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Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Amtsblatt der Königl. Regierung zu Münster, 1823, Nr. 47, S. 319

Bekanntmachungen und Verordnungen der Königlichen Regierung.

Den Jugendunterricht unter den Juden betr.
196) Wir haben mehrmals Gelegenheit gehabt zu erfahren, daß die allen Einwohner gesetzlich obliegende Verbindlichkeit, ihren Kindern während der Jahre der Schulpflichtigkeit die ihnen nöthige Bildung durch einen ordentlichen und regelmäßigen Schulunterricht ertheilen zu lassen, von den in unserm RB wohnenden Israeliten nicht überall erfüllt und dieser Unterricht an mehrern Orten solchen umherwandernden und eigenmächtig angenommenen, wohl gar auf ein halbes die ein ganzes Jahr nur gedungenen Lehrern aus ihren Religionsverwandten anvertraut wird, welche zu Bildnern der Jugend nicht gehörig geeignet sind. Wir haben daher sowohl in der angegebenen Hinsicht, als auch um den hin und wieder statt findenden Streitigkeiten der jüdischen Hausväter über die Beiträge zum Unterhalt ihrer besondern Lehrer für die Zukunft zuvor zu kommen, nöthig gefunden, vorläufig und bis zu etwa abändernden Bestimmungen durch das zu erwartende allgemeine Schulgesetz, nachfolgendes von dem hohen Ministerium der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten genehmigtes Regulativ festzusetzen:
1) Die Eltern und Vorgesetzten der israelitischen Kinder sind in gleicher Art, wie die christlichen Einwohner, verpflichtet, sieselben während ihres schulpflichtigen Alters in der Schule oder in einer der Schulen ihres Wohnorts in den allgemein nöthigen Lehrgegenständen ordentlich unterrichten zu lassen und daher auch dafür das festgesetzte Schulgeld oder den sonstigen Beitrag zur Schulcasse zu entrichten, wenn sie nicht glaubhaft nachweisen, daß die Kinder von andern concessionirten Privat- oder öffentlichen Lehrer gehörig unterrichtet werden.
2) Die jüdischen Kinder dürfen in den christlichen Schulen nicht angehalten werden, auch an dem christlichen Religionsunterrichte theilzunehmen.
3) Den Israeliten bleibt es überlassen, neben dem allgemeine in den christlichen Schulen ertheilten Unterricht, die Unterweisung ihrer Jugend in dem, was auf ihre Religion und auf ihren Gottesdienst Beziehung hat, einem nach dem Attest ihrer kirchlichen Vorgesetzten dazu tüchtigen Lehrer ihrer Religion zu übertragen, der sich jedoch über sein sittliches betragen vor der Polizei-Obrigkeit des Kreises vorher gehörig auszuweisen und deren Genehmigung zum Aufenthalt in der Gemeinde und zur Betreibung des bemerkten Geschäfts nachzusuchen hat.
4) Ein solcher jüdischer Lehrer ist jedoch nur dann befugt, die Kinder seiner Glaubensgenossen auch in den übrigen Lehrgegenständen der Schule zu unterrichten, wenn er zugleich seine zureichende Tüchtigkeit hiezu entweder dadurch, daß er sich einer förmlichen Prüfung unterwirft, oder durch ein Zeugniß von einer inländischen Behörde über sein wohlbestandenes Examen vorher nachgewiesen und auf den Grund des Zeugnisses die Concession, als jüdischer Privatlehrer eine Schule zu eröffnen, bei uns nachgesucht und erhalten hat. Die von einem solchen concessionirten Privatlehrer unterrichteten Kinder sind nicht verpflichtet, in christliche Schulen zu gehen und an deren Lehrer Schulgeld zu entrichten.
5) Die gesammte Judenschaft einer Stadt oder eines ländlichen Bezirkes wird vom Zwange zur christlichen Schule völlig frei, wenn sie ein gemeinschaftliche Schulanstalt auf gemeinschaftliche Kosten mit unsrer Genehmigung errichtet und einen in vorbeschriebener Weise examinirten und tüchtig befundenen jüdischen Lehrer, unter Zusicherung eines auskömmliche und anständigen Gehalts auf Lebenszeit, ordnungsmäßig beruft, sobald der von den sämmtlichen jüdischen Familienhäuptern oder ihren Deputirten ausgestellte und vom Lehrer angenommene Beruf unsere durch die landräthliche Behörde nachzusuchenden Bestätigung erhalten hat.
6) Sowohl die Schulen der nach §. 4. concessionirten Privatlehrer, als der nach §. 5. förmlich angestellten jüdischen Gemeindelehrer sind der Aufsicht der Landräthe und resp. Schulinspectoren unterworfen, welche daher auch insbesondere dafür zu sorgen haben, daß die israelitischen Kinder regelmäßig die Schule besuchen.
7) Hinsichtlich der jetzt in unserem Regierungs Bezirk vorhandenen, von israelitische Gemeinden eigenmächtig angenommenen Lehrer ist, in so fern diese nach der jetzigen Verfassung des Judenwesens zum fernern Aufenthalt qualificirt gefunden worden sind, nach vorstehenden Bestimmungen das Erforderliche binnen 3 Monaten unfehlbar nachzuholen. Im Falle der Versäumniß werden dieselben als unconcessionirte Winkellehrer angesehen und wird ihnen ihr ferneres unbefugtes Schulhalten unter einer Polizeystrafe von 5 Thalern hiedruch verboten.
Ob es gleich aus dem vorgesagten von selbst versteht, setzen wir doch noch ausdrücklich hinzu, daß diejenigen Israeliten, welche sich nach obigen Bestimmungen dem Examen unterwerfen wollen, aber der deutschen Sprache nicht hinlänglich kundig und darin zu unterrichten nicht im Stande sind, in der Prüfung nicht bestehen und darum auch nicht für tüchtig zum Lehramt erklärt werden können.
Die israelitische Gemeinden und Schullehrer, so wie alle die es sonst angeht, haben sich hiernach gebührend zu achten, den Landrath und Bürgermeister wird es zur Pflicht gemacht auf die Befolgung zu wachen und zu halten.
Münster, den 12.11.1823

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