Choleragefahr (1831)
Christel Gewitzsch
Die asiatische Cholera kommt nach Europa
Als 1830 einige Fälle von Cholera-Erkrankungen in Russland bekannt wurden, hielt man in Berlin eigene Schutzmaßnahmen noch für überflüssig, nutzlos, teuer und lästig. Dann kamen Meldungen aus Litauen, die erste Maßnahmen in Preußen notwendig erscheinen ließen. Der Choleraausbruch in Warschau bewegte Friedrich Wilhelm III. zum Handeln.
Durch Kabinetts-Ordre setzte er eine „Immediat-Kommission zur Abwehr der Cholera“ ein. Die Instruction über das bei der Annäherung der Cholera, so wie über das beim dem Ausbruche derselben in den Königlich preußischen Staaten zu beobachtende Verfahren[1] war am 5. April 1831 fertiggestellt. Im Juli erreichte diese Instruktion das Amt Bork und eine umfangreiche Korrespondenz zwischen der Regierung, dem Landrat und den Ortsbehörden über die zu treffenden Maßnahmen setzte ein.[2]
Der Bürgermeister muss tätig werden
An die Öffentlichkeit wandte sich Bürgermeister Köhler zum ersten Mal am 27. Juli 1831 mit folgender Bekanntmachung:
Wenngleich die Verbreitung der Cholera nach hiesiger Gegend durch die getroffenen polizeilichen Maaßregeln nicht zu befürchten steht, so ist es dennoch nöthig, um auch sonst jede epidemische Krankheit entgegen zu arbeiten, daß überall eine gesunde Luft erhalten wird. Zu diesem Ende müssen die Straßen wöchentlich gereiniget und solches jedenfalls alle Samstag geschehen, ebenso sind die Häuser, da wo erforderlich zu weißen, dieselben öfter zu lüften und auch die Bettutensilien häufig zu säubern und zu lüften. Das räuchern mit Chlor, soll dabei sehr von Nutzen sein.
In realistischer Einschätzung der handlungsauslösenden Wirkung von seitenlangen Broschüren trafen immer wieder Anweisungen in Bork ein, die in kleineren Schritten die Umsetzung der Instruktion verfügten. Landrat Schlebrügge forderte zuerst die Einsetzung von Orts-Kommissionen zur Unterstützung der sanitäts-polizeilichen Aufsicht, die beginnen sollte, wenn sich die Cholera bis auf eine Entfernung von zehn Meilen genähert hatte. Außerdem erteilte er Köhler den Auftrag, ohne die Bevölkerung zu beunruhigen, Räumlichkeiten zu ermitteln, in denen Lazarette und sogenannte Kontumaz-Anstalten für Quarantänefälle eingerichtet werden konnten. Ganz allgemein verwies er auf die Beachtung der ersten acht Paragrafen der Instruktion, in denen es neben den Kommissionen um die Verpflichtung der Medicinal-Personen, die Aufsicht über den Gesundheits-Zustand der einzelnen Orte, das Verbot des Verkehrs mit Bewohnern inficirter Gegenden, die Aufsicht über die Reisenden und um die Verpflichtung zur regelmäßigen Berichterstattung ging.
Zwar nicht innerhalb der gegebenen Frist von acht Tagen, aber immerhin vor Ablauf von zwei Wochen meldete Köhler, in allen drei Gemeinden die geforderten Räumlichkeiten gefunden zu haben. Für Bork hielt er das Bleichhaus des Schürmann und die Wohnungen der Kötter Benning und Knarse für geeignet, obwohl alle drei Häuser bewohnt waren; in Selm wollte er die Kranken im Schafstall des Zellers Bauhues und in der Scheune des Zellers Brosterhues unterbringen; für Altlünen schlug Köhler das Einwohnerhaus des Zeller Möllmann, sowie das unbewohnte Haus der Gerhard Kirchhoff in Alstedde vor.
Die Regierung konkretisiert
Im August, etwa sechs Wochen nach dem ersten Schreiben, schickte die Abteilung des Innern aus Münster detailliertere Anweisungen an die Kreise. Landrat Schlebrügge, beziehungsweise sein Sekretär, reichte diese auszugsweise an die Ortsbehörden weiter und formulierte in drei Punkten, was nun dringend zu erledigen sei:
Ich bemerke desfalls, daß
1., zufolge Verfügung des Herrn Oberpräsidenten, Excellenz, für jede Pfarrgemeinde nur eine Ortskommission zu bilden, daß Sie, die Pfarrer und Schullehrer nebst einem Arzte, stehende Mitglieder derselben sind, wonach jedem einzelnen Mitgliede ein bestimmter Wirkungskreis und Bezirk nach den Personal- und Lokal-Verhältnißen zuzutheilen ist.
