aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Der Borker Lehrer August Pohlschröder

Christel Gewitzsch

Eine Vorschule für Bork

1865 sah sich die Gemeinde Bork veranlasst, eine sogenannte Vorschule einzurichten. In den bisherigen Klassen, eine für Knaben und eine für Mädchen, waren zu viele Kinder unterzubringen. Eine dritte Klasse für ungefähr 100 Jungen und Mädchen sollte Entlastung bringen.

Das Diensteinkommen der bisherigen Lehrer – Herr Sanders und Fräulein Naaber – bestand hauptsächlich aus dem eingehenden Schulgeld. Wenn nun eine dritte Lehrperson eingestellt werden musste, reichte das Schulgeld für keinen der Lehrer mehr aus. Deshalb schlug Amtmann Foecker auf der Sitzung der Gemeindevertretung in Bork vom 15. September vor, die Lehrergehälter vom 1. Oktober an zu fixieren und von der Gemeinde zu zahlen, während die Schulgelder in die Gemeindekasse fließen sollten. Der Amtmann wollte die Gehälter mit weiteren Zulagen aufstocken, was die Gemeindeversammlung aber ablehnte. Sie bestimmte für die zwei Lehrer und die Lehrerin ein Gehalt von 200 Talern inklusive der bisherigen Zulagen, Mietsentschädigung und dem Organistengehalt. Das Schulgeld und das Brandgeld für das Heizen der Klassenräume wurden erhöht, um die Gemeindekasse nicht zu sehr zu belasten.

Die dritte Lehrperson

Im November 1865 bestimmte die Königliche Regierung den Lehrer August Pohlschröder für die Borker Vorschule. Vom Bischöflichen General-Vikariat in Münster wurde ihm daraufhin provisorisch bis auf Widerruf[1] die Organistenstelle der Borker Pfarrkirche übertragen.

Ein Jahr später bat Lehrer Pohlschröder die Gemeindeversammlung, ihm die 25 Taler, die er für den Organistendienst erhielt, nicht in Abzug zu bringen. Mehrere Mitglieder des Gemeinderats, so schrieb er, hätten geglaubt, das Geld würde ihm nicht abgezogen, was sie aber – siehe oben – selber beschlossen hatten. Jetzt entschieden sie sich um und bewilligten dem Lehrer 200 Taler allein für die Schularbeit. Um ihre Entscheidung zu befördern, versprach Pohlschröder: Gern bin ich bereit auch fernerhin an den Wochentagen in der Kindermesse den Gesang mit der Orgel zu begleiten und auch, wenn sich in Zukunft ein Chor für den Gesang in der Kirche bilden sollte, die Einübung desselben unentgeldlich zu übernehmen und überhaupt den Wünschen der Gemeinde zu entsprechen.

Die Gemeindevertreter machten diese Bereitschaft zur Bedingung und erkannten lobend an, dass sich der Bittsteller schon bisher der Förderung des Gesangs angenommen hatte.

Unstimmigkeiten

Anfang 1871 kühlte die anfänglich harmonische Beziehung ab. Die Gemeindevertretung hatte ihm, so behauptete der Lehrer, ein Wohnzimmer gekündigt und sich geweigert, eine Rechnung seiner Frau über die Reinigung und Heizung des Gemeindelokals zu bezahlen. Darüber wurde er mündlich informiert, was ihm nicht ausreichte. Er forderte eine Abschrift der Beschlüsse an; der Amtmann – inzwischen Döpper – lehnte ab.

Einen Monat später musste sich die Versammlung der Schulvorstandsmitglieder und der Schulgemeinde-Repräsentanten wieder mit einer Eingabe des Pohlschröder wegen einer Gehaltszulage befassen. Man hielt ihn aber mit den 225 Talern für ausreichend besoldet. In diesem Zusammenhang kamen die Vertreter auf die Bedingung zurück, unter der dem Lehrer die 25 Taler für das Organistenamt belassen worden waren. Die Herren bemängelten, daß es mit der pünktlichen Beachtung der dem Pohlschröder gestellten Bedingungen nicht viel auf sich habe, daher dem Pohlschröder die Bedingungen von neuem eingeschärft werden müssten. Für seine Beschwerde über die Wohnzimmerkündigung fühlte sich diese Versammlung nicht zuständig. Das ganze Haus sei im Besitz der Gemeinde Bork, nicht der Schulgemeinde. Und da dies vom Lehrer genutzte Zimmer gar nicht zu seiner Dienstwohnung gehöre, so folgerten die Herren, habe er auch kein Anrecht darauf. 

