aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Der Friedhof in Bork

Christel Gewitzsch

Die Akte über den Friedhof in Bork beginnt mit Reparaturen an der Kirche. Kirchenrendant Didon wandte sich in den 1820er Jahren an den Bürgermeister. Das Kirchengebäude in Bork musste gründlich überholt werden. Didon legte dem Bürgermeister den Kostenanschlag für die Arbeiten vor und bat, wegen des Ausmaßes und der Wichtigkeit der Reparaturen nicht dem wenigst fordernden Pfuscher, sondern einem verständigen u gewissenhaften Meister[1] den Auftrag zu erteilen. Bürgermeister und Landrat berücksichtigten die Bitte insofern, dass sie die Arbeit dem mindestbietenden Maurer Lippert erst dann übertrugen, als sich der als qualifiziert genug eingeschätzte Maurer Bölling als sein Kompagnon herausstellte.

Schäden auf dem Kirchhof

Dreißig Jahre später musste um die Kirche herum schnell etwas getan werden. Auf dem Kirchhof, auf dem bis 1810 Beerdigungen stattgefunden hatten, war durch den Regen so viel Sand abgespült worden, daß mehrere Särge entblößt dort lagen. Pfarrer Pröbsting schrieb an Amtmann Stojentin: Da dieses für das sittliche Gefühl beleidigend ist, so ersuche ich Ew. Hochwohlgeboren gütigst dafür zu sorgen, daß möglichst bald so viel Sand aufgefahren wird, daß wenigstens die hervorstehenden Särge bedeckt sind. Vier Tage später meldete Polizeidiener Aswerus Vollzug. Er selbst hatte Karren und Arbeiter organisiert. Der Sand war herbeigeschafft und auf den Kirchhof geschüttet worden.

Der neue Totenacker

Die weitere Korrespondenz in der Akte bezieht sich hauptsächlich auf den 1810 von der Zivilgemeinde angekauften Todten-Acker an der Landstraße nach Lünen. Der sollte nach dem Willen des Kirchenvorstands 1851 endlich eingefriedet werden, wie es das Gesetz vorschrieb. Doch drängte hier wohl mehr der Umstand, dass sich mehrere Leute einen Weg zu ihren Häusern und Ländereien über den Friedhof gebahnt hatten.

Der Gemeinderat zeigte sich aufgeschlossen und schlug den Bau einer Mauer von etwa 4 Fuß von Ziegelsteinen und gleichzeitig den Ankauf eines Grundstückes für die Erweiterung des Friedhofs vor. Den Bau einer massiven Mauer begrüßte der Kirchenvorstand ohne Einschränkung und legte gleich den Kostenanschlag dafür bei. Den Grundstückskauf hielt er auch für wünschenswert, konnte aber ohne Genehmigung des Hochwürdigsten Herrn Bischofes, welchem zuvor diese Angelegenheit zur Begutachtung vorgelegt werden soll, nicht genehmiget werden.

Der Kostenanschlag für die Mauer wurde der Gemeindeversammlung vorgelegt. Diese zeigte sich ob des nicht unbedeutenden Kostenbetrags (knapp 132 Taler) stark beeindruckt und entschied, es doch lieber mit einer Hecke zu versuchen. Bürgermeister Stojentin schrieb dem Pfarrer: Der Gärtner Adler ist mit Ausführung dieser Heckenanlage beauftragt und 4 Jahre lang verpflichtet dieselbe vollständig zu unterhalten. Wird hierdurch der Zweck nicht erreicht, dann muß zur Anlage einer Mauer übergegangen werden.

Stojentin bat in seinem Schreiben, die Genehmigung für den Grundstückskauf zügig einzuholen. Kolon Dörlemann wollte den Platz gern gegen Vergütung abgeben, doch müsse die Entscheidung bald fallen, da sonst der Grund anderweitig verpachtet würde. Die Kosten dafür könnten durch den Verkauf von Privatplätzen für Familienbegräbnisse aufgebracht werden. Aber genau dafür, antwortete Pfarrer Pröbsting, war die bischöfliche Genehmigung erforderlich. Eine Entscheidung kam nicht zustande.

