aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Lehrerinnen in Bork

Christel Gewitzsch

Clara Naaber

Nur eine Lehrperson reichte für die Schulkinder in Bork Mitte des 19. Jahrhundert nicht mehr aus. Anfang 1847 begann man mit konkreten Vorbereitungen für die Einstellung der ersten Lehrerin. Aber wo sollte sie wohnen? In einer neu zu erbauenden Wohnung, im Schul- und Küsterhaus oder in einer Mietwohnung? Die Schulrepräsentanten meinten, falls die Lehrerin ohne Familienangehörige nach Bork käme, würde sie wohl im Schul- und Küsterhaus unterkommen können. Andernfalls müsse man ihr eine Wohnung besorgen und eine Mietentschädigung zahlen. Die Regierung bestimmte, die Lehrerin müsse in einer Wohnung untergebracht werden und dafür sei ihr eine Entschädigung von fünfzehn Talern zu zahlen. Der Raum in dem Schul- und Küsterhaus sollte für eine bald zu errichtende Vorschule reserviert werden.

Zur selben Zeit fragte die Regierung an, ob die Borker eine bestimmte Person für die Stelle ins Auge gefasst hätten und empfahl die Beförderung einer verdienten, aber seither schlechter gestellten Lehrerin.[1] Der Schulvorstand suchte in erster Linie eine Lehrkraft, die auch die Orgel spielen konnte, war sich aber der Gefahr bewusst, daß von den wenigen Lehrerinnen, die die Orgel spielen, sehr leicht eine als Lehrerin weniger geeignete Person sich einfinden könnte. Deshalb vergewisserte er sich zunächst bei dem früheren Lehrer Didon und dessen Nachfolger Kranz, ob sie den Organistendienst so lange unentgeltlich übernehmen würden, bis die künftige Lehrerin genügend ausgebildet war.

Ende Mai stellte man das voraussichtliche Einkommen der Neuen zusammen. Das sollte aus dem Schulgeld und der Staatszulage bestehen, abzüglich des Schulgelds der armen Kinder und des Beitrags der Lehrerin zu Pensionskasse des Lehrers Didon. Zusammen mit dem Gehalt als Organistin nebst freier Wohnung ging man von einem Betrag von 140 Talern, 3 Silbergroschen und 4 Pfennig aus.  

Ab Mitte Oktober erfuhren dann alle Beteiligten, dass er sich bei der neuen Kraft um Clara Naaber[2] aus Greven handelte. Ihre Amtseinführung ließ aber etwas auf sich warten, es gab einige Querelen wegen der Ungewissheit ihrer Bestätigung durch die Regierung. In diesem Zusammenhang fing sich Amtmann Stojentin einen ernsten Rüffel vom Landrat ein. Wegen einer versäumten Berichterstattung hatte Schmising schon eine Ordnungsstrafe verhängt, die er nach Erläuterungen des Amtmanns niederschlug, obwohl er ausdrücklich betonte, die angeführten Entschuldigungsgründe nicht für hinreichend zu erachten. Schmising fügte noch hinzu: Ich muß aber in diesem Anlaß empfehlen, daß Sie in Erledigung Ihrer Amtsgeschäfte expedirter [flinker, rascher] werden, und nicht mehr wie seither gar lange auf diese warten lassen.

Ende November wurden dann Clara Naaber und der Lehrer Kranz vom Pfarrer Pröbsting in ihre Ämter eingeführt.

Wie bei allen Lehrern bestimmte danach die Korrespondenz über das Gehalt den Briefkontakt zwischen der Lehrkraft und dem Amtmann. Clara Naaber fragt im Juli 1848 ganz vorsichtig an: Ew. Wohlgeboren wollen entschuldigen, daß ich eines gewissen Umstandes wegen, mir die Freiheit nehme, Sie zu bitten mir doch gütigst eine Angabe meines diesjährigen Gehaltes mittheilen zu wollen und ob vielleicht Aussicht ist, daß bald für eine hiesige Lehrerin eine Wohnung gebaut wird. Sie beendete ihren Brief Mit vollkommener Hochachtung und erhielt als Antwort, dass ihr Jahresgehalt nicht angegeben werden konnte. Die Schulgelderhebung für den Winterkurs war noch nicht erfolgt. Für den Sommerkurs 1848 erhielt sie insgesamt 42 Taler und 12 Silbergroschen, plus des anteiligen Organistengeldes  von 12,50 Talern und einer Mietentschädigung von 7,50 Talern, zusammen 64 Taler und 22 Silbergroschen. Zum zweiten Teil ihrer Anfrage teilte man ihr mit, dass der Bau einer Lehrerinnen-Wohnung noch nicht geplant sei und wohl bis zur Errichtung einer Vorschule auch nicht erfolgen würde.

