Die Borker Schulklassen brauchen mehr Licht
Christel Gewitzsch
Für den 4. September 1891 meldete sich Baurat Schmitz aus Münster im Auftrag der Abteilung für Kirchen- und Schulwesen in Bork an, um den baulichen Zustand der Schulhäuser zu kontrollieren. Dabei ging es um zwei Gebäude, um das östlich von der Kirche gelegene Haus, in dem die Mädchen-Oberklasse unterrichtet wurde und um das Schulgebäude südlich der Kirche für die Knaben-Oberklasse und die Vorschule. In beiden Gebäuden sei die Beleuchtung eine sehr mangelhafte[1], schrieb der Baurat, die Beleuchtung der Mädchenklasse sogar ganz unzulänglich und vorschriftswidrig. Binnen zwei Monaten erwartete die vorgesetzte Behörde von der Gemeinde Vorschläge und Beschlüsse zur Behebung der Mängel.
Ende November reichte Amtmann Döpper den Beschluss der Gemeinde-Verordneten und des Schulvorstandes ein. Beide Gremien beauftragten den Dortmunder Architekten W. Plücker mit der Erstellung eines Gutachtens. Mitte Dezember fand sich auch Kreisschulinspektor Wallbaum zu einer Revision in Bork ein.
Wie sahen die Mängel im Detail aus?
Der Klassenraum für die älteren Mädchen war schon wegen seiner Länge unzulässig. Knapp elf Meter war er lang, es hätten nur 9,50 Meter sein dürfen, da die Kinder den Tafelanschrieb sonst nicht erkennen konnten. Außerdem befanden sich in der Westwand, der Blickrichtung der Mädchen, zwei Fenster. Je zwei weitere Fenster lagen in der Rück- und zwei in der Südwand. Die beiden Richtung Süden weisenden waren aber nur rund zwei Meter von den Zimmerecken entfernt, zwischen ihnen stand ein mehr als vier Meter breiter Pfeiler. Die Bänke davor waren ganz unzureichend beleuchtet.
Den beiden Klassenzimmern im zweiten Schulgebäude wurde im Norden von der Kirche und im Süden von einem Nachbarhaus das Licht genommen. Diese Klassenwände, unter acht Meter lang, hatten drei Fenster. Die reichten trotzdem nicht aus, weil der früher einschiffigen Kirche vor einigen Jahren zwei Seitenschiffen angebaut worden waren und das Nachbarhaus im Süden im laufenden Jahr teilweise zwei Stockwerke mehr erhielt. So rückte die Kirche bis auf 5,20 Meter heran und die Entfernung zum Nachbarn betrug 2,50 Meter.
Baurat Schmitz und Architekt Plücker stimmten in der Beschreibung der Mängel überein. Die Klagen des Kreisschulinspektors bezogen sich nicht auf den Lichteinfall; dass die mangelhafte Beleuchtung korrigiert werden sollte, erfuhr er von dem Lehrpersonal. Er wies auf undichte Fenster, fehlende Kleiderhaken und Abbildungen Seiner Majestät, unbrauchbare Anschauungsabbildungen von Säugetieren, Vögeln und Amphibien und auf Mängel bei den Aborten hin. Die würden von den Kirchgängern nicht nur benutzt, sondern auch beschmutzt und mit unanständigen Äußerungen beschrieben. Es muß deshalb dafür gesorgt werden, daß die für die Kinder bestimmten Abtritte nur den Kindern, nicht aber Andern zugänglich sind.
Vorschläge zur Abhilfe
Baurat und Architekt waren sich auch darüber einig, wie die Mädchenklasse mit genügend Licht versorgt werden konnte. In die breiten Pfeiler waren zwei neue Fenster einzuschlagen. Die beiden Fenster, auf die die Mädchen schauten, mussten zugemauert werden.
Das zweite Gebäude machte größeren Kummer. Baurat Schmitz resultierte: Genügende Beleuchtung der Schulzimmer wird sich nicht beschaffen lassen, und daher nur erübrigen auf eine Verlegung des Schulgebäudes (Neubau) Bedacht zu nehmen. Der Architekt hingegen schlug vor, für das im Osten liegende Klassenzimmer drei große Fenster so hoch wie möglich im Ostgiebel anzubringen und die nach Süden weisenden Fenster, welche fast gar kein Licht geben, zuzumauern. Vor dem Ostgiebel befand sich eine Straße und an der, dem Giebel gegenüber, das nur einstöckige Küstereigebäude.
