aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

A. Reparaturen an Bauten der Kirchengemeinde Selm 

Christel Gewitzsch

Rund 70 Jahre lang, von den 1820er bis 1890er Jahren, wandten sich der Pfarrer und/oder der Kirchenvorstand an die politische Gemeinde Selm und beantragten, Reparaturen oder Neubauten von Wirtschaftsgebäuden der Kirchengemeinde in Angriff zu nehmen. Dass diese Arbeiten von der Gemeinde Selm zu bezahlen seien, hielten die Beteiligten lange für  selbstverständlich. Eine einheitliche Regelung für diese Verpflichtungen scheint es in Preußen nach 1813 nicht gegeben zu haben. In der Diözese Münster bestand eine Baupflicht der Gemeinde zumeist nur für einen Teil des Pfarrhauses[1] Es besaß vielfach einen Wohn- und Wirtschaftsteil und nur für den letzteren war die Gemeinde zuständig.

1. Vorgang

In dem Brief, den der Selmer Pfarrer Adolph Ewers 1822 an Bürgermeister Köhler richtete, stellte der Pastor den Antrag auf Vergrößerung der vom Kirchspiel in Stand zu haltenden Pfarrscheune[2]. Köhler fragte beim Landrat an, wie zu verfahren sei und bemerkte, dass man den Herrn Pastor bei diesen geldlosen Zeiten vielleicht auf bessere Zeiten vertrösten könne. Landrat Schlebrügge äußerte sich  gar nicht zur Sache, sondern wollte erst die Meinung des Gemeinderates dazu eingeholt wissen.

In der Zwischenzeit hatte im November ein heftiger Windstoß an die dreißig Pfannen vom Kirchendach und mehr als hundert Dachpfannen vom Viehhaus, bzw. von der Scheune gerissen. Der Pfarrer behalf sich, indem er Pfannen austauschte, was nasse Wände und Pfosten zur Folge hatte. Hier handelte die Gemeinde schneller. Sie beschaffte 200 Dachziegel, so dass die Reparaturen vorgenommen werden konnten.

Das Thema der Scheunenvergrößerung schwelte weiter vor sich hin. Pastor Ewers fragte immer mal wieder beim Bürgermeister an, bis dieser sich Anfang 1824 erneut an den Landrat wandte. Der erinnerte an die Notwendigkeit, die zu erwartenden Kosten erst einmal vom Gemeinderat genehmigen zu lassen und diese dann im Etat auszuweisen. Zwecks Anfertigung eines  Kostenanschlags und Bauplans beauftrage Schlebrügge den Schreinermeister Inckmann in Lüdinghausen. Nach rund vier Monaten kamen dessen Papiere mit dem Auftrag an Köhler in Bork an, sie dem Gemeinderat bei der Etatberatungen für 1825 zur Genehmigung vorzulegen. An dessen Zustimmung wurde nicht gezweifelt, deshalb könne die Gemeinde, so Schlebrügge, noch vor Ablauf des Jahres die Arbeiten öffentlich vergeben und im darauffolgenden Frühjahr das Gebäude errichten.

So geschah es. Am 13. Dezember 1824 ließ Köhler den Termin der Verdingungs-Verhandlungen bekannt geben. Zimmermann- und Maurerarbeiten zu etwas mehr als 250 Taler waren zu vergeben. Bei der Verhandlung konnte durch einen Bieter aus Olfen namens Stades ein Minderbetrag gegen den Kostenanschlag von 75 T 17 Sg 3 Pf erzielt werden. Der Landrat war beeindruckt, aber zugleich auch misstrauisch. Er genehmigte das Ergebnis, wies aber in weiser Voraussicht auf die 5-jährige Gewährleistungsfrist des Unternehmers hin und gab dem Bürgermeister auf, den Bau gründlich zu beaufsichtigen, um die Verwendung minderwertiger Materialien zu verhindern.

In einem ersten Kontrollprotokoll über den Anbau werden später sechs zusätzliche Arbeiten aufgeführt, die noch vergeben werden sollten. Das war erst einmal kein großes Problem, Ärger gab es vielmehr wegen der Frage, ob die Handlanger von der Gemeinde gestellt werden mussten. Dies war nicht expressis verbis in den Bedingungen ausgesprochen worden, aber bei Gemeindebauten bisher üblich gewesen. Davon waren wohl auch in diesem Fall alle ausgegangen, denn niemand hatte je nachgefragt. Bürgermeister Köhler wollte wegen dieser Nachlässigkeit nicht den Unternehmer zusätzlich belasten und ihm, der schon die Zusatzarbeiten preiswert ausgeführt hatte, die Kosten für die Handlanger aufbürden. Das Thema sei, so führte er aus, eh nur von zwei Unruhestiftern aufgebracht worden, da einer von ihnen wegen nachträglich erhöhter Forderungen vom Unternehmer nicht eingesetzt worden war.

