aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Apfeldiebe in Bork

Christel Gewitzsch

Foto: cg

Es war am Nachmittag des 20. Juli 1866 als der Kaufman Ludwig Cirkel aus Bork den Lehrer Sanders aufsuchte, um sich bei ihm über die Bosheit und den Mutwillen von zehn seiner Schülerinnen und Schüler zu beschweren. Sechs Jungen und vier Mädchen im Alter von neun bis 13 Jahren hatten sich auf dem Schulweg vom unreifen Obst in seinem Garten verführen lassen und die jungen, noch im Wachstum begriffenen Bäume mit Steinen beworfen. Die Bäume seien durch diese Attacken sehr beschädigt worden, deshalb bat Cirkel den Lehrer um Unterstützung. Er  solle den Kindern gehörige Vorhaltungen machen, denn außer ihm würden sich auch andere Leute im Ort über das Benehmen der größeren Schüler beklagen.

Wenn Cirkel geglaubt hatte, damit dem Treiben der Dorfjugend ein Ende gesetzt zu haben, wurde er gleich am nächsten Morgen eines Bessren belehrt. Ein anderer Schulknabe zielte wieder mit Steinen auf die Bäume und warf so die feinsten, aber noch unreifen Äpfel ab. Erbost machte sich der Kaufmann auf den Weg zur Amtsstube und erstattete dort Anzeige gegen die Eltern der Schüler. Es sei schließlich deren Pflicht, für eine gute Erziehung  ihrer Kinder zu sorgen. Neun Zeugen konnte Cirkel für die beiden Vorfälle benennen, die vom Beigeordneten Dörlemann, der zu dieser Zeit den Amtmann vertrat, auch gleich für Montag, den 23. Juli vorgeladen wurden.

Repro: cg

Zu einer Zeugenvernehmung kam es dann aber gar nicht mehr, denn am Sonntag erschienen die beschuldigten Schülerinnen und Schüler auf dem Amt und gaben sich ganz reumütig. In der Amtssprache liest sich ihr Geständnis so:

Wir müssen eingestehen, am 20ten d Mts. dem Kaufmann Ludwig Cirkel von hier eine Parthie unreifes Obst von seinem in der Anlage und in dem Obstgarten stehenden Bäumen geworfen und solches theilweise mitgenommen zu haben. – Wir haben wohl gewußt, daß wir solche Bosheit und solchen Muthwillen nicht ausüben durften; wir hatten indessen große Eßlust von den Früchten und ist es überhaupt unsere Absicht nicht gewesen, die jungen Bäume zu beschädigen, wenngleich dieselben durch das Werfen gelitten haben. Wir bitten um gelinde Strafe und versprechen, solche Handlungen in Zukunft nicht wieder zu begehen, sondern wollen wir uns besser aufführen.[1]

Auch der Übeltäter des zweiten Tages gestand alles sofort ein, legte aber Wert darauf, keinen einzigen der Äpfel mitgenommen zu haben, da solche in die Anlage fielen und [er] dieselben nicht bekommen konnte. Der kleine Bernard versprach Besserung und bat um eine milde Strafe.

Von Amts wegen wurden die Schüler überhaupt nicht bestraft, aber die Eltern mussten auf Grund des Paragrafen 42 der Feldpolizei-Ordnung von 1847 alle zehn  Silbergroschen für den Übermut ihrer Kinder bezahlen. Dieser Paragraf lautet:

Mit Geldbuße von zehn Silbergroschen bis zu zwanzig Thalern soll bestraft werden, wer unbefugter Weise: 1) von Allee- oder Feldbäumen oder von Hecken Laub abpflückt, oder Zweige abbricht; 2) aus Gärten, Weinbergen, Obstanlagen oder Alleen oder von Feldern, Aeckern oder Wiesen Gartenfrüchte, Feldfrüchte oder andere Bodenerzeugnisse von unbedeutendem Werthe oder in geringer Quantität entwendet; 3) Bäume oder Sträucher, welche in Gärten, Obstanlagen, Alleen, auf Aeckern oder sonst außerhalb eines Forstes stehen, oder Hecken und andere zur Einfassung von Grundstücken dienende Anpflanzungen abhaut, abbricht, ausreißt, ausrodet oder beschädigt.[2]

Welche Strafe den Kindern von den Eltern eventuell verabreicht wurde, ist in der Akte natürlich nicht vermerkt.  

Ob bei Taten dieser Art die Vorschriften der Feld-Polizei-Ordnung oder die Paragrafen des Strafgesetzbuches  für Diebstahl anzuwenden waren, schien nicht immer ganz eindeutig zu sein. In seinen Kommentaren bringt Hahn einige Beispiele[3], um die Unterscheidung zu verdeutlichen. So wird die Feld-Polizei-Ordnung bei Geringfügigkeit des Objekts und dem Mangel einer gewinnsüchtigen Absicht oder bei unveränderten Feldfrüchten, die noch nicht zu einem neuen Produkt verarbeitet wurden, herangezogen. Wird aber Torf entwendet, gilt dies als gewöhnlicher Diebstahl. Das Entnehmen von Bäumen oder Sträuchern außerhalb des Waldes fiel unter die Polizei-Ordnung,  das Fällen eines im Wald stehenden Baumes nicht. Die erneute Herausgabe der Feld-Polizei-Ordnung durch den Staatsanwalt Carl Hahn mit Ergänzungen und Erläuterung sollte für Klarheit sorgen. 

November 2015
______________________________
[1] StA Selm, AB-1 – 412.
[2] C. Hahn (Hg.), Feld-Polizei-Ordnung vom 1. November 1847, Breslau 1864, S. 18f.
[3] Ebenda.

 
Email