Ende 1848 hatte sie für ihre Tätigkeit als Organistin allerdings noch kein Geld erhalten. Sie erinnerte den Amtmann zweimal daran. Beim zweiten Mal wurde sie ausführlicher und schrieb: Ew. Wohlgeboren wollen entschuldigen, daß ich so frei bin Sie zu belästigen. Gern möchte ich wissen ob vielleicht Hindernisse vorhanden wären, weßhalb mir 25 T. für die Orgel nicht verabfolgt werden können. Im Falle mir selbe verweigert werden, möchte ich mich gern um eine andere Stelle welche mir angeboten ist, bemühen, weil als dann mein Gehalt zu beschränkt wäre. Sie werden daher entschuldigen, wenn ich bitte mir diesen Abend noch über Ebengenanntes Sicherheit zu geben, denn morgen wollte ich hinsichtlich der mir gebotenen Stelle antworten. Die Antwort kam zwar erst vier Tage später, doch blieb Clara Naaber bis zu ihrem Tode am 11. August 1868 als Lehrerin in Bork.

Bis dahin besserte sich ihre wirtschaftliche Lage in kleinen Schritten, doch mutete man ihr auch zusätzliche Lasten zu. So halbierte man ihre Gemeindezulage, um die Eltern des verstorbenen Lehrers Kranz zu unterstützen. Ein vom Schulvorstand mit Rücksicht auf ihr geringes Einkommen gebilligtes Fixum über 130 Taler lehnte die Gemeinde ab. Die ihr mündlich zu Beginn ihrer Tätigkeit versprochenen 165 Taler - oder sogar 200 nach dem Tode des Didon - bekam sie erst in den 60er Jahren. 1865 erreichte sie einen, auch in ihren Augen, befriedigenden Status, obwohl es erst so aussah, als hätte sie erhebliche Einbußen zu erwarten. Die geplante Einrichtung einer gemischten Vorschule, an die sie ungefähr 45 bis 50 Schüler abgeben musste, hätte für sie einen Ausfall von circa 48 Talern bedeutet, weil sie hauptsächlich aus den eingehenden Schulgeldern bezahlt wurde. Diesen Einnahmeverlust empfand auch die Gemeindevertretung als unzumutbar und entschied, den Lehrerinnen und Lehrern ein festes Gehalt zu zahlen, worauf Fräulein Naaber erklärte:  Bei der baldigen bevorstehenden Trennung der Schule bin ich bei der Uebernahme der Oberklasse der hiesigen Mädchenschule mit dem mir vom 1ten October zuerkannten jährlichen Einkommen von 200 T. aus der Gemeindekasse, ohne die Zulage von Königl. Regierung, nebst Benutzung einer freien Dienstwohnung in dem neuen Schulhause und eines mit derselben verbundenen kleinen Gartens einverstanden.

Julie Uedinck

Am 23. Oktober 1868 kam die bisher in Ibbenbüren tätige Lehrerin Julie Uedinck in Bork an und begann vier Tage später ihre Arbeit an der Mädchenschule für ein Gehalt von 200 Talern. Ihre Ankunft stand unter einem ungünstigen Stern, denn ihr Möbelwagen hatte auf dem Kirchhof einen Unfall. Sie heg[t]e das Vertrauen in die Gemeinde, die ihr das Schulzimmer und die Wohnung in einem so guten Zustande überwiesen hat[te], ihr wegen der durch den Unfall entstandenen unerwarteten Belastungen die Umzugskosten zu erstatten, was der Gemeinderat aber ablehnte. Ihrer Forderung nach einer vierteljährlichen Auszahlung des Gehaltes kam man aber nach.

