Eine Schule für Hassel - 1907/08
Christel Gewitzsch
An die löbl. Gemeindevertretung des Amtes Bork[1] schrieben am 9. Januar 1907 im Auftrag der Bauerschaft Hassel die Herren Heinrich Homann und Wilhelm Schürmann und machten den Vorschlag, in Hassel ein Schulgebäude zu errichten. Ihnen waren Pläne zu Ohren gekommen, dass wegen Platzmangels an das vorhandene Schulgebäude in Bork ein Klassenzimmer angebaut werden sollte. Gerechter fanden sie, da mindestens hundert Kinder aus Hassel die Borker Schule besuchten und die am weitest entfernt wohnenden einen drei Kilometer langen Schulweg zu absolvieren hatten, diesen Kinder ein eigenes Schulgebäude zu bauen.
Sie lockten mit dem Versprechen einiger Eingesessenen, zum Bau einer Schule in Hassel sehr passende Grundstücke billig abzugeben. Dann argumentierten sie mit der Gesundheit ihrer Kinder: Bei schlechtem Wetter sind die Kinder den ganzen Tag mit nassen Kleidern unterwegs, die Nahrung besteht während dieser Zeit nur aus Butterbroden, falls man den Kinder nicht in Bork für Geld oder gute Worte [Fragezeichen am Rand] ein warmes Mittagbrod besorgen kann. Daß dieses den Kindern in den Entwicklungsjahren nicht förderlich ist, kann sich wohl jeder Mensch denken.
Amtmann Busch ließ sich zuerst vom Borker Lehrer B. Kötter die Schülerzahlen genauer aufschlüsseln. Danach kamen 76 Kinder von den 290 Schülern und Schülerinnen in Bork aus Hassel, 32 Mädchen und 44 Jungen. Diese Zahlen seien nicht ausreichend, so notierte er am Rande, um von einem Bau im Dorf absehen zu können. Der Schulvorstand hatte sich schon vorher dafür ausgesprochen, aus verschiedenen Gründen im Prinzip für die Errichtung der Schule im Dorfe zu plädieren, woraufhin die Hasseler ihren Antrag an die Gemeindevertretung wiederholten. Aus Münster kam allerdings Ende Januar die Aufforderung, von den Plänen für Bork aus dem Jahr 1893[2] abzusehen und einen neuen Bauplan innerhalb der nächsten sechs Wochen zur Genehmigung vorzulegen.
Mitte Februar brachte der Amtmann die Angelegenheit vor die Gemeindevertretung. Diese teilte die Befürchtungen wegen mangelnder Belichtung der Klassenzimmer in Bork überhaupt nicht und fühlte sich darin nach einer Ortsbesichtigung mit dem Kreisschulinspektor bestätigt. Bezüglich der Eingabe aus Hassel zeigte sie sich offen und beschloss, noch weitere Erkundigungen einzuziehen und zwar besonders wegen der in Vorschlag zu bringenden Grundstücken.
Es wird konkret
Fast umgehend offerierte Homann ein Grundstück der Witwe Schlering für 1.000 Mark pro Morgen, eines von B. Handrup für 30 Mark pro Rute und von W. Hüser für 40 Mark pro Rute. Amtmann Busch fragte nach, welche Grundstücke genau gemeint seien und gab zu bedenken, dass sie mindestens einen Morgen umfassen müssten. Neben der eigentlichen Baufläche brauchte man Platz für Nebengebäude und Aborte, einen Spielplatz und eventuell einen kleinen Hausgarten.
Homann schrieb am nächsten Tag: Folgende Interessenten der Bauerschaft Hassel bieten Bauplätze für den neuen Schulbau zur näheren Prüfung an. Ww. Schlering 1000 Mark pro 1 Morgen das Grundstück liegt links an Chaussee von Bork nach Lünen vor dem Hausgarten der Ww. Baumeister g Botte das ganze Grundstück ist 3 ½ Morgen groß und kann so viel abgegeben werden wie nöthig ist, B. Handrup 30 Mark pro Ruthe das Grundstück liegt rechts von der Chaussee von Bork nach Lünen hinter Ww. Baumeisters Hausgarten ist 1 ½ Morgen groß kann ebenfalls soviel abgegeben werden wie erfordert wird. W. Hüser 40 Mark pro Ruthe das Grundstück liegt links an der Chaussee von Bork nach Lünen vor Ww. Baumeisters Wohnhaus ist 3 ½ Morgen groß wird auch so viel abgegeben wie erforderlich wird.