2., unverzüglich, daßjenige zu erledigen und auszuführen, was zur Bezweckung der möglichsten Reinlichkeit in den Häusern, deren Umgebung und den Straßen in den Dörfern und Städten §.3 der Anlage verfügt worden.
Es wird Ihnen deshalb zur Pflicht gemacht, alsbald eine allgemeine Visitation der Häuser in den Dörfern und Städten abzuhalten und die Bewohner zur Reinigung und Wegräumung aller die Luft verunreinigenden Unraths und Schmutzes anzuhalten, solche im Falle der Versäumniß auf deren Kosten veranstalten zu lassen, das Kehren der Straßen und die Ausspülung der Rinnsteine um den andern Tag bei Vermeidung gleich durch die Polizei Diener einzuziehen, von 2 ½ bis 5 Sgr. zu schärfenden Strafe zu verfügen, das Ausfließen der Jauche und des Unraths aus den Abtritten und Schweineställen in die Rinnsteine nicht weiter zu dulden, und das anderweite Vermiethen ungesunder, nicht gehörig gereinigter Wohnungen nicht zu gestatten.
3. Mit dem Gemeinderathe zu berathen, wie die Geldmittel zur Anschaffung eines Vorraths wollener Decken und von Arzneien in jeder Gemeinde zu beschaffen, damit solche im Falle des Ausbruches der Krankheit gleich zur Hand sind, ferner irgend ein oder anderes Gebäude zur Aufnahme von Kranken aus überfüllten Häusern einzurichten, und solches mit Wärme-Apparaten zu versehen. –
Wegen der benötigen Gelder legte der Kreissekretär einen übergroßen Zweckoptimismus an den Tag, indem er behauptete: Ohne Zweifel wird hier die Einsammlung freiwilliger Beiträge, so erfolgslos auch gewöhnlich die zu oft wiederholten Kollekten bleiben, am angemessensten sein, da jeder Menschenfreund zur Abwehrung der furchtbaren Seuche gerne beitragen wird.
Bezüglich der Einrichtung von Lazaretten und Quarantänestationen gab es kurz danach erst einmal Entwarnung. Der Oberpräsident hatte höheren Orts über die Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Anordnungen berichtet, so dass darüber neue Entscheidungen getroffen werden sollten.
Die Ortskommissionen
Am 15. September meldete Köhler an den Landrat die Zusammensetzung der Ortskommissionen mit dem Hinweis, dass er bei der Auswahl Wert darauf gelegt habe, aus jeder Bauerschaft einen Eingesessenen der zu bildenden Ortskommission zuzugesellen. Für die Gemeinde Bork schlug er die Herren Schumacher, Richter, Hördemann, Kuse, Zurmühlen und Lenfert; für Selm Schulze Weischer, Evert, Kaldewey, Weischer, Pieper und Schulze Osterhues; für Altlünen Schulze Alstedde, Schulze Wethmar und Struckmann vor.
Bedauernd fügte er hinzu, dass leider kein Arzt in den Gemeinden zur Verfügung stünde und fragte deshalb an, ob er dieserhalb eine Aufforderung an die Herrn Ärzte zur Niederlassung dahier in dem Amts- und Intelligenzblatt mag einrücken lassen. Nachdem der Landrat zu dieser Initiative sein Plazet gegeben hatte, schickte Köhler An die wohllöbliche Expedition des Amtsblatts „Intelligenz“ Comptoir zu Münster folgende Anzeige:
Aufforderung an qualificirte Medicinal Personen
Lange schon ist der Mangel eines Arztes in den Gemeinden meines Bezirks äußerst fühlbar und unangenehm gewesen, bei der Annäherung der asiatischen Cholera aber fühlen wir diesen Mangel doppelt. Ich finde mich deshalb verpflichtet die qualifizirten Medicinalpersonen hirauf aufmerksam zu machen, mit dem Zusatze daß ich überzeugt bin, daß ein Arzt hier wohl und gut bestehen kann, auch in der Nähe Apotheken vorhanden sind.
