aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

1824 - Bernards Reise um die Welt

Christel Gewitzsch


Inhalt

1. Bernards Reisepläne - 2. Afrika - 3. Auf dem Atlantik - 4. Die Vereinigten Staaten - 5. Südamerikas - 6. Tahiti - 7. Neuseeland - 8. Batavia - 9. Kapkolonie - 10. Heimfahrt

1. Bernards Reisepläne

1824 war kein besonders herausragendes Jahr, von dem Umstand abgesehen, dass die erste Zahl sich in der dritten doppelt und die zweite in der letzten halbiert. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass 1824 der erste Teil der Reisebilder „Harzreise“ von Heinrich Heine erschien, Herbarts „Psychologie als Wissenschaft“, Rankes „Zur Kritik neuerer Geschichtsschreiber“ und Goethes Wirbeltheorie des Schädelbaus. Caspar David Friedrich malte sein Bild „Vor Sonnenaufgang im Gebirge“, in London gründete man die National Gallery und den ersten Tierschutzverein und Beethovens 9. Sinfonie gelangte zur Uraufführung. Aber wichtig für uns ist, dass sich in diesem Jahr der junge Bernard aus dem südlichen Münsterland entschloss, seine lang ersehnte Reise zu starten. Er wollte nicht dem Vorbild der Bürgersöhne und jungen Adelssprosse folgen und die klassische Bildungsreise nach Italien machen. Er wollte mehr. Er wollte alles. Er wollte einmal um die Welt.

Bernard wurde als zweiter Sohn einer lang ansässigen Bauernfamilie geboren. Seit er des Lesens mächtig war, bemühte er sich um den Zugang zu jedem Buch mit Reisebeschreibungen. Schon sein Lehrer in der Elementarschule half ihm dabei, lieh ihm eigene Bücher aus, bat auch den Pastor, dem Kleinen einen Zugang zu seiner Bibliothek zu gewähren und auch ein Gutspächter aus der Nachbarschaft erlaubte es dem Knaben, sich in seinen Bücherregalen umzukucken. Manchmal durfte er daraus -  nach genauester Instruktion - ein Buch mit nach Hause nehmen. Als Bernard  von seinen Eltern auf das schon lange bestehende und angesehene Laurentianum in Warendorf geschickt wurde, ragte er in den Fächern Geschichte und Geografie weit über seine Mitschüler hinaus. Und auch auf dieser Schule fand er großzügige Unterstützung in seinen Lieblingsfächern. Nun, im gleichen Alter wie das Jahrhundert, glaubte er fest, sich gründlich genug vorbereitet zu haben und machte sich mit seinen Lesenotizen und ein paar Zetteln mit den notwendigsten Sätzen zur Meisterung des Lebens in Englisch, Französisch und Spanisch auf den Weg.

Zweifel an der Wahrscheinlichkeit einer solchen Reise zu dieser Zeit, dem möglichen Informationsstand des jungen Mannes, seinen sprachlichen Fähigkeiten, Fragen nach finanziellen und zeitlichen Hindernissen und manch anderen Widrigkeiten lassen wir bei dem ganzen Unternehmen einfach anderer Leute Sorge sein.

Starten wollte Bernard in Afrika. Er war sich aber nicht von Anfang an im Klaren darüber, ob er den Land- oder Seeweg nehmen sollte. Das Mittelmeer schien ihm bei seinem Vorhaben nicht das Problem zu sein, auch wenn Piraten dort immer wieder von sich reden ließen, doch vor den Alpen hatte er als Flachlandbewohner erheblichen Respekt. Er las in Goethes „Dichtung und Wahrheit“ zwar über die Schönheit der Landschaft, doch ließ er sich von einem Satz besonders stark beeindrucken: „Betrachten wir die Gebirge näher oder ferner und sehen ihre Gipfel bald im Sonnenscheine glänzen, bald vom Nebel umzogen, von stürmenden Wolken umsaust, von Regenstrichen gepeitscht, mit Schnee bedeckt.“ Zweifel nährte in Bernard auch der Fakt, dass Goethe, den es schon früher nach Italien gezogen hatte, dreimal auf dem Weg dorthin umgekehrt war - aus welchen Gründen auch immer - , obwohl er es zweimal bis auf den Gotthardpass geschafft hatte. Als Goethe 1786 dann endlich in Rom ankam, hatte die Reise von Karlsbad aus fast zwei Monate gedauert. Mit dem Schiff hoffte Bernard, schneller voranzukommen und entschied sich für den Seeweg, nicht ahnend, dass die von Goethe beschriebene Unannehmlichkeit im Vergleich mit anderen Herausforderungen auf seiner Weltreise absolut unerheblich gewesen wäre. Seine Entscheidung wurde bestärkt durch Gespräche mit Händlern, Hollandfahrern und kleinen Schmugglern, die ihm Ratschläge für den besten Weg zur holländischen Küste geben konnten. Nach deren Informationen war es zur Zeit angesagt, sich nicht in Amsterdam, sondern in Rotterdam eine Schiffspassage zu besorgen. Der Fahrweg vom Amsterdamer Hafen zur Nordsee war in den letzten Jahren immer mehr versandet, weshalb zur Zeit ein neuer Kanal gebaut wurde.

Bernard verabschiedete sich Anfang des Jahres von den Freunden. Dann hieß es, der Familie Lebewohl zu sagen. Als Bernard fertig zur Abreise in die Stube trat, erhob sich sein Vater mühsam, von Rheuma geplagt, aus dem Sessel, drückte ihm fest die Hand, brachte aber kein Wort über die Lippen. Die Mutter wischte sich die Tränen von den Wangen, umarmte ihn, wünschte eine gute Reise und erinnerte ihn an sein Versprechen, so oft wie möglich eine Nachricht zu schicken. Die Geschwister sprachen alle durcheinander, gaben ihm zig nicht sehr fundierte Ratschläge und begleiteten ihn zum Hoftor. Einmal sah Bernard sich noch zu ihnen um, winkte, verschwand hinter der nächsten Wegkurve und schritt munter fürbass. Er fühlte sich stolz, glücklich und erwartungsfroh. Er war nicht, wie Goethes Werther im ersten Satz des ersten Buches verlauten ließ, froh, dass er weg war, er freute sich auf das, was vor ihm lag.

Die ersten Zweifel an seiner Entscheidung und an seinen Plänen überhaupt kamen ihm im Hafen von Rotterdam, als er die gewaltigen Schiffe sah, gewaltig auch ohne gespannte Segel. Außer für kurze Flussüberquerungen auf kleinen Booten hatte Bernard noch nie ein Schiff betreten. Nun schien es ihm, als müsse er sich vollständig einer fremden Macht ausliefern, so winzig wie er sich angesichts der Schiffsrümpfe vorkam. Doch bald verdrängte seine Abenteuerlust die wenigen hasenfüßigen Momente. Er machte sich auf, um ein Schiff nach Afrika zu finden.

Am folgenden Tag schon wurde er fündig, zwanzig Stunden später sollte ein Schiff in der Früh ablegen. Als er am Morgen vor der Fallreepstreppe stand, bestärkte er sich noch einmal mit einem aufmunternden „Auf das Schiff, du Bangebüx!“ und kletterte die Treppe hinauf. Nach ungefähr dreißig Minuten glitten sie langsam aus dem Hafen hinaus. Bald wurden die Wellen höher und häufiger, das Flattern der Segel lauter, das Schaukeln des Schiffs kräftiger und Bernard schwankte über das Deck, um die rettende Reling zu erreichen. Noch konnte er die Hafensilhouette in der Ferne erahnen, zur Meerseite gewandt, sah er bald zum ersten Mal die ungestörte Horizontlinie. Er fühlte sich frei und bereit, die Welt zu erkunden.

Zu Bernards erstem Ziel gelangten sie nicht ohne Zwischenaufenthalte. Für Frankreich und Portugal lagen Waren im Rumpf und bei den Kanarischen Inseln machte eine tagelange Windstille ihrem Fortkommen vorübergehend ein Ende.

2. Afrika

Liberia

Nach einigen Wochen landeten sie wohlbehalten und ohne gefährliche Vorkommnisse an der Westküste Afrikas, südlich von Sierra Leone. Bernard betrat afrikanisches Festland zum ersten Mal  in dem Küstengebiet, das gerade den Namen Liberia erhalten hatte. Die Stämme an der sogenannten Pfefferküste beteiligten sich schon seit dem 15. Jahrhundert am Tauschhandel mit den Europäern, zuerst mit Portugiesen, später mit Spaniern, Holländern und Deutschen. Aus Asien und Amerika brachten die Seefahrer exotische Pflanzen und nahmen Pfeffer, heimische Tiere und Elfenbein entgegen. Ab dem 17. Jahrhundert steigerte sich nach und nach der Anteil  dieser Region am atlantischen Sklavenhandel.

Bernard wollte sich diesen Landstrich unbedingt ansehen, in dem 1787 Schwarzafrikaner, die im Unabhängigkeitskrieg gegen Amerika auf Seiten Großbritanniens gekämpft hatten, angesiedelt worden waren; dreißig Jahre später gefolgt von freien Afro-Amerikanern. Diese Rückführungen hielt Bernard für eine gute Idee und er fühlte sich dadurch bestätigt, dass auch viele Schwarze in Amerika dieses Vorhaben sympathisch fanden. Der Wunsch nach einem Leben ohne Diskriminierung in der Heimat ihrer Vorfahren lockte sie, außerdem die Starthilfen für Ackerbau und Handwerk, die sie von der American Colonization Society (ACS) erhielten, einer Gesellschaft weißer Männer in den Vereinigten Staaten, die sich für diese Umsiedlungen stark machte.

In Amerika gab es schon länger die Tendenz, die Zahl der Schwarzen in den Staaten zu begrenzen. Im Freilassungsgesetz von Virginia aus dem Jahr 1806 hieß es, die Freigelassenen hätten innerhalb eines Jahres den Staat zu verlassen. Die weißen Herren fürchteten Aufstände, sie hatten Angst vor Vermischung, was sie nicht davon abhielt, Kinder mit Sklavinnen zu zeugen. So wie Thomas Jefferson, dritter Präsident der USA von 1801 bis 1809, der vier Kinder mit seiner Haussklavin Sally Hemmings hatte. Die Männer konnten und wollten sich kein engeres Zusammenleben mit den Schwarzen vorstellen. Für viele von ihnen waren sie Angehörige einer primitiven Rasse, der Bildung von Natur aus fern, deshalb sollten die Anderen, die Fremden, die ihnen Unterlegenen aus ihrer Gemeinschaft entfernt werden. Gleichzeitig bedauerten die Verfechter dieser Idee, u.a. die Präsidenten Jefferson, Madison und Monroe, mit der „Rekolonisierung“ arbeitsfähiger Männer materielle Verluste in Kauf nehmen zu müssen. Sie brachten zur Sprache, ob man nicht besser zum Wohl der Republik Kinder und junge Mädchen umsiedeln solle. Doch dieser Vorschlag war noch nicht einmal unter den Sklavenhaltern mehrheitsfähig.

Der Schiffseigner Paul Cuffee brachte auf eigene Kosten und mit Erlaubnis der britischen Regierung schon 1815  38 freigelassenen Sklaven nach Afrika. Die ehemaligen Sklaven wurden auf einer Insel vor Sierra Leone angesiedelt. Die ACS fühlte sich durch dieses Beispiel bestätigt und forcierte ihre eigenen Pläne. Doch die erste Überführungsfahrt der ACS Anfang 1821 war ein ähnliches Desaster wie das der Briten. Viele Beteiligte, nicht alle von ihnen hatten sich freiwillig zur Umsiedlung entschlossen, starben nach kurzer Zeit an Malaria. Ein neuer Siedlungsplatz wurde gesucht. Begleitet von Drohungen und Geschenken kaufte die Gesellschaft einem lokalen Häuptling ein Stück Land südlich der britischen Kolonie Sierra Leone am Kap Mesurado ab, wo 1822 die Siedlung Christopolis entstand. Die gegenseitige Akzeptanz schwand bald dahin. Es kam zu Kämpfen, die erst durch den Eingriff eines britischen Militärschiffs beendet wurden.

Bernard hatte von diesen Anfängen ganz anderes gelesen. In einem Artikel in der Zeitung „Das Ausland“ stand u.a., dass das Gebiet der neuen Kolonie „auf freundschaftlichstem Wege“ erworben und da keine europäische Macht Anspruch darauf habe, durch weitere Erwerbungen leicht zu vergrößern sei. Mit den afrikanischen Stämmen seien vertrauensvolle  Handelsbeziehungen angeknüpft worden und die vielen bisher gemachten Erfahrungen hätten schon zu deutlich besseren Siedlungsbedingungen geführt.