Beschwerdebrief

Wegen der Wohnzimmerkündigung hatte sich der Lehrer mit einem geharnischten Brief an die Gemeindevertretung gewandt. Er äußerte sich sehr ausführlich und zeichnete damit ein erhellendes Bild der Zustände.

Beim Antritte meiner Lehrerstelle hierselbst wurde ich vom Schul-Vorstande am 1. December 1865 eingeführt und wurde mir meine Wohnung, so wie ich sie jetzt bewohne, vom Schul-Vorstande, nicht von der Gemeinde-Vertretung, ohne allen Vorbehalt übergeben.
Diese meine Wohnung besteht aus einer Küche nebst Waschküche, zweier Schlafstuben und einer Wohnstube. Ebenso viele Räumlichkeiten sind auch der Lehrerin, einer einzelnen Person angewiesen. Weniger als diese Räumlichkeiten konnten mir für mich und meine Familie nicht angewiesen werden. Dies sah auch der Herr Amtmann und Orts-Vorsteher Foecker sehr gut ein und erlaubte mir deshalb auf meine Bitte das Gemeindezimmer bei außerordentlichen Fällen zu benutzen, wenn nicht zur Zeit eine Versammlung tagte. Dabei wurde mir zur Pflicht gemacht zur Zeit einer Versammlung, das Gemeindezimmer zu räumen. Nur selten habe ich Gebrauch von dieser Erlaubniß gemacht, halte dieselbe aber aufrecht, da die Gemeinde nicht den geringsten Nachtheil davon hat und da auch der St. Vincenz-Verein und der Schiedsrichter die Erlaubniß erhalten haben ihre Sitzungen auf demselben abzuhalten. Jeder, der meine Wohnung sieht, muß aufrichtig gestehen, daß mir die Räumlichkeiten zur Wohnung karg genug bemessen sind.
Als Lehrer richte ich mich genau nach den Vorschriften Königl. Regierung
[Randbemerkung: wirklich!] und halte die mir vorgeschrieben Lehrstunden pflichtgetreu zum Wohle [Rand: Ist auch Schuldigkeit] der mir anvertrauten Kinder, und bin wahrlich nicht müßig in der Schule. Dies Zeugniß müssen mir sicherlich mehrere Mitglieder der Gemeinde-Vertretung, welche Kinder in meine Schule schicken, geben.
Für meine Mühe und Arbeit habe ich auch das Recht mein spärliches Gehalt und meine mir knapp bemessene Wohnung unverkürzt zu verlangen; und brauche es nicht als ein Allmosen [Rand: ist auch nicht nöthig!] von der Gemeinde entgegen zu nehmen. Wahrlich die Wohllöbliche Gemeinde-Vertretung, thäte mir angenehmeren und gerechteren Dienst, wenn dieselbe, nachdem ich hier über fünf Jahre treu gewirkt habe, beantragten, mein Gehalt um 50 Thl. zu erhöhen. Bei so hohen Preisen der Lebensmittel und des Brennmaterials würden gewiß die Königl. Regierung und auch die Gemeinde dies ehr billigen.
Als das Gemeindezimmer von der Gemeinde-Vertretung benutzt wurde, ersuchte der Herr Amtmann meine Frau gegen Vergütung das Zimmer nach jedesmaliger Sitzung zu reinigen, die Fenster wenn nöthig zu putzen, Feuer anzulegen und das Zimmer zu lüften.
Dies hat meine Frau gethan und mehrmals darüber Rechnung eingereicht, welche dann auch gleich angewiesen und ausgezahlt wurde. Die lezte Anweisung und Quittung wird jedenfalls noch als Beweis aufzufinden sein.
Im Jahre 1870 hat meine Frau auch die Rechnung eingereicht, aber der Herr Amtmann weigerte sich dieselbe anzuweisen. Später ist mir mitgetheilt, daß die Rechnung meiner Frau nicht gezahlt würde und dieserhalb ein Beschluß der Gemeinde-Vertretung gefaßt sei. Jeder Arbeiter ist seines Lohnes werth! Eine Behörde hat das Recht eine Rechnung zu revidiren, aber für wirklich geleistete Arbeiten mit: Wird nicht bezahlt! zu lohnen, da hört doch Alles auf. Soll denn der arme Dorfschulmeister sein theures Brennmaterial zum Wohle der Gemeinde hergeben und selbst frieren? Ich hoffe die Gemeinde-Vertretung wird die Rechnung meiner Frau nachträglich anweisen und auszahlen lassen. Meine Frau hat sich bereit erklärt gegen Vergütung die Reinigung und Heizung des Gemeindezimmers zu übernehmen.
Was die Kündigung meines Wohnzimmers betrifft, bemerke ich noch, daß die Gemeinde-Vertretung nicht das Recht hat, dem Lehrer Wohnung noch Garten zu kündigen und daß dies, wenn eine Kündigung überhaupt statthaft wäre, Sache des Schul-Vorstandes ist. Meine nächste vorgesetzte Behörde ist der Schulvorstand. In keinem Falle gebe ich ohne Entscheidung der Königl. Regierung das Geringste von meiner Wohnung ab und bin gewiß, daß dieselbe das Recht des Lehrers schützen wird.
A. Pohlschröder Lehrer

