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Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Ehrungen zur goldene Hochzeit 

Christel Gewitzsch

Zur Anerkennung und Befestigung des frommen Familien-Lebens[1] konnte für Ehepaare, die 50 Jahre verheiratet waren, ein Gnadengeschenk bei der Königin-Elisabeth-Stiftung beantragt werden. Bei der namensgebenden Königin Elisabeth (1801–1873) handelt es sich um die Frau des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., der im Januar 1861 starb. Die Stiftung war am 29. November 1848 anlässlich der Silberhochzeit des Paares gegründet worden. Elisabeth war die Tochter des bayrischen Königs Maximilian I. und der Königin Caroline.

Nach dem Tod Elisabeths wurde die Stiftung Anfang 1874 eingestellt. Gesuche um Geldgeschenke zur Ausrichtung der Hochzeitsfeier konnten aber weiterhin bei den Königlichen Regierungen gestellt werden, die selbständig über die Vergabe und Höhe des Betrags entscheiden konnten. Sie wurden aber darauf verpflichtet, den Bewilligungsbescheid in jedem Falle ausdrücklich im Namen Seiner Majestät des Kaisers und Königs zu übermitteln.

Im Amtsbezirk

Von 1866 bis 1906 wurden im Amtsbezirk Bork insgesamt vierzehn solcher Anträge gestellt, mal von den Pfarrern, die einen Einblick und Überblick über die Heiratsdaten hatten, aber meistens von den Amtmännern. Manchmal kam die Anregung von den Eheleuten selbst oder von deren Kindern.

Aus Altlünen stammt der erste Antrag in der Akte. Der Pfarrer dort wandte sich an Amtmann Foecker und schrieb: Ew. Wohlgeboren bringe ich hierdurch zur Kenntniß, daß die alten Eheleute Middendorf in Alstedde, nämlich Johan Heinrich Kemme genannt Middendorf (geb 1782 den 13ten April) und Maria Catharina Richter (geb, 1792) im Jahre 1816 den 15. October in hiesiger Pfarrkirche ehelich miteinander verbunden sind, sonach am 15. October laufendes Jahres ihre goldene Hochzeit zu feiern berechtigt sein werden. Da sie selbst sowohl als auch ihre zahlreiche Familie diesen Ehrentag festlich zu begehen wünschen, und das Wort der h. Schrift: „Das Greisenalter ist eine Ehrenkrone, wenn es auf den Pfaden der Gerechtigkeit gefunden wird“, [...] auf beide Eheleute seine volle Anwendung findet, so dürfen sie hoffen, daß Ihre Majestät die verwittw. Königin Elisabeth ihnen das Ehrengeschenk, welches Allerhöchstdieselbe für solche Jubelpaare auszusetzen geruhet, huldreichst verliehen und dadurch der Jubeltag verherrlichen werde.

Amtmann Foecker schloss in seinen Antrag an den Landrat ein zweites Jubelpaar, die Eheleute Thöle aus Bork, mit ein und hielt sich eng an die Formulierung des Pfarrers – einschließlich des Spruchs über das Greisenalter. Er fügte hinzu, in welchen Vermögensverhältnissen die beiden Ehepaare lebten. Während die Eheleute Middeldorf ein gutes Auskommen hatten, lebten die Thöles wegen der Krankheit ihres Sohnes, der ihr einziger Ernährer war, in Armut und waren auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Diese Auskunft war wichtig, denn zu dem Gnaden-Andachtsbuch (für die Konfessionen unterschiedlich) konnten die Eheleute zusätzlich um ein Geldgeschenk bitten.

An Andachtsbüchern standen für evangelische Christen Bibeln in deutscher, polnischer, französischer Uebersetzung auch in litauischer, wendischer und böhmischer Mundart zur Verfügung. Die Katholiken erhielten ein Andachtsbuch des Thomas a Kempis (Thomas von Kempen, * um 1380, † 1471) von der Nachfolge Christi, indem er ein bescheidenes Leben voller Nächstenliebe propagiert. Die Juden konnten zwischen den Psalmen David‘s oder dem alten Testament nach dem Urtext in deutscher und hebräischer Uebersetzung wählen.