Als Bernard im Hafen am Mündungstrichter des Mesurado Flusses anlandete, hieß der dazugehörige Ort nicht mehr Christopolis sondern Monrovia. Damit ehrte die ACS ihren ersten Präsidenten James Monroe, der seit 1817 der fünfte Präsident der Vereinigten Staaten war und kurz vor dem Ende seiner Amtszeit stand. Gleichzeitig beschloss die ACS, das Gebiet Liberia zu nennen.

Aber auch hier ging es nicht allen Neuankömmlingen gut. Viele kamen mit dem Klima Afrikas nicht zurecht und starben nach kurzer Zeit, so wie es ihren Vorfahren vor Jahrhunderten ergangen war, als sie aus Afrika nach Amerika verschleppt worden waren. Andere aber fanden in ihrem neuen Gebiet durchaus ihr Glück.

Bernard verließ das Schiff. Feucht-heiße Luft schlug ihm entgegen. Er fühlte sich sofort unter Beobachtung. Misstrauische, fragende  Blicke folgten ihm, als er sich dem kleinen Siedlungskern näherte. Hier sah er sich nach einer Unterkunft um, konnte aber nichts entdecken. Ihm begegneten fast nur Leute mit mehr oder weniger schwarzer Hautfarbe, viele davon recht gut gekleidet, auf jeden Fall besser als er selbst, der sich in seiner Wanderburschenausstattung deutlich von allen anderen unterschied. Langsam schritt er an den Häusern entlang. Nach wenigen Minuten folgten ihm einige junger Männer in geringer Entfernung. Als er stehenblieb und fragend hin und her schaute, näherten sie sich und forderte ihn mit Handzeichen auf, ihnen zu folgen. Sie führten ihn zu einem der größeren Herrenhäuser, öffneten die Eingangstür und bedeuteten ihm, einzutreten. Dort kam ihm ein gewichtig auftretender weißer Mann entgegen, der ihm auf Englisch viele Fragen stellte.

Ihm und weiteren Männern, die sich hinzugesellten, versuchte Bernard klarzumachen, dass er nur auf Besuch sei, sich ein Bild von der neuen Ansiedlung machen wollte, dass er einen Schlafplatz und Arbeit suchte. Sie wollten in erster Linie wissen, wo er herkam. War er ein Spion in niederländischen Diensten? Hatten ihn die Engländer geschickt? Was führte er ihm Schilde?

Bernard kam auf die Idee, ihnen seine Lesenotizen und Sprachzettelchen zu zeigen. Es kam zu einer leichten Irritation zwischen den Begriffen „Prussia“ und „Russia“, doch war sie schnell aufgeklärt. Dann deutete Bernard mit der linken Hand eine Kugelform an, zeigte zuerst die Lage von Europa, Afrika und Amerika darauf, dann auf sich und umkreiste mit einem Finger diese Art der Weltkugel. Die Männer schienen zu verstehen, was er meinte, ohne Verständnis für sein Vorhaben zu signalisieren. Aber sie gaben sich erst einmal mit der Auskunft zufrieden und schickten ihn in Begleitung einer der wartenden Männer zu einem Gehöft am Rande der Stadt. Hier konnte er in den nächsten Tagen schlafen und bei der Feldarbeit helfen. Trotzdem blieb ihm Zeit genug, die Umgebung zu erkunden.

Die Besitzer des Hofes, ehemalige Sklaven, die mit Unterstützung einiger Arbeiter ihre Felder bestellten, luden ihn schon am folgenden Abend in ihr Haus. Sie verstanden nicht, was der komische weiße Mann hier wollte. Auch in der besseren Gesellschaft Monrovias war Bernard zum Thema geworden. Die einen hielten ihn weiter für gefährlich, die anderen sahen eher eine Art Narr in ihm. Zweimal erhielt er eine Einladung in eines der großen Häuser. Er war froh über die Kontakte. Er verstand zwar nicht viel von den Unterhaltungen, doch konnte er die Anwesenden lange beobachten. Es wunderte ihn, dass einige der Neuangesiedelten sich so amerikanisch benahmen. Sie kleideten sich wie ihre ehemaligen Herren in den Staaten und richteten auch ihre Häuser nach deren Muster ein. Und einige wenige von ihnen behandelten ihre Arbeiter ähnlich schlecht wie sie in Übersee von ihren weißen Herren behandelt worden waren.

Mit wechselnden Begleitern machte Bernard einige Ausflüge. Er sah Pflanzen und Tiere, die er sich nie hatte vorstellen können. Schon die Mangrovenwälder am Mesurado Fluss setzten ihn in Erstaunen. Er fragte sich, wie die Bäume und Büsche in dem salzigen Meerwasser überleben konnten und nahm sich fest vor, zu Hause nach der Antwort zu suchen. Einer seiner Begleiter nutzte den Ausflug zu den Mangroven, fing einige Fische, sammelte Muscheln und Krabben und sorgte so für ein üppiges Abendessen.

Bei einem anderen kurzen Besuch in nördlicher Richtung sah er Bäume mit besonders dicken Stämmen und weit ausladenden Kronen. An langen Stielen hingen grün-gelbe, große Früchte herab. Der junge Mann, der mit ihm unterwegs war, schlug mit einem Ast zwei Früchte ab und zeigte ihm, wie sie zu essen waren. Bernard war nicht sehr begeistert von dem Geschmack, ließ sich aber nichts anmerken und fragte nach dem Namen des Baumes. Er verstand „Baobab“, war sich aber nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. Noch eine Aufgabe für zu Hause. Das kleine Heftchen, das er für diese Zwecke angelegt hatte, füllte sich rasch und musste im Laufe seiner weiteren Reise durch drei Zukäufe ergänzt werden.

Im Laufe seines Aufenthalts meinte Bernard, eine schlechte Stimmung in der Stadt zu verspüren. Manche Siedler waren offensichtlich nicht damit einverstanden, dass immer noch die Männer der American Colonization Society das Sagen hatten, andere meinten, nur mit ihnen könnten sie erfolgreich am ausländischen Handel teilnehmen. Die nicht so gut situierten Neuen stießen sich an dem zur Schau gestellten Wohlstand der „weißen Schwarzen“ und die einheimischen Arbeiter merkten bald, dass sie von diesen beiden Gruppen nicht für voll genommen wurden. Die Versuche, sie zu erziehen und zu christianisieren, verstanden sie als Verachtung ihrer Weltsicht und Rituale. Dies zeigte sich in den Anfängen auch dadurch, dass die in die Freiheit entlassenen ehemaligen Sklaven selber Sklavenhändler wurden und Angehörige heimischer Stämme als Sklaven verkauften.

Bernard war sich nicht mehr sicher, ob seine spontane, positive Einstellung zu den Rückführungen richtig war. Er nahm sich vor, die Entwicklung in diesem Land nach seiner Reise weiter zu beobachten und hoffte, im fernen Preußen genügend Informationen darüber zu erhalten.

Groß Friedrichsburg

Nach knapp zwei Wochen verließ Bernard Monrovia und fuhr weiter die Küste entlang. Er wollte den Ort des ehemaligen brandenburgischen Stützpunkts Groß-Friedrichsburg besuchen. Sein Geschichtslehrer hatte ihm privat davon erzählt, im Unterricht spielte diese Kolonialgeschichte keine Rolle.

Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (reg. 1640-1688) stand nach den elendigen und grausamen Jahren des Dreißigjährigen Krieges, in denen die brandenburgischen Provinzen immer wieder von fremden Truppen überrannt und einige als militärische Durchgangsrouten regelmäßig ausgeplündert wurden, vor der Aufgabe, die Unabhängigkeit wiederzuerlangen und zu erhalten. Die Schaffung eines gut ausgebildeten und ausgestatteten Heeres erschien ihm dafür unerlässlich. Seine militärischen Erfolge gaben ihm Recht. Besonders der Sieg gegen die Schweden im Jahr 1675 bei Fehrbellin begründete seinen Ruf als „Großer“ Kurfürst.

Eine weitere Möglichkeit, Brandenburg zu stärken, sah Friedrich Wilhelm in dem Einstieg in den transatlantischen Handel. Als Vorbild dienten dem Kurfürsten die Niederlande, in denen er während der Wirren des Dreißigjährigen Krieges vier Jahre seiner Jugend verbracht hatte. Er lernte in diesen Jahren ein prosperierendes Land kennen, reich geworden durch den Überseehandel und vor unberechenbaren Risiken geschützt durch die Einrichtung der Handelsgesellschaften. Die Niederländische Westindien Kompanie konnte mit Dividenden von hundert Prozent aufwarten, was verständlicherweise zur Nachahmung animierte. Noch während des Dreißigjährigen Krieges unternahm Friedrich Wilhelm erste Schritte, doch erst mit Hilfe des niederländischen Reeders Benjamin Raule konkretisierten sich seine Pläne. Raule, vom Kurfürsten zum Generaldirektor der neu gegründeten Brandenburgisch-Afrikanischen-Kompanie (BAC) ernannt, und der seeerfahrene Otto Friedrich von der Groeben starteten mit hauptsächlich niederländischer Mannschaft, da im eigenen Land nur zwölf Matrosen zu finden waren, im Juli 1682 mit zwei Fregatten ihre Fahrt nach Westafrika. Nach dem durch die Niederländer vereitelten Versuch, sich am Kap der drei Spitzen niederzulassen, gelang es Groeben im Januar 1683, den Berg Manfro an der Goldküste mit großem Zeremoniell in Besitz zu nehmen. Die Landnahme wurde vertraglich mit afrikanischen Partnern abgesichert und sofort begannen die Brandenburger mit dem Bau des Forts, wofür sie die Baumaterialien weitgehend aus Europa beschaffen mussten. Von diesem und drei weiteren, kleinen Stützpunkten aus beteiligte sich Brandenburg/Preußen für einige Jahrzehnte am Übersee- und dabei besonders am Sklavenhandel, der für die Kompanie die wichtigste Einkommensquelle wurde.

Für den Verkauf der Sklaven in Amerika, wo die Nachfrage nach neuen schwarzen Arbeitern nicht nachließ, schlossen die Brandenburger einen Mietvertrag mit den Dänen über einen Teil der Antilleninsel St. Thomas ab. Von dort aus konnten die Afrikaner veräußert werden, nachdem sie nach der unerträglichen Seereise zum Verkauf aufgepäppelt worden waren.

Rund 50 Kilometer erstreckte sich die brandenburgische Kolonie entlang der Goldküste. Der erhoffte dauerhafte wirtschaftliche Erfolg stellte sich aber nicht ein. Die Konkurrenz war groß, ausreichende Geldmittel fehlten, Korruption und Inkompetenz griffen um sich, Piraten und womöglich nicht ganz loyale niederländische Beteiligte brachten das ganze Unternehmen zum Scheitern. Die Nachfolger des Kurfürsten ließen die Geschäfte einschlafen und König Friedrich Wilhelm I. verkaufte die BAC 1717 an die Niederländische Westindien Kompanie. Großfriedrichsburg wurde in Hollandia umbenannt, doch die Zeit der Küstenforts ging zu Ende, die Forts verfielen.
Und so bot sich dem wissbegierigen Bernard der Anblick der Ruinen, die von Büschen, Bäumen und vielfältigem Gestrüpp schon lange zurückerobert waren. Bernard gelang es, in dem nahegelegenen Dorf für einige Tage einen Schlafplatz zu finden. Entgegen seinen Befürchtungen wurde er freundlich aufgenommen. Als er sich nach dem Fort erkundigte, gaben ihm die Dorfbewohner zu verstehen, dass sich in den Familien Erinnerungen an die brandenburgische Zeit erhalten hatten und genau deshalb hätte Bernard für Rachegefühle sogar Verständnis gehabt. Aber wahrscheinlich brachten sie ihn mit den Brandenburger Sklavenhändlern gar nicht in Verbindung, er war ja schließlich Preuße.

Die damals dort eingesetzten Soldaten und Matrosen hatten sich den Afrikanern weit überlegen gefühlt, doch mussten sie sich notgedrungen mit ihnen arrangieren, denn sie waren auf sie angewiesen. Die Afrikaner halfen beim Festungsbau, lieferten Nahrungsmittel auf das Fort, brachten den Brandenburgern den Ackerbau vor den Toren der Festung bei und machten sich die Konkurrenzsituation zwischen den europäischen Mächten zu Nutze. Den Europäern bekam das Klima nicht, Krankheiten schwächten die Mannschaften, die Kontakte zur Heimat wurden immer spärlicher. In dem Bewusstsein, der Aufsicht weitgehend entkommen zu sein, schlugen sie gehörig über die Stränge, feierten ausschweifende Orgien, die die nächsten Krankheitswellen auslösten.

Bernard durchstreifte mit dem heranwachsenden Sohn der Gastfamilie die Festung. Sie fanden einige Reste der brandenburgischen Zeit. In die zurückgelassenen Kanonen hatte der Rost in den circa hundert verflossenen Jahren schon tiefe Löcher gefressen.
Äußerst zufrieden mit seinem Besuch verabschiedete sich Bernard von den hilfsbereiten Dorfbewohnern und fuhr eine verhältnismäßig kleine Strecke weiter nach Osten.