Im weiteren Verlauf stellte sich dann der Landrat quer, der vor jeglicher Bezahlung wissen wollte, wer die o.g. Arbeiten in Auftrag gegeben hatte und ob diese überhaupt notwendig gewesen waren. Genüsslich – so scheint es – erinnerte der Bürgermeister daran, dass der Landrat selbst es gewesen war, der den Pastor zur Ausführung der Extraarbeiten aufgefordert hatte; die Arbeiten, die der Revisor Inckmann mit revidirt und gleich gut anerkannt und da derselbe darüber weiter nichts sagt, angenommen werden muß, dass selbes nothwendig gewesen.

Die Bezahlung des Zimmermeisters Stades verzögerte sich weiterhin um einige Monate, weil der Landrat Papiere anmahnte, die der Bürgermeister ihm schon lange zugeschickt hatte. Als Stades dann Anfang 1826 die Verdingsumme über 184 Taler erhielt, standen ihm noch weitere rund 100 Taler zu, deren Bezahlung aber noch von einer Überprüfung durch Inckmann abhängig war. Als der Bürgermeister Vollzug meldete und die Anweisung erbat, konnte der Landrat diese nicht ausführen, weil ein nötiger Fonds dafür nicht zur Verfügung stand. Der Bürgermeister erhielt Anfang 1827 den Auftrag, diese Ausgaben in den nächsten Gemeinde-Bedarfs- Nachweis zu übernehmen. Das o.g. Misstrauen des Landrats hätte sich vielleicht besser auf die eigenen Behörde gerichtet.

2. Vorgang

Sechzehn Jahre später stellte niemand die dringend nothwendige Reparatur des Pastorath-Oekonomie-Gebäudes in Frage. Bürgermeister von Stojentin legte dem Landrat Graf von Schmising im Januar 1842 den Kostenanschlag vor und erinnerte an die schon vorgenommene Berücksichtigung dieser Gelder im laufenden Etat. Schmising ließ sich dann allerdings etwas Zeit. Erst im Juli gab er Stojentin die Genehmigung zur Festlegung eines Verdingtermins, der in Selm, Olfen, Bork und Südkirchen bekannt gemacht werden sollte.  Vorher hatte Schmising sich mit Pfarrer Evers beraten und bestimmt, dessen Vorschläge in den Kostenanschlag aufzunehmen. Wegen der Strohdocken, die verwendet werden sollten, verwies der Landrat auf die Feuer-Polizei-Ordnung, die besagte, dass bei Gebäuden, die nicht weiter als 10 Fuß von anderen entfernt stehen, Strohdocken nur dann gebraucht werden, wenn sie durch dünnen Lehm gezogen und gehörig mit demselben getränkt sind. Schmising erinnerte sich nicht an die örtlichen Verhältnisse, weshalb Stojentin die Entfernung überprüfen sollte, um eventuell den Kostenanschlag zu ergänzen.

Am 31. August konnten die Maurer-, Zimmermann- und Glaserarbeiten an den Mindestfordernden vergeben werden. Der Kostenanschlag belief sich auf rund 54 Taler, das Mindestgebot betrug 41 Taler und wurde vom Schreiner Johannes Sommer aus Selm abgegeben. Im Juli 1843 konnte Stojentin die Genehmigung zur Bezahlung beim Landrat einreichen. Dem Unternehmer wurden 45 Taler ausbezahlt.

3. Vorgang

Das Pastorat Viehaus ist an der einen Seite in den letzten Monaten sehr ausgewichen und bedarf nothwendig einer Reparatur. - Wie die Baupflicht und Instandhaltung der Pfarrwohnung der zeitigen Pfarrer obliegt, so liegt der Gemeinde die gleiche Pflicht auf in Betreff des Viehauses – wobei ich für nöthig erachte, die nähere Erklärung abzugeben: dass nicht der Kirchen- sondern der politischen Gemeinde diese Baulast obliegt. Denn von jeher hat die politische Gemeinde das Pastorat-Viehaus bauen im Stande halten müssen, weßhalb jeder, der in dieser Gemeinde einzieht, oder Besitz erwirbt, die genannte Baulast mit übernimmt, abgesehen von allen Confessions-Unterschieden. - Mit dieser Anzeige verbinde gehorsamst ich die Bitte: dass ein Bausachverständiger dazu deputirt werden möge, ersten Tages eine Besichtigung vorzunehmen.
Selm den 7ten Juli 1857
Evers Pfarrer
An die Wohllöbliche Gemeinde-Vertretung von Selm / Zu Händen des Herrn Amtmanns Foecker Wohlgeboren Bork
.

