aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Bork bekommt eine Vorschule

Christel Gewitzsch

Wie schon im Text über die Borker Mädchenschule geschrieben, forderte der Regierungs-Schulrat Lahm 1860 nach einer Revision der Borker Schulen die Errichtung einer Vorschule. Für die 300 schulpflichtige Kinder seien die zwei vorhandenen Klassen nicht ausreichend. Mit dieser Forderung verschaffte er Amtmann Foecker für lange Zeit einen Haufen Arbeit.

Die Gemeindevertretung erklärte am 11. August 1860:
Wir sind im Allgemeinen gegen das Projekt der Errichtung einer Vorschule am hiesigen Orte nicht eingenommen und werden darauf Bedacht nehmen, daß solches, sobald es die Verhältnisse gestatten, zur Ausführung kommt. – Zur Zeit ist es nicht möglich, das jetzige Schulhaus in der Richtung auf das Spritzenhaus zu verlängern und hierdurch ein Lokal für die Vorschule zu gewinnen, weil der Neubau eines Spritzen resp. Arresthauses noch nicht beschlossen, auch wohl nicht in den nächsten 2 Jahren zur Ausführung gelangen wird, Die Gemeinde Bork kann diesen Neubau des Spritzenhauses, resp. Errichtung einer Vorschule nicht eher in Angriff nehmen, als bis sie sich einigermaßen bezüglich ihrer finanziellen Verhältnisse, welche sehr schlecht gestellt sind, indem die Gemeinde eine Schuldenlast von p.p. 20.000 Thlr. zu verzinsen hat, erholt hat. Ist Letzteres der Fall, so wollen wir die Errichtung einer Vorschule, welche wir zur Zeit als durchaus nothwendiges Bedürfniß nicht ansehen, in Ausführung bringen und müssen von Königl. Regierung bitten, vorläufig die Verhandlungen über diesen Gegenstand auf sich beruhen zu lassen.[1]

Der Schulvorstand schloss sich dieser Meinung an; Landrat von Landsberg wollte aber erst einmal genaue Zahlen vorgelegt bekommen. Die waren wohl überzeugend genug, denn die Regierung schrieb im September: Gegen die beabsichtigte vorläufige Aussetzung der Errichtung einer Vorschule zu Bork haben wir unter den vorgetragenen Verhältnissen Nichts zu erinnern, wenn die Gemeinde-Vertretung beschließen wird, zur Ansammlung eines Baufonds den dertheils vorgeschlagenen Betrag von 100 T jährlich aufbringen zu lassen.

Die 100 Taler könnten nicht zurückgelegt werden, meldete der Amtmann, der Etat sei schon festgelegt gewesen. Allerdings habe die Gemeinde 1.000 Taler angelegt, die könnten für den Bau verwendet werden, wenn nur ein Platz zur Errichtung des Spritzenhauses gefunden würde. Aus demselben Grund bat er auch im Juni 1862 um einen Aufschub von sechs Wochen. Als im September der Gemeinderat die Regierung bat, dass Projekt für weitere zwei Jahre auszusetzen, mussten wieder die vorhandenen Schulden und Kostenbelastungen für Wegebau etc. herhalten. Die Regierung ließ sich darauf ein, bestimmte aber Anfang 1863: Die Angelegenheit muß jedoch schon jetzt in der Weise gefördert werden, daß das Schulgebäude bis zum Herbst kommenden Jahres in Gebrauch gestellt werden kann.