Fräulein Uedincks Briefstil unterschied sich deutlich von dem ihrer Vorgängerin. Sie fragte nicht mehr vorsichtig an, sondern erteilte Anweisungen. So schrieb sie zwei Jahre nach ihrer Anstellung an den Amtmann, sie müsse eine Mittheilung machen wegen [ihres] Gehaltes. Der Herr Regierungs- und Schulrat Müller hatte ihr bei ihrer Versetzung 212 Taler in Aussicht gestellt. Da sie aber nur 200 Taler bekäme und der vorherige Amtmann Foecker von den zusätzlichen zwölf Talern angeblich nichts gewusst hatte, solle nun Amtmann Döpper noch einmal in den Papieren nachsehen, da sie die Sache gern geregelt hätte. Falls er dort auch nichts vorfinden könnte, möge er die Sache der Königlichen Regierung zu Münster zur Entscheidung vorzulegen. Den Ball spielte Döpper umgehend zurück, verwies auf die Aktenlage und stellte ihr anheim, sich selber an den Regierungsrat zu wenden. Als Uedinck nachsetzte und schrieb: Wollen Sie nun die Güte haben, in Ihren Akten nachzusehen, ob es dort auch so steht, um mich gelegentlich davon in Kenntniß zu setzen, beließ es Döpper bei einer mündlichen Benachrichtigung.

Aus der Zeit der Tätigkeit der Uedinck befindet sich in der Akte eine Matrikel der Mädchenschule von Bork aus dem Jahre 1875. Zwei Klassen mit 104 Schülerinnen umfasste die Mädchenschule zu der Zeit, daneben bestanden noch zwei Jungenklassen und eine gemischte. Das Schulhaus war massiv gebaut, die Lehrerwohnung in einem Fachwerkbau. Die Lehrerin  konnte einen kleinen Hausgarten von circa zwei Ar und 73 Quadratmeter privat nutzen, für den man einen Reinertrag von sechs Mark berechnete. Insgesamt umfasste das jährliche Einkommen dieser Stelle 780 Mark, wozu noch der Wert der gestellten Wohnung mit 90 Mark und 60 Mark für die häusliche Feuerung hinzukamen. Über die Lehrerin erfahren wir aus dieser Matrikel, dass sie am 6. Dezember 1822 geboren wurde, ihre Ausbildung im Seminar in Münster mit dem Zeugnis Nr. 1[3] abgeschlossen hatte und seit 1853 im Schuldienst tätig war.

Obwohl sie zu Beginn ihrer Tätigkeit mit ihrer Wohnung offensichtlich zufrieden war, merkte sie später, dass sie sich in ihrer von anderen zugänglichen Wohnung nicht mehr sicher fühlen konnte. (Dazu mehr unter: Kleinkrieg in Bork – 1871/1872, Folge II)

Im Alter von 55 Jahren stellte Fräulein Uedinck bei der Königlichen Regierung einen Antrag auf Gewährung einer Gehilfin. Der Arzt Dr. Kuhlmann hatte ihr dringend dazu geraten. Eine längere Kur stand an und die Kollegin Fräulein Westermann konnte nicht während des gesamten Kururlaubs beide Klasse unterrichten. Ein Fräulein Nienkemper wurde für ein monatliches Gehalt von etwas mehr als 25 Mark nach Bork abgeordnet. Die Hälfte des Gehalts musste von der Schulgemeinde, die andere Hälfte von der Lehrerin Uedinck gezahlt werden. Wegen dieser Belastung genehmigte die Regierung der Uedinck eine einmalige Unterstützung von 100 Mark und vier Monate später noch einmal 30 Mark, als auch ein weiterer Urlaub von sechs Monaten bewilligt wurde.