Am selben Tag noch tagte die Gemeindeverordneten-Versammlung und erkannte die Zuständigkeit für die Reparatur an. Einen Tag später schrieb Amtmann Foecker den Zimmermeister Fischer in Cappenberg an und beauftragt ihn, den baulichen Zustand des Viehhauses zu untersuchen und, falls erforderlich, einen Kostenanschlag einzureichen. Der lag bald vor. Die Gemeindeverordneten beschlossen, den Auftrag an  den Wenigstfordernden zu vergeben. Darüber hinaus musste bei den laufenden Arbeiten der Zeitpunkt der Anlieferung des Materials bekanntgegeben werden, um sich die Überzeugung zu verschaffen, dass auch wirklich die veranschlagte Qualität geliefert wurde – außerdem: Pfarrer Evers möge die Controle über die Arbeiten übernehmen.

Als im November 1857 die ersten Rechnungen beglichen wurden, bekamen vier Handwerker ihr Geld: aus Selm der Maurer Bördeling, der Kolon Anton Hagen genannt Görke und der Zimmermann Heinrich Forsthövel. Sie erhielten insgesamt fast 275 Taler. Auch der gleich zu Anfang eingeschaltete Fischer aus Cappenberg wurde ausbezahlt. Nur ein Anstreicher aus Selm (der Name ist nicht eindeutig zu entziffern) musste erst noch durch ein Attest des Pfarrers nachweisen, die übernommenen Arbeiten auch durchgeführt zu haben. Acht Tage gab ihm der Amtmann dazu Zeit, sonst sollte die Ausführung auf Kosten des Anstreichers auf Polizeiwegen erfolgen. Aber nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird: Der Anstreicher legte das Attest nach dreizehn Tagen vor und bekam sein Geld.

4. Vorgang

Vierzig Jahre vergingen, bis die Bauverpflichtung der politischen Gemeinde erneut Eingang in die Akte fand. Diese Mal wandte sich der Kirchenvorstand, bestehend aus dem Vorsitzenden Pfarrer tenBrinck und den Mitgliedern Witthoff, Kamphaus, Geiping, Rohde, Weischer und Schwenken, an den Wohllöblichen Gemeinderat in Selm:

Der unterzeichnete Kirchenvorstand beabsichtigt, den notwendigen Neubau der Pastorat in Selm nunmehr in Angriff zu nehmen.
Zugleich mit der Pastorat muß auch das alte baufällige Oekonomiegebäude neu errichtet werden, und das umsomehr, weil die neue Pastorat nur vor der jetzigen stehen kann – ein anderer Bauplatz steht nicht zur Verfügung – und durch die neue Pastorat der Zugang zu dem bisherigen Oekonomiegebäude versperrt wird.
In dem vom Architecten Heinr. Beumer in Münster angefertigten Plan ist das Oekonomiegebäude als Fortsetzung der Pastorat gedacht.
Wie aus dem anliegenden Kostenanschlag hervorgeht, betragen die Kosten für das Oekonomiegebäude rund 4000 Mk. Dieselben stellten sich doch erheblich geringer, wenn das Material des alten Gebäudes wieder verwendet werden soll.
Weil die Baupflicht für das Oekonomiegebäude der Gemeinde Selm obliegt, so bittet der unterzeichnete Kirchenvorstand  die Wohllöbliche Gemeindevertretung die Mittel für den Neubau des Oekonomiegebäudes an der Pastorat zu bewilligen.

Nun, im Jahr 1899, waren die Gemeindevertreter nicht mehr so ohne Weiteres dazu bereit, die Wünsche des Kirchenvorstands zu erfüllen. Sie boten an, das Ökonomiegebäude dem Pastorat-Baufond zu übertragen und einmalig zu den aktuellen Baukosten 1.000 Mark zu zahlen, wenn die Gemeinde von jeder weiteren Verpflichtung zur Unterhaltung und zu eventuellen Neu- bzw. Vergrößerungsbauten des in Frage stehenden Gebäudes in rechtsverbindlicher Weise befreit wird.

Der Kirchenvorstand hielt es für vollkommen aussichtslos, für diesen Vorschlag die Genehmigung des bischöflichen Generalvikariats zu erlangen, hoffte aber, dann erfolgreich sein zu können, wenn die Gemeinde Selm das Gebäude der Pastorat als Eigenthum überweist und außerdem die Abfindungssumme von zweitausend (2000) Mark zahlen will.