Elmina

Es ging entlang der Goldküste bis nach Elmina, auch Mina genannt, am Golf von Guinea. Von dort aus hatten die Portugiesen seit dem 15. Jahrhundert ihren lukrativen Goldhandel betrieben. Um Rivalen abwehren zu können, bauten sie eine Festung, die die Jahrhunderte überdauerte und schon bei der Annäherung vom Meer aus einen imposanten Anblick lieferte.

In Elmina sah Bernard sich gründlich um. Er hatte nicht damit gerechnet, eine so große Stadt vorzufinden, zehnmal so groß wie sein Heimatort, schätzte er. Ihn interessierte besonders die Festung, über die er viel gelesen hatte. Doch sparte er sich deren Besichtigung für später auf. Erst wollte er ein wenig vom Hinterland sehen.

Er hörte sich in der Stadt um und erhielt bald das Angebot, sich einigen Handelsleuten anzuschließen, die mit Waffen und Schießpulver, Kleidungsstücken und gedörrten Fischen über die Dörfer zogen, um sie dort gegen wohlriechende Hölzer, Erde und Salze einzutauschen. Bernard machte sich ein bisschen nützlich, half beim Tragen und Verpacken, hielt sich aber ansonsten zurück. Auch in den Dörfern, in denen ihn einige Bewohner misstrauisch beobachteten, versuchte er, nicht weiter aufzufallen und irgendwie mit dem Strom zu schwimmen. Er merkte bald, wenn der Älteste oder Häuptling seine Anwesenheit guthieß oder doch zumindest akzeptierte, empfanden auch die anderen Bewohner ihn nicht als Störenfried und ließen ihn gewähren.

Das anfängliche Misstrauen der Einwohner kam nicht von ungefähr. Schlechte Erfahrungen mit Weißen hatten sie in den vergangenen Jahrhunderten zur Genüge sammeln können und noch immer schwebte die Gefahr über den jungen Männern und Frauen, in die Sklaverei verschleppt zu werden.

Im dritten Dorf auf der Tour trennte er sich von den Händlern. Mit ihrer Hilfe hatte er die Erlaubnis bekommen, ein paar Tage länger bleiben zu dürfen. Im Gegenzug zur Mitarbeit auf den Feldern und Hilfe bei Reparaturen im Dorf behielt er seinen Schlafplatz und wurde mit Essen versorgt. In den ersten Tagen hatte er schon beobachtet, wie die Dörfler morgens zur Arbeit auf ihre Felder gingen, wie sie mit kleinen Ritualen die Schutzgeister gnädig stimmten und wie besonders geachtete Männer, Priester, Zauberer oder Wahrsager, Wunden heilten, Wahrheiten ans Tageslicht beförderten, die Zukunft voraussagten und Verbrecher überführten. Einer der Handelsleute war mit diesen Ritualen vertraut und konnte ihm erklären, was vor sich ging.

Bernards Schlafhaus stand am Ende einer halbkreisförmig angelegten Hofanlage, ausgerichtet auf das Haupthaus. Beide Frauen des Besitzers hatten ihre eigene Hütte, in der sie mit den Kindern wohnten. Beide hatte auch einen eigenen kleinen Hühnerstall. Auf der mit einer Lehmmauer umgebenen Anlage befanden sich darüber hinaus Speicherhäuser, Schuppen, ein Ziegenstall und ein Bau, in dem Opfergaben dargebracht wurden. So ähnlich sahen auch die Unterkünfte der anderen Dorfbewohner aus.

Am Morgen nachdem die Händler weitergezogen waren, wies sein Gastgeber ihn an, die Umfriedungsmauer an einigen Stellen auszubessern, das Dach eines Speichers mit Palmblättern neu zu belegen und den Hof zu harken. Die letzte Aufgabe, so vermutete Bernard, wurde ihm aus Mangel an sonstigen Einsatzideen übertragen, denn nötig erschien sie ihm nicht.

Eines Abends entdeckte Bernard in seinem Schlafhaus eine dicke Schlange. Er erschrak sehr und rief unwillkürlich laut um Hilfe. Einige Männer liefen herbei, sahen das Tier und lächelten es fast zärtlich an. Um ihn zu beruhigen, streichelten sie die Schlange vor seinen Augen, legten sie vorsichtig in einen großen offenen Topf und brachten sie hinaus. Sie gaben ihm zu verstehen, dass bestimmte Schlangen Glück brachten, wenn man sie im Haus fand. Als sie Bernards verängstigten, aber auch beschämten Gesichtsausdruck sahen, räumten sie ein, dass es auch eine gefährliche Schlange hätte sein können.

Wenn ihm keine Arbeit aufgetragen worden war, machte es Bernard großen Spaß, mit den Kindern der beiden Frauen zu spielen. Es waren insgesamt vier Jungen und drei Mädchen, die ihm zuerst aus sicherer Entfernung bei seinen Arbeiten zugeschaut hatten, dann aber nach und nach näher kamen und ihn zum Spielen regelrecht animierten. Mit Fangen spielen fing es an, dann spielten sie Verstecken und häufig forderten sie ihn zu Wettbewerben auf, bei denen er mal wegen seines Alters und seiner Größe stark bevorteilt, mal aber auch hoffnungslos unterlegen war. Dann hatten die Kinder immer einen ganz besonderen Spaß und sie lachten ihn ungehemmt aus. Neu für sie war das von Bernard vorgezeigte Hüpfen in Hinkelkästchen. Die Regeln ließen sich durch das Vorspielen schnell klären und die Einzelergebnisse notierten sie durch Striche im Sand.

Einen der nächsten Tage verbrachte Bernard mit den Männern auf dem Feld. Sie drückten ihm eine Holzhacke in die Hände und beschieden ihm, den Boden zwischen den sich aufwindenden krautigen Yamspflanzen zu lockern. Im Dorf hatte Bernard schon große Vorräte von Yamsknollen in den Speichern gesehen und ein Händler hatte ihn über die Zusatzbedeutung dieser Vorräte aufgeklärt. An ihnen konnte man den Reichtum des Besitzers ablesen. Die Ernte dieser Knollen war  ausschließlich Männerarbeit. Die als besonders ehrenvoll angesehene Arbeit war sehr anstrengend, weil die Knollen bis zu zwei Meter lang werden konnten. Frauen arbeiteten auch hart auf den Feldern, doch sie kümmerten sich um Bohnen, Taro und Maniok.

Wie schon beim Harken des Hofes erschien es Bernard für die Dorfbewohner schwierig zu sein, ihm eine sinnvolle Arbeit zuzuweisen. Um ihnen nicht länger zur Last zu fallen, nutzte er deshalb die nächste Gelegenheit, mit einer anderen Händlergruppe zur Küste zurückzugehen. Er dankte dem Hausherren für die Gastfreundschaft, schenkte den Kindern einige Zeichnungen, die er von ihnen gemacht hatte, und verließ das Dorf.

Zurück in Elmina sah er sich nun die Festung an. 1481 war ihr Bau vom portugiesischen König João II. angeordnet worden. Von hier aus sollte die Kontrolle über Elmina gesichert werden, damit die Goldvorräte nicht in die Hände von Piraten oder anderen begierigen Europäern fielen. Als Standort hatten die Portugiesen eine Landzunge im westlichen Mündungsbereich des Flusses Benya bestimmt. Der gegenüberliegende Markt konnte so gut erreicht und jedes Schiff, das es wagte, sich zu nähern, erfolgreich in die Flucht geschlagen werden.

Die Portugiesen waren bemüht gewesen, den Einheimischen ihre friedlichen Absichten deutlich zu machen. Sie wollten sie nicht ausrauben oder übervorteilen, sie wollten einen dauerhaften, lukrativen Handelsposten errichten. Aber der örtliche König Kwamena Ansa hatte schon einige Erfahrungen mit Europäern hinter sich und begegnete ihnen mit Skepsis. Als die Portugiesen dann auch noch zu früh mit dem Bau begannen, fühlte er sich in seinem Misstrauen bestätigt und es kam zu Kämpfen. Durch beschwichtigende Gaben entspannte sich die Stimmung, die Kämpfe fanden schnell ein Ende und der Bau ging weiter. 155 Jahre konnten die Portugiesen ihn nutzen, dann wurden sie von den Niederländern vertrieben.

Diese hatten Ende des 16. Jahrhunderts zum ersten Mal versucht, die Festung zu erobern, aber erst nach rund sieben weiteren Attacken gelang ihnen die Eroberung 1637 mit Hilfe von über 1.000 afrikanischen Verbündeten. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts galt Emina als ein wichtiger Handelsort für den Sklavenhandel.
Auch die Holländer pflegten mit den lokalen Oberhäuptern der Aschantis freundlichen Verkehr. Die Häuptlinge nutzen die Häfen auch für den Absatz ihrer Produkte, wie zum Beispiel Palmöl und Goldstaub. Den Engländern allerdings, die etwas weiter östlich an der Goldküste agierten, hatten die Aschantis gerade eine grausame Schlacht geliefert, die mit einer  gewaltigen Niederlage der britischen Truppen endete. Einer der Befehlshaber der Engländer, der Obrist Sutherland, berichtete nach Großbritannien und setzte seine einzige, letzte Hoffnung auf einen Sieg in die Ausbreitung von Krankheiten. Die müssten aber schnell ihr Werk vollenden, denn die Aschantis rückten mit einer Verstärkung von über 160.000 Mann an, wogegen die Engländer nur noch über 7.100 Mann verfügten.

Es ging das Gerücht um, dass ohne weitere Hilfstruppen von zwei- bis dreitausend Soldaten die Engländer bald das Land verlassen müssten. Dann würden, so sahen es die Engländer, die Holländer die Früchte ihrer Intrigen ungestört ernten können und sie allesamt verhaftet werden.

Wegen dieser angespannten Lage war Bernard sich nicht sicher, ob er in die Festung hinein durfte. Aber als er die niederländischen Wachen auf Deutsch ansprach, ließen sie ihn im großen Innenhof herumspazieren. Er sah die Burg, in deren oberen luftigen Stockwerken der Gouverneur und seine hohen Offiziere residierten und die Verliese, in denen erst das Gold und später die Sklaven gesammelt wurden. Bis zu tausend von ihnen wurden dort eingepfercht, wo höchstens 200 einen akzeptablen Platz finden konnten. Sie mussten ausharren, bis ihre Zahl groß genug war, um die Fahrt über den Atlantik rentabel zu machen. Als Bernard die Festung besichtigte, ging er davon aus, in den Verliesen keine Sklaven mehr vorzufinden, denn die Vereinigten Staaten, Britannien, die Niederlande, Dänemark und Schweden hatten den transatlantischen Sklavenhandel inzwischen verboten. Deshalb sah er sich ganz ungeniert um, blieb aber nicht zu lange, weil er sich des Wohlwollens der Wachen nicht ganz sicher war.

3. Auf dem Atlantik

Für Bernard war es nun an der Zeit, Afrika zu verlassen. Im Hafen wurde ein Handelsschiff erwartet, welches nach Amerika fahren sollte und Bernard hoffte, auf diesem eine Passage zu bekommen. So war es auch. Ein Schiff legte an und wollte eigentlich nur für einen halben Tag im Hafen bleiben - Zeit ist Geld -, doch anhaltende Windstille hielt es für weitere zwei Tage fest. Dann konnte es losgehen.

Vor der Abfahrt musste Bernard sich eigenes Bettzeug besorgen, was, wie ihm versichert wurde, nach der Landung ohne Verlust wieder verkauft werden konnte. Außerdem legte er sich auf Anraten erfahrener Reisender einen kleinen Vorrat von feinem Zwieback, Schinken, Zitronen, Orangen, Trockenobst u.ä. an. Auf die Schiffsverpflegung, so die Ratgeber, sollte er sich besser nicht komplett verlassen.

Nach einigen Tagen auf dem offenen Meer ergriff unsern Reisenden eine heftige Seekrankheit. Die ihm angebotenen Mittelchen lehnte er ab. Ihm war nicht nach Gerstenschleim, Schwefel-Äther, Oliven- oder Mandelöl, stattdessen legte er sich nieder und trank Wasser. Doch das bekam ihm auch nicht gut, denn es roch schon etwas faulig und schmeckte nicht mehr. So oft wie möglich, ging er an Deck, um sich an der reinen Luft zu erholen und nach einigen Tagen hatte er das Schlimmste überstanden.

Stürmisches Wetter konnte die ganze Aufmerksamkeit aller auf sich ziehen. An windstillen Tagen, wenn es überhaupt nicht weitergehen wollte, kam auch schon mal Langeweile auf. Abwechslung verschafften sich die Reisenden durch die Beobachtung der Tiere des Meeres. Bernard sah Haie, fliegende Fische, junge Wale und hunderte von Delphinen. Auch tropische Vögel zeigten sich und immer begleitete eine kleine Schwalbenart, stürmische Tage ausgenommen, das Schiff. Einige Passagiere warfen ihnen etwas Nahrung zu, auf die die Vögel offensichtlich gewartet hatten. Auf den Wellen schaukelnd, ließen sie sich die kleinen Bisse schmecken.