Noch vor Ablauf dieser sechs Monate zeigte sich indes, dass Uedinck wohl nicht in den Schuldienst zurückkommen werde. Ihr Arzt Dr. Buer in Münster schrieb in seinem Attest:
Bezugnehmend auf mein unter dem 31. August v. J. gestelltes Attest bescheinige ich der Fräulein Julie Uedinck, Lehrerin an der Oberklasse der Mädchenschule zu Bork, auf ihren Wunsch, zum Zwecke einer Vorlage an das Königliche Provinzialschulcollegium hierselbst, nachdem ich dieselbe wiederholt untersucht habe, daß das chronisch entzündliche Leiden im rechten Kniegelenk sich nur unwesentlich gebessert, der Krankheitszustand der Brustorgane bestehend in zeitweiser eintretender Brustbeklemmung, Heiserkeit und Kurzatmigkeit ohne Veränderung geblieben ist. Durch diese Krankheits-Verhältnisse ist Fräulein Uedinck auch zur Zeit außer Stande gesetzt, ihre Obliegenheiten als Lehrerin zu erfüllen. Wenn auch nicht mit apodiktischer Gewissheit die Möglichkeit ausgeschlossen werden kann, daß Patientin nach weiterer längerer Ruhe und entsprechender Behandlung einige Besserung ihres Leidens erfahren wird, so ist doch voraussichtlich keine derartige [im Original unterstrichen] Besserung zu erwarten, daß dieselbe allen  [dito] Anforderungen ihres Berufes wird genügen können.
Zur Zeit und voraussichtlich auch weiterhin ist der Zustand ein derartiger, daß Fräulein Uedinck auch bei ihren häuslichen Verrichtungen einer Stütze zeitweise sogar einer besonderen Pflege bedarf.

Der Königliche Stadt- und Kreis-Physikus Sanitätsrath Dr. Hölker in Münster bestätigte die Angaben seines Kollegen vollständig, woraufhin die Lehrerin einen Pensionsantrag stellte und sich die Auseinandersetzungen über Finanzfragen fortsetzten. Zuerst ging es natürlich um die Höhe der Pension, dann um eventuelle Ersetzung der Stellvertreterkosten und zum Schluss über die Höhe der Entschädigung für die im Hausgarten vorgenommenen Verbesserungen und gepflanzten Bäume.

An den Amtmann wandte sich die Lehrerin wie folgt: Sie erlauben, daß ich Sie schriftlich bitte, für mich zu sorgen, daß die Pension mehr betragen wird von Seiten der Gemeinde, als das gesetzliche Drittel der Einnahmen, das bekommt schon jeder Lehrer u. jede Lehrerin nachdem die fünf Jahre im Amt waren. Ich bin aber im 26. Jahr Lehrerin. Obschon ich daran noch nicht viel über 10 Jahre hier verlebt, so bleibt sich das doch gleich, wo man wirkt.
Da man nun früher der kranken Lehrerin in Selm, die nicht viel mehr Einnahmen damals hatte, als die Hälfte von meiner, ein Pension von 100 Thlr. gab, so hoffe ich sicher, daß man auch darnach mir meine Pension bewilligen wird. Besonders da ich das Brustübel, welches mich hauptsächlich dienstunfähig macht, im Dienste der Gemeinde, durch Ueberanstrengung in der Schule erhalten habe. Es wird dies Ihnen und der ganzen Gemeinde bekannt sein.
Deshalb zweifele ich nicht, daß die Versammlung auf Ihren Vorschlag, mir eine angemessene Pension aussetzen wird. Darum bitte ich Sie recht dringend, und weiter um Ihre warme Empfehlung bei Königl. Regierung.

Von der Regierung erhoffte sie einen weiteren Ersatz für die Bezahlung ihrer Stellvertreterin und der Amtmann sollte sich deswegen für sie einsetzen. Darüber hinaus bat sie ihn um einen Besuch bei ihr in den nächsten Tagen, da noch Manches abgemacht muß werden. Ich darf noch nicht ausgehen, u. müßten Sie ja überhaupt in Augenschein nehmen, was ich im Hause und Garten auf meine Kosten angeschafft habe.

Zum Garten kommen wir später. Vorrangig ging es der Lehrerin um eine angemessene Pension. Schon am nächsten Tag wandte sie sich erneut an den Amtmann, um ihm und dem Schulvorstand die Entscheidung für eine großzügige Zahlung zu erleichtern. Sie verwies auf das angekündigte Gesetz über die Pension der Lehrer und Lehrerinnen, von dem allgemein angenommen wurde, dass es die Gemeinden von den Pensionszahlungen befreie. Deshalb müsse die Gemeinde auch nicht besonders vorsichtig sein, da sie nur kurze Zeit für ihre Pension aufzukommen habe. Fast allgemein geht man jetzt mit der Pension höher, als früher, schrieb Fräulein Uedinck und führte einige Beispiele an.