Darauf schien sich die Gemeinde nicht einlassen zu wollen, denn Anfang 1900 versuchte der Kirchenvorstand erneut, eine Genehmigung für die 1.000 Mark Regelung zu erhalten. Das führte zum Erfolg: Sowohl der Regierungspräsident als auch das Generalvikariat stimmten zu. Der Vertrag zwischen der politischen Gemeinde Selm und der katholischen Kirchengemeinde Selm legte fest, dass die politische Gemeinde auf alle Rechte an dem Gebäude und die Kirchengemeinde auf alle Rechte gegenüber der politischen Gemeinde verzichtete, 1.000 Mark am 1. März 1903 von Selm zu zahlen seien und die Kosten des Vertrags von beiden Beteiligten zur Hälfte übernommen wurden.

Damit schien alles geklärt zu sein, aber Amtmann Busch quälte das Bedürfnis, sich in einem letzten Schreiben an den involvierten Rechtsanwalt Henke aus Lüdinghausen seinen Ärger über den ganzen Vorgang von der Seele zu schreiben:

Ich kann nicht umhin zu bemerken dass das Vorgehen des Pfarrers im höchsten Maße befremden muß und die Vollziehung des Vertrages sowohl meinerseits als seitens des Gemeindevorstehers lediglich im Interesse des Friedens und behufs Abwendung weiterer Erschütterung der geistlichen Autorität erfolgt ist, weil uns die Erfahrung die Wichtigkeit dieser beiden Punkte gerade für die Gemeinde Selm genugsam dargethan hat. Wie nämlich durch eingehende Verhandlungen mit dem Herrn Regierung-Präsidenten zur Evidenz festgestellt worden, hatte die politische Gemeinde bei der heutigen Lage der Gesetzgebung keinerlei Verpflichtung mehr zur Unterhaltung des Ökonomiegebäudes und noch viel weniger zu einem Neubau, ganz abgesehen davon, dass letzterer außerdem gar nicht nothwendig war. Lediglich aus den schon angedeuteten Gründen ist die Hergabe von 1000 Mark – 4000 Mark waren gar erst begehrt – von der Gemeinde-Vertretung beschlossen und lediglich auf diesseitigen Antrag vom Herrn Regierungs Präsidenten genehmigt worden. Daß unter solchen Umständen von der Verwaltung eines wohl bestellten Pastorathfonds noch von einer armen Gemeinde die Hälfte der Kosten begehrt worden für einen für die Gemeinde vollständig überflüssigen Vertrag muß ungemein befremden.
Ich gebe sehr ergebenst anheim dem Herrn Pfarrer von vorstehenden Auslassungen Kenntniß zu geben.
Hochachtungsvoll ergebenst
gez. Busch Amtmann


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

B. Das Küstereihaus in Selm

1822 – Das Küstereihaus in Selm ist marode. Es muss etwas geschehen. Lassen wir die Beteiligten selbst zu Wort kommen.

1. Küster Joseph Bohle an Landrat von Schlebrügge

Hochwohlgeboren Ser Geehrtester Herr Landrath!
Euer Hochwohlgeboren Herr Landrath wollen geruhen, sich zu erinnern, daß ich schon früherhin um Instandsetzung des hiesigen Küstereihauses, welches die Commune unterhalten muß, unterthänigst gebeten habe, und ich kann nicht umhin, diese meine unterthänige Bitte nochmalig zu erinnern.
Bekanntlich ist dasselbe in einem solchen baufälligenzustande, daß alle Reparaturen vergebens sind; der darin wohnende Heuerling kann bei Regenwetter seine wenigen Effecten kaum trocken halten; auch ist derselbe bei den Feuervisitationen schon mehrmals für gefährlich befunden worden.
Bis dahin habe ich in meinem Elterlichen Hause bei meiner Mutter gewohnt; diese ist im verwichenen Jahre gestorben, und nun erheischen es gewisse Umstände, daß ich mein Elterlicheshaus an irgendeinen meiner Geschwister werde überlaßen, und mich im Küstereihause Etablieren müssen.
Es ergeht daher an Eure Hochwohlgeboren meine allerunterthänigste Bitte, gnädigst zu verfügen, daß, das hiesige Küstereihaus in kurzer Zeit in Stande gesetzt werden solle.
Ew. Hochwohlgeboren gehorsamster Diener
Bohle Küster in Selm
Selm d 6 Merz 1822
[3]