Das Angebot des Johann Cirkel

Anfang 1864 setzten sich die Gemeindevertreter und der Schulvorstand erneut zusammen, um über den Neubau einer Vorschule zu verhandeln. Maurermeister Ferdinand Zangerl legte einen Bauplan und einen Kostenüberschlag für die bisherigen Planungen vor, nach denen das Schulhaus auf der westlichen Seite in Richtung des Spritzenhauses erweitert und das alte Schulhaus und der Vorschulneubau für Dienstwohnungen aufgestockt werden sollten. Dann informierte der Amtmann die Versammelten über das Angebot des Holzhändlers Leutnant Johann (auch mal Johannes) Cirkel, sein am Kirchhof gelegenes Wohnhaus nebst Anbau und Grünfläche von mehr als vierzig Ruthen der Gemeinde für 1.500 Taler zu verkaufen. Nach längerer Diskussion wurde beschlossen, den ersten Plan fallen zu lassen und auf das Cirkel‘sche Angebot einzugehen. Gemeinsam machte man sich auf den Weg, um das Wohnhaus in Augenschein zu nehmen und sich die Ueberzeugung zu verschaffen, ob das Gebäude dem projectirten Zwecke entsprechend eingerichtet sei. Nachdem man das qu. [quaestionirte = in Frage stehende] Gebäude zur Einrichtung einer Vorschule und zur Anlage von Dienst-Wohnungen für das Lehrerpersonal passend erachtet, trat man mit dem q. Cirkel in nähere Unterhandlung und wurden die bezeichneten Realitäten im Wege der mündlichen Vereinbarung für die Summe von 1490 T vorbehaltlich Genehmigung Königlicher Regierung acquirirt.

Die Regierung gab ihre Erlaubnis aber nicht umgehend. Sie wollte wissen, welche Wohnungen dort eingerichtet werden sollten und mit welchen Gesamtkosten zu rechnen sei. Wieder musste Ferdinand Zangerl tätig werden, wobei der Amtmann ihm aufgab, bei der Errechnung der Kosten einen mittleren Preis zu nennen, als sonst nicht zu erwarten steht, daß Königliche Regierung den Ankauf genehmigen wird.

Schwierigkeiten

Aus einer anderen Ecke kamen andere Vorbehalte. Der Gutsbesitzer Theodor Schulze-Dellwig aus Sölde meldete sich und erklärte, dem Verkauf des Hauses, welches ihm als Pfand übertragen war, nur zustimmen zu können, wenn die Hypothekenforderung der Sparkasse Lüdinghausen in Höhe von 1.300 Talern, diejenige des Herrn Brüning zu Botzlar über 75 Taler und weitere 115 Taler an die Sparkasse Werne abgetragen würden. Im Kaufvertrag, am 25. August 1866 von der Regierung genehmigt, heißt es dann, dass der Kaufpreis von 1.490 Talern beglichen wird, indem die Vertreter der Gemeinde Bork, Amtmann Föcker und Oeconom Richter, auf das Kaufgeld im Namen der Gemeinde die auf die Lüdinghauser Kreissparkasse eingetragenen 1.300 Taler als Selbstschuldner übernehmen und innerhalb der nächsten sechs Wochen die Gelder an Brüning und die Sparkasse Werne plus Zinsen bezahlen. Brüning übertrug seine Forderung an die Kaufleute Salomon und Herz Melchior aus Dortmund, die den Notar und Rechtsanwalt im Bezirk des königlichen Appellationsgericht in Münster Johann Hermann Laumann nach der Bezahlung mit der Löschung der Hypothekenforderung beauftragten.

Von Seiten der Lüdinghauser Sparkasse gab es Widerstand gegen die Entpfändung. Sparkassen Rendant Wormstall informierte im Februar 1865 den Borker Amtmann über eine laufende Klage gegen Cirkel, weil dieser die Zinsen von jährlich fünf Prozent nur bis zum Juli 1863 bezahlt hatte. Cirkel bekannte, die Rückstände aktuell nicht begleichen zu können, man müsse noch etwas Geduld haben. Es ging um rund 37 Taler. Mitte April kündigte Foecker der Kasse die Zahlung des Cirkel an. Vorsichtshalber erinnerte Wormstall an die Ende Dezember fällige Zahlung der Zinsen für das ausgeliehene Kapital, die nicht in die Schuldurkunde aufgenommen worden waren. Er ersuchte Foecker, dieses zu korrigieren und ihm zuzuschicken. Später stellte die Kasse in einem undatierten Schreiben die Freigabe des Hauses in Aussicht, wenn alle Ausstände beglichen seien.

In einem weiteren Schreiben äußerte sich der Justiziar der Kasse. Er begann mit der Bemerkung: Die Gemeinde Bork mag immerhin das Kapital des Cirkel als Selbstschuldnerin übernehmen, Um so besser! Er fuhr dann mit der Verweigerung der Entpfändung fort, weil sie dann nicht mehr die genügende Sicherheit haben würden. Auf vier Parzellen des Cirkel besaß die Kasse die erste Hypothek, die Gemeinde Bork hatte nur zwei davon gekauft.

