalen Zeitverzögerung wurde zum 14. Mai 1912 zur Einweihung des Amtshauses eingeladen. Zur Feier des Tages fand mittags in der Gastwirtschaft Fork ein Festessen statt. Alle Amtseingesessenen durften - nach Voranmeldung - daran teilnehmen.
November 2021
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1. StA Selm, AB-1 – 17.
2. StA Selm, AB-1 – 676.
3. StA Selm, AB-1 – 17.
4. StA Selm, AB-1 – 676.
5. und folgende: StA Selm, AB-1 – 17.
6. StA Selm, AB-1 – 676.