Der Kapitän sah es nicht gern, wenn sich die Passagiere mit Matrosen unterhielten. In die Kajüten durften nur das Kajüten-Personal, der Kapitän mit zwei oder drei Offizieren und der Stuart, der so etwas wie ein Kammerdiener und Kellner war. Mit den Schiffsmatrosen gingen die Offiziere und der Kapitän oft recht grob um. Bernard sah, wie der Kapitän einen von ihnen wegen eines kleinen Vergehens mit dem Seil schlug und ihm drohte, ihn in Eisen zu legen.

Trotzdem schätzte Bernard sich glücklich, in dieser Zeit zu leben und zu reisen. Er hatte das Buch des Sklaven Olaudah Equiano gelesen, der überhaupt nicht wusste, wie ihm geschah als er vor mehr als 60 Jahren auf ein Sklavenschiff geschleppt wurde. Männer mit komischer Gesichtsfarbe, langen Haaren und vollkommen fremder Sprache schüttelten und stießen ihn herum, um zu sehen, ob er gesund war. Der Junge war sich damals sicher, bösen Geistern in die Hände gefallen zu sein und von ihnen getötet zu werden. Er hätte alles dafür gegeben, in seinem Dorf bleiben zu können, auch wenn er dort mit einem Sklaven hätte tauschen müssen. Immer fürchtete Olaudah, umgebracht zu werden. Solche Grausamkeiten wie auf dem Schiff hatte er noch nie gesehen, geschweige denn, selbst erlebt. Durch den Gestank unter Deck konnte er nichts essen, woraufhin ihn zwei Weiße auf die Winde legten, ihn an den Füßen fesselten und auspeitschten. Das geschah mehr als einmal, oft jede Stunde. Einige Sklaven schafften es, in einem unbeobachteten Moment über Bord zu springen. Als einmal gleich drei Burschen ins Meer sprangen, ruderten Matrosen ihnen nach. Zwei der Entkommenen ertranken, der dritte wurde zurück an Bord geschleppt und erbarmungslos ausgepeitscht.

Endlich, nach rund 30 Tagen, kam Land in Sicht und Bernard sah, wie das Schiff einen Hafen ansteuerte. Sie waren aber noch nicht in den Vereinigten Staaten angekommen, sondern warfen vor der spanischen Plantageninsel Kuba die Anker. Niemand schien zu wissen, was sie hier wollten, bis sie sahen, wie einige Boote vom Schiff losmachten. Vollgepackt mit jungen, schwarzen Männern steuerte sie auf den Hafen zu. Ganz offensichtlich hatte das Schiff Sklaven an Bord gehabt, die nun in Kuba verkauft werden sollten. Der Markt in Südamerika brauchte viele Arbeiter. In die Vereinigten Staaten durften sie offiziell nicht mehr gebracht werden. Aber der Schmuggel blühte auch in diesem Geschäft. Ein Mitreisender erzählte, dass früher die Sklaven häufig auf Haiti an Land gebracht worden waren. Die Afrikaner machten dort inzwischen fast 90 Prozent der Bevölkerung aus. 1791 hatten sie den Aufstand gegen ihre weiße Herrschaft gewagt und konnten nach langem Hin und Her 1804 den unabhängigen Staat Haiti verkünden. Zur Ruhe kam das Land nicht, aber die Sklaverei war abgeschafft.

Noch am Abend fuhr das Schiff von Kuba aus weiter und lief nach einige Tage im Hafen von Baltimore im Bundesstaat Maryland ein.

4. Die Vereinigten Staaten

Baltimore

Bernard war glücklich, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und noch glücklicher, frisches Wasser trinken zu können. Auf dem Schiff hatte man ihn gewarnt, nicht zu viel und zu schnell davon zu trinken. Angeblich habe dies oft zu gefährlichen Krankheiten bei Seereisenden geführt. An Land wurden die Neuen von einige Männern empfangen, die ihnen Hilfe bei der Land- und Arbeitsbeschaffung und weiteren Angelegenheiten der Lebensbewältigung anboten. Bernard wusste nicht, ob er auch nur einem davon trauen konnte. Zu Hause hatte er in den Zeitschriften die dringlichen Warnungen von Botschaften und Vertretern der Auswanderungsgesellschaften dazu gelesen. Er war froh, weder Arbeit noch Land zu suchen und deshalb nicht so leicht Gefahr lief, von allerhand Betrügern hinters Licht geführt zu werden. Was ihm allerdings, das war ihm durchaus klar, auch bei anderen Gelegenheiten passieren konnte.

Baltimores Hafen galt schon lange als wichtiges Drehkreuz für den Handel mit Europa. Die Stadt hatte 1814 dem Eroberungsversuch der Briten widerstehen können und ließ den gefallenen Bürgern ein Denkmal errichten. Ein zweites Denkmal sah man schon von Weitem auf einem Hügel im Norden der Stadt. Es erinnert an den berühmten und verehrten George Washington, Oberbefehlshaber im Unabhängigkeitskrieg und erster Präsident der Vereinigten Staaten. Die Stadt machte einen sehr ordentlichen Eindruck. Wie ein Amphitheater auf der Höhe gelegen, bot sie dem von Südost kommenden Reisenden einen stolzen Anblick. 70.000 Einwohner beherbergte sie. Viele der Häuser bestanden aus Ziegelstein und waren mit weißem Marmor geschmückt. Die Warenlager, Werften und Schiffe aller Art nahmen viel Platz ein. Unterirdische Kanäle schafften den Straßenschmutz fort. Die Innenstadt wurde mit Gaslampen beleuchtet. Trotz des ausgesprochen guten Wetters liefen die Bewohner mit geöffneten Schirmen herum. Bernard brauchte einige Minuten, um zu verstehen, dass die Schirme Schutz gegen die Sonne bieten sollten. Sogar Reiter sah er mit Schirmen auf den Pferden sitzen. Das kannte er bisher noch nicht. Sie hätten sich doch besser, so dachte er bei sich, einen großen Sonnenhut aufsetzen sollen.

In den Folgetagen verblüffte ihn noch eine weitere Beobachtung. Alle Mahlzeiten verfügten  über einen extrem hohen Fleischanteil. Schon Morgens kamen große Portionen davon auf den Tisch und das Frühstück war vom Mittagessen nicht zu unterscheiden. Diesen Luxus hätte man sich zu Hause nicht erlauben können. Dafür tranken die Leute wenig Wein, aber Kaffee und Tee begleiteten sie durch den ganzen Tag. Und dann die Branntweine! Die wurden aber wenigstens mit Wasser verdünnt und dadurch recht verträglich. Bernard hatte Probleme mit der Schnelligkeit, mit der die Mahlzeiten eingenommen wurden. In unverständlicher Eile stillte man seinen Hunger und verließ nach fünf bis zehn Minuten wieder den Tisch. Am schlimmsten war das am Abend. Für Bernards Gefühl fingen die Leute viel zu früh mit dem Abendessen an. Um sieben Uhr hatte er das Mittagessen kaum verdaut, doch die Tische wurden üppig gedeckt und das Essen mehr oder weniger hinuntergeschlungen. Ein längeres Verbleiben im Speisezimmer schien als unhöflich aufgenommen zu werden. Also passte er sich an und bezahlte seine Rücksichtnahme mit Magenschmerzen.

Während seines Aufenthalts in Baltimore gingen ihm die Bilder von der Ausschiffung der Afrikaner vor Kuba nicht aus dem Sinn. Er achtete besonders auf die schwarzen Männer und Frauen, die ihm in der Stadt begegneten und er fragte sich, wie sie hier lebten.

Einmal kam er auf einer Bank im Park mit einem alten weißen Mann aus den Südstaaten ins Gespräch, der ihm, dem Unbekannten, sein Herz ausschüttete. Seit langer Zeit lebte er mit einer Sklavin in einem eheähnlichen Verhältnis. Sie hatten mehrere Kinder miteinander und um Frau und Kinder machte sich der Mann große Sorgen. Die Kinder waren ebenso wie die Mutter Sklaven eines anderen Herren. Der Vater hatte immer gewünscht, sie von ihrem Herren loszukaufen, doch der war dazu nicht bereit gewesen. Nun, alt und kraftlos, resignierte er und befürchtete, dass nach seinem Tod die Kinder einen neuen „Besitzer“ bekamen und aller Wahrscheinlichkeit nach getrennt verkauft wurden. Er hatte immer wieder die Bilder vor Augen, wie seine Kinder auf den Markt geschleppt, von interessierten Käufern begutachtet und geprüft und zu allerlei groben und entwürdigenden Arbeiten eingesetzt wurden. Er war verzweifelt, wusste aber keinen Ausweg. Bernard fragte ihn, ob er die Mutter der Kinder nicht heiraten und sie nicht doch noch aus der Sklaverei herauskaufen könne. Aber der Mann hörte ihm nicht wirklich zu, verstand ihn auch nicht richtig, zuckte mit den Schultern und wischte sich mit einem großen, schmutzigen Taschentuch die Tränen von den Wangen.

An diese Begegnung dachte Bernard lange noch. Bei all den schwärmerischen Berichten, die er über die Möglichkeiten der Einwanderer in dem Kontinent gelesen hatte, über den Kauf von eigenem Grund und Boden, über das Leben in Freiheit, blieben die widersprechenden Informationen in seinem Hinterkopf präsent. Hieß es nicht in der Unabhängigkeitserklärung vom Juli 1776: Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: daß alle Menschen gleich geschaffen sind; daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; daß dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören; … Warum sah die Wirklichkeit dann so ganz anders aus? Bernard wusste, er war mit seinen Bedenken und Zweifeln nicht allein, aber das tröstete ihn keineswegs.

Washington

Nach ein paar Tagen in Baltimore reiste er weiter nach Washington D.C., dem Sitz der Bundesregierung. Washington war nicht die „gewachsene“ Hauptstadt, sondern eine verordnete Städtegründung aus dem Jahr 1790, als George Washington, der im nahen Grenzgebiet nach Virginia Ländereien besaß, auf die Ortswahl Einfluss nahm. Die Farmer im Süden fühlten sich durch den vorläufigen Sitz des Kongresses und der Regierung in Philadelphia benachteiligt und um sie zu beschwichtigen, versprach man ihnen die Verlegung der Hauptstadt weiter nach Süden.

Thomas Jefferson (Präsident von 1801 bis 1809) entwarf damals einen ersten Plan im Schachbrettmuster. Der von Washington engagierte französische Architekt Pierre Charles L’Enfant lieferte Pläne für eine großzügig angelegte, moderne, repräsentative Stadt. L’Enfant, Sohn eines Hofmalers in Versailles, nahm sich die Gärten seiner Kindheit zum Vorbild und schuf einen an den Spätbarock erinnernden Plan. 1792, als L’Enfant von Washington entlassen wurde, nahm er einen Großteil seiner Zeichnungen mit. Seine Entwürfe wurden nur im Ansatz verwirklicht – bescheidener und kleiner - und mit manchen Vorhaben ließ man sich viel Zeit. Ein Beispiel: Für den Präsidenten war ein riesiger Palast geplant worden, nicht vergleichbar mit dem dann entstandenen Weißen Haus. Der Vorteil war, im November 1800 konnte der Umzug stattfinden.

Bernard kannte nicht viele Hauptstädte und ihn beeindruckten die großen Boulevards in Washington. Doch waren auch noch Spuren des britischen Angriffs vom August 1814 zu sehen, als die Briten das Kapitol und das Weiße Haus in Brand gesteckt hatten. So ganz hauptstadtmäßig kam ihm die Stadt nicht vor und als kulturelles Zentrum war sie sicher nicht anzusehen.

In weiser Selbsteinschätzung gestand er sich ein, dass er wohl nicht, wie sein verehrter Alexander von Humboldt 1804, vom Präsidenten eingeladen werden würde. So gerne hätte er sich die von Monroe im Dezember 1823 an den Kongress gerichtete außenpolitische Botschaft erklären lassen, von der er kurz vor seiner Abreise in deutschen Zeitungen hatte lesen können. In Europa war die Erklärung Monroes auf Unverständnis gestoßen. Dem nur auf Zeit gewählten Präsidenten einer noch nicht lange bestehenden Republik sprach man das Recht ab, den europäischen Herrschern irgendetwas zu verbieten, schon gar nicht neue Kolonisationspläne in Amerika. Sowohl Spanien als auch Portugal sollten nicht versuchen dürfen, ihre ehemaligen Kolonien zurückzubekommen; England dürfe keine neuen Niederlassungen in Kanada und Neuschottland gründen. Bernard wusste nicht, was er davon halten sollte und widmete sich lieber der Fortsetzung seiner Reise.