Achtungsvoll H. Homann
Amtmann Busch wandte sich an den Landrat und schilderte ihm die Lage: Antrag aus Hassel, Ablehnung durch den Schulvorstand und die Gemeindevertretung, aber auch der letzteren Unwille, den Hasselern eine Absage zu erteilen. Die Gemeindevertretung bat deshalb um eine Entscheidung der Regierung. Busch begründete die Ablehnungen damit, dass nur für neun oder zehn Haushalte in Hassel der Schulweg durch einen Neubau erheblich verkürzt würde. Die übrigen Unterzeichner der Eingabe wohnen durchweg nicht über 2 km vom Dorfe an guten, sogar vorzüglichen Wegen und ein Teil sogar näher beim Dorfe als bei der event. in Hassel zu errichtenden Schule. 6.000 Mark würde der Bau in Hassel mehr erfordern als die Erweiterung in Bork. Wenn man in einigen Jahren einen besseren Überblick über weitere Zuwanderung hätte, könnte eine Schule in Hassel erneut in Erwägung gezogen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt bat er den Landrat, die vorläufige Ablehnung des Hasseler Antrags zu beantragen.
Münster entscheidet
Zur Prüfung der Schulverhältnisse in Bork meldeten sich für den 7. Mai 1907 der Abteilungsdirigent Oberregierungsrat Kirchner und die beteiligten Dezernenten Regierungsrat Heisung und Regierungsbaurat Haumann in Bork an. Zuerst wollten sie die Schulgebäude im Dorf besichtigen, dann die Bauerschaft Hassel zum Teil begehen, um anschließend mit dem Schulvorstand und der Gemeindevertretung zu verhandeln. Der Kreisschulinspektor war ebenfalls zu diesem Termin geladen.
Auf der gemeinsamen Sitzung fiel folgender Beschluss:
Es soll a. im Dorfe Bork an der Schule auf den Äckern ein Anbau errichtet werden, welcher 2 übereinanderliegende Schulklassen enthält. Von der Erbauung einer Dienstwohnung wird Abstand genommen; b. in der Bauerschaft Hassel ein Gebäude für eine einklassige Schule ebenfalls ohne Dienstwohnung auf einem noch näher zu bestimmenden Grundstücke, die von Kgl. Regierung zu genehmigende Abgrenzung des Schulbezirks Hassel bleibt vorbehalten.
Wegen Aufbringung der erforderlichen Kosten bleibt nähere Beschlußfassung der Gemeinde Vertretung vorbehalten.
Der Bau in Hassel soll so gefördert werden, daß die Klasse mit Beginn des Winterhalbjahres des laufenden Jahres in Benutzung genommen werden kann, wogegen die neuen Klassen im Dorfe mit Beginn des Schuljahres 1908 der Benutzung übergeben werden sollen.
Der Neubau rückt näher
Nach diversen Vorarbeiten und Vorverhandlungen durch den Gemeindevorsteher und den Kreisbauinspektor entschied man, von dem Kötter Josef Overmann einen Morgen zu erwerben und mit dem Schreinermeister Schlierkamp zu verhandeln, um eventuell einen Austausch zu realisieren. 1.000 Mark kostete der Morgen. Die Gemeinde verpflichtete sich, die Bezahlung ohne Verzögerung zu erledigen und den verbleibenden Rest der Weide sicher einzufrieden.
Der vom Kreisbaumeister zusammengestellte Kostenanschlag für das Schulgebäude umfasste 8.600 Mark und für ein Nebengebäude 1.400 Mark. Alle Angebote von Bauunternehmern und Handwerkern sollten bei ihm eingereicht werden. Insgesamt erreichten ihn vier Angebote für das ganze Vorhaben und zehn Einzelangebote. Er stellte die niedrigsten zusammen, die alle Pauschalangebote untertrafen. 20 bis 330 Mark kam der Rückgriff auf die einzelnen Handwerk günstiger. Ihre Offerten beliefen sich insgesamt auf 8.812,82 Mark.