Die Gemeinde genehmigte ihr mit Beginn ihrer Pensionierung am 14. April 1879 ein Ruhegehalt von 400 Mark, mit dem sie nicht zufrieden war. Sie beschwerte sich bei der  Regierung und erhielt folgende Antwort: Auf Ihr Gesuch vom 6. d. Mts. betreffend die Höhe des Ihnen gewährten Emeriten-Gehaltes, eröffnen wir Ihnen hierdurch, daß in Anbetracht der verhältnißmäßig kurzen Dienstzeit das von der Gemeinde Bork zu zahlende Ruhegehalt von 400 M. nicht nur bei Weitem über das gesetzliche Drittel des früher bezogenen Gehaltes hinausgeht, sondern auch noch mehr beträgt, als eine Berechnung nach dem Pensionsgesetz vom 27. März 1872 für die unmittelbaren Staatsdiener ergeben würde. Gleichwohl haben wir mit Rücksicht auf Ihre Kränklichkeit ihnen aus unserem Fonds noch einen jährlichen Ruhegehaltszuschuß von 100 Mark „Einhundert Mark“ zuerkannt, wobei wir Ihnen bemerken, daß in Hinsicht auf die Begrenzung dieses Fonds eine weiter Erhöhung nicht angängig ist.

Wegen der Ablösezahlung für die Bäume erhielt Fräulein Uedinck, die inzwischen in Münster wohnte, einen ablehnenden Bescheid vom Amtmann. Döpper selber hatte den Gärtner Engels aus Bork beauftragt, den Wert der Bäume zu taxieren. Der Gesamtwert betrug nach dessen Einschätzung 117 Mark, was der Schulgemeindevertretung zu hoch erschien. Sie lehnte einen Ankauf ab und überließ es der Lehrerin, über die Bäume zu verfügen. Das erzürnte diese sehr und sie gab ihrem Zorn auch Ausdruck:
Ew. Wohlgeboren erwidere ich auf das Schreiben von heute, daß, wenn Sie die Taxe von Engels nicht annehmen wollen, ich gezwungen bin, mich über Sie zu beschweren.
Hätte ich gewußt, daß Sie die Bäume nicht übernehmen würden, so hätte ich sie meistbietend mit verkaufen lassen, u. würde höchst wahrscheinlich einen höheren Preis erzielt haben, als bei der, für die Prachtbäume, billigen Taxe.
Ich schrieb lange vor dem Verkaufe an Sie deshalb, ließ durch Meister Krutwage Sie mehrmals daran erinnern. Zwei Tage vor dem Verkaufe kamen Sie erst, und erklärten, außer den Rosen müßten die Bäume doch der Gemeinde erhalten bleiben.
Die Rosen sind deshalb meistbietend verkauft, u. sind gut bezahlt.
Ihrer Erklärung sehe ich binnen 8 Tagen entgegen.

Mit den Bäumen im Garten musste sich am Ende des Jahres ihre Nachfolgerin befassen.

So wie Fräulein Uedinck kein Blatt vor den Mund nahm, empfand auch der für sie zuständige Kreisschulinspektor Wallbaum das Bedürfnis nach klaren Worten. In einem eher privat gehaltenen Brief schrieb er an den lieben Herrn Amtmann Döpper: Gestern Abend habe ich mal wieder wegen der Uedinck zu schreiben gehabt. Als ich ihr im Auftrage der Kgl. Regierung mittheilte, so ihre Pension auf 400 M festgesetzt sei etc. u. ihre Zustimmung dazu verlangte, meinte sie, so sie von Bork „füglich“ nicht mehr fordern könne, wünschte aber, die Kgl. Regierung möge diese Pension möglichst „ hoch erhöhen“ [im Original unterstrichen] etc. Dabei hatte sie die Bescheidenheit, sich auf ihre Wirksamkeit zu berufen u. mich um dringende Befürwortung ihres Gesuchs zu ersuchen. Ich habe ihr etwas auf das Gesuch geschrieben, das ihr wenig einbringen wird, u. Allard[4] qua Landrath hat es mit seinem Beitrage vermehrt. Wenn das Sprichwort „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr„ [letztes Wort unterstrichen] nicht so alt wäre, sollte man meinen, daß sie es zu ihrem Hausbedarf erfunden hätte.
Mit freundlichem Gruße u. der Bitte, mich der Frau Amtmann bestens zu empfehlen bin ich Ihr Wallbaum.