Übertragungspläne

Als 1859 Pfarrer Pröbsting den neuen Amtmann Foecker über die abgefaulten Torpfosten am Friedhof informierte und ihn aufforderte, möglichst bald für die Reparatur Sorge zu tragen, kamen Foecker grundsätzliche Zweifel. Er erkundigte sich beim Landrat, ob der Friedhof Eigentum der politischen oder der Kirchen-Gemeinde sei. Ihm schien der zweite Fall wahrscheinlicher, da zwar auch evangelische Christen dort begraben seien, der evangelische Pfarrer aber im Amtsornate bei dem Proteste des Ortspfarrers den Kirchhof nicht betreten durfte. Bevor er nun die Reparatur bezahlte, wollte er die Eigentumsfrage geklärt wissen. Seine Vorsicht hielt er auch deshalb für angebracht, weil im Falle des Kircheneigentums auch die jüdischen Eingesessenen, die ihren eigenen Begräbnisplatz unterhielten, für fremdes Eigentum mitzahlen mussten.

Dem Landrat war die Sachlage nicht klar, er verwies auf das Allgemeine Landrecht. Pfarrer und Amtmann gingen nun davon aus, dass der Friedhof im Besitz der Zivilgemeinde war und kamen überein, die Übernahme des Totenackers durch die Kirchengemeinde in die Wege zu leiten. Dazu musste das General-Vikariat gehört werden. Das erklärte sein Einverständnis, wenn die Civil-Gemeinde in einem Acta, auf Grund dessen die Besitzberichtigung auf den Namen der Kirche möglich wird, der Kirche das Eigenthum einräumt.

Die Gemeindevertreter hatten inzwischen, vorbehaltlich der Genehmigung der Königlichen Regierung, dem Besitzerwechsel zugestimmt. Der Kirchenvorstand war auch einverstanden, doch reichte das dem Landrat nicht. Er bemängelte die fehlende Zustimmung der Kirchenrepräsentanten. Am 15. August 1860 trafen sich die sechs Männer in der Knabenschule und erklärten unter Vorsitz des Beigeordneten Dörlemann auch ihre Bereitschaft zur Übernahme und Unterhaltung des Totenackers. Weitere Vorbereitungen wurden getroffen, in deren Verlauf dem Amtmann erneut Zweifel am Besitzrecht der Gemeinde kamen. Schriftstücke darüber gäbe es nicht, so schrieb er dem Landrat. Vielmehr hätte ein Tausch zweier Grundstücke stattgefunden und die Zivilgemeinde dabei die Verpflichtung übernommen, dem Inhaber der Pfarrstelle eine jährliche Rente von zwei Talern und zwanzig Silbergroschen zu zahlen, was bisher auch immer geschehen war.

Diese neuen Erkenntnisse spielten weiter keine Rolle. Vielmehr stolperte die Regierung über Foeckers Aussage, die evangelischen Eingesessenen von Bork und Cappenberg seien in Lünen eingefarrt. Sie wollte die Urkunde darüber sehen. Foecker wandte sich an Pfarrer Fluhme in Lünen, der zurückschrieb, daß die Einpfarrung der Evangelischen zu Bork u. Cappenberg zur evangelischen Gemeinde hierselbst bis jetzt nicht erfolgt ist. Die dortigen Evangelischen haben sich bisher bloß zur evangelischen Gemeinde hieselbst gehalten als der nächstliegenden ohne Rechte und Verpflichtungen. Es steht denselben daher auch keine aus Einpfarrung fließende Berechtigung zum Mitgebrauch des hiesigen evangl. Todtenhofes zu, aber so wenig auch durch Herkommen.

Foecker sah darin kein Hindernis für die Besitzübertragung. In Bork wohne nur eine evangelische Familie, in zwei weiteren Familien sei nur das Familienhaupt nicht katholisch. In Cappenberg gäbe es einen weiteren Friedhof. Eine Benachteiligung finde nicht statt, da denselben der Mitgebrauch nicht verweigert werden wird, auch ihnen hierfür die gesetzlichen Bestimmungen zur Seite stehen.

