Die Anstellung der Nachtwächter betreffend
Christel Gewitzsch
Bekanntmachung
Mit dem 1ten des künftigen Monats May geht die Anpachtung des Nachtwächter-Dienstes zu Ende und soll am künftigen Donnerstag d 2ten May des Js. des Nachmittags um 2 Uhr auf hiesigen Bureau derselbe anderweit verdungen werden, möge Unternehmungs-Lustige hierdurch eingeladen werden.
Borck d 27ten April 1822
Der Bürgermeister Köhler[1]
Borker Nachwächter
Mit dieser Information an die Bewohner der Gemeinde Bork beginnt die Akte über die Nachtwächter. Am besagten 2. Mai schickte der Bürgermeister dem Landrat Schlebrügge das Protokoll der Versammlung zur Genehmigung, die aber nicht erteilt wurde. Der Landrat kritisierte:
Die Anstellung eines Nachtwächters im Dorfe Borck eignet sich nicht zur Mindestbietenden Verpachtung, indem es hier darauf ankümmt einen unbescholtenen, nüchternen und seiner körperliche Constitution nach geeigneten Mann die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit zur Nachtzeit anzuvertrauen. Sie haben daher ein sowohl in moralischer als physischer Rücksicht am besten geeignetes Subjekt als Nachtwächter anzustellen und ihn, in dem darüber mit ihm aufzunehmenden Protokolle zur Erfüllung seiner Dienst Functionen gehörig zu verpflichten. Selbige bestehen darin:
1. Daß er zur Winterzeit des Nachts von 9 Uhr bis 5 Uhr Morgens zu Sommerzeit von 10 Uhr alle Stunde im Dorfe herumgeht, und auf den zu bezeichnenden Plätzen nach Maaßgabe der Stundenzahl ins Horn bläst,
2. Bei allen Vorfällen wodurch die öffentliche Sicherheit gefährdet und die nächtliche Ruhe gestöhrt wird, sofort der Polizeibehörde Meldung macht, und die betreffenden Hausbewohner weckt.
Ebenso wenig wollte der Landrat dem künftigen Nachtwächter so weitreichende Kompetenzen einräumen, wie sie der Bürgermeister vorgesehen hatte. Einen acht Punkte umfassenden Vertrag hatte Köhler aufgesetzt, den Schlebrügge in folgenden zwei Punkten abänderte: Es kann demselben nicht unbedingt die Befugniß eingeräumt werden, jeden der ihm nach der Polizeistunde begegnet, anzuhalten, er hat nur die zur nächtlichen ungewöhnlichen Zeit Wandelnden zu beobachten, und wenn selbige verdächtig erscheinen, zu verfolgen und der Polizey-Behörde Anzeige zu machen; - noch weniger die Befugniß; in die Häuser zur nächtlichen Zeit zu dringen, wo Licht bemerkt wird, sondern er hat sich nur zu überzeugen, ob etwa Diebe eingeschlichen oder Feuersgefahr vorhanden ist, und in letzteren Fällen die geeigneten Sicherheits Maaßregeln zu nehmen.
Bei der Regelung des Bürgermeisters konnte es leicht passieren, dass angesehene Einwohner sich belästigt fühlten. Für Lokale und Restaurants, die nur Wein ausschenkten, galt nicht die gleiche Polizeistundenverordnung wie für einfache Gaststuben. In einem Brief von 1857 begründete die Regierung in Münster dies damit, dass diejenigen Wirthshäuser, in welchen der gebildete Theil des Publikums verkehrt hauptsächlich deshalb durch Festsetzung der Polizeistunde nicht in gleichem Maaße zu beschränken [seien], wie solches in den für die ungebildeten Klassen geeigneten Schankstätten erforderlich ist, weil von den Besuchern derselben ein die nächtliche Ruhe störender Lärm, Unordnung und Excesse weniger zu befürchten stehen.[2]
Nachdem Köhler den Vertrag mit den Änderungen aufgesetzt hatte, erhielt der Tagelöhner Kappelhoff, der sich gemeinsam mit dem zweiten Unternehmungslustigen[3] Langenkemper an der Versteigerung beteiligt hatte, den Posten. 19 Taler und zwanzig Silbergroschen bekam er dafür; 1,20 Taler mehr als sein Kollege im Vorjahr.