Auch von der Sparkasse Werne kamen Einwände. Dem Rendanten Amtmann Custodis waren Unstimmigkeiten zwischen den Angaben Cirkels im Kaufvertrag und im Hypothekenbuch aufgefallen. Er schlug vor, daß Cirkel mit einer bescheinigten Situationszeichnung und einem Auszug aus dem Brandkataster so wie mit dem qu Vertrage hierher kommt, und eine etwaige nöthige mündliche Aufklärung gibt. Amtmann Foecker übernahm den Gang nach Werne, um dem Kollegen die verzwickte Situation zu erklären. Es schien ihm gelungen zu sein. 

Die Verzögerungen, die durch Cirkels Zahlungsunfähigkeit verursacht wurde, hielten weiter an. Er beschwerte sich beim Amtmann darüber, dass die 1.300 Taler noch nicht gelöscht worden waren und er deshalb keine Gelder, welche er dringend benöthigt, angeliehen erhalten könne. Doch um die Zahlung der ausstehenden Zinsen hatte er sich seinerseits noch nicht gekümmert. Noch Ende 1866 kam es zwischen den Beteiligten zum Briefwechsel über Hypothekenangelegenheiten. Am 16. Januar 1867 bestätigte das Königliche Kreisgericht in Lüdinghausen die Eintragung des Hauskaufs nebst Anbau in das Hypothekenbuch für Bork.

Fortschritte

Trotz all dieser Schwierigkeiten kam man in Bork einen Schritt weiter. Im März 1865 schaltete die Gemeinde in vier Zeitungen die Bekanntmachung über die Vergabe der Reparaturarbeiten an dem angekauften Haus und auch in Altlünen, Selm, Bork und Cappenberg gab man den Termin auf den üblichen Wegen bekannt. Die vielfältigen Arbeiten wurden für sechs Handwerkssparten zu insgesamt knapp 1.154 Taler angeboten. Zwei Wochen später traf auch das grundsätzliche Einverständnis der Regierung mit den Umbauplänen des Cirkelschen Hauses ein. Zu drei Punkten gab sie weitere Anregungen. Erstens wollte sie sichergestellt wissen, dass zwei voneinander unabhängige Wohnungen für das Personal entstünden; zweitens sollte die Dungstätte in der Nähe des Schulzimmers entfernt und zwei Querfundamente für die Fußboden-Unterlagen eingezogen werden; drittens der Schornstein nicht in die Giebelwand gebaut werden.

Foecker meldete die Bereitstellung der Geldmittel für diese Maßnahmen und teilte gleichzeitig die Vergabe der Arbeiten an den Unternehmer Heinrich Knäpper aus Hassel als den Wenigstfordernden mit. Im Juli versicherte er dem Landrat, daß der Bau der Vorschule hierselbst im vollen Gange [sei] und rechtzeitig zur Ausführung gebracht sein [würden]. Die Regierung in Münster erwartete bis Mitte September weitere Informationen zum Fortgang des Baues. Am 3. des Monats verkündete Foecker die baldige Vollendung der Arbeiten und am 22. Oktober bestätigte er den Abschluss bis auf unwesentliche Kleinigkeiten, welche in den allernächsten Tagen nachgeholt werden. Das Schulzimmer und die Wohnung könnten ohne Einschränkungen benutzt werden und das Schulinventar sei gekauft und aufgestellt worden.

In der Zwischenzeit hatte Cirkel bei der Gemeinde angefragt, wer nach ihrer Einschätzung der Eigentümer des von ihm im Haus zurückgelassenen alte Kleiderschrankes sei. Die Gemeindeversammlung entschied aus Billigkeitsrücksichten, dem Cirkel den Schrank zu überlassen, wenn er belegen konnte, die für die Übergangszeit vereinbarte Hausmiete gezahlt zu haben.

Die Beschaffung der Gelder für den Kauf des Gebäudes und die Arbeiten an der neuen Schule lief nicht ganz so reibungslos wie man gehofft hatte.  Auf die Darstellung dieser Vorgänge wird hier verzichtet. 

Lehrer an der neuen Vorschule wurde im November August Pohlschröder, über den im Artikel Der Borker Lehrer August Pohlschröder mehr zu erfahren ist. >>

November 2022
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1. Und folgende Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 232.


 
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