2. Randbericht: Landrat an Bürgermeister Friedrich Köhler

b.m.S. r. An den Herrn Bürgermeister zu Borck
Da das Küstereihaus dem Äußeren nach so verfallen ist, daß solches kaum einer Reparatur fähig ist, so wäre zur Vermeidung der bedeutenden Kosten eines Neubaus sehr zu wünschen, wenn der Küster dahin zu vermögen wäre, einzuwilligen, daß das alte Gebäude verkauft, der Kaufschilling verzinslich angelegt, und ihn gegen Genuß der Zinsen die Beschaffung einer Wohnung überlassen bliebe. Will sich derselbe hierzu nicht verstehen, so haben Sie den Zimmermeister Inckmann zu Lüdinghausen zu requiriren einen Voranschlag der Baukosten und einen Plan zur Einrichtung anzufertigen, wornach mit dem Gemeinderath, über die anzuschaffenden Geldmittel zur Bestreitung der bau Kosten zu berathen ist.
Vom Ergebniß ist in Zeit von 4 Wochen zu berichten.
Beckendorf d 19ten März 1822.
Der Landrath gez: Schlebrügge

3. Küster an Bürgermeister

Wohlgeborener Herr Bürgermeister,
Auf Ihre an mich geschehen Bekanntmachung, in betref der im Stande setzung des hiesigen Küstereihauses, erwiedere ich folgendes.
Ich kann und darf mich durchaus darauf nicht einlassen, daß das hiesige Küstereihaus Verkauft, und ich von dessen Zinsen, mich eine Wohnung verschaffe. Schon auf die von mich geschehene Vorstellung an dem Hr. Landrath vor 1 1/2 Jahr ist schon das Nämliche von denselben verfüget worden, und durch den vorigen Hr. Bürgermeister Fuisting ist dem hr. Landrath das Nämliche was ich ietzt darauf sage schon bekanntgemacht worden. Ich trage daher nochmals darauf an daß das Küstereihaus in kürtzer Zeit im Stande gesetzt werde.
Ew. Wohlgebohren gehorsamster Dr.
J. Bohle Küster
Selm d 1ten April 1822

4. Bürgermeister an Schreinermeister Ferdinand Inckmann

An den Schreinermeister Inckmann zu Lüdinghausen
Das Küstereihaus zu Selm bedarf höchst nöthig einer Reparatur und bin ich zu diesem Ende beauftragt Ihnen zu ersuche sich nach Selm hinzubegeben und einen Voranschlag der Baukosten nebst einem Plan zur Einrichtung anzufertigen.
Da mir zur Einreichung dieses nebst Erstattung eines Berichtes nur ein kurzer Termin bewilliget, so muß ich wünschen daß Sie meinem Ansuchen binnen kurzer Frist nachkommen und mir das Vorbesagte möglichst bald einhändigen werden.
B d. 9ten April 1822.
D Brgrstr Kr.

5. Bürgermeister an die Selmer Gemeinderäte

Circulare
An die Herren Gemeinderäthe zu Selm
Zur Berathung über die Beschaffung der Kosten zur Instandsetzung des Küstereihauses zu Selm habe ich den Termin auf Mittwoch d. 1ten May ds. Js. Nachmittags 3 Uhr an der Behausung des Hr. Melchers zu Selm anberaumt, wozu sie hierdurch eingeladen werden.
Es grüßt Ihnen
Borck d, 23ten April 1822
Der Bürgermeister
Köhler
An die Herrn Gemeinderäthe zu Selm
Gesehen d 23 April Melchers, Pieper, Witthoff, Spinne, Pentrop, Rahmann

6. Landrat an Bürgermeister

Ich erinnere Sie an Erledigung meiner marg. Verfügung vom 19ten v. M. wegen des mit dem Küster zu Selm zu treffende Ubereinkommens über den Verkauf des baufälligen Küstereyhauses daselbst, und will ich solche in 8 Tagen erwarten.
Beckendorf d 27ten Apr. 1822.
Der Landrath vSchlebrügge
An den Herrn Bürgermeister von Borck