Als Kappelhoff 1833 starb, kam auf Wunsch der Eingesessenen von Bork sein damaliger Mitbewerber Franz Langenkemper zum Zuge. Er versah dieses Amt zur allgemeinen Zufriedenheit. Seine Bitte von 1838 um eine Gehaltserhöhung von 24 auf 30 Taler unterstützte der Bürgermeister mit den Worten, dass der Langenkemper ein ganz vorzüglicher Nachtwächter und durch keinen zu ersetzen sein wird. Zum 1. Oktober 1850 legte Langenkemper sein Amt nieder.
Dessen Nachfolger Caspar Anton Peters findet lange keine Erwähnung in der Akte. Bis 1861, da sah sich Amtmann Foecker gezwungen, ihn wegen seiner nachlässigen Dienstauffassung zu tadeln. Er drohte ihm mit Kündigung, falls er seine Arbeit nicht sorgfältiger erledigte. Peters schien beeindruckt, er blieb jedenfalls im Dienst. Acht Jahre später meldete Polizeidiener Klinge dem Amtmann, dass Peters in zwei Nächten nur einmal, bzw. gar nicht auf den Straßen das Horn geblasen habe. Die erneuten Vorhaltungen des Amtmanns beantwortete Peters mit seiner Kündigung.
Bei der Neubesetzung der Stelle hatten aufgrund der Landgemeindeordnung von 1856 die Gemeindeverordneten ein Wörtchen mitzureden. Am 4. Dezember 1869 traten sie zusammen, um unter den sechs Bewerbern, dem Seiler Schneider, dem Weber Folle und den Tagelöhnern Leismann, Grube, Schnieders und Netthöfel, den geeignetsten auszuwählen. Der Beigeordnete Dörlemann schlug Anton Schnieders vor und die Versammlung stimmt dem mit Mehrheit zu. Im Vertrag legten sie fest, bei Dienstversäumnissen Strafen von 15 Silbergroschen bis zwei Taler verhängen zu können. Auch führten die Verordneten eine monatliche Kündigung seitens der Gemeinde ein, damit bei Unzuverlässigkeit eine schnelle Reaktion möglich war. Die Kündigung in diesem Fall kam allerdings von Schnieders. Anfang 1871 teilte er mit, die Stelle zum 1. Juli wegen anderweitiger Beschäftigung niederzulegen.
Auch der nächste Nachtwächter blieb nicht lange im Dienst. Unter sieben Bewerbern, die alle für die Stelle als würdig erachtet wurden, fiel die Wahl im Juni 1871 auf den Holzschuhmacher Wilhelm Surholt. Zum Ende des Jahres 1872 verließ er den Posten wieder und der Tagelöhner Heinrich Grube folgte. Der blieb bis zu seinem Tode am 2. November 1887 Nachtwächter in der Gemeinde Bork.
In dem Vertrag mit Grube von 1873 waren die Kündigungsklauseln, die Höhe der Konventionalstrafen, der Verzicht auf einen Pensionsanspruch und eine Regel für den Vertretungsfall hinzugekommen.
Am 23. November 1887 wählte die Gemeindevertretung Bork den Weber Engelbert Schmitte zum Nachtwächter. Dreimal taucht er danach in der Akte auf, immer wegen der Bitte um eine Gehaltserhöhung. Das geschah 1888, 1893 und 1895. Sein letztes Gehalt betrug 210 Mark. Schmitte starb 1895.
