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Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Das Lehrpersonal der Gemeinde Selm im 19. Jahrhundert

Christel Gewitzsch

Aus einer Angebotsbroschüre, Stadtarchiv Selm

Im Laufe des 19. Jahrhunderts beschäftigte die Gemeinde Selm für ihre Elementarschulen sechzehn  Lehrerinnen und Lehrer, dabei sind die Lehrkräfte, die zwischenzeitlich in Krankheitsfällen die Vertretungen übernahmen, nicht mitgezählt. In den ersten drei Jahrzehnten gab es lediglich eine einklassige Schule mit einem Lehrer.  Ab 1832 trennte man die Mädchen von den Jungen, Pläne dazu gab es schon seit 1811, und stellte zusätzlich eine Lehrerin ein. Es war dann die Rede von einer Knaben- und Mädchenschule, die 1874 beide als zweiklassig bezeichnet wurden, aber jeweils nur eine Lehrkraft hatten.  Als die Schülerzahlen anstiegen, wurde 1875 noch eine gemischte Vorschule errichtet, wofür eine dritte Lehrkraft – immer Lehrerinnen – engagiert wurde. Ab 1892 existierte eine sogenannte Mittelschule, das war eine weitere Knabenklasse mit einem zweiten Lehrer.

Die Begriffe „Schule“ und „Klasse“ sind im Laufe der Jahrzehnte nicht immer genau unterschieden worden. In den Allgemeinen Bestimmungen des Königlich Preußischen Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten vom 15. October 1872, betreffend das Volksschul-Wesen[1] hatte man versucht, für Klarheit zu sorgen. Auch die einklassige Volksschule gliederte sich demnach in folgende drei Abteilungen: in die Unterstufe, die Mittelstufe und die Oberstufe.  1886 sah die Königliche Regierung sich noch einmal veranlasst, die Begriffe „Schulstelle“ und „Schulklasse“ zu erläutern, indem sie klar stellte, dass den Lehrern und Lehrerinnen eine Stelle, aber keine Klasse verliehen wurde.  Die Regierung musste gegen das Vorurteil ankämpfen, dass der Einsatz in der Unter- oder Mittelklasse (sie verwendet in ihrem Schreiben nicht den Begriff der Stufe) eine Herabsetzung bedeute. Das Wort „Vorschule“ sollte fortan nicht mehr benutzt werden.

Um sich eine Vorstellung von den Schülerzahlen machen zu können, hier einige Beispiele: 1811 sind in einer Schülerliste für die Gemeinde Selm 204 Kinder verzeichnet; 1865/66 müssten 140 Knaben und 119 Mädchen die Schulen besuchen; 1894 unterrichteten zwei Lehrer und zwei Lehrerinnen insgesamt 367 Schüler und Schülerinnen.

Die Lehrer

Der Lehrer Bernard Sommer, geboren 1777 in Freckenhorst, lehrte in der einklassigen Schule wahrscheinlich ab 1799. Das war das Jahr seiner Heirat mit Anna Maria Vieth, der die Schulstelle, die Sommer dann einnahm, vom Grafen von Plettenberg – Mietingen verliehen worden war. Aktiv im Dienst blieb der Lehrer Sommer bis 1812, als er aufgrund von Beschwerden den Unterricht einem Stellvertreter übertrug, die Stelle aber bis 1813 weiter innehatte. Dem Selmer Kaplan Hölling übertrug man von 1813 bis 1824 die Lehrerstelle in der Gemeinde. Ihm folgte Heinrich Schwenniger  aus Werne offiziell bis zu seinem Tode 1870. Wegen seines fortgeschrittenen Alters genehmigte man ihm aber seit 1867 die Anstellung eines Stellvertreters. Für fünf Jahre unterrichtete die Knaben in Selm der Lehrer Hermann Scherbaum, dem Carl Düllo, geboren am 11. April 1847 in Marienfeld,  bis zu seiner Versetzung 1891 folgte. Düllo wurde nach Lenkerbeck im Kreis Recklinghausen versetzt, von dort kam in einer Art Ringtausch Paul Schröder nach Selm. Der letzte im 19.Jahrhundert eingestellte Lehrer war Heinrich Heitjan aus Ondrup, der am 1. März 1898 endgültig zum Lehrer an der öffentlichen Volksschule zu Selm ernannt wurde, vorher aber wohl schon den Dienst versehen hatte, weil Paul Schröder  im September 1897 verstorben war.

Die Lehrerinnen

Die 1832 neu gebildete Mädchenklasse unterrichtete bis 1873 Anna Zurbrüggen. Ein Jahr zuvor durfte auch sie eine Gehilfin einstellen, das war die 1848 in Telgte geborene Anna Pieper, die nach der Pensionierung der Anna Zurbrüggen deren Nachfolgerin wurde. Ab 1885 musste auch Anna Pieper mehrfach aus Krankheitsgründen vertreten werden. Man beurlaubte sie wegen einer Krebserkrankung ab dem 15. Oktober 1887 für sechs Monate, doch durfte sie das Amt weiter behalten, denn eine Pensionierung zog höhere Ausgaben nach sich als eine Krankenvertretung. Aber auch weitere  Kosten für die Vertretung meinte die Gemeinde nicht mehr tragen zu können, besonders als die Regierung in Münster eine Erhöhung der Besoldung forderte.  Auf die vom Amtmann Döpper nun zur Sprache gebrachte Pensionierung der Lehrerin, eine Genesung war nicht mehr zu erwarten, ging die Regierung nicht weiter ein. Im März 1891 verstarb Anna Pieper  und Münster bestimmte die Schulamtsbewerberin Jungeblodt zur Stellvertreterin. Zwei Monate später folgte ihr die Kollegin aus der Vorschule in Selm Elisabeth Schwinde, die aber selber schon durch Maria Pietig vertreten werden musste.  Noch im Mai desselben Jahres kam es zu der endgültigen Anstellung Pietigs an der Mädchenschule in Selm.

Die Vor- und Mittelschule

Eine dritte Klasse/Schule, eine Knaben- und Mädchenvorschule, errichtete die Gemeinde Selm im Jahre 1875 und stellte als Lehrkraft die 22-jährige Johanna Hölscher aus Bocholt dafür ein. 1878  folgte ihr die vier Jahre jüngere Agatha Hagemann aus Saerbeck, die 1885 entlassen wurde und ab 1886 als Nonne in einem Kloster in Heiligenstadt lebte. An ihre Stelle trat die schon oben erwähnte Elisabeth Schwinde, bis diese 1891 zur 1. Lehrerin ernannt wurde und ihren Platz in der Vorschule für Christine Strake frei machte.

In der Mittelschule stellte man 1892 den Lehrer Bernhard Becker ein, der 1900 im Interesse des Dienstes nach Lembeck versetzt wurde.  Ein Kollege von dort – Bernhard Wenning – übernahm in Selm seine Stelle.

Ausblick

Über einige dieser Lehrpersonen sind in den Akten weitere interessante Details zu finden. Ihre Bezahlung, Überprüfung, Unterbringung etc. waren oft Gegenstand von Beratungen und lösten zu manchen Zeiten einen regen Briefwechsel zwischen den Behörden und den Betroffenen aus. Dazu später mehr.

Juli 2016
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Verwendete Akten:
StA Selm, AB-1 – 212a, 219, 252,255, 255a, 256, 257.
LAV NRW W Großherzogtum Berg, A2, Nr. 312a.
(1) StA Selm, AB-1 – 219. 

 
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