Das sah Mauderode aus der Abteilung des Innern ganz anders. Er genehmigte die Vereinbarung über die Abtretung des Totenackers nicht, weil durch dieselben die bisherigen Rechte der evangelischen Einwohner geschmälert werden. Denn solange der Begräbnißplatz der Civilgemeinde gehört, haben die Evangelischen ein unbedingtes Mitbenutzungs-Recht; sobald derselbe dagegen Eigenthum der katholischen Kirchengemeinde wird, behalten sie nur Gastrecht in Ermangelung eines eigenen Kirchhofes ... während bei Anlegung eines solchen auch dieses Recht aufhört, was für die Evangelischen in Bork besonders dann sehr fühlbar sein würde, wenn ein Begräbnißplatz an einem von Bork entfernten Orte von der evangelischen Diaspora-Gemeinde eingerichtet werden sollte.

Grundstückskauf

Da jetzt auf bischöfliche Genehmigungen keine Rücksicht mehr genommen werden musste, kam Foecker auf das Angebot des Dörlemann zurück und kaufte dessen zwei Grundstücke zur Erweiterung des Friedhofs. 400 Taler kosteten sie. Zahltag war Martini 1861, dann konnten die Grundstücke übergeben werden, da die Pachtverträge ausliefen. Gemeindeversammlung und Regierung gaben ihr Plazet zum Kauf. Am 28. November reichte Foecker den Vertrag ein, um von der Regierung die Genehmigungsurkunde zu erhalten, die am 11. Dezember in Münster ausgestellt wurde.

Schon im Juni hatte Foecker von der Gemeindeversammlung den Auftrag erhalten, für eine Planierung und Instandsetzung des Friedhofs zu sorgen, damit die Einweihung stattfinden konnte.

Stationsbilder

Ende 1864 nutzte Pfarrer Pröbsting die Gunst der Stunde und bat um die Genehmigung, auf dem erweiterten Friedhof einen Kreuzweg mit vierzehn Stationsbildern einzurichten. Platz sei ja nun genügend vorhanden. Die 600 Taler, die so ein Stationsbild mindestens kostete, sollten von Eingesessenen bezahlt werden, die sich damit das Recht erkauften, hinter einem Stationsbild begraben zu werden. Der Pfarrer argumentiert, daß der Todten-Acker durch die Stationsbilder eine besondere Zierde erhält, und der religiöse Sinn der Christen durch die eingerichtete Kreuzweg-Andacht bedeutend erhöht wird.

Mit acht zu zwei Stimmen nahmen die Gemeindevertreter den Antrag des Pfarrers an.

Denkmal-Standgelder

In derselben Versammlung beschlossen sie auch eine Refinanzierung des Grundstückskaufs, beziehungsweise eine Kapitalbildung für eine eventuell später notwendig werdende Erweiterung. Von denjenigen Eingesessenen, welche belieben sollten, ihren verstorbenen Familiengliedern ein steinernes oder eisernes Denkmal mit massiver Unterlage zu setzen, sollte ab sofort und rückwirkend ein Standgeld in Höhe von zwanzig Talern erhoben werden. Dann durfte das Denkmal so lange stehenbleiben, bis die Beerdigung anderer Leichen den betreffenden Platz in Anspruch nahm. Für zehn weitere Taler konnten die Angehörigen diese Frist verlängern.

Reagierten die Hinterbliebenen nicht auf die Aufforderung zur Verlängerung, durfte die Gemeinde das Denkmal entfernen und die Kosten dafür durch den Verkauf des Materials einholen. Überschüsse sollten der Armenkasse zugewiesen werden. Für hölzerne Denkmale oder solche ohne massive Grundlage war keine Abgabe fällig. Allerdings gab es für diese Plätze auch keine Verlängerung.