Für einen Monat versah der Gärtner Wilhelm Adler den Dienst. Doch musste er das Amt wieder abgeben, weil dem Tagelöhner Vinzenz Erdmann als ehemaliger Soldat und Kriegsveteran Vorrang eingeräumt wurde. Um herauszufinden, ob er den Anforderung des Postens gewachsen war, wurde er zuerst nur vorläufig eingestellt,
Als nächstes gab Amtmann Busch 1904 bekannt: Die vereinigten Stellen eines Nachtwächters und eines Laternenwärters für Bork sollen durch eine geeignete Persönlichkeit besetzt werden.
Bewerber können sich bei dem Unterzeichneten melden.[4]
Selmer Nachwächter
Die privilegierte Stellung eines ehemaligen Soldaten bekam 1830 auch der Sohn des verstorbenen Selmer Nachtwächters Linnenbank zu spüren. Elf Jahre hatte der Vater zur völligen Zufriedenheit der Gemeinde die Stelle versehen und mehr als vierzig Selmer gingen davon aus, dass der Sohn ebenso zuverlässig arbeiten würde. In einem gemeinsamen Brief an den Landrat schrieben sie, Heinrich Linnenbank junior sei ein 48-jähriger Vater von 5 minorennen [unmündigen] Kindern, wovon das eine an der Gichtkrankheit leide.[5] Ohne diesen Zusatzverdienst sei er nicht in der Lage, seine Familie zu ernähren. Schon zu Lebzeiten seines Vaters hatte er um die Stelle nachgesucht und behauptet, sein Vater wäre bereit, die Arbeit niederzulegen. Dieser bestritt das allerdings und der Bürgermeister sah keinen Grund, den pflichtbewussten Mann zu entlassen. Als der Sohn sich die Stelle für die Zukunft reservieren lassen wollte, erkundigte sich der Bürgermeister beim Selmer Pastor über das Betragen des Bittstellers. Der Pastor stellte weder Linnenbank noch seiner Ehefrau ein günstiges Urteil aus, obwohl er den Brief an den Landrat mit unterschrieben hatte. Der Gemeinderat wischte die Äußerung des Pfarrers als Verleumdung vom Tisch, musste aber einräumen, dass der Bewerber sich hin und wieder verbotenerweise Holz aus dem Wald geholt hatte.
Beim Landrat hatte sich inzwischen der Tagelöhner und Vater von vier Kindern Frecks, der die Feldzüge treu und tadelfrey mitgemacht hatte, um diese Stelle beworben und eine Zusage erhalten. Der Bürgermeister, der beide Bewerbungen vorliegen hatte, war ratlos und bat den Landrat um eine Entscheidung. Schlebrügge verstieg sich in dieser Situation zu dem Vorschlag, die beiden mögen doch abwechselnd den Dienst versehen und sich das Gehalt teilen. Frecks verwies noch einmal auf seine vier Kinder und die vom ihm mitgemachten Feldzüge. Da er seit Anfang des Jahres 1831, inzwischen war es Mitte Februar, die Nachtwächterrunden regelmäßig abgelaufen war, beließ der Landrat es bei seiner Anstellung.
Sechs Jahre später kündigte Frecks aus Krankheitsgründen. Linnenbank war schon seit vier Monaten vom Bürgermeister mit dessen Vertretung beauftragt worden. Bürgermeister Köhler fragte den Landrat, ob er nach einem Versorgungsberechtigten suchen sollte; in Bork sei keiner vorhanden. Da wegen der geringen Bezahlung wohl kein Auswärtiger zu finden sei, beließ man es bei der Anstellung Linnenbanks.
Sehr froh wurden die Beteiligten mit dieser Entscheidung nicht. Ende 1839, als Linnenbank wegen einer Gehalterhöhung vorstellig wurde, weil der Verlust seines Tageslohns größer war als die Bezahlung des Nachtwächterdienstes, lehnte die Gemeindeversammlung ab. Linnenbank würde seinen Dienst nicht derartig thuen, daß man mit ihm zufrieden sein könne; demselben vielmehr aufzugeben seie, seinen Pflichten strengstens nachzukommen, andernfalls ein anderes Subject statt seiner anzustellen.