Wenn das Jubelpaar gesundheitlich dazu in der Lage war, so sollte laut Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten, das Geschenk vom Pfarrer vor dem Altar übergeben werden. Vorher waren genaue Angaben nötig: Name, Stand und Wohnort des Paares, der Trauschein als Beweis für die Berechtigung, die Konfession, das gewünschte Geschenk, das zuständige Pfarramt oder Name und Wohnort des Geistlichen und nähere Ortsbezeichnung, bestehend aus Poststation, Kreis und Regierungsbezirk.

Anlässlich der goldenen Hochzeit des Ehepaares Fohrmann in Selm versuchte Amtmann Döpper, zusätzlich zum Gnadengeschenk einen Zuschuss aus dem Invalidenfonds zu erwirken, weil Fohrmann an den Befreiungskriegen 1813/15 teilgenommen hatte, fast erblindet und nicht mehr arbeitsfähig war. Berlin bewilligte 10 Taler und ein Gebetsbuch, vom Invalidenfonds ist nicht mehr die Rede.

Geldgeschenke

Finanzminister von der Heydt legte 1862 die Gesichtspunkte dar, nach denen bei der Bewilligung von Geldgeschenken vorgegangen werden sollte. Die Geldgeschenke sollten Ehepaaren, die stets einen tadellosen Lebenswandel geführt hatten und in dürftigen Verhältnissen lebten, die Ausrichtung einer Feier zu diesem Festtag ermöglichen. Das Geld kam aus dem Staatsfonds und wurde im Namen des Königs überreicht. In den meisten Fällen ging es hierbei um zehn Taler, nur unter ganz bestimmten Umständen konnten 15 Taler bewilligt werden. Der Zeitpunkt der Feier sollte dabei keine Rolle spielen. Auch war es möglich, das Geld zum 60. Ehejubiläum zu beantragen, wenn dies bei der goldenen Hochzeit noch nicht geschehen war.

Würdigkeit und Bedürftigkeit waren die Bedingungen, weshalb die Amtmänner in ihren Anträgen auch immer einen Satz dazu einfließen ließen. 1877 schrieb Amtmann Döpper über die Eheleute Philipp und Bernardina Bücker aus Beifang, dass sie sich eines guten Rufes erfreuten. Dieser Formulierung bediente er sich öfter. 1871 hieß es bei dem Ackerbürger Wilhelm Plogmaker und seiner Frau: Die Eheleute haben sich stets gut und unbescholten geführt und sind auch als rechtschaffene friedliche Leute in der Gemeinde Selm bekannt und allgemein geachtet. Die wirtschaftlichen Verhältnisse nannte er allerdings auskömmlich. Von einer Zusage ist daher auch nichts vermerkt.

Medaillen

1879 stifteten Wilhelm I. und seine Frau Augusta anlässlich ihrer goldenen Hochzeit eine Ehejubiläums-Medaille, die mit einem Glückwunschschreiben in einem Etui überreicht wurde. Für sich selbst, so ließen sie vom Kronprinz Friedrich Wilhelm verkünden, wollten sie keine persönlichen Geschenke. Es hieß weiter: Ihre Majestäten werden in der herzlichen und allgemeinen Theilnahme, welche die seltene Feier in Preußen und Deutschland finden wird, gern ein neues und wertvolles Zeichen anhänglicher Liebe erblicken, und sich aufrichtig freuen, wenn die Bedeutung des festlichen Tages in der Begründung milder Stiftungen oder in der Zuwendung von Beiträgen an bestehende wohlthätige Anstalten ihren entsprechenden Ausdruck findet.

Ihr Enkel Wilhelm II. setzte die Vergabe der Medaille, nun mit seinem und seiner Frau Portrait versehen, nach seinem Regierungsantritt 1888 bis zu seiner Abdankung 1918 fort.

Der Ackerer Ferdinand Wulfert beantragte am 21. Januar 1895 solch eine Medaille für seine Eltern Ferdinand und Elisabeth Wulfert, die am 28. des Monats ihre goldene Hochzeit feierten. Amtmann Busch sprach sein Bedauern über den späten Zeitpunkt aus, denn bis zum Tag der Feier sei die Medaille nicht mehr zu beschaffen. In seinem Antrag ließ Busch keinen Zweifel, dass das Ehepaar dieses Geschenkes würdig war. Es habe sich stets durch einen sittlich reinen, friedlich frommen Wandel ausgezeichnet und sonach in einer über das gewöhnliche Maaß hinausgehenden Weise durch sein eheliches Leben, wie auch durch einen häuslichen wirtschaftlichen Sinn von Anderen sich besonders hervorgethan [...], so daß es durch eine solche musterhafte Führung als ein Vorbild in der Gemeinde betrachtet werden kann.