Bei dem zweiten Klassenraum verhielt es sich ähnlich. Hier wollte Architekt Plücker Fenster in den Westgiebel setzten, weil davor ein großer, freier Platz lag. Allerdings stand dort auch der Abort der Schule. Um eine Geruchsbelästigung zu vermeiden, sollten die drei Fenster nicht geöffnet werden können. Die Fenster in der Nordwand dagegen gehörten zugemauert, denn die Bänke mussten so gestellt werden, dass die Schüler Licht von links bekamen. Anstelle dieser Fenster wollte Plücker unter der Decke zwei größere Öffnungen mit Jalousien anlegen, damit Frischluft hineinkonnte. In beiden Klassen sollte außerdem die Eingangstür verlegt werden, damit die Kinder in der Nähe des Katheders in die Schulklasse treten konnten.
Die Regierung stimmten diesen Vorschlägen zu und wünschte nur noch einige genauere Angaben.
Umsetzung der Vorschläge
Unter anderem wollte sie wissen, ob mit dem Nachbarn der Mädchenschule ein Übereinkommen gefunden worden war. Für die Anbringung der zwei Fenster dort musste die Erlaubnis des südlichen Nachbarn eingeholt werden, denn das Gebäude stand genau auf der Grenze. Der Nachbar war der Holzschuster Wilhelm Folle und Anfang 1892 gelang es, mit ihm folgende Vereinbarung zu treffen: Er gestattet der Gemeinde reps. der Schulgemeinde Bork, in der Südwand dieser Schule die Herstellung von 2 neuen Fenstern, um eine bessere Beleuchtung in der Schule herzustellen und verpflichtet sich ausdrücklich, darauf zu verzichten, dieses Grundstück derart zu bebauen, daß der Schule hierdurch der Einfall des Lichtes durch die in der Südwand vorhandenen und noch herzustellenden Fenster entzogen wird.- Folle erhielt für die übernommene Beschränkung dreihundert Mark aus der Gemeindekasse und erklärte sich damit einverstanden, diese in das Grundbuch eintragen zu lassen.
Nun schaltete sich auch Kreisbaumeister Wethmar ein. Er machte Vorschläge für die Größe der Fenster und brachte die Lage des Schornsteins und die Stabilitätserhaltung der Gebäude in die Überlegungen ein. Die Regierung äußerte sich weiterhin zustimmend, legte die Fenstergrößen fest und fragte nach, ob der Abort nicht verlegt werden könne. Da die Lage des Aborts schon in den 60er-Jahren zu einigem Streit geführt hatte, reagierte die Ortsbehörde auf diese Frage mit Stillschweigen.
Stattdessen ließ Döpper den Kreisbaumeister einen Kostenanschlag für die Umänderungen an der Knaben- und Vorschule erstellen; die Kosten beliefen sich auf rund 486 Mark. Den Umbau der Mädchenschule übertrug die Gemeinde dem Maurermeister Gerhard Telg, gt. Kortmann aus Cappenberg. Den Gegenstand seines Auftrags beschrieb er wie folgt: Es sollen in der längs Mauer am Schulzimmer 2 neue Fenster Öffnungen gebrochen werden, nach angabe und beiligender Zeignung. Eine Scheidemauer quer durch das Schulzimmer zu einem Gang, für Geräte, und ein Russischeger Kamhin, nach nähere angabe Aufgefürt werden etc. Seine Rechnung vom 30. Mai 1893 belief sich auf 425,66 Mark.
Münster wurde auch noch einmal tätig und schickte den Regierungs-Assessor Dr. Gerlach und den Baurat Niemann im August 1894 nach Bork, um gemeinsam mit dem Schulvorstand und der Gemeindevertretung über die Ausführung des Umbaus und die Aufbringung der Kosten zu verhandeln. Gravierende Änderungen wurden dabei nicht beschlossen.
Zusatzprojekt
Wegen Überfüllung der vorhandenen Schulzimmer plante Kreisbaumeister Wethmar 1892, parallel zu der Beseitigung des mangelnden Lichteinfalls, ein neues Schulzimmer zu bauen. Dieses sollte genau über dem Mädchen-Schulzimmer liegen. Die Grundmauern des Gebäudes seien hinreichend stabil, so daß ohne Bedenken der Aufbau ausgeführt werden könne. Regierungsbaurat Niemann gab einige Anmerkungen und stimmte zu.
Am 16. Juni 1893 gab Amtmann Döpper die Bedingungen für die Umänderung der Mädchenschule bekannt. Drei Interessenten bewarben sich um den Auftrag. Der schon oben erwähnte Kortmann aus Cappenberg, außerdem die Maurermeister Heinrich Hellkamp aus Bork und Johann Wüste aus Lünen. Kortmann bekam auch hier den Zuschlag. Eine knappe Auflistung seiner Rechnungen ohne Datum und Unterschrift kommt auf eine Gesamtsumme von 1.012,51 Mark.
Juni 2023
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1. und folgende Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 240.