7. Küster an Bürgermeister

Wohlgeborener Herr Bürgermeister!
Durch den Zimmermeister aus Lüdinghausen, welcher das hiesige Küsterey-Haus in Augenschein genommen habe ich vernommen, daß dasselbe nur soll Reprarirt werden,
Ein jeder nur etwa Sachkundiger Mann, der dasselbe untersucht und in Augenschein nimmt, muß, wenn er unparteisch sprechen will, sagen daß alle Repraturen an demselben vergeblich sind, und daß es durchaus müsse Neu gebaut werden wenn daßselbe eine anständige Wohnung für einen Küster werden soll.
Bekanntlich ist besagte Küstereyhaus schon mehrmalls in Augenschein genommen, aber noch nie eine Repratur an demselben als hinreichend befunden worden um daraus eine anständige Wohnung zu machen:
Es liegt einen Fuß in der Erde ist bei nasser Witterung unten voll Wasser, das sämbliche Holz an demseleben, ist ganz Vergänglich, theils vermodert, die Stube und Kammeren sind so Niedrich, daß man kaum aufrecht stehen kann, und gleichet mehr einem Schweinestall als einem Wohnzimmer, kurtz: Die ganze Wohnung ist in dem Elendesten Zustande und droht dem Einsturtze.
Ich kann doch mit allem Rechte eine Ordliche angemessene Wohnung verlangen, und werde auch nöthigen Falls mich deshalb höheren Orts zu verwenden meinent = und meiner Nachfolger wegen verpflichtet seyen: meinent wegen weil ich gesinnet oder auch genötiget bi das Küstereyhaus selbst zu bewohnen; meiner Nachfolger wegen weil auch dieser daselbe werde bewohnen müssen.
Es ergeht daher an Ew. Wohlgeborener meiner gehorsamsten Bitte, für den Neubau des hiesigen Küstereyhauses gütigst zu sorgen.
Euer Wohlgeborener gehorsamster Diener
Joseph Bohle Custos
Selm d 30ten April 1822

8. Bürgermeister an Landrat

Verfg. vom 27ten , Bau der Küsterei zu Selm betreffend
Borck d2ten May 1822
An den Herrn Landrath!
Zufolge der hierbei abrückgehenden verehrlichen b. m. Verfügung vom 19.v.M. habe ich den Küster zu Selm aufgefordert sich zu erklären, ob er nicht geneigt sei das Küstereihaus zu Selm verkaufen zu laßen, und aus den Zinsen des aufkommenden Betrags sich eine Wohnung zu beschaffen, allein derselbe war hierzu nicht zu vermögen, weshalb ich den anliegenden Kostenanschlag von dem p. Inckmann zu Lüdinghausen habe anfertigen laßen. Gleichfalls lege ich gutachtliche Außerung des Gemeinderaths über die Beschaffung der Kosten bei und ersuche Euer Hochwohlgeboren mich hochgeneigt bald, unter Remission der Anlagen, zu bescheiden, ob die Mindestfordernde Verdingung nach dem Kostenanschlag erfolgen soll und bitte die Liquidation des p Inckmann anweisen zu lassen.
Kr.

9. Landrat an Bürgermeister

Unter remission des mit Ihrem Berichte vom 1ten d. eingereichten Bau- und Kosten-Anschlags des p Inckmann über die reparatur des Küstereihauses zu Selm ad 132 Thl 13 gr. beauftrage ich Sie, ungesäumt nach vorheriger zweymaliger Bekanntmachung zu Selm und in den benachbarten Gemeinden zum öffentlichen Verding zu schreiten und das Verdings-Protokoll zur Genehmigung einzureichen.
Die Verdingssumme ist in dem Ende Julius einzureichenden Gemeinde-Etat aufzunehmen, und können die Kosten Vorschußweise aus den bereiten Beständen bestritten werden.
Anweisung der Gebührenrechnung des Inckmann erfolgt anbei.
Beckendorf, 18. May 1822
der Landrath vSchlebrügge

10. Bürgermeister an Unternehmer

Bekanntmachung!
Die Reparatur des Küstereihauses zu Selm dessen Kostenbetrag zu 132 Th. 16 Srgr, 3 Pf, veranschlaget, soll am 12ten ds. des Morgens 10 Uhr auf hiesigem Bureau an den Wenigstfordernden öffentlich verdungen werden, wozu Unternehmungslustige  hierdurch eingeladen werden.
Der Kosten-Anschlag, sowie die Baubedingungen sind täglich auf der hiesigen Verwaltungsstube einzusehen.
B. d. 1ten Juny 1822
dBrgrter Kr.

11. Bürgermeister an Landrath

Reparatur des Küstereihauses zu Selm betreffend
Borck d 2t Juny 1822
An den herrn Landrath!
Das heute abgehaltenen Verdings Protocoll über die Reparatur des Küstereihauses zu Selm nebst dem Kosten Anschlag beehre ich mich Euer Hochwohlgeboren hierneben zur hochgefälligen Genehmigung gehorsamste zu überreichen.
DBrgmtr Kr
.

12. Landrat an Bürgermeister

Das unterm 12ten d. Eingereichte Verdings Protokoll der Reparatur des Küstreihauses zu Selm wozu noch der gesetzliche Stempel ad 15 Sgr. Zu verrichten ist, empfangen Sie von mir genehmiget zurück, und haben Sie auf verdingsmäßige Ausführung zu halten.
Beckendorf d. 23ten Juny 1822.
Der Landrath
vSchlehbrügge

13. Bürgermeister an Zimmermeister Forsthövel

An den Zimmermeister Forsthövel zu Selm
Abschrift des genehmigten Verdings Protocolls in betreff Reparatur eer Küsterei zu Selm erhalten Sie hierneben / auch den Kosten Anschlaf mit dem Auftrage mit meine Auslage mit 1 T, B.G, umgehend zurückzusenden.
B. d 2ten July 1822.
Der Brgmstr Kr.