Linnenbank beklagte auch, kein Geld für notwendige warme Winterkleidung bekommen zu haben. Aber Gemeinderat und Bürgermeister ließen sich nicht erweichen. Der Nachtwächter wurde aufgefordert, seine Verpflichtungen gewissenhafter zu erledigen. Mit einem Attest der Gemeinderäte Melchers und Hülsbusch sollte er innerhalb der nächsten 14 Tage seine verbesserte Arbeitsmoral nachweisen. Das geschah wohl, denn er blieb bis zu seinem Tode am 22. Dezember 1847 Nachtwächter in Selm.
Mit der Todesnachricht überbrachte der Gemeindevorsteher Schulze Weischer den Vorschlag für die Neubesetzung. Der Tagelöhner Wilhelm Prott, gegen dessen Würdigkeit nichts einzuwenden war, sollte die Stelle übernehmen. Alle stimmten zu, so dass Prott am 14. Januar 1848 im Büro des Amtmanns vereidigt und mit den Vertragsbedingungen bekannt gemacht wurde. Sein Jahresgehalt betrug 25 Taler. Mit der Würdigkeit des Prott war es aber nicht weit her. Nach eineinhalb Jahren im Dienst häuften sich beim Gemeindevorsteher die Beschwerden. Den Amtmann Stojentin bat Gemeindevorsteher Weischer, Prott zur Rede zu stellen und ihm seine Nachlässigkeiten vorzuhalten, die wieder darin bestanden, nicht pünktlich zur vollen Stunde das Horn zu blasen. Pikiert waren die Dörfler auch, weil er und seine Frau sich lautstarke Auseinandersetzungen mit anderen Eingesessenen auf der Straße lieferten.
Amtmann Stojentin drohte im Mai 1851 mit der Entlassung, was aber keine nennenswerte Verbesserung der Dienstauffassung beim Prott bewirkte. Im Dezember wiederholte Stojentin seine Vorwürfe und kündigte vorsorglich. Nach Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist sollte endgültig entschieden werden. Das scheint gewirkt zu haben. Vier Jahre lang tauchten keine Beschwerden über Prott in der Akte auf.
Ende 1855 ging alles wieder von vorne los. Mit der Entschuldigung, nur zweimal nicht pünktlich geblasen zu haben, kam Prott davon. Durchgreifende Beschlüsse waren in dieser Zeit vielleicht deshalb schwierig herbeizuführen, weil Amtmann Stojentin gerade gestorben war und der Beigeordnete Hördemann die Last der gesamten Verwaltung zu meistern hatte. Erst der nachfolgende Amtmann Foecker beendete nach erneuten Beschwerden das Arbeitsverhältnis mit Prott zum 1. Januar 1858.
Der neue Nachtwächter, der Tagelöhner Wilhelm Aswerus, war schon gewählt worden und konnte sein Amt sofort antreten. Auch ihm zahlte die Gemeinde ein Jahresgehalt von 25 Talern. Wegen der Kosten für Licht und Heizung in den Wintermonaten bekam er im April eine Gehalterhöhung von 5 Talern. Damit gab er sich lange zufrieden. Erst Ende 1873 meldete er sich wieder und schrieb:
Seit beiläufig sechszehn Jahren habe ich die Nachtwächterstelle für das Dorf Selm bekleidet. Ich glaube, meine Pflicht stets gethan zu haben und zweifle nicht, daß die Eingesessenen des Dorfes Selm mit meiner Leistung zufrieden sein werden. Die Stelle als Nachtwächter ist mit einer jährlichen Einnahme von 30 T verbunden. Vor etwa 10 Jahre wurde ich vom Schlage gerührt und bin in Folge dessen arbeitsunfähig geblieben. Die Stelle als Nachtwächter vermag ich vor wie nach vorzustehen, bin aber nicht mehr in der Lage durch Tagelohn mir Verdienste zu erwerken, wie ich solches früher zu thun pflegte. Die mit der Nachtwächterstelle verbundene Einnahme von 30 T. ist nicht hinreichend mich und meine Frau zu ernähren, weshalb ich ganz gehorsamste um eine kleine Gehalts-Erhöhung bitte.