Die Expedition

Er wollte über die Küstenregion hinaus. Auf jeden Fall wollte er bis in das Louisiana Territorium, das Gebiet vom Mississippi bis an die Rocky Mountains, das den  Vereinigten Staaten 1803 von Napoleon zum Kauf angeboten worden war. Napoleon brauchte Geld für seine Kriegskasse und die Staaten konnten mit einem Schlag ihr Gebiet verdoppeln. Präsident Jefferson wusste damals durchaus von dem rechtmäßigen Besitz einiger indianischer Nationen an diesem Gebiet und dass eine vollkommene Aneignung nicht rechtens war. Eigentlich erwarben sie auch nur die Möglichkeit, indianisches Land zu kaufen. Aber in die Gepflogenheit, sich über Rechte anderer hinwegzusetzen, hatten die Siedler seit Jahrzehnten geübt.

Um den Anspruch auf dieses Territorium und das Land bis zum Pazifik zu bekräftigen, sowohl gegenüber den Bewohnern als auch den konkurrierenden Briten, hatte Jefferson 1804 seinen Privatsekretär Meriwether Lewis und den Leutnant William Clark auf eine Expedition in den Westen geschickt. Vierzig Soldaten und Clarks Sklave York begleiteten sie. Im Mai 1804 verließen die Männer ihr Camp in St. Louis, im September 1806 trafen sie wieder dort ein. Sie waren bis zum Pazifik gekommen – mit tatkräftiger Unterstützung der Indianer -, fanden dort aber kein Handelsschiff, dass sie an die Ostküste zurückbringen konnte, deshalb mussten sie wieder den mühsamen Landweg einschlagen. Bei ihrer Rückkehr waren sie überschwänglich gefeiert worden. Sie hatten sich ihren Platz in der Geschichte erobert. Trapper und Händler folgten ihren Spuren. So wie zum Beispiel Johann Jacob Astor, der ab 1808 mit seiner American Fur Company den Indianern für Waffen, Kolonialwaren und Alkohol Pelze abkaufte und die Verkäufer damit in die wirtschaftliche Abhängigkeit bugsierte.

Bernard kannte die Beschreibung der Reise von Lewis und Clark und spielte mit dem Gedanken, es den Wagemutigen gleichzutun. Deshalb reiste er nach St. Louis.

Nach St. Louis

Bevor er sich ins Innere des Landes wagte, besorgte er sich einige Landkarten. Dabei machte er die Bekanntschaft dreier junger Männer, die planten, sich als Ackerwirte westlich des Mississippi niederzulassen. Gemeinsam hatten sie in einen Wagen und zwei Zugpferde investiert und gegen einen entsprechenden, hochwillkommenen Obolus überließen sie Bernard einen Platz in der Kutsche. Wegen des Gepäcks wurde es etwas eng darin, auch wenn einer immer auf dem Kutschbock saß, doch die Ersparnis war ihnen wichtiger.

Die Männer waren aus Hessen. Sie stammten aus traditionellen Bauernfamilien, konnten aber als zweit- bzw. drittgeborene Söhne die Höfe nicht übernehmen. Sie flohen nicht vor Armut und Elend, wie so viele andere. Sie sahen in ihrem Tun die Chance, ertragreiche Höfe aufzubauen, um für sich und ihre Nachkommen eine lebenswerte, selbstbestimmte Zukunft gestalten zu können. Einer von ihnen war verheiratet, doch wollte er seine Frau erst nachkommen lassen, wenn ein Siedlungsplatz gefunden war. Die drei planten, sich in St. Louis in dem für den Verkauf eingerichteten Landoffice Karten und Informationen über den käuflichen Boden zu beschaffen, um dann in Missouri auf Besichtigungstour zu gehen. Bernards zaghaften Hinweis auf die dort lebenden Indianerstämme, die vielfach schon, weil sie Platz für die Weißen machen mussten, eine Umsiedlung erfahren hatten, nahmen sie nicht ernst. Die Indianer, so meinten sie, nutzten das Land gar nicht, fingen nichts Vernünftiges damit an und konnten deshalb keine Besitzansprüche geltend machen.

Wie die Betroffenen das sahen, würde sich später herausstellen. Nun galt es erst einmal, den Weg nach St. Louis zu bewältigen. Die vier Männer kamen gut voran auf den neuen, auf Kosten aller Staaten angelegten Heerstraßen. Die leicht hügelige Landschaft und die landwirtschaftliche Nutzung entlang der Wegstrecke riefen bei Bernard Erinnerungen an seine Heimat hervor, doch die Bauart der Häuser und besonders der Anblick der vielen schwarzen Bewohner und ihrer Kinder vertrieb diese Illusion schnell wieder. Die Häuser waren aus ganzen Baumstämmen zusammengesetzt und mit Hilfe von Einkerbungen zusammengehalten. Die Stämme entnahmen die Siedler den umliegenden Wäldern. Beim Bau halfen sich die Nachbarn gegenseitig und so hielten sie die Kosten in Grenzen, falls die Bewirtungswünsche der Helfer nicht zu teuer wurden. Für die Zäune wurden lange Holzscheite im Zickzack übereinandergelegt. Nicht das Vieh wurde eingepfercht, sondern bepflanzte Grundstücken vor dem Vieh geschützt.

In erster Linie sahen die Reisenden große Maisfelder, vereinzelt kleine Anpflanzungen von Baumwolle und immer wieder ein baumartiges Wolfsmilchgewächs, aus dessen Samen das wegen seiner mild abführenden Wirkung so begehrte Rizinusöl gewonnen wurde.

Die kleine Gruppe passierte das Städtchen Fredericktown. Es machte einen wohlhabenden Eindruck. Die rund 3.000 Einwohner lebten zum Großteil in hübschen Ziegelhäusern, die gut gepflasterten Straßen waren breit genug gebaut, um Gegenverkehr gefahrlos passieren zu lassen. Rund sechs Meilen weiter kündigten sich mit den ersten Gebirgsreihen die Appalachen an. Aber auch dort konnten die Reisenden sich darauf verlassen, circa alle sechs Meilen ein einladendes Wirtshaus vorzufinden.

Einer der nächsten Orte, den sie passierten, war der ca. 55 Meilen von der Küste entfernt liegende Ort Bunsberg. Sie mussten dort eine längere Pause wegen einer unumgänglichen Kutschenreparatur einlegen. Kurz vor der Stadt war die eiserne Vorderachse gebrochen. Die Straße war nicht Schuld an dem Bruch, deren Zustand war tadellos. Aber das Eisen war von schlechter Qualität.  Mit Hilfe einiger Stricke und Stöcke schafften sie es bis zur Stadt und fanden auch bald eine Schmiede. Der Schmied war leider stockbetrunken, doch sein schwarzer Helfer machte sich unverzüglich an die Arbeit. Gestört wurde er nur durch die unverständlich gelallten Anweisungen seines Herrn, die der Arbeiter mit versteinerter Mine und einem stereotypen „Ja, Master“ über sich ergehen ließ. Er war klug genug, sich dumm zu stellen. Einmal nur atmete er genervt tief ein. Als er sah, dass Bernard dies bemerkt hatte, schaute er den Beobachter kurz ängstlich und fragend an und brachte die Reparatur danach ohne jegliche Gefühlsregung zu Ende.

Das Städtchen war nicht sehr groß, profitierte aber offensichtlich von der Heerstraße, die immer wieder Fremde hierhin führte. Diese mieteten sich im Wirtshaus ein, kauften Proviant für die Weiterreise, brauchten den einen oder anderen Handwerker, so dass einige Dollar in den Kassen verblieben. Die vier Männer kamen beim Warten mit Einwohnern ins Gespräch, deren Vorfahren Deutsche waren. Sie selbst aber gaben Amerika als ihr Geburtsland an. Die Gegend hatte sich unter mitteleuropäischen Einwanderern als eine sehr angenehme herumgesprochen; es war nicht so heiß wie anderswo.

Nach tagelanger Weiterreise kamen sie ins Tal des Ohio. Öde Stellen gab es dort nicht. Wo keine Äcker und Gärten angelegt waren, wuchsen üppige Wälder. In vielen kleinen Flüssen, die den Ohio speisten, wimmelte es von Fischen, und es verwunderte nicht, dass die Bevölkerung dort so rasch anstieg.

Die Straßen aber wurden schlechter, teilweise waren es nur Knüppeldämme, durch die die Kutsche arg drangsaliert wurde. Doch Reisende und Kutsche hielten durch und erreichten die Stadt Cincinnati am rechten Ufer des Ohio. Die Stadt stand im Ruf, die schönste des Westens zu sein. Vorläufer war ein Fort von 1780, von dem nichts mehr zu sehen war. 1810 betrug die Einwohnerzahl 2.500, 1824 zählte man schon 14.000 Seelen. Man lebte gut in dieser romantischen und fruchtbaren Gegend. Auf den Märkten fanden die Menschen alles was sie brauchten. Berühmt war die Stadt für den Bau von Dampfbooten und ihre Rolle in dem Netzwerk der Fluchthelfer. Freie Schwarze und weiße Gegner der Sklaverei, vielfach Mitglieder aus der nahegelegenen Quäkersiedlung, halfen, die Entflohenen aus Kentucky über den circa 600 Meter breiten Fluss zu holen und sie mit dem Nötigsten zu versorgen. Dazu gehörte neben Essen und Trinken eine unverfängliche Kleidung und Adressen, wo sie unterkommen und ihr neues Leben starten konnten. Sicher waren die Geflüchteten auch in Ohio nicht. Jederzeit konnte ein Trupp Weißer vor der Tür stehen und sein „Eigentum“ zurückschleppen. Wer gefunden wurde, musste mit äußerst schweren Strafen rechnen: Peitschenhiebe, Brandmale, Abhacken von Gliedmaßen, Verkauf bis hin zum Totschlag.

Bernard sah nicht viele Schwarze in der Stadt. Sie wohnten etwas außerhalb. Einmal sah er allerdings eine wartende größere Gruppe hinter einem Laden stehen. Er war neugierig und beobachtete die Szene. Nach circa einer halben Stunden, der Besitzer hatte den Laden geschlossen, kam Bewegung in die Wartenden. Nacheinander beugten sie sich zu einem Fensterchen in der Hintertür, durch das ihnen Waren gereicht wurden. Es dauerte eine Weile bis Bernard kapierte, was dort vor sich ging: Die Schwarzen durften nur an der Hintertür nach Ladenschluss einkaufen.

Bernard trennte sich in Cincinnati von seinen Reisegefährten und fuhr mit einem Dampfboot nach Louisville. Weiter ging es erst mal nicht, denn südlich der Stadt behinderten die Ohio-Fälle die Weiterfahrt. Eine Aktiengesellschaft, die die Fälle mit einem Kanal umbauen wollte, war schon gegründet. Aber zur Zeit ging es auch unterhalb der Fälle nicht weiter, weil der Fluss wegen des anhaltenden Sommerwetters zu wenig Wasser führte. Bernard  beschloss, den ungefähr 300 englische Meilen langen Landweg nach St. Louis zu nehmen. Er hoffte, die Strecke in zwei bis drei Wochen bewältigen zu können.

Auf dem Weg verblüffte ihn folgende Erfahrung in einigen Herbergen. Oft übernachtete er in üppig ausgestatteten Häusern. Kostbare Teppiche lagen in dem Essraum und der Eingangshalle, schwere Schränke und Betten standen den Gästen zur Verfügung, auf zierlichen Tischen in der Lobby sorgten Blumenarrangements für eine freundliche Atmosphäre. Doch weit und breit war kein Personal zu sehen. Alle Arbeiten wurden vom Hausherrn und seiner Familie erledigt. In ihren Gesichtern konnte man lesen, dass sie diese Arbeiten nicht gerne machten, was der anfänglich scheinbar so freundlichen Stimmung im Hause in keiner Weise dienlich war. Der Grund für all dies  lag in dem eklatanten Arbeitskräftemangel. Es gab in dieser schwach besiedelten Gegend nur wenige Leute, die als Diener oder Hausmagd arbeiten wollten. Falls sie dazu bereit waren, forderten sie einen besonders hohen Lohn, den wiederum die Herbergsbesitzer nicht bereit waren zu zahlen. Da es verboten war, Sklaven zu halten, erklärte ihm ein Besitzer unverhohlen, diese ganze Immobilie verkaufen zu wollen, um in einem Sklavenstaat neu anzufangen.

St. Louis

Am Mississippi angekommen, galt es, auf die andere Seite des Flusses zu gelangen, da St. Louis am westlichen Ufer liegt. Mit einem großen Boot, das durch ein Räderwerk und zwei Pferde in Gang gesetzt wurde, kamen sie hinüber. Für eine Passage mit einem Wagen und zwei Pferden mussten zweieinhalb Dollar gezahlt werden. In St. Louis wohnten ungefähr 6.000 Einwohner. Ein Militärposten des 17. Jahrhunderts war der Ursprung dieser städtischen Siedlung, deren Größe erst um 1800 von Philadelphia erreicht wurde.