Auch selbst die Lage des hiesigen Orts hat manches angenehme und wird deshalb derjenige der Herrn Ärzte welcher sich hier niederlassen wird, nebst reichlichem Verdienste auch einen angenehmen Wohnort finden. Da an mehreren Nachbarorten auch keine Ärzte vorhanden sind, so könnte der sich hier niederlaßende Arzt seine Praxis in der ganzen Umgegend ausdehnen und so seine Excistenz doppelt sichern. Derjenige der Herren Ärzte, welcher hierauf reflectirt sollte, wollte sich beim Unterzeichneten melden.
Allem Anschein nach hatte diese Anzeige keinen Erfolg, denn einen Monat später beschloss der Landrat, 1. den Wundarzt Heidelberg zu Werne der Orts-Commission von Borck, 2. den Wundarzt Classen zu Olfen jener von Selm zuzuweisen. Der Bürgermeister hatte sich um die Benachrichtigung und die Orts-Kommissionen um die Diäten der Ärzte zu kümmern. Außerdem mussten noch der Rentmeister Poock zu Cappenberg, der dortigen Pfarrer und Schullehrer sowie die Vorsteher in den Bauerschaften zu der Orts-Commission hinzugezogen werden.
Erste Maßnahmen im Amt Bork
Weisungsgemäß erstattete Bürgermeister Köhler im Oktober seinen Bericht an den Landrat, welche Schutz- und Vorsichtsmaßregeln er zur Abwehr der Cholera getroffen hatte. Jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag ließ er in Bork und Selm die Straßen reinigen[3]; die Entfernung der Mistgruben an den Straßen und in der Nähe der Häuser, sowie die Reinigung und Lüftung der Häuser verordnet[e] er nicht nur, sondern kontrollierte die Ausführung höchstpersönlich. In Bork schien er sich dabei vom Lehrer Didon begleiten zu lassen, denn in der Akte liegt ein Schreiben des Didon, der darum bittet, ihn an diesem Nachmittag aus Krankheitsgründen mit der der Visitation der Häuser zu verschonen.
Köhler meldete ferner, die Mistpfützen seien zwar überall entfernt worden, aber zur gänzlichen Wegschaffung aller üblen Gerüche verbreitenden Gegenstände sei es noch nicht gekommen, da in dieser Zeit die Bestellung der Äcker zur Winterfrucht Vorrang hatte und Fuhrwerke nicht zur Verfügung standen. Er setzte den Säumigen einen letzten Termin und drohte ihnen mit Bestrafung. In einem Fall musste in Bork diese Strafe verhängt werden, was Köhler durch den Polizeidiener allen Einwohnern zur Warnung mitteilen ließ. Seinen Kontrollgang nutzte der Bürgermeister außerdem dazu, die Leute auf den Nutzen der öftere[n] Wechselung der Bettwäsche hinzuweisen.
Geldbeschaffung
Auch die Ortskommissionen waren zu Beratungen zusammengetreten und beschlossen als erstes, die für die Anschaffungen nötigen Gelder durch Kollekten und Subskriptionen aufzubringen. Doch damit hatten sie die Finanzierungsfrage nur auf die lange Bank geschoben, denn die vom Kreissekretär genannten gebewilligen Menschenfreunde drängten sich nicht um den Spendentopf. Als der Landrat nachfragte, konnte Köhler erst einmal nur berichten, dass die Subskriptionslisten noch zirkulierten und die Kommissionsmitglieder mit der Kollekte weiterhin beschäftigt waren. Mit der Borker Liste hatte er sich selbst nach Cappenberg begeben und Zusagen über 57 Taler und zehn Silbergroschen erhalten, wovon allein 50 Taler vom Grafen Kielmannsegge stammten. Kaplan Pröbsting trug die Liste im Dorf Bork herum und konnte den Betrag auf 75 Taler und 15 Silbergroschen erhöhen. Die Krux mit dieser Liste war allerdings, dass die gezeichneten Gelder erst bei Annäherung der Cholera auf zehn Meilen wirklich gezahlt werden sollten.