14. Küster an Landrat

Hochwohlgeborener Gnädiger Herr Landrath!
Der hiesige Zimmermeister Forsthövel welcher die Repratur der Küsterey übernommen, hat in diesen Tagen die untersten Wände heraus, und die übrigen Vorbereitungen zur Repratur vorgenommen; allein derselbe sieht es jetzt ein, daß die beabsichtigte Repratur den conditionen gemäß nicht ohne die größte Gefahr des Einstürtzes veranstaltet werden kann, und hat er solches auch gestern dem hiesigen Hr Bürgermeister erklärt.
Die sämblichen hiesigen Gemeinderäthe sind der nähmlichen Meinung und sehen es jetzt desto deutlicher ein, daß keine Repratur mehr möglich sey, sondern daß die Küsterey durchaus müsse neu gebaut werden; haben zu dem ende mich auch ersucht nochmals die Ew. Hochwohlgeboren darüber eine unterthänigste Vorstellung zu machen, mit der mir gegebenen zusicherung derselben gerne neu bauen zu lassen.
Ich unterfange mich daher der Freyheit Ew. Hochwohlgeboren Hr Landrath ganz unterthänigst zu bitten mehr besagte Küsterey neubauen zu lassen, damit ich eine ordliche Wohnung krige.
Ich bin mit aller Verehrung Ew: Hochwohlgeboren Gnaden
Gehorsamster Diener
Joseph Bohle Küster
Selm d 24t August 1822

15. Randschreiben zu 14

b.m.h.r. An den Herrn Bürgermeister von Borck, um den Bittsteller mit seinem Gesuche um Erbauung eines neuen Hauses abzuweisen, da nach dem Gutachten des von mir beauftragten ... sachverständigen Zimmermeister Inckmann das fragliche Hauß reparaturfähig ist, und derselbe angewiesen worden zur Stelle den Unternehmer Forsthövel zurechtzuweisen.
Beckendorf den 2ten September 1822
Der Landrath vSchlehbrügge
Ist dem p Bohle mitgetheilt
B, d, 11ten 7ber 1822
dBrgrtr
Kr.

16. Zimmermeister I. an Bürgermeister

An den Herrn Bürgermeister Köhler wohlgeboren
Hierbei übersende ich Ihnen das ersuchte Revission-Atest mit den Kostenanschlag betreffend der Instandsetzten Küsterei zu Selm.
Das davon nach ausgleichung noch fehlendes habe ich in einen Verzeichniß beigelegt welches Sie doch gütigst den Küster überreichen wollen, damit derselbe (wie ich mit Ihm abgesprochen habe) die Uebernahmen zur vollständigen Ausführung dessen anhalten kann.
Die Kosten des Revisions atestes betragen
a. für ausgelegte Stempel ------------- 12 pp
b. Gebüren belassen nebst […]              18______
Summa                                       1 T. 6 pp
Welches sie mich doch gütigst besorgen mögen.
Verbleibe unter alter Hochachtung
Ew. Wohlgebohren
Ergebenster Diener
Ferd Inckmann Zimmer und Schreinermeister
Lüdinghausen d 5ten 9ber
[4] 1822

17. Verzeichnis des Zimmermeisters mit Bemerkung des Küsters

Verzeichniß
Dem bei abgehaltener Revision noch fehlende Ausführung anschlagsmäßigen Reparaturen an dem Küstereyhause zu Selm
1. Die neun Fenster am Stuben dicht passender zu machen –
2. An der golden flagge […] anzubringen
3. Die Löcher in den beiden [...] mit Bretter inwendig zu vernageln-
4. Die im fußboden des Stuben aufgehobenen Beschußbretter wiederum fest mit eisernen Nägel niederzunageln –
5. Sämtliche Fenstern und Thüren nachzusehen und die ...nenden nachzuhelfen
6. Die Dehle, Küche und den beiden Stuben dopelt und halt zu weisen –
7. Fünfzig gute Pfannen zur weitern Reparatur aufn ...older zu stellen –
Wiewohl einige Thüren dem Anschlag nach zu niedrig sind so läßt sich doch solches bei jetziger Jahzeit nicht mehr endern, dieses kann am besten bewändert werden wenn in der folge statt der alten Thüren (welches bald nöthig ist) neue angebracht werden sollen.
Lüdinghausen d 5ten 9ber 1822
Ferd. Inckmann, Zimmer- und Schreinermeister

