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Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Die Amtsversammlung in Bork

Christel Gewitzsch

In der Provinz Westfalen und den Rheinprovinzen wurden nach dem Wiener Kongress keine Ämter, sondern Bürgermeistereien gebildet. Erst in dem einleitenden Text zur Landgemeindeordnung für die Provinz Westfalen vom 31. Oktober 1841 verordnete der König die Aufhebung der über das Kommunalwesen in den verschiedenen Landestheilen der Provinz Westphalen zeither bestandenen, fremdherrlichen und Großherzoglich Hessischen Gesetze und Verordnungen(1). Im Titel III dieser Ordnung geht es um die Ämter. Paragraf 111 lautet: Das Amt wird in den Amts-Kommunalangelegenheiten (§.13.) durch die Amtsversammlung vertreten; auf die besonderen Angelegenheiten der einzelnen Gemeinden steht ihr aber keine Einwirkung zu.

Mitglieder

Die Amtsversammlung wurde gebildet 1) aus den Besitzern der landtagsfähigen Rittergüter, ohne Unterschied, ob diese im Orts-Gemeindeverbande stehen oder nicht, 2) aus den Vorstehern der zum Amte gehörigen Gemeinden, vermöge ihres Amtes, und 3) aus gewählten Abgeordneten.

Jeder Gemeinde stand mindestens ein Abgeordneter zu. Die genaue Anzahl wurde durch die Einwohnerzahl und Steuerkraft der Gemeinden bestimmt. Danach waren für die Gemeinde Bork fünf Mitglieder zu wählen, für Selm drei und für Altlünen zwei, also zehn insgesamt.

Die Amtsverordneten wurden auf sechs Jahre gewählt. Alle drei Jahre schied die Hälfte von ihnen aus. Beim ersten Mal wurden diese durch das Los bestimmt. Ausgeschiedene konnten erneut gewählt werden und manche Verordnete bekleideten dieses Amt jahrzehntelang. Heinrich Surholt, Kolon Haverkamp, Kolon Spinne-Kaldewey und der Gastwirt Engelbert Kreutzkamp hielten bis zu ihrem Tode aus, wobei Haverkamp bei rund fünfzig Nennungen in den Protokollen 27mal bei den Nichtanwesenden geführt wurde. Von 1844 bis 1912 tauchen knapp über fünfzig Familiennamen in den Anwesenheitslisten der Amtsversammlungen auf.

Die anfängliche Protokollpraxis in Bork, nämlich auf die Anwesenheitslisten weitgehend zu verzichten, wurde 1857 vom Landratsamtsverwalter Hilgers gerügt, weil er sich über die Beschlussfähigkeit der Versammlung kein Urteil bilden konnte. Auch über die Einladung und Teilnahme der Rittergutsbesitzer gab es Unstimmigkeiten. Der damalige Oberregierungsrat und Leiter der Abteilung des Innern Gustav von Mauderode beanstandete die Nichtberücksichtigung der Rittergutsbesitzer und forderte Nachbesserung. Beigeordneter Hördemann erklärte, dass nach der in Bork eingeführten Gemeindeordnung von 1850 die Rentmeister Preiser (Cappenberg) und Brüning (Botzlar) als gewählte Gemeindeverordnete tätig waren. Die Rittergutsbesitzer hätten selbstverständlich sowohl an den Gemeinde- als auch an den Amtsversammlungen teilnehmen oder einen Stellvertreter benennen können. Das habe bisher nur Graf von Landsberg aus Velen für das Rittergut Botzlar gemacht.

Das Landratsamt bestimmte, die Rittergutsbesitzer ausdrücklich aufzufordern, Bevollmächtigte für den Fall zu benennen, dass sie nicht persönlich den Sitzungen beiwohnen wollten. Hördemann schrieb also 1. an den Standesherrn Grafen v Kielmannsegge, Hochgeboren zu Cappenberg, 2. An den Herrn Freiherrn v Böselager Hochwohlgeboren zu Heessen bei Hamm(2). Rentmeister Preiser in Cappenberg fragte daraufhin nach einem Formular, dass er dem Grafen zur Unterschrift vorlegen könne. So etwas gab es nicht, doch Amtmann Foecker schickte ihm eine Formulierungshilfe, worauf nach zwei Wochen die Vollmacht für den Verwalter Adolph Heindorf eintraf. Einen Monat später bestimmte Freiherr von Böselager den auf Dahl wohnenden Förster Hubert Hartmann zu seinem Vertreter. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wechselten die Vertreter der Güter Cappenberg und Dahl.