Die Selmer Subskriptionsliste, um deren Eintragungen sich der Lehrer Schwenniger gekümmert hatte, kam erst Ende des Jahres 1831 zurück. Pastor Annegarn führte sie mit der Zusage über drei Taler monatlich an, mit dem zweiten Eintrag über einmal 15 Silbergroschen von Frohning endete die Liste. Der Pastor schickte dieses Ergebnis dem Bürgermeister mit der Erklärung: Mehr Ertrag hat die Subscription nicht gebracht, die übrigen ausgegebenen Listen sind ganz leer geblieben, selbst die übrigen Mitglieder der Ortscommission haben nicht unterzeichnen wollen, und bemerken, nöthigen Falles möge der Bedarf aus der Kommunalkasse entnommen werden. Ich habe übrigens das meinige gethan, doch die ganz unterblieben Theilnahme der Gemeinde veranlaßt mich, meine obige Subscription hierdurch zu wiederrufen.
Da die Kollekten gar nichts eingebracht hatten, befand sich Köhler in dem Dilemma, ohne Geldmittel Vorsorge für den Notfall treffen zu müssen. (Die knapp sechs Taler aus der Kollekte in Selm durften nur dann zu jenem Behuf verwendet werden [...], wenn die Cholera da ist, sonst aber zu Kirchenzierathe benutzt werden sollen, wenn die Cholera ausbleibt.)
Anschaffungen
Ohne auf das Geldbeschaffungsproblem näher einzugehen, kam von Lüdinghausen im Oktober das Angebot, gute wollene Decken [...] zu 2 ½ Thlr. pro Stück ausschließlich der Transportkosten zu besorgen.
Und auch zu weiteren Vorsorgemaßnahmen wurde Köhler immer wieder angehalten. So informierte der Landrat: Höherer Verfügung zufolge habe ich hier das Gestelle zu einem Dampfbett mit dem Dampfapparate nach der Beschreibung und Zeichnung des Dr. Koch, als nach übereinstimmender Erfahrung der Aerzte das bewährteste Heilmittel beim Anfang der Cholera anfertigen lassen. Ich benachrichtige Sie hiervon mit der Weisung, die Orts-Commissionen alsbald zu veranlassen, hiernach in allen Ortschaften einige Gestelle mit den darzu nöthigen Dampfapparaten verfertigen zu lassen, welche, wenn uns die Cholera verschonen sollte, als Bettgestelle benutzt und verkauft werden können.
Bürgermeister Köhler und der Tischler Lackmann machten sich daraufhin auf den Weg nach Lüdinghausen, um das dort aufgestellte Muster zu besichtigen. Der Einsatz dieser Betten bei der Choleratherapie folgte der Devise: Laßt den Kranken schwitzen![4] Der Autor setzte kritisch hinzu: Wie der Dunst die Fata Morgana, so gebärt der Wasserdampf zahllose Maschinen, nützliche und Mißgeburten: Dampfbetten etc. genannt.
Das Problem war, man wusste noch nicht sehr viel über die Krankheit. In Leipzig erschien 1831 eine Zeitung, die Mittheilungen des Neuesten und Wissenswürdigsten über die Asiatische Cholera in wöchentlich erscheinenden ein oder zwei bedruckten Bögen verbreiten wollte. Jahrhundertelang dachte man, die Cholera würde durch übelriechende Dünste oder Berührung eines Kranken übertragen. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts fand man den Krankheitserreger und stellte eine Verbindung zu verunreinigtem Trinkwasser und infizierter Nahrung her. Die Maßnahmen, die bei der drohenden Gefahr Anfang der 30er Jahre getroffen wurden, konnten nur den bis dahin vorliegenden Erkenntnissen und Ratschlägen der Experten folgen.
Die beiden Abgesandten des Amtes Bork ließen sich vom Nutzen des Dampfbettes überzeugen, beziehungsweise erkannte die Durchführbarkeit eines Nachbaus, weshalb Lackmann den Auftrag erhielt, drei dieser Betten anzufertigen. Der Tischler war mit seiner Arbeit dann das erste Opfer der Geldnot, denn noch ein Jahr später wurde er fast täglich beim Bürgermeister vorstellig, um seine Rechnung endlich bezahlt zu bekommen.
Köhler hatte in der Zwischenzeit beim Landrat angefragt, ob er die Betten nicht einfach wieder verkaufen könne. Da nach den jüngsten Erfahrungen der Aerzte deren Anwendung von keinem günstigen Erfolge gewesen sein soll, stimmte der Landrat dem Verkauf von zwei Betten zu. Über den öffentlichen Verkaufstermin schrieb Köhler: Im ersten Termin zwar einige Kauflustige erschienen, indeß wie selbige die Gestelle sahen, sich dafür abschreckend, kein Geboth thuen wollten, und im 2. Termin gar kein Mensch erschienen. Der Verkauf derselben ist somit nicht ausführbar.