Vorstehende noch fehlende Repraturen an dem Küstereyhaus sind von dem Zimmermeister Forsthövel verfertig worden, wie auch die Fünfzig Pfannen sind geliefert worden, welches hierdurch bescheiden wird. Selm 20te 9ber 1822 Bohle Custos

18. Bürgermeister an Landrat

Antrag auf Anweisungs-Ertheilung
B.d. 27ten Novber 1822
An den Herrn Landrath!
Im Kosten Anschlag nebst Verding-Protocoll und Revisions Attest über die an der Küsterei zu Selm vorgenommenen Reparaturen beehre ich mich Euer Hochwohlgeboren hierneben zur hochgefälligen Anweisung der Verdings Summe ad 133 T. 11 Sgr. 8 Pf gehorsamste zu überreichen.
dBrgrstr Kr.

19. Landrat an Bürgermeister

Auf das mittels Berichts vom 27ten v.M. eingereichte revisions Attest welches vorschriftsmäßig zufolge Verordnung der Hochlöblichen Regierung 9ten Febr 1818 Amtsblatt Seite 53 von Ihnen mit zu unterzeichnen gewesen, empfangen Sie die Zahlungs-Anweisung der dem Zimmermann Forsthövel für Reparatur des Küstereyhauses zu Selm gebührenden Verdings Summe. Anlagen erfolgen zur Justification in der Gemeinderechnung zurück.
Beckendorf d 9ten December 1822
Der Landrath vSchlebrügge
An den Herrn Bürgermeister von Borck
Dem p. Forsthövel eingehändigt B d 24/12 22 dBrgrtr Kr.

Nachklapp

Mit dem 19. Schreiben wurden 1822 die Regelungen abgeschlossen. 1844/45 wird die Küsterei erneut zum Thema. Amtmann von Stojentin berichtete Landrat von Schmising, dass die Kirchenrepräsentanten nach einigen Beschwerden des Küsters Bohle beabsichtigten, einen Neubau des Küstereihauses an anderer Stelle vorzunehmen. Sie boten dem Küster eine Mietentschädigung bis zu dessen Fertigstellung an. Das alte Haus, so meinten die Kirchenvertreter, das von Bohle nicht bewohnt wird, aber für einen gewöhnlichen Heuerling noch für mehrere Jahre gut genug sei, würde die Mietentschädigung durch Mieteinnahmen verringern.

Bohle war damit einverstanden, wenn die Kirchengesellschaft für erste Reparaturen zehn Taler zu der vereinbarten Entschädigung von jährlich 18 Talern, verkürzt durch 6 T. Mieteinnahmen, zahlte. Es kam zu einer Einigung.

Bis 1852 erhielt Bohle das Geld. Dann kam es in Folge höherer Verordnung, die Zahlungen zu kirchlichen Zwecken aus der Gemeindekasse verbot, zu einem Stopp. 1857 forderte Bohle das Geld ein, worauf Amtmann Föcker dem Selmer Pfarrer Evers vorschlug, diese Beträge aus der Kirchenkasse zu nehmen, ersatzweise auf die Gemeindemitglieder umzulegen. Die Zuständigen schienen das Problem gelöst zu haben, denn erst 1876 liest man wieder von dem Küstereihaus. Es war abgebrannt. Bohle forderte nun seine volle Mietentschädigung über 18 Taler und Pfarrer Ellerkamp fragte Amtmann Döpper, ob die von nun ab von der Gemeindekasse übernommen würden, da Bohle ein unbestreitbares Recht auf eine Amtswohnung habe. Die Gemeindeverordneten waren einverstanden, auf einen Neubau wurde verzichtet.

Das letzte Schreiben zu diesem Thema kam 1883 vom neuen Küster H. Lonnemann. Er erinnerte an die Pflicht der Gemeinde, eine Küstereiwohnung zu erhalten. Da aber sein Vorgänger sich mit der Geldentschädigung einverstanden erklärt hatte, würde auch er dies unter bestimmten Bedingungen tun. Ein Neubau, so rechnete er vor, koste mindestens 5.000 Mark, die jährlich Zinsen von 200 Mark einbrächten, dazu kämen Versicherung und Unterhaltung über 50 Mark. Diese 250 Mark, so Lonnemann, stünden ihm zu.

Die Gemeindevertretung von Selm billigte ihm 100 Mark zu. Von Lonnemann liest man nichts dazu.

Mai 2024
______________________________

1.Thomas Spohn, Pfarrhäuser in Nordwestdeutschland, Münster 2000 – Auswahl in google-books, S. 13.
2. Und alle weiteren Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 284.
3. Und alle weiteren Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 285.
4. November


 
Email