Nach dem Tod der Lehrerin Anfang der 80er Jahre erhielt das Landratsamt einen Brief einer Frau Direktor Uedinck aus Münster. Diese beantragte ein Gnadenquartal oder einen Gnadenmonat (was eine Weiterzahlung des Gehalts bedeutete), um die aus dem Nachlass nicht zu deckenden Krankheits- und Begräbniskosten damit zu bezahlen. Amtmann Döpper, mit der Erledigung beauftragt, teilte ihr mit, daß das Gesuch um Bewilligung eines Gnadenmonats für die nunmehr verstorbenen Lehrerin Uedinck unter’m gestrigen Tage der Schulgemeinde-Vertretung von Bork vorgelegt ist. Dieselbe führt an, daß die Lehrerin in der Gemeinde Bork fungirt und danach mehrere Jahre von der Gemeinde Bork Pension bezogen habe und erachtet es die Vertretung für unbillig, jetzt noch die Bewilligung eines Gnadenquartals oder eines Gnadenmonats zu verlangen. Dieselbe führt ferner an, daß die Schulgemeinde zu Schulzwecken bedeutende Lasten zu tragen habe, der Ausfall an Schulgeld und die Unterstützung von Eingesessenen aus Armenmitteln immer größer werden und hat die Schulgemeinde-Vertretung aus vorstehenden Gründen die Bewilligung eines Gnadenquartals oder eines Gnadenmonats für die Lehrerin Uedinck abgelehnt.

Gerdrudis Westermann

Die zweite Klasse der Mädchenschule unterrichtete seit 1872 die Lehrerin Westermann, die nach der Pensionierung der Uedinck deren Oberklasse übernahm. Für die Unterklasse wurde ein Fräulein Nienkemper eingesetzt. G. Westermann war am 21. Dezember 1848 in Werne geboren und im Seminar in Münster ausgebildet worden, wo sie mit dem Abschluss Nr. 1 entlassen wurde.

Wie oben erwähnt, schaltete sie sich Ende 1879 in den Verkauf der Obstbäume ein. Im November ersteigerte der Gärtner Engels die Bäume für insgesamt 68 Mark. Für diesen Preis, plus sieben Pfennig pro Mark Auktionsgebühren, war Fräulein Uedinck auch bereit, die Bäume ihrer Nachfolgerin zu überlassen.

Fräulein Westermann erklärte dem Schulvorstand: Bei meiner Anstellung an hiesiger Unterklasse wurden Bäume vom Herrn Lehrer Pohlschröder für 52 Mark angekauft. Die, mit diesen Bäume bepflanzte Gartenhälfte ist seit Ostern an meine Collegin abgetreten worden. Ich glaube nun nicht unbillig in meinen Anforderungen zu sein, wenn ich erwarte, daß man mir jetzt, nachdem ich bereits 7 ½ Jahr hier thätig war, dieselbe Gunst erweiset, die mir damals zugewendet wurde. Sollten übrigens die Bäume entfernt werden, so würde der Garten an Nutzungswerth bedeutend verlieren und ich somit gegen meine Collegin im Nachtheil sein.
Es wäre endlich, ich gebe dies dem wohll. Schulvorstande als Letztes zur Erwägung, die Kaufsumme immerhin um mehrere Mark zu vermindern, indem man, weil der Bäume auf so kleinem Raum fast zu viel sind, verschiedene entfernte (wieder verkaufte) was mir sehr erwünscht sein würde.
Einen wohllöbl. Schulvorstand ersuche ich nochmals meiner Bitte ein geneigtes Ohr zu leihen und die Sache recht bald zum Abschluß zu bringen.