Hand XXX zeichen des Aswerus attestirt H. Fuisting
Lange konnte Aswerus sein nun besser bezahltes Amt nicht mehr ausüben. Ende 1874 suchte die Gemeinde einen neuen Nachtwächter. Wilhelm Aswerus starb mit 68 Jahren im November 1879.
Fünf Interessierte meldeten sich für die vakante Stelle. Amtmann Döpper setzte vorläufig den Bewerber Christoph Hamann zum 1. Dezember 1874 ein. Ob ihm der Posten für längere Zeit übertragen wurde, ist nicht ersichtlich. Der als nächstes genannte Nachtwächter war Wilhelm Kroes. Dem wurde Anfang März 1883 gekündigt, weil er seine Pflicht als solcher fast gar nicht mehr erfüll[t]e. Gewählt wurde der Korbmacher Heinrich Kortendieck.
Dieser fiel im Februar 1886 dem Landrat Graf von Wedel unangenehm auf. Wedel schrieb an Amtmann Döpper:
In der gestrigen Gerichtsverhandlung ist es zur Sprache gekommen, daß der Nachtwächter Kortendieck zu Selm in einer Zeit in der ich wegen vorgekommener Landfriedensbrüche die Gemeinde zur Aufstellung von Sicherheitswachen anhalten mußte, seinen Dienst durch seine Mutter hat versehen lassen. Der Gendarm Hogrefe hat darüber dem Amtmann Döpper Anzeige erstattet und ihm auch die der Frau abgenommenen Nachtwächterutensilien eingereicht. Kortendieck ist in seiner Stellung als Nachtwächter verblieben und es verlautet nichts, daß gegen ihn überfügte Maßregeln ergriffen sind.
brmsfr an den Amtmann Döpper Wohlgeboren zu Bork zur Äußerung, ob der p Kortendieck s.Z. zur Rechenschaft gezogen ist, und wie die Wiederholung solch unverantwortlichen Verhaltens vorgebeugt wird.
14 Tage räumte der Landrat dem Amtmann für die Beantwortung ein. Aber dieses Mal reagierte Döpper schnell. Nach drei Tagen ging sein Brief ab, in dem er für das Verhalten des Kortendieck um Verständnis warb. Es komme überall vor, dass Nachtwächter sich vertreten ließen, denn alle seien darauf angewiesen, sich durch Tagelohn einen Nebenverdienst zu verschaffen. Die Mutter habe ebenso gut einen Brand entdecken und Alarm geben könne wie ihr Sohn. Er – Döpper – habe ihn nicht bestraft, aber streng verwarnt.
Wedel antwortete:
Ew. Wohlgeboren erwidere ich auf den Bericht vom 27.v.Ms- Nr. 195 ergebenst, daß mir das Bedürfniß, in einem großen geschlossenen Dorfe einen Nachtwächter zu halten, unzweifelhaft erscheint. Gegen eine etwaige geeignete Vertretung desselben ist zwar Nichts einzuwenden, daß aber eine alte Frau zu dieser Vertretung zugelassen wird, ist nicht zu billigen, zumal wenn es in einer Zeit geschieht, wo wegen bedenklicher nächtlicher Ruhestörungen in Selm besondere Sicherheits-Maßregeln für erforderlich gehalten wurden.
Ich bin leider daran gewöhnt, daß die Ausübung der Polizei in Ihrem Amtsbereiche der nöthigen Thatkraft ermangelt, aber ich bin doch erstaunt, daß Sie für die Schlaffheit des Nachtwächters Kortendieck noch Worte der Entschuldigung gefunden haben. Ich fordere Sie nun hierdurch auf, die Gemeindevertretung über die Nothwendigkeit des Nachtwächterdienstes in Selm zu vernehmen und im Bejahungsfalle dafür Sorge zu tragen, daß die Ausübung des Dienstes einem Mann übertragen wird, welcher nicht nur die Stunden auspfeifen und Feuers-Gefahr anzeigen, sondern welcher auch gegen Diebe und Ruhestörer einschreiten kann. Das Gehalt ist so zu bemessen, daß er den Dienst selbst ausüben oder einen zuverlässigen Mann als Vertreter stellen kann.