Aus dem Protokollbuch

Den Vorsitz in der Amtsversammlung führte der Amtmann. Er besaß das volle Stimmrecht und die entscheidende Stimme bei Stimmengleichheit. In dem von Amtmann Stojentin 1844 angelegten Protokollbuch für die Amtsversammlungen ist die erste Sitzung die vom 16. März. Sie war auf Geheiß des Landrats einberufen worden, um ... die zur Aufstellung des Normal-Besoldungs-Etats für das Amt Bork erforderlichen Erklärungen in Beziehung auf die Höhe der zu bewilligenden Gehälter abzugeben(3).

An dieser Sitzung nahmen neben dem Amtmann die Rentmeister Brüning und Steinmann, die Gemeinde-Vorsteher Schulze Weischer und Schulze Wethmar und als Amtsverordnete die Herren Hördemann, Richter, Schulze Alstedde und Haverkamp teil. Sie beschlossen, aus der Amtskasse in Zukunft nur das Gehalt des Amtmanns, einen Zuschuss für die Anmietung des Amtsbüros und das Gehalt eines Amtsdieners zu bezahlen. Die Besoldung und die Bekleidung der Polizeidiener überantworteten sie den Gemeindekassen, mit der Besonderheit, dass der o. g. Amtsdiener zugleich auch Polizeidiener für Bork und Altlünen war. Als Entschädigung für die neu auferlegte Verpflichtung sprach die Versammlung den Gemeindekassen die eingehenden Polizeistrafgelder zu, die vorher von der Amtskasse vereinnahmt wurden.

Bis 1852 finden sich genau sechs weiter Protokolle in dem Buch. Amtmann Foecker fügte während seiner Amtszeit keines hinzu. Informationen über die Amtsversammlungen heftete er in die Acta generalia betreffend die Einführung der Landgemeinde-Ordnung nach dem Gesetz vom 19 Maerz 1856(4). Die nächste Eintragung im Protokollbuch vom 22. Juli 1870 stammt von Amtmann Döpper.

Hauptthemen

Am häufigsten kümmerte sich die Versammlung um die Aufstellung des Etats und der Überprüfungen der vom Gemeinde-Empfänger vorgelegten Amtsrechnung. Der Amtmann musste den Etat aufstellen, der Versammlung vorlegen und erklären. Bevor den Verordneten die Abrechnung zur Prüfung, Feststellung und Entlastung vorgelegt wurde, fand jeweils eine Vorrevision durch den Amtmann statt.

In den letzten sechs bis sieben Jahren kamen die ebenfalls vom Rendanten vorzulegenden Rechnungen der Fleischbeschaukasse hinzu, die nie zu Beanstandungen Anlass gaben.

Mehr oder weniger regelmäßig standen Entscheidungen über die Anpassung der Gehälter der Beamten und Angestellten des Amtes an. In zahlreichen Sitzungen befasste sich die Amtsversammlung mit sich selbst.

Da ein Drittel der Verordneten alle zwei Jahre ausschied, standen Neuwahlen häufig auf der Tagesordnung. Viermal musste für ein verstorbenes Mitglied ein Nachfolger gewählt werden. 1911 beschränkte man diese Ersatzwahlen auf den Fall, dass die Wahlperiode mindestens noch sechs Monate andauerte. Die Herren Surholt, Haverkamp, Spinne-Kaldewey und Kreutzkamp waren bis zu ihrem Tode Amtsverordnete. Alle sechs Jahre waren auch ein Kreistagsabgeordneter und dessen Stellvertreter zu wählen.

1875 verfügte der Landrat die Neuwahl eines Bezirkswählers und seines Stellvertreters wegen der Neuwahl von Provinzial-Landtagsabgeordneten und deren Stellvertreter. Mit neun zu einer Stimmen wählte die Versammlung den Oeconom Christoph Spinn gt. Evert zu Beifang und zu seinem Vertreter den Schulze Friedrich Wischeler aus Netteberge mit acht zu zwei Stimmen. Beide nahmen die Wahl an.

Weitere Themen

Andere Themen standen in den ersten Jahrzehnten nicht auf der Tagesordnung, nur einmal ging es um die Einführung einer Körverordnung(5). Erst in späteren Jahren, als die Bevölkerungszahl in die Höhe ging, das Personal zunahm und Amtsbüros und Amtshäuser gebaut, bzw. angemietet werden mussten, tagten die Amtsverordneten häufiger und nahmen die Tagessordnungen an Umfang zu.

Manche Themen ergaben sich durch Verfügungen von höherer Stelle. So nahm die Versammlung 1870 zur Kenntnis, dass das Amt sich an den Kosten für das Wach- und Gefängnislokal in Bork und das Spritzenhaus beteiligen musste. Auch bei künftigen Um- oder Neubauten war ein Zuschuss aus der Amtskasse zu erwarten.