In sechzehn Paragrafen wurden die Bedingungen zusammengestellt, die der Vergabe der Arbeiten an dem Bau zugrunde gelegt werden mussten, bevor die Verträge mit den sieben Handwerkern abgeschlossen werden konnten. Zwei Handzeichnungen legte das Katasteramt von der Lage der künftigen Schule vor und es bestätigte die Eintragungen der Wechsel der Grundstücksbesitzer. Und am 12. September 1907 traf in der Borker Amtsstube die Genehmigung des Bauplans (mit kleinen Änderungen) von der Königlichen Regierung, Abteilung für Kirchen- und Schulwesen, für den Schulneubau in Hassel ein. Nicht ohne daran zu erinnern, dass die Beschlüsse über die Sicherstellung des Diensteinkommens des neuen Lehrers noch getroffen werden mussten und der Bauplan für die Schulerweiterung im Dorf vorzulegen war.
Im November 1907 meldete Amtmann Busch optimistisch und frohgestimmt: Der Schulbau in Hassel in Angriff genommen; Das Gebäude ist in längstens 3 Wochen unter Dach und kann mit Beginn des neuen Schuljahres in Benutzung genommen werden. Das Gehalt, die Mietsentschädigung usw. für den Lehrer werden durch den Voranschlag für 1908 bereitgestellt werden. Der Bauplan für die Schulerweiterung im Dorfe Bork, welchen der Herr Kreisbaumeister angefertigt hat, erwarte ich jeden Augenblick; ich werde solchen gleich nach Eingang vorzulegen nicht verfehlen.
Im ersten Halbjahr 1908 trudelten von den Handwerkern Bitten um Abschlagszahlungen ein, denen gefolgt wurde. Nur im Fall des Dachdeckers Elighausen gab es zeitweise leichte Irritationen, denn die ihn beliefernde Holzhandlung Heinrich und Hermann Nierhoff aus Wolfenbüttel bat den Amtmann, den Dachdecker nicht auszubezahlen, da er seine Schulden bei ihnen noch nicht beglichen habe. Das könne er auch nicht, so der Dachdecker an seinen Holzhändler, bevor er seine Restforderung von Bork erhalten habe. Er sei aber bereit, ihnen die Forderung zu übertragen, damit sie gewiss wären, ihr Geld zu bekommen.
Eine andere Störung meldete Zimmermeister Franzen. Schulkinder seien in das neuen Schulgebäude eingedrungen und hätten den noch nicht vollständig verlegten Fußboden beschädigt. Die Aufgabe, die Kinder davon abzuhalten, fiel den Lehrpersonen zu. Sie sollten auf Anweisung des Amtmanns diesen das Betreten des Neubaus strengstens untersagen. Was die Schüler und Schülerinnen dann ganz sicher auch nicht mehr taten!
Der letzte Kostenanschlag in der Akte stammt vom Wasserwerk für das nördliche westfälische Kohlenrevier zu Gelsenkirchen, Betriebsverwaltung Unna, vom 25. August 1909. Für die Herstellung einer Wasserleitung zur Schule in Hassel wurden 401,65 Mark berechnet.
Ausstattung mit Lehr- und Lernmitteln
Im April 1908 schickte Kreisschulinspektor Herold eine Liste der Lehrmittel für mittlere Schulen. Sie umfasste rund 34 Ausstattungsstücke, beginnend mit einem Kruzifix und dem Kaiserbild. Herold gab den Tipp, dass all diese Sachen bei Schöningen in Münster schnell und zuverlässig bezogen werden konnten und empfahl, seine Liste mit einzureichen, um Verwechslungen zu vermeiden.
Busch folgte diesem Hinweis nicht, sondern übergab die meisten Bestellungen der Buchhandlung Lensing in Dortmund. Neben Büchern für die Hand der Schüler und der Lehrpersonen lieferte die Buchhandlung auch Karten, eine Tafel, einen Zirkel und eine Übungspuppe für das Winterturnen.
Oktober 2023
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1. Und folgende Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 242.
2. Siehe auch: Die Borker Schulen brauchen mehr Licht >