Der Beschluß der Gemeinde-Versammlung ist in 6 Wochen einzusenden.
Der Beschluss wurde am 20. April 1886 eingereicht, dessen Inhalt fehlt in der Akte.
Ab Oktober 1891 versah Heinrich Wanders den Nachtwächterdienst. 1892 beantragte er, daß ihm von der Gemeinde zu seiner Sicherheit bei der Ausübung seines Dienstes ein Revolver geliefert würde. Die Gemeindeversammlung stimmte zu und Döpper bestellte beim Büchsenmacher Rensmann in Lüdinghausen für 33,50 Mark einen Militärrevolver plus fünfzig Patronen. In diesem Zusammenhang fiel Döpper auf, dass der Nachtwächter vom Selmer Gemeindevorsteher nicht vereidigt worden war, kein Vertrag vorlag und auch seine Bezahlung nicht schriftlich niedergelegt war. Dies sollte unverzüglich nachgeholt werden. Davon liest man erst einmal nichts. Dagegen traf ein Brief des Büchsenmachers beim Amtmann ein, in dem er mitteilte, der neue Gemeindevorsteher Witthoff habe ihn in Lüdinghausen aufgesucht und erklärt, der für den Nachtwächter gekaufte Revolver sei zu teuer. Der könnte es mal mit einem billigen Dingens thun, schlug Witthoff vor. Auf den Einspruch des Handwerkers fügte Witthoff hinzu, dann sollten die Völker sich ruhig verhalten, dann wäre so was nicht nötig. Büchsenmacher Rensmann schrieb zum Schluss: Um der Kleinigkeitskrämerei ein Ende zu machen, so habe ich mich erboten 3,50 abzüglich Porto auf den Revolver nachzulassen, welche mit gleicher Post folgen.
Dieser Vorgang kam auch dem Landrat zu Ohren, der daraufhin an alle Ortsbehörden folgendes Schreiben verschickte:
Es ist der Fall vorgekommen, daß eine Gemeinde einen noch dazu nicht vorschriftsmäßig angestellten und verpflichteten Nachtwächter, welcher auch im Heere nicht gedient hat und mit der Führung von Waffen nicht vertraut war, mit einem Revolver ausgerüstet hat. Es liegt darin eine große Gefahr für den Mann selbst und auch für das Publicum, welche nicht zugelassen werden darf. Selbst die Polizeidiener sind nur mit Revolvern auszurüsten, wenn sie die Fähigkeit zur Führung dieser gefährlichen Waffen dargethan haben und wenn ihr gesetztes Wesen Bürgschaft dafür bietet, daß sie keinen Mißbrauch damit treiben werden.
Bei Nachtwächtern, die schwerer controlirt werden können, sind diese Bedingungen in verschärfter Weise zur Anwendung zu bringen. Ich werde die Polizeibehörden dafür verantwortlich machen, wenn aus der Nichtbeachtung dieser Anweisung ein Unglück entstehen sollte.
Zum 1. Oktober 1907 kündigte Wanders. Körperliche Gebrechlichkeit und ein Augenleiden hinderten ihn an der Ausübung des Dienstes.
Die Gemeinde Selm legte danach die Aufgaben des Nachtwächters mit denen eines Laternenwächters zusammen.
Juli 2020
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[1] und folgende Zitate: StA Selm, AB-1 – 42.
[2] LAV NRW W, Kreis Lüdinghausen, Nr. 969.
[3] und folgende Zitate: StA Selm, AB-1 - 42.
[4] StA Selm, Ab-1 – 476.
[5] und folgende Zitate: StA Selm, AB-1 - 42.