1874 reichten die Auswirkungen des Bismarck’schen Kulturkampfes bis in den Amtsbezirk, als das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung(6)  vorgelegt wurde. Es ging darum, Standesbeamte einzustellen. Versammlung erklärte einstimmig daß es kleinere ländliche Bezirke allerdings schwierig sei einen ausreichend qualificirten Standesbeamten und Stellvertreter für denselben zu gewinnen, und daß man es hier für zweckmäßig erachte den bestehenden ländlichen Amtsbezirk Bork unverändert als einen Standesamtsbezirk einzurichten. Gleichzeitig erklärte die Versammlung, daß 2 Stellvertreter des Standesbeamten genügen dürften.

Die Verordneten bestimmten Amtmann Döpper zum Standesbeamten. Seine Stellvertreter wurden der Krämer Peter Cortner und der Bäcker und Gastwirt Anton Alstedde, beide aus Bork.

1888 erhielt die Amtsversammlung den Auftrag, sich zu den Grundsätzen, welche bei der Berechnung des pensionsfähigen Diensteinkommens der der Pensionskasse ... angehörigen Beamten zu befolgen sein dürften zu äußern.

Die Arbeiten zur Umsetzung der neu eingeführten Invaliden- und Altersversicherung machten es 1890 nötig, weiteres Personal auf Kosten der Amtskasse einzustellen. In derselben Versammlung wurde auch die Anschaffung eines Dienstrevolvers für den Amtmann beschlossen, da dieser auch in die Lage käme sich zur Abwehr eines solchen bedienen zu müssen.

Anschaffungen

Hin und wieder hatten sich die Amtsverordneten mit der Ergänzung der Büroausstattung zu befassen.

1880 sollte der alte Ofen im Amtsbüro ersetzt werden. Ganz unbürokratisch bevollmächtige man den Amtmann mit der Abwicklung.

1896 musste für die Gemeindehebestelle Bork, die mit der der Gemeinde Südkirchen verbunden war, ein Kassenschrank angeschafft werden. Für 505 Mark bekam man den bei der Firma Pohlschroeder in Dortmund. Die Gemeinde Südkirchen, die zu dem Kaufpreis nichts beigetragen hatte, führte für die Mitbenutzung jährlich 25 Mark Miete an die Amtskasse Bork ab.

1904 war für das Dienstzimmer des Amtmanns ein neuer Aktenschrank fällig. Schreinermeister Lackmann bekam den Auftrag, den er nach den Anweisungen des Amtmanns ausführen sollte.

1907 wurden für das neueingerichtete Meldeamt Schränke und Formulare benötigt. Diese Anschaffungen waren im Etat nicht vorgesehen, deshalb musste beim Kreisausschuss um Genehmigung der außeretatmäßigen Ausgaben nachgesucht werden.

1908 beschloss die Versammlung aufgrund des Vorschlags des Amtmanns den Kauf einer Schreibmaschine. Die Firma Rademann in Lüdinghausen erbot sich, eine Adlermaschine mit einer Tastatur in Actenschrift für 350 Mark samt Zubehör zu liefern.

1909 wurde der neu angestellte Amtsbautechniker Gustav Glaser als erster Beamter des Amtsbezirks mit einem Dienstfahrrad ausgestattet. Für 60 Mark aus der Amtskasse stellte ihm der Klempner F. Henke aus Selm-Beifang jedes Jahr ein neues Fahrrad zur Verfügung, notwendige Reparaturen inbegriffen.

1910 kam das Bauamt in Platznot. Die Aktenberge wuchsen an, aber mit der Aussicht auf neue Räumlichkeiten wollte die Amtsversammlung für das alte Büro keine Schränke mehr kaufen. Einfache Schrankregale mit Rollvorhängen sollten für den Übergang genügen. In derselben Sitzung bewilligte man – ebenfalls für das Bauamt – die Beschaffung der notwendigen Aktendeckel.

Um die Arbeiten zügiger erledigen zu können, war dem Amt anlässlich einer Bürorevision empfohlen worden, die zu dieser Zeit in verschiedenen Häusern gelegenen Büros mit einer Telefonanlage zu verbinden. Die Verordneten stimmten dem zu und bewilligten die dadurch entstehenden Kosten.

Ein schon lange schwelendes Thema wurde ebenfalls 1910 einer Lösung zugeführt. Nach Jahren voller Kompromisse und Übergangslösungen fasste die Amtsversammlung nach gründlicher Beratung den Beschluss, ein neues Amtshaus zu bauen. Die Einweihung fand im Mai 1912 statt.

Dezember 2021
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1. Landgemeindeordnung für die Provinz Westfalen. vom 31. Oktober 1841.Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, Nr. 21. 1841, S. 297.
2. StA Selm, AB-1 – 28.
3. StA Selm, AB-1 – 676.
4. StA Selm, AB- 1- 28.
5. Körung: Beurteilung männlicher Nutz- und Haustiere in Zusammenhang mit ihrer Verwendung für die Zucht.
6. und folgende Zitate: StA Selm, AB-1 – 676.

 
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