Wie der Schulvorstand entschied, wird nicht gemeldet.

Bernardine Nienkemper

Diese Todesanzeige erhielt Amtmann Busch, der daraufhin die Mitglieder der Gemeinde-Vertretung und des Schulvorstandes einlud, an der Beerdigung teilzunehmen und sich zu diesem Zwecke vormittags 9 Uhr im Amtshause versammeln zu wollen.[5]

Bernadine Nienkemper war am 15. April 1879 in Bork provisorisch, ein Jahre später definitiv für die Unterklasse angestellt worden, als die Lehrerin Westermann die Oberklasse übernahm. Von ihr findet sich nur wenig Korrespondenz in der Akte. Erst 1888 meldete sie sich wegen einer Gehaltserhöhung mit folgendem Schreiben:

Gesuch der Lehrerin B. Nienkemper um Gehaltserhöhung
Den Wohllöblichen Gemeinde Vorstand bittet die unterzeichnete Lehrerin B. Nienkemper um eine kleine Erhöhung ihres Gehaltes.
1. Mein Gehalt ist sehr klein. Es beträgt monatlich 53,66 M. Wenn ich nun bedenke, daß ich schon beinahe 11 Jahre für das Wohl hiesiger Gemeinde gearbeitet habe, so scheint mir die Bitte, um Vermehrung des Gehaltes, nicht unbegründet.
2. Meine Collegin und die Herren Lehrer in Netteberg, Cappenberg und Bork erhielten bereits Zulagen. Mein Gehalt ist deshalb verhältnismäßig zu gering. Die Stelle an der Unterklasse in Selm ist auch besser besoldet, als die hiesige, und die Verhältnisse sind dieselben.
3. Es ist auch Pflicht, daß man für außerordentliche Fälle z.B. Krankheitsfälle, etwas zurücklegt. Das ist aber bei meinem kleinen Gehalte nicht möglich. Ich bin froh, wenn ich damit auskomme.
Unter Berücksichtigung dieser Gründe, eine Zulage genehmigen zu wollen, bittet
B. Nienkemper, Lehrerin
Bork, 18. December 1888
An den Wohllöblichen Gemeinde-Vorstand zu Bork, z.H. des Herrn AM Döpper hierselbst.

Schulvorstand und Gemeindevertretung bewilligten ihr einen Zuschuss von 50 Mark jährlich, dem auch die Königliche Regierung in Münster zustimmte.

Lange war es der Lehrerin nicht vergönnt, Rücklagen für den Krankheitsfall zu bilden. Im Juni 1892 musste eine Vertretung für sie, zuerst bis zum 1. August, dann bis zu den Herbstferien, eingestellt werden. Wahrscheinlich wegen der Vertretungskosten gewährte man ihr im Oktober eine dauernde pensionsfähige persönliche Zulage von jährlich 75 Mark. Und vom 1. April 1893 an verfügte die Regierung eine weitere Erhöhung, so dass B. Nienkemper unter Zurechnung von 6,00 M für Garten auf ein Grundgehalt von 900 Mark plus freier Wohnung kam.

Anfang 1909 stellte die Lehrerin erneut einen Urlaubsantrag. Laut ärztlichem Attest musste sie sich wegen einer Unterleibsgeschwulst einer größeren Operation unterziehen. Aus diesem Urlaub kam sie nicht mehr zurück.

August 2018
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[1] und folgende: StA Selm, AB-1 – 237.
[2] Die Behörden schreiben auch manchmal Naber.
[3] Die nach der Prüfung erhaltenen Zeugnisse waren in drei Stufen unterteilt. Das sog. „Wahlfähigkeitszeugnis No. 1“ berechtigte den Kandidaten sofort und ohne Ablegung einer zweiten Prüfung zur definitiven Anstellung als Lehrer. Dies galt bis 1854.  Frank-Michael Kuhlemann, Modernisierung und Disziplinierung, Sozialgeschichte des preußischen Volksschulwesens 1794 – 1872, Göttingen 1992, S. 271.
[4] Kreissekretär in Lüdinghausen ab 1866.
[5] und folgende: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 238
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