Noch in der Inventarliste der Bürgermeisterei Bork von 1842 sind 3 Cholera Bettstellen mit Behang und 3 Dampfkessel[5] verzeichnet; die spätere Notiz Sind verkauft ist ohne Datum.
Die zu den Bettgestellen gehörenden Dampfapparate, deren Hersteller auch lange auf die Bezahlung warten mussten, hatte Köhler vorschussweise beglichen. Die Kommissionen hatten den Bürgermeister mit der Bestellung beauftragt, aus den Gemeindekassen durfte das Geld dazu nicht genommen werden, nun schlug Köhler den Mitgliedern vor, den pro Gemeinde fälligen Betrag von etwas mehr als sieben Talern durch eine erneute Kollekte oder aus eigener Tasche aufzubringen. Aus Selm liegt die Antwort dazu vor: Da bei der Abhaltung der Collecte die Privaten ausdrücklich alle Beiträge geweigert, und uns auf die Communalkasse verwiesen haben, so wäre meine unmaßgebliche Meinung, daß vordersamst durch den Hr. Bürgermeister bei der Königlichen Regierung anzutragen sey, ob nicht in diesem besonderen Falle vorstehende Gelder aus der Kommunalkasse zu entnehmen seyen. Oder ob uns zugemuthet werden müsse, daß wir für die ganze Commüne zahlen.
Annegarn, Schwenniger, Evert, Pieper. A. Weischer, Schulze Osterhus, Kaldewey
Pastor Annegarn setzte dem Schreiben hinzu: Schließlich bin ich allenfalls auch bereit, zu den Geldern meinen Antheil, nämlich 1/9, gleich zu erlegen.
Resignation
Ende 1831 zeigte sich Bürgermeister Köhler genervt wegen der von höherer Stelle an ihn gestellten Forderungen und der mangelnden Unterstützung in den Gemeinden. In einer Bekanntmachung appellierte er noch einmal an die Bevölkerung, mit mehr Engagement der immer näher kommenden Seuche – inzwischen sei sie schon im Königreich Hannover ausgebrochen – entgegenzutreten. Er äußerte sich überzeugt davon, daß aller rechtlicher und Religions besitzender Eingesessner es nicht über sich nehmen mögte, daß er durch Unterlaßung des einen oder anderen Schuld daran sein, wenn diese böse Seuche in den hiesigen Gemeinden eingeschleppt und so manches Opfer dahinraffen, hier der Vater dort die Mutter oder beide zugleich, einer Anzahl von noch kleinen unmündigen Kindern entrissen würden, und diese unmündigen ganz allein und sich selbst überlassen sein. Ich frage nochmals wer würde da nicht in Verzweifelung gerathen wenn er sagen müßte dieses ist das Werk deiner sträflichen Handlungen.
Gegenüber dem Landrat beklagte er, daß da Niemand hier daran glaubt, daß uns die Cholera heimsuchen werde, gar kein Interesse mehr für diesen Gegenstand und am wenigsten bei den Mitgliedern der resp. Schutz-Commissionen zu finden ist. Alles was deshalb geschieht und geschehen ist, ist durch mich geschehen.
Glücklicherweise näherte sich die Cholera 1832 nur den Grenzen des Regierungsbezirks, so dass die mangelhafte Vorsorge keine Auswirkungen hatte. Später musste sich aber auch der Amtmann in Bork mit Cholerafällen befassen.
Juli 2017
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[1] und alle folgenden Zitate, falls nicht anders vermerkt: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 494.
[2] Die Maßregeln zur Abwehr der Cholera wurden im Laufe der Zeit aufgrund der gemachten Erfahrungen, der Ausbreitung der Krankheit und der Erweiterung der medizinischen Kenntnisse mehrfach überarbeitet. Die erste Änderung traf im Oktober 1831 im Amt Bork ein.
[3] Laut Schreiben des Amtmanns Döpper sind in der Gemeinde Altlünen noch 1884 keine Straßen vorhanden.
[4] und folgendes Zitat: Julius Radius (Hg.), Allgemeine Cholera-Zeitung, Band 1, Nr. 60, Leipzig 1832, S. 181. (google-books)
[5] und folgendes Zitat: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 55.