Am 29. Januar genehmigte Berlin die Vergabe der Medaille. Der Text dazu lautete: Seine Majestät der Kaiser und König! haben die Gnade gehabt, Ihnen und Ihrer Ehegattin zur Erinnerung an die Feier Ihrer goldenen Hochzeit die Ehejubiläums-Medaille zu verleihen.
Es gereicht mir zur Freude, Ihnen dieselbe mit den besten Glückwünschen Seiner Majestät übersenden zu können.
Der Geheime Kabinets Rath, Wirkliche Geheime Rath gez. von Lucanus
An den Kötter Herrn Wulfert zu Selm

Über die Büros des Oberpräsidenten, des Landrats und des Amtmanns erhielt das Ehepaar die Medaille am 8. Februar. Danach wurden noch zwei weitere Medaillen im Amtsbezirk vergeben, eine an die Eheleute Klinge in Netteberge und einen zweite an Kerkmann in Selm-Ondrup. Alle anderen Paare entschieden sich für das Geldgeschenk, denn beides zusammen ging nicht.

Dieses war dem Amtmann 1896 noch nicht bewusst, als er die goldene Hochzeit des Paares Bleckmann anzeigte. In seinem ersten Antrag schilderte er zwar ausführlich die bedrängte Lage der Eheleute, die während des langen Ehestandes mit vielen Leiden und Widerwärtigkeiten zu kämpfen gehabt und viel Noth gelitten haben und noch leiden, und begründete so seine Bitte um 45 Mark Unterstützung. Doch war er der Meinung, dass sie auch die Medaille erhalten sollten, denn sie hätten sich stets durch einen sittlich reinen, friedlich frommen Wandel ausgezeichnet und sonach sich in einer über das gewöhnliche Maaß hinausgehenden Weise durch ihr eheliches Leben, wie auch durch einen häuslichen wirthschaftlichen Sinn vor Anderen besonders hervorgethan.

Als das Ehepaar Bleckmann vor die Entscheidung gestellt wurde, sich zwischen Geld und Medaille zu entscheiden, wählte es das Geldgeschenk. Bleckmanns  beabsichtigten, den Tag in bescheidener Weise zu feiern, was ihnen nur mit der finanziellen Unterstützung möglich war.

Jubiläen im Amtsbezirk in chronologischer Reihenfolge

1. Eheleute Middendorf, Altstedde, g.H: 15.10.1866, Ehrengeschenk
2. Eheleute Thöle, Bork, g.H.: 22.10.1866, Geldgeschenk
3. Eheleute Fohrmann, Selm, g.H.: Ende Juli 1870, Gebetsbuch und Geldgeschenk 10 Taler
4. Eheleute Bücker, Selm-Beifang, g.H.: 30.1.1877, Geldgeschenk
5. Eheleute Horstmann, Altlünen, g.H.: 14.11.1890, Geldgeschenk 30 Mark
6. Eheleute Plogmaker, Selm, g.H.: 8.11.1891, Geldgeschenk (ohne Bestätigung)
7. Eheleute Böcker, Hassel, g.H.: 25.1.1895, Geldgeschenk 30 Mark
8. Eheleute Wulfert, Selm-Beifang, g.H.: 28.1.1895, Medaille
9. Eheleute Bleckmann, Bork, g.H.: 28.4.1896, Geldgeschenk 45 Mark
10. Eheleute Klinge, Netteberge, g.H.: 13.11.1899, Medaille
11. Eheleute Bömke, Nordlünen, g.H. 30.7.1903, Geldgeschenk 30 Mark
12. Eheleute Brosterhues, Nordlünen, g.H.: 1.6.1904, Geldgeschenk 30 Mark
13. Eheleute Rotert gt. Kerkmann, Selm-Ondrup, g.H.: 8.5.1905, Medaille
14. Eheleute Breving, Nordlünen, g.H.: 29.7.1906, Geldgeschenk 30 Mark beantragt, 50 Mark vom Regierungspräsidenten bewilligt

Dezember 2022

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Und folgende Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 16.


 
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