Am 12., 19. und 26. März 1865 wurden diese Regelungen den Eingesessenen bekannt gemacht. Gleichzeitig informierte Carl Krutwage den Amtmann, wie viele Denkmale mit massiver Grundlage auf dem Friedhof standen. Insgesamt hatten fünfzehn Verstorbene von 1824 bis 1863 solch ein Denkmal bekommen. An sechs Familien ging nun die Aufforderung, binnen drei Wochen zwanzig Taler Standgeld einzuzahlen, wenn das Denkmal nicht entfernt werden sollte. Fast postwendend gingen drei Beschwerden dazu ein. Die Witwe des Dr. Füchten in Münster, Vincenz Alstedde in Bork und Theodor Beck aus Hassel waren nicht gewillt, die zwanzig Taler zu zahlen, aber nur bei Alstedde nahm die Gemeindevertretung die Zahlungsaufforderung zurück, weil der Unterbau des kleinen Kreuzes nicht massiv genug war.

Der Wunsch vieler Hinterbliebenen, Grabdenkmale für die Verstorbenen zu errichten, blieb trotz Standgelder erhalten. Einige Anträge in der Akte zeugen davon. 

Gutachtliche Stellungnahme

Oberpräsident von Kühlwetter erhielt Mitte September 1873 ein gemeinsames Schreiben des Innen- und Kultusministeriums. Berlin hielt eine Neuordnung und Vereinheitlichung des Begräbniswesens für unabdingbar. Besonders die Festlegung staatlicher und kirchlicher Befugnisse – es war die Zeit des Kulturkampfes –, die Gleichberechtigung anerkannter Religionsgemeinschaften und die Abwägung von öffentlichen und privatrechtlichen Belangen sollten einer Prüfung unterzogen werden. Vor einer Regulierung wollte Berlin Angaben darüber einholen, welche Eigentumsverhältnisse bei den Friedhöfen vorlagen, welche Anordnungen bei Neuanlagen nötig wären und wie zehn weitere Einzelaspekte (z.B. Verpflichtung zur Aufnahme von Leichen, Dauer des Beerdigungsrechts, Grabzierden, Gebühren) zu behandeln seien.

Auch Amtmann Döpper bekam vom Landratsamt einen Abdruck zur Kenntnißnahme und gutachtlichen Äußerung bis zum 25.d. Mts. Termin genau! Seiner Übersicht über die Verhältnisse im Amt Bork schickte er folgende Erklärung voraus:
In Bezug auf das geforderte Gutachten erlaube ich mit gehorsamst zu bemerken, daß ich mit den gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der Leichenhöfe u. des Begräbnißwesens nicht vertraut bin, da die Anwendung derselben in meiner bisherigen Praxis nicht vorgekommen ist. Wegen der vielen vorliegenden Arbeiten habe ich jetzt keine Zeit gewinnen können mich mit diesen Bestimmungen vertraut zu machen, und dürfte mein Gutachten über diese Angelegenheit wohl unwesentlich sein u. wenig zutreffend ausfallen.
Köngl. Landrathsamt bitte ich daher gehorsamst von meiner gutachtlichen Äußerung hochgefälligst absehen zu wollen.

Seine Übersicht lautete:
Von den im Amte Bork belegenen Kirchhöfen befinden sich im Eigenthum,
a. der Kirchen oder Kirchengemeinden oder einer Religionsgesellschaft: 2 und zwar der Begräbnißplatz zu Cappenberg und der jüdische Begräbnißplatz in Bork
b. der bürgerlichen Gemeinden: 2. Die Begräbnißplätze zu Bork und Selm sind Eigenthum der politischen Gemeinden
c. von Privatpersonen ---

1880 erließ die Regierung in Münster – im Anschluss an die Amtsblatt-Verordnung von 1818 – neue Vorschriften für die Anlegung, Erweiterung und Verschönerung von Begräbnisplätzen. In diesen geht es in erster Linie um den Abstand zu Wohnungen, Wasserläufen und Trinkwasser-Brunnen, um die Bodenbeschaffenheit und den Platzbedarf.  Die Kreis-Physiker hatten über die Anwendung der neuen Bestimmungen zu wachen.

April 2021
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[1] und alle weiteren Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 273.




 
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