Die Stadt war nicht nur der Ausgangspunkt für die Lewis/Clark-Expedition im Jahre 1804 gewesen. Felljäger und Siedler starteten hier ihre Reisen in den Westen, weshalb die Bevölkerungszahlen zur Zeit nur gering anstiegen und in der Umgebung viele brachliegende Grundstücke zu sehen waren. Die Waren des täglichen Gebrauchs wurden zum großen Teil vom östlichen Ufer herangeschafft. Die fremden Kaufleute betrieben hier zwar ihre Geschäfte, aber nur wenige erwarben Grundeigentum und holten ihre Frauen nach.

Bernard hatte seinen ersten Plan, der Fährte von Lewis und Clark weiter gen Westen zu folgen, inzwischen aufgegeben. In erster Linie schreckte ihn der übergroße Zeitbedarf, denn eine Postkutschen-Linie westlich des Mississippi gab es nicht. Auch glaubte er inzwischen nicht mehr daran, so bereitwillige Unterstützung wie Lewis und Clark von der indianischen Bevölkerung zu erhalten. Im Britisch-Amerikanischen Krieg von 1812 bis 1814 hatten die Indianer mehrheitlich auf Seiten der Briten gekämpft. Sie erhofften sich von ihnen im Falle eines Sieges die Zuweisung eines  Autonomiegebiets südlich der Großen Seen, östlich des Mississippi und nördlich des Ohio. Doch die Briten siegten nicht und als Tecumseh, der Chief der Shawnee und Anführer des indianischen kriegerischen Widerstands in der Schlacht am Thames River tödlich getroffen wurde, brach die Kampfbereitschaft seiner Anhänger in sich zusammen.

Auch die Grausamkeiten, die die Amerikaner 1814 im Krieg gegen die Creek verübten, hatte in den Stämmen Spuren hinterlassen. Es war ein Dorf eingekesselt und unter Feuer genommen worden, nur Kinder und Frauen gerieten in Gefangenschaft, den Leichen der über 850 gefallenen Krieger schnitten die Milizen die Nasenspitzen ab. Insgesamt bezahlten die Indianer ihre Gegenwehr mit mehreren tausend toter Krieger und mit der Abgabe der Hälfte ihres bisherigen Gebiets. Die Gewalt von Seiten der Indianer in ihrem Widerstand gegen die Weißen spielte den Siedlern und politischen Vertretern in die Hände. Sie stellten die Angehörigen der Stämme als unzivilisierte Wilde dar, mit denen ein friedliches Zusammenleben unmöglich gelingen konnte.

General Andrew Jackson, der die Schlachten erfolgreich angeführt hatte, erfreute sich einer großen Popularität. Im Wahlkampf um die Präsidentschaft versuchte er mit dem Versprechen, alle Indianer zu enteignen, Wählerstimmen zu erobern. 1824 ging er als Sieger aus den Wahlen hervor, doch konnte er die absolute Mehrheit der Wahlmänner nicht auf sich vereinigen. Das nun zuständige Repräsentantenhaus bestimmte seinen Konkurrenten John Qunicy Adams, Sohn des zweiten Präsidenten der USA, zum sechsten Präsidenten.

Fahrt gen Süden

Anstatt sich weiter nach Westen zu wenden, schlug Bernard den Weg nach Süden ein. Er wollte in den Norden Südamerikas, um dort der illusionären Vorstellung zu folgen, ein wenig in Humboldts Fußstapfen zu treten. Die auf dem Mississippi verkehrenden Segel- und Dampfschiffe, besonders die auffälligen Raddampfer, brachten ihn an die südliche Küste. Meist reiste er auf mit Baumwolle beladenen Frachtschiffen, Baumwolle, die in New Orleans nach Europa verschifft wurde. Auf den letzten rund 200 Kilometern konnte er sogar den seit 1812 existierenden Linienverkehr zwischen Natchez und New Orleans nutzen.

Die Fahrt auf dem „gelben“ Fluss verschaffte ihm eine Menge neuer Eindrücke. Die gelbe Schlammschicht verdankt der Fluss der Sedimentabfuhr aus den Erosionen der Rocky Mountains. Gut zu erkennen war diese Fracht an der Mündung des Ohio, der sich mit seinem klaren Wasser deutlich abhob.

Der Verkehr auf dem Fluss war gewaltig. Flöße, Kanus, kleine und große Boote, Segel- und Dampfschiffe waren unterwegs und erkämpften sich – auch gegeneinander – ihren Weg. Die  Fähren, die den Fluss überquerten, hatten oft Mühe, dazwischen durchzukommen. Besonders die Kapitäne der Dampfschiffe nutzten ihre Überlegenheit gerne aus und näherten sich schon mal gefährlich den kleinen Booten, um die Schiffer mit Spott zu überziehen, wenn sie Angst zeigten. Aber nicht immer kalkulierten die Lotsen der schnellen Schiffe deren Kraft und Geschwindigkeit richtig ein. Einmal beobachtete Bernard in der Nacht, wie ihr Schiff ein kleines Floß touchierte. Zu spät wurde versucht, das Schiff zu stoppen. In Panik sprangen die zwei Floßpassagiere ins Wasser, wohl wissend, dass sie erstens mit aller Kraft schnell in die Tiefe tauchen mussten, um einem Schlag mit dem Schaufelrad zu entgehen und zweitens, dass die nächste Gefahr in Gestalt von Alligatoren auf sie lauerte. Erleichtert sah Bernard sie nach einigen Minuten ans Ufer krabbeln.

An einem Anlegeplatz, an dem sich Bernard etwas vom Schiff entfernte und von einer Lichtung aus die Tiere des Waldes beobachten wollte, sah er eine kleine Gruppe schwarzer Männer am gegenüberliegenden Waldrand entlang streifen. Als sie seiner gewahr wurde, erschraken sie und liefen tiefer in den Wald hinein. Bernard vermutete, Sklaven auf der Flucht gesehen zu haben. Schon auf der Fahrt nach St. Louis waren sie an einer versteckten Siedlung vorbeigekommen, wo sich Männer und Frauen aus dem Süden eine neue Existenz aufbauten, weit weg von den Grausamkeiten auf den Plantagen, von Prügeln mit der Bullenpeitsche, wenig Essen, aber Arbeit bis zum Umfallen.

Bernard ging oft, bevor er sich schlafen legte, noch einmal an Deck. Beim Anblick des Sternenhimmels gab er sich gern der Idee hin, über die Sterne mit der Heimat Kontakt aufnehmen zu können. Manche Grüße und Wünsche schickte er in den Himmel, wohl wissend, dass zu Hause niemand etwas Gleiches tat. Aber von diesen Spielereien abgesehen, betrachtete er mit Vergnügen die Bilder der Nacht: den Wald am Ufer, der nur als trübe Linie zu erkennen war, das letzte Licht der untergegangenen Sonne, das den Horizont leicht färbte, die wenigen Kähne und Flöße, die er in weiter Entfernung nur als kleine Punkte und Striche erahnte. Manchmal entdeckte er am Ufer noch eine einsame Blockhütte. Zu hören war so gut wie nichts, wenn nicht gerade ein Dampfer mit seinem üblichen Getöse und Geschnaufe an ihnen vorüberzog. Hin und wieder schallte das Quaken von Ochsenfröschen bis zu ihm herauf.

Rund vierzehn Tage dauerte die Flussfahrt, dann war New Orleans, die Hafenstadt an der Mündung des Mississippi, erreicht. Bernard wollte sich dort nicht lange aufhalten. Er kümmerte sich gleich um eine Passage nach Cumaná in Groß-Kolumbien, vormals Vizekönigreich Neu-Granada. Doch die Zeit für einen kleinen Stadtbummel blieb ihm.

Im alten Stadtquartier zeugten trotz Verheerungen durch zahlreiche Brände, Gebäude im spanischen und französischen Kolonialstil von der bewegten Geschichte der Stadt. Besonders eindrucksvoll zeigte sich dort die älteste Kathedrale der Staaten, die St. Louis Cathedrale, ebenfalls Opfer von Bränden, aber immer wieder aufgebaut. Zu den USA gehörte New Orleans erst ab Dezember 1803, als Napoleon die Stadt im sogenannten Louisiana Purchase verkauft hatte. Neben den europäischen Überbleibseln fiel in der Stadt die Anwesenheit vieler Afroamerikaner auf, die dort in großem Stil ge- und verkauft wurden. Den Beinamen „Sklavenmarkt des Südens“ erhielt sie nicht ohne Grund.

5. Südamerika

Großkolumbien: Cumaná, Caracas und die Llanos

Am anderen Tag fuhr das Schiff zur Nordküste Südamerikas, nach Cumaná. Die Stadt war vor 300 Jahren von den Spaniern gegründet worden und war die erste dauerhafte Siedlung von Europäern auf dem Kontinent. Immer wieder richteten Erdbeben Schäden an, teilweise recht große. Bernard startete hier seinen Besuch, weil Alexander von Humboldt dort zum ersten Mal amerikanischen Boden betreten hatte. Die Region blickte auf eine lange, unruhige Zeit zurück. Ein Sklavenaufstand im Jahr 1795, die Forderung nach einer autonomen Republik, der Versuch mit britischer Hilfe die spanische Fremdherrschaft los zu werden, der Unabhängigkeitskrieg zwischen 1810 und 1823; all diese Kämpfe forderten viele Opfer, doch am Ende stand die Befreiung.

Hitze empfing Bernard. Die Natur der Tropen war ihm immer noch sehr fremd. Nicht mehr so fremd waren die zahlreichen Palmen, die ihm schon in Afrika aufgefallen waren. Ein kleines Exemplar einer Palme hatte er schon vor ein paar Jahren im Botanischen Garten in Münster gesehen. Auf seiner Reise begegneten sie ihm immer wieder; manche von beachtlicher Höhe wie Bäume, aber auch junge und kleine, gerade und schief gewachsene, einzeln- oder mehrstämmig, mit gefiederten und gefächerten Blättern. Bernard kannte nur die Namen der Hanf-, Dattel- und Kokospalme und nach und nach glaubt er, diese auch unterscheiden zu können. Am leichtesten fiel ihm das bei der Kokospalme, weit verbreitet und an ihren Früchten gut zu erkennen; dann die Dattelpalme mit ihren großen, gefiederten Blättern, die sich im unteren Bereich zu Dornen umwandeln und im Kronenbereich verwelken, bevor sie abfallen; die Hanfpalme, die er in Asien hoffte, zu Gesicht zu bekommen, nur zwölf bis fünfzehn Meter hoch und an ihren Fächern schnell auszumachen. In und um Cumaná sah er rote Palmenblüten, bunte Vögel und Schmetterlinge, rosa Flamingos, leuchtende Fische und Krebse in den Gewässern und in den Bäumen behände springende Affen. Kakteen, die Bernard in erster Linie als Topfpflanzen von einigen Gemälden Carl Spitzwegs kannte, standen hier in majestätischer Größe vor ihm.

Bald ging es weiter. Mit einem Handelsboot fuhren sie westwärts an der Küste entlang nach Caracas.  Die Stadt liegt in etwas 900 Meter Höhe in einem Tal des Küstengebirges, Ausläufer der Anden-Kette, rund zehn Kilometer Luftlinie von der Küste entfernt. Bernard hoffte auf ein angenehmeres Klima. Auf der Fahrt dorthin sah er die Spuren, die die starke Ost-West-Strömung im Laufe der Jahrtausende an der gebirgigen Küste hinterlassen hatte. Er mochte glauben, dass diese Kräfte auch die Zerstückelung der karibischen Inseln, die Trennung Trinidads vom Festland und die Bildung von Klippen-Inseln, die aus dem Meer ragen, bewirkt haben konnten.