Der Amtmann teilte ihm hierauf mit, dass der Gemeinde Bork die beiden Zimmer über der Mädchenschule gehören und sie nicht verpflichtet sei, sie dem Lehrer zu überlassen. Die Gemeinde kenne übrigens ihre Verpflichtungen und ihre Rechte recht gut und es könne daher nicht unbillig sein, wenn sie für das bisher vom Lehrer benutzte Zimmer eine Entschädigung fordere. Im Übrigen aber wolle er erkunden, ob die Gemeinde Bork bereit sei, das fragliche Zimmer an die Schulgemeinde abzutreten.

Unterstützungsantrag

Weitere Informationen über die Situation des Lehrers können wir aus einem Brief des Amtmanns vom 11. April 1872 an das Landratsamt entnehmen. Angehörige des Pohlschröder (wer, wird nicht gesagt) hatten bei der Königlichen Regierung eine Bitte um Unterstützung eingereicht, zu der der Amtmann sich äußern sollte. Aus seinem Schreiben geht hervor, dass der Lehrer an der Vorschule zu Bork ein Fixum von jährlich 200 Talern, als Organist circa 40 Taler, aus dem Lehrer-Zulagenfond 20 Taler bekam und über eine freie Dienstwohnung verfügte. Dem Vernehmen nach sollte er außerdem Privatvermögen haben und Eigentümer eines Hauses in Suderwick (bei Bocholt an der niederländischen Grenze) sein.

Er ist verheiratet und hat eine Verwandte seiner Frau, geboren 1857 bei sich aufgenommen, deren Vater dem Vernehmen nach gestorben ist. Wo letztere ein Hülfsdomizil hat und ob der Pohlschröder für die Unterhaltung derselben, da ihm soviel ich weiß, diese Verpflichtung nicht obliegt, von der verpflichteten Gemeinde oder deren Mutter Vergütung erhält, kann ich nicht angeben.
Meines Erachtens ist der Pohlschröder so gut gestellt, wie seine meisten Collegen und bemerke ich nur, daß ich die Aeußerung von ihm persönlich habe, „daß er so schlecht nicht leben könne wie ein Bauer welcher 100 bis 150 Morgen Grundeigenthum habe.“ Von einer dürftigen Existenz desselben weiß ich nichts, kann auch solche nicht annehmen da der Pohlschröder außer der Schulzeit sowohl bei Tage als auch des Abends die Wirthshäuser frequentirt.
Derselbe ist hier als ein friedlicher und eifriger Lehrer durchaus nicht bekannt, weshalb Königl. Regierung – nicht ich – Veranlassung genommen hat, ihm jede Schreiberei für den Gemeinde Vorsteher Geiping zu untersagen.
Daß er versucht, bei jeder Gelegenheit gegen mich in Gemeinschaft mit dem Gemeinde Vorsteher gehässige Beschwerden zu führen
[2], dürfte hinlänglich bekannt und die Anleitung hierzu wieder in vorliegender Eingabe zu finden sein.

Tod

Am 13. Juni 1872 starb August Pohlschröder, 38-jährig, an der Schwindsucht. Am 11. September folgte ihm seine Frau Catharina, geborene van Lent. Sie war 49 Jahre alt und starb an Magenkrebs. Johann van Lent aus Bocholt war der Erbe der Eheleute.

Die von Pohlschröder verwaltete Schulstelle an der Vorschule zu Bork wurde in eine Lehrerinnenstelle umgewandelt.
April 2020
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[1] StA Selm, AB-1 – 238. Und folgende Zitate.
[2] Einzelheiten dazu siehe auf dieser Website unter: Kleinkrieg in Bork – 1871/1872.

 
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