Nach der Zeit in Caracas stellte sich Bernard einer großen, vielleicht der größten Herausforderung seiner Reise. Die Querung der Llanos de Orinoco, einer baumarmen bis baumlosen Ebene, lag vor ihm. Danach galt es, über den Fluss Rio Apure den Orinoco zu erreichen. Auf diesem sollte es dann wieder westwärts nach Angostura und dann noch einmal durch die Steppe zurück nach Cumaná gehen. Auf einer Plantage in der Nähe Caracas konnte er ein Maultier – ausdauernder und trittsicherer auf trockenen Böden als Esel -  erstehen, das ihn und sein weniges Gepäck durch die Steppe bringen sollte. Beim Kauf des Maultiers bot ihm ein junger Mann spontan an, mit ihm zu reisen. Enrico war sein Name. Die Aussicht, auf den Spuren Humboldts zu wandeln, weckte auch in ihm den Abenteurer. Bernard ging erfreut auf das Angebot ein. Er ahnte die bevorstehenden Schwierigkeiten. Zu zweit und dann noch mit einem Einheimischen, war es sicher leichter, allem was da kam, tapfer entgegenzutreten. Ein zweites Maultier wurde besorgt, ein wenig Ausrüstung, Proviant, Tauschwaren und Medizin gekauft und frohen Mutes zogen die beiden Männer ihrem ersten Ziel, dem Valenciasee, entgegen. Das war zwar ein Umweg, doch die Gegend war berühmt wegen ihrer Fruchtbarkeit. Im Tal von Aragua, an dessen südlichem Rand sich der zwanzig Seemeilen lange See erstreckt, wuchsen Mengen von Indigo, Zucker, Baumwolle und sogar Weizen. Viele kleine Inseln sahen die Männer im See, dessen alter klangvoller Name Tacarigua noch immer in Gebrauch war. Auf einigen dieser Inseln lohnte es sich, Ziegen zu halten und Ackerbau zu betreiben, denn die Inseln waren in den letzten Jahrzehnten immer größer geworden. Mehr Wasser verdampfte als aus den kleinen Bächen zufloss. Ein Abfluss zum Meer bestand nicht.

Von den Einheimischen darauf aufmerksam gemacht, begann Humboldt damals, die Ursachen zu erforschen. Früher wuchsen große Wälder in der Umgegend des Sees, die für die landwirtschaftliche Nutzung gerodet worden waren. Nach Aussagen der Einheimischen begann zu dieser Zeit die Trockenheit des Landes und gleichzeitig das Abschwemmen des Bodens bei heftigem Regen. Die bloßgelegten Böden konnten das Wasser nicht mehr genügend speichern, so dass die Farmer das Wasser für ihre Felder dem See entnahmen. Humboldt wies früh auf die Gefahren dieser Abholzungen hin und auf die Folgen, die für die nächsten Generationen daraus erwachsen würden. Die menschlichen Eingriffe, so seine Einschätzung, waren in ihren Auswirkungen nicht zu kalkulieren, die Wechselwirkungen nur schwer einzuschätzen. Man wisse noch viel zu wenig, um einfach so weiterzumachen. Aber solche Warnungen verhallten.

Vom Valenciasee aus ritten die beiden jungen Männer auf einer fast senkrecht verlaufenden Linie nach Süden. Vor ihnen lag die weite, unabsehbare Ebene der Llanos, so groß wie Frankreich, hier und da von höhergelegenen Flözschichten, von den Einheimischen Bänke genannt, unterbrochen. Die Schichten aus einem Gemisch von Gleiß- und Glimmerschiefer, Ton- und Porphyrschiefer, Kalkstein u.a. waren für Humboldt vulkanischen Ursprungs in einem ehemals die Llanos bedeckenden großen Meer.

Bernard und seinen Begleiter aber empfing eine öde Grasflur, mit einer dünnen Schicht fruchtbaren Bodens bedeckt, trockene, rissige Böden, Temperaturen von fünfzig Grad Celsius und wenige Palmen. Doch die waren ein großer Segen für die Gegend. Nicht nur, dass sie in der Steppe einer der wenigen Schattenspender waren, sie hielten viele weitere Wohltaten für die Menschen parat: Bau- und Brennholz, Flecht- und Webmaterial und Nahrung. Für die Nation der Guaraunen, die am Orinocodelta siedelte, boten die Bäume fast alles Lebensnotwendige. Ihre Hütten bauten sie auf Bretterböden, aufgelegt auf Palmstümpfen, um in der Regenzeit vor dem Wasser sicher zu sein. Aus den Blattstielen webten sie Hängematten, die sie zwischen die Stämme spannten; so konnten sie lange Zeit in den Bäumen leben. Vor dem Aufgehen der Blüte ist bei den männlichen Pflanzen das Mark des Stammes essbar; der Saft des Baumes liefert den süßen, berauschenden Palmwein; die Früchte geben, je nach Zeitpunkt ihrer Verwendung, verschiedenartige Nahrung.

Wegen der großen Hitze ritten Bernard und Enrico häufig in der Nacht. Das Auffüllen der Wasservorräte gestaltete sich schwierig. Wenn es ihnen möglich war, kochten sie ihr Wasser ab, doch in dieser Ödnis ein Feuer zu entfachen war nicht ungefährlich. Mal kamen sie an kleinen Behausungen vorbei und manchmal durften sie in einer Hütte schlafen. Ihre Maultiere stillten ihren Durst am Melocactus. Mit ihrem Vorderfuß schlugen sie auf den kugelförmigen Kaktus ein, bogen damit die Stacheln zur Seite und trauten sich dann mit ihren Lippen an das wasserreiche Mark heran. Aber ungefährlich war diese Methode für die Tiere nicht. Oft sah man sie in ihrer Bewegung eingeschränkt, weil Stacheln in ihren Hufen steckten.

Als Gebiet für Viehzucht wurden die Llanos erst seit der Ankunft der Europäer genutzt. Die frühen Einwohner waren an milchgebenden Tierarten und am Hirtenleben nicht interessiert. So konnte sich die natürliche Tierwelt frei entfalten. Mit den Europäern änderte sich das. An den Flüssen entstanden kleine Ortschaften, Viehzucht wurde betrieben und trotz der Unwirtlichkeit der Region vermehrten sich Stiere, Pferde und Maulesel und schwärmten verwildert in der Steppe umher.

Für unsere Reisenden war es eine Erleichterung, nicht durch eine komplett menschenleere Landschaft zu ziehen. So erhielten sie Hilfen, bekamen Ratschläge und wurden vor gefährlichen Fehlern bewahrt. Die Unbilden, die von wilden Tieren ausgehend konnten, von unbeweglich schlummernden, tief vergrabenen Krokodilen und Schlangen zum Beispiel, hätten sie allein nicht richtig einschätzen können.

Als sie nach einigen Wochen die Kapuzinermission in San Fernando de Apure erreichten, hofften sie, das Schlimmste hinter sich gebracht zu haben. Ab hier wollten sie auf dem Wasserweg über den Rio Apure zum Orinoco, dann nach Osten bis in das kleine Städtchen Angostura weiterreisen. Die Maultiere wurden durch ein Boot ersetzt, ihre Vorräte konnten sie bei den Mönchen auffüllen und auf der Weiterreise ergänzten sie ihre Nahrung durch Jagen, Fischen, Sammeln und Tauschen. Schlafen konnten sie im Boot, das zur Hälfte überdacht war. Müde, erschöpft und auch hungrig kamen sie in Angostura an, wo sie erst einmal wieder zu Kräften kommen wollten. Dies ließ sich in der Ortschaft mit ihren circa 10.000 Einwohnern gut bewerkstelligen. Die Stadt liegt an der schmalsten Stelle des Orinoco und spielte im gerade erst gewonnenen Freiheitskampf eine bedeutende Rolle  Auf dem vom 15. Februar bis zum 31. Juli 1821 abgehaltenen Kongress von Angostura hatte Simón Bolivar 1819 die Unabhängigkeit von Spanien erklärt.

Wieder beschafften sich die beiden zwei Maultiere und schlugen – erneut durch die Llanos - den Weg nach Cumaná ein. Die Regenzeit drohte und sie beeilten sich, um nicht von zu großen Wassermassen aufgehalten zu werden. Sie schafften es. An der Küste, in der Ortschaft Neubarcelona, trennten sie sich. Enrico machte sich auf den weiten Weg gen Westen nach Caracas, Bernard hatte es bis Cumaná nicht so weit. Sein Plan war, von dort aus mit dem Schiff die südamerikanische Küste entlang nach Bahia/Salvador und dann nach Rio de Janeiro zu fahren.

Brasilien

Bahia

Bahia, der offizielle Name lautet São Salvador da Bahia des Todos os Santos, war die älteste Stadt Brasiliens, von Europäern gegründete und bis 1763 die Hauptstadt Brasiliens. Sie liegt an der Nordseite einer malerischen Meeresbucht, besetzt die Spitze einer Halbinsel und belegt verschiedene Höhen einer sich dort ausstreckenden Bergkette.

Vor der europäischen Okkupation lebten in dieser Region mehrere Indianerstämme, die sich früh auf Handelsbeziehungen mit den portugiesischen Seefahrern einließen. Als die Portugiesen das Land in Besitz nahmen und die Einheimischen so behandelten, wie es bei Eroberern üblich geworden war, kam es zu Aufständen, die grausam niedergeschlagen wurden. Der Versklavung allerdings entgingen die Angehörigen der Stämme. Die Jesuiten der Gegend beabsichtigten, sie dem christlichen Glauben zuzuführen und setzten sich deshalb für sie ein. Vor der Zwangsarbeit schützten sie sie allerdings nicht. Und die bürdete den Indianern genügend kräftezehrende Arbeiten auf, dass viele diese Anstrengungen nicht überlebten. Auf Massen von Arbeitskräften wollte die herrschende Schicht aber nicht verzichten, deshalb verschleppten sie schon früh angolanische Afrikaner nach Brasilien. Bahia wurde der wichtigste Hafen für den Sklavenhandel.

Der Hafen liegt an dem schmalen Küstenstrich, an dem die erste Besiedlung dieses Ortes stattfand. Von Bord kommend, empfing Bernard ein lebhaftes Treiben. Händler auf dem Weg zu den imposanten Warenlagern, Schiffsleute von den zahlreichen im Hafen liegenden Schiffen, schwarze Arbeiter, die die Lasten durch die Stadt schleppten, Kaufleute, die ihre Waren anboten und Kunden, die Schnäppchen oder Besonderes aus fernen Ländern ergattern wollten. Bernards Sinn stand im Augenblick überhaupt nicht danach; er musste sich – wie immer – erst einmal um die Grundbedürfnisse kümmern, also ein Zimmer suchen, was er nach kurzer Zeit ein paar Gassen abseits der Hafengegend fand.

Am nächsten Tag verließ er gleich am Morgen die Unterstadt für einen Besuch in dem höher gelegenen Stadtteil. Als die Bevölkerung Bahias für den kleinen Küstenbereich zu stark angewachsen war, verschoben sich die Siedlungen den Hügel hinauf. Hier, in der gesunden Luft der Hochebene, ließ es sich gut leben. Nur hinauf zu kommen, war nicht so einfach. Eine extrem steile und deshalb nicht ganz ungefährliche Rampe führte nach oben. Bernard meisterte den Weg fast mühelos, wie er ein wenig stolz bemerkte. Er war auf der Reise, weil er immer wieder seine Arbeitskraft anbot und vielseitig eingesetzt worden war, mehr zu Kräften gekommen. Auf die Angehörigen der reicheren Stände, die sich in Sänften hinauf und hinunter tragen ließen, schaute er deshalb etwas verächtlich und selbstbewusst hinab.

Die Oberstadt machte nicht nur wegen der frischen Luft einen recht guten Eindruck. Kirchen und Klöster, Paläste und Regierungsbauten prägten das Bild des Zentrums. Sie waren zwar schon betagt und nicht mehr in allerbestem Zustand, aber ihre alte Pracht kam noch zum Vorschein. Seit Rio de Janeiro 1763 Hauptstadt geworden war, hatte man die Stadt vernachlässigt. Damals geriet Bahia in eine wirtschaftliche Krise. Kriminalität machte sich breit und alle Gesellschaftsschichten ließen sich im Nachklang der Französischen Revolution von der Idee der Unabhängigkeit inspirieren. In Bahia forderte man darüber hinaus die Abschaffung der Sklaverei. Aber alle Versuche, sich vom portugiesischen Joch zu befreien, schlugen fehl. Während die Reichen und Angesehen sich der Bestrafung entziehen konnten, wurden die anderen Beteiligten ausgepeitscht und deportiert oder zum Tode verurteilt und gehenkt. Teile ihrer Körper spießten die Herrschenden auf, stellten sie in den Straßen der Stadt zur Schau und erlaubten erst nach fünf Tagen, sie zu beerdigen.

Die Unabhängigkeit hatte Brasilien inzwischen erreichen können, blieb aber – als einziger der neuen Staaten Südamerikas - eine Monarchie. Kaiser war der portugiesische Thronfolger Dom Pedro I. Die brasilianischen Großgrundbesitzer unterstützten die Monarchie, weil sie hofften, dadurch Aufstände der Sklaven verhindern zu können. Während des wirtschaftlichen Aufschwungs nach der Unabhängigkeit intensivierte der Staat den Sklavenhandel. Die Herren setzten ihre schwarzen Arbeiter weiter auf den Plantagen im Inneren der Region oder als Hausangestellte in ihren Stadthäusern ein, obwohl sie sich häufig vor ihren gebildeten Sklaven fürchteten. Während sie selber oft Analphabeten waren, konnten viele der Afrikaner Arabisch lesen und schreiben und manche zeichneten sich als gute Handwerker aus. Angst rief bei manchem Weißen auch die Anzahl der Sklaven hervor. In Bahia standen 40 Prozent Sklaven circa 20 Prozent Weiße gegenüber. Aufstände und Revolten blieben nicht aus.

Bernard plante in Bahia keine längeren Expeditionen ins Hinterland, nur einen Ausflug in das am Rand der Stadt beginnende Waldgebiet. Weiter traute er sich nicht. Die Siedlungen der Portugiesen beschränkten sich hauptsächlich auf einen Streifen entlang der Küste. Wie weiter im Westen die Indios ihn aufnehmen würden, konnte er schlecht einschätzen. Seine Skepsis rührte u.a. von den Äußerungen des bayrischen Akademikers und Brasilienreisenden Johann Baptist Spinx her, der nach der Lektüre zeitgenössischer Reiseberichte eine Art Wunderland erwartete und schon in den ersten Tagen seines Aufenthalts verkündete, die Reise nie angetreten zu haben, wenn er nicht so hinters Licht geführt worden wäre. Und diese Klage stimmte Spinx schon in den Orten der Küstenregion an, wo Bernard sich gerade aufhielt.

Am Morgen seines geplanten Ausflugs traf Bernard einen deutschen Naturforscher, der seinen eigentlichen Aufgaben noch nicht nachkommen konnte, weil Mitarbeiter und letzte Papiere fehlten. Dieser Mann, einer von vielen europäischen Wissenschaftlern, die in den letzten Jahren die Flora und Fauna Brasiliens erforschen wollten, bot an, Bernard in den tropischen Wald zu begleiten. Das Angebot wurde angenommen. Ein kleiner Trampelpfad zeigte ihnen den Weg in den Wald. Schon nach wenigen Metern verlief er sich zwischen dichten Büschen, Bäumen, Lianen und großblättrigen Pflanzen, die zu einem nahezu undurchdringlichen Dickicht zusammenwuchsen. Bernard war nicht wenig beeindruckt von dem, was er zu sehen bekam und was er ohne die sachkundigen Hinweise seines Begleiters vielfach nicht gesehen hätte.

Ihm selbst fiel zuerst die ungeheure Anzahl an kleinen, schwarzen Ameisen auf, die emsig auf erkennbaren Pfaden Teile von großen Blättern in ihre Bauten trugen. Kam man ihnen zu nahe, wehrten sie sich mit scharfen Bissen, die Ursache für schmerzhafte Entzündungen sein konnten. Aber auch Kakerlaken, wespenartige Insekten, Eidechsen und zahlreiche Spinnen in unterschiedlichen Größen kreuzten ihren Weg oder flüchteten vor ihnen in den Wald. Eine Spinnenart versperrte die engen Pfade mit ihren äußerst stabilen Netzen. Verwandt war diese, wie Bernards Begleiter erzählte, mit den Spinnen, deren Netze in der Karibik selbst Vögel auf- und festhalten konnten. In den Netzen, die ihnen den Weg versperrten, hing fast immer eine kleine Spinne mit langen Vorderbeinen. Sie durfte unbehelligt von der Netzbauerin die Insekten abfischen, für die sich die große Spinne nicht interessierte.

Es wimmelte im Wald von Tieren aller Art. Die lauten Tukane in den Baumwipfeln waren nicht zu überhören und an ihren großen Schnäbeln gut zu erkennen; Papageien der unterschiedlichsten Arten, große und kleine, bunte und fast einfarbige; dann die winzigen, schillernd bunten, wendigen Kolibris und viele weitere, für Bernard unbekannte Vögel. Schmetterlinge schwirrten umher, Käfer krochen durch die Büsche, große Frösche und Eidechsen flüchteten vor ihnen.

Als sie tiefer in den Wald eindrangen, wurde es Bernard schnell mulmig. Er traute es sich nicht zu, mögliche Gefahren zu erkennen. Angst überkam ihn besonders bei dem Gedanken, von Ästen herabhängende Schlangen zu übersehen und von ihnen gebissen zu werden. Deshalb schlug er bald vor, den Rückweg anzutreten. In der Stadt setzten sich beide vor ein Gasthaus, tauschten ihre Reiseerfahrungen aus und wurden mit weiteren Natureindrücken belohnt. Ein kleiner Frosch auf einem Grashalm gab ein Zirpkonzert, Zikaden und Grillen kreischten aus der Entfernung und Leuchtkäfer sprangen in den Hecken herum.

Am nächsten Tag besuchte Bernard den botanischen Garten, wo er keine versteckten Schlangen befürchten musste. Hier sah er sich besonders die Pflanzen an, die wegen ihrer großen Nützlichkeit geschätzt wurden: den Kampfer- und den mit ihm  verwandten Zimtbaum, den Pfeffer- und den Brotfruchtbaum, den Orangen- und Mangobaum, die vielen Palmenarten und die Bananenstauden. Alles Pflanzen, die er auch schon rund um die Wohnhäuser gesehen hatte. Sie boten nicht nur einen schönen Anblick, sondern wurden auch wegen ihres Nutzens besonders geschätzt.

Nach diesen Besichtigungen war es an der Zeit, weiter zu fahren. Ein Schiff brachte Bernard in die Hauptstadt Brasiliens, nach Rio de Janeiro.

Rio de Janeiro

Rio, seit 1763 Hauptstadt des Vizekönigreichs Brasilien, entwickelte sich ab 1700 zur wichtigsten Hafenstadt Brasiliens. Als Napoleon 1807 anstrebte, Portugal zur Teilnahme an der Kontinentalsperre gegen Großbritannien zu nötigen, verließ der portugiesische Hof Europa, siedelte nach Brasilien um und machte Rio zu seiner Residenz. Dem auf Lissabon zumarschierenden Napoleon wollte man entgehen. Die Hofgesellschaft mit ihrer Entourage und die Erfordernisse des Regierens gaben Rio ein neues Gesicht. Als dieses Intermezzo 1822 zu Ende ging, der Hof nach Portugal zurückkehrte und sich daran machte, die zwischenzeitlich eingeleiteten Reformen in Brasilien rückgängig zu machen, erklärte Brasilien seine Unabhängigkeit. Prinz Dom Pedro de Alcântara regierte als Pedro I. das Kaiserreich.

Bernards Schiff erreichte um die Mittagszeit die noch in der Ferne liegende Bucht von Rio de Janeiro. Rechts und links eingerahmt von steilen Felsen fuhren sie auf den Hafen zu. Seeoffiziere erteilten dem Kapitän die Erlaubnis zur Weiterfahrt und als die Hauptstadt des Kaiserreichs vor Augen lag, wurden die Anker gesetzt. Erst am anderen Morgen ließen sich die Schiffspassagiere mit Booten an Land bringen. Dort trennten sie nur einige Stufen aus Granitquadern von dem Hauptplatz der Stadt mit der Residenz und repräsentativen Privathäusern. Es wimmelte von Menschen, die ihre Dienste anboten. Doch Bernard wusste, es gab nur ein Gasthaus in der Stadt und das sollte ihm für ein paar Tage einen Schlafplatz geben.

Viele nicht aus Europa stammende Menschen prägten das Stadtbild. Doch auch der Ausbau der Stadt beeindruckte und befremdete den Neuankömmling. Die Straßen waren zum großen Teil mit Granitsteinen gepflastert, Bürgersteige angelegt, die sogar in einigen Nachtstunden beleuchtet wurden, und immer wieder öffneten sich freie Plätze. Über ein Aquädukt wurde Trinkwasser zu den Fontänen in der Stadt befördert, deren größte auf dem Platz vor der Residenz steht. Aus dieser Fontäne, ständig von Matrosen aus allen Herren Ländern belagert, versorgten sich die Schiffe im Hafen mit gutem Trinkwasser für ihre weiten Reisen.

Nicht nur am Tag seiner Ankunft fühlte Bernard sich ständig von Menschenmengen umgeben, ein gänzlich ungewohntes Gefühl für ihn. Doch verwunderlich war das nicht, denn 1817 zählte die Stadt schon 110.000 Einwohner. Die bedeutenden Einwanderungen seit 1808 von Portugiesen, Engländern, Franzosen, Holländern, Deutschen und Italienern, die sich als Kaufleute oder Handwerker hier niederließen, gaben der Stadt ein neues Gepräge. Am Hafen, bei der Börse, auf den Märkten und bei den europäischen Warenlagern war ein Gewirr der verschiedensten Sprachen zu hören, Menschen der unterschiedlichsten Herkunft zu sehen und das Knarren von schwerfälligen, zweirädrigen Ochsenkarren zu vernehmen. Hinzu kamen die donnernden Kanonenschüsse von den Kastellen und einlaufenden Schiffen.

Allerdings, so erzählten ihm andere Reisende im Gasthaus, war es nicht ganz ungefährlich, sich in diesem Gewühl zur falschen Zeit am falschen Ort aufzuhalten. Morde sollten häufig vorkommen, was vielleicht daran lag, dass alle Welt ein Messer mit sich herumtrug. Die Konsequenz für die Männer war, bei einbrechender Dunkelheit im Gasthaus zu sein, tagsüber die Augen aufzuhalten und, wenn es sich machen ließ, nicht allein durch die einsamen Gassen der Stadt zu schlendern.

Bernard passierte persönlich nichts. Das Unangenehmste was er erlebte, war die Beobachtung eines Sklavenmarktes. Hin- und hergerissen zwischen Scham und Neugier schaute er dem Treiben aus einiger Entfernung zu. Lief das wirklich so ab, wie er es oft beschrieben gefunden hatte? Es war so. Alles erinnerte ihn an die Pferdemärkte in seiner Heimat. Und Bernard, christlich erzogen und ohne Zweifel an der Richtigkeit und Wahrhaftigkeit seiner Religion groß geworden, verstand das Verhalten seiner Glaubensbrüder und -schwestern nicht. Er hatte gelernt, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, dem Nächsten kein Leid anzutun, und glaubte, dass dies für einen guten Christen selbstverständlich war. Na, wenigsten weitgehend selbstverständlich. Natürlich kannte er von zu Hause auch Menschen, die diese Regeln nicht einhielten, die ihren Mitmenschen nicht wohlgesonnen waren und immer nur ihren Vorteil im Auge hatten. Doch das Ausmaß und die Akzeptanz des hier offenbar üblichen Verstoßes gegen alle christliche Gebote schockierte ihn.

Ihm wurde bewusst, in der Stadt bisher nur wenige Ureinwohner gesehen zu haben. Man erzählte ihm, dass einige Indios hin und wieder von einer nahegelegenen Missionsstation in die Stadt kamen, um Töpferwaren zu verkaufen, ein paar andere begleiteten Maultierkarawanen beim Warentransport. Aber offensichtlich bevorzugten sie es, in ihren Siedlungen zu bleiben.

Am letzten Abend seines Aufenthalts in Rio saß Bernard lange mit den neuen Bekanntschaften im Gasthaus zusammen. Neun der aus Deutschland kommenden Männer wollten versuchen, sich in Brasilien eine neue Existenz aufzubauen. Sie folgten den Empfehlungen des Georg Heinrich Freiherr von Langsdorff, der 1821 in Europa Kolonisten anwarb und in einer Schrift die Möglichkeiten und Risiken einer Ansiedlung in Brasilien beschrieben hatte. Langsdorff hatte 1816 ein Landgut in der Nähe Rio de Janeiros gekauft. Er nannte es Mandioca, nach einem Strauchgewächs, und lud alle Naturforscher zu sich ein. Bernards Bekannte hatten aber nicht, wie es in der Schrift Langsdorffs vorgeschlagen war, sich aus der Heimat bei ihm gemeldet, um den Zeitpunkt der Übersiedlung gemeinsam festzulegen, sondern wollten sich auf gut Glück auf dem Gut um eine Ansiedlung bewerben. Sie hatten nichts davon gehört, dass schon die Ansiedlung der ersten neunzig Auswanderer, mit denen Langsdorff im März 1822 in Rio gelandet war, unter einem schlechten Stern gestanden hatte. Die Zuweisung der Ländereien war nicht zu aller Zufriedenheit verlaufen und schlimmer noch, sie wussten nicht, dass Langsdorff inzwischen zu seinem zweiten großen Unternehmen aufgebrochen war: einer wissenschaftlichen Expedition ins Landesinnere. Außerdem hatte sich die gesamtpolitische Situation im Kaiserreich geändert. All das war den Männern nicht bewusst und Bernard war sich seines Kenntnisstandes nicht sicher und sagte lieber nichts.

Zum Pazifik

Am andern Morgen begann, so sah es Bernard jetzt, nachdem er die Llanos geschafft hatte, sein größtes Abenteuer auf der Reise. Er wollte Kap Hoorn umsegeln und hatte sich schon vor ein paar Tagen einen Platz auf einem Schiff  gesichert. Ein Arbeitsplatz war dies, auf dem er für alle möglichen Hilfsarbeiten eingesetzt werden konnte. Er fühlte sich nach seinen langen Schiffsreisen schon fast wie ein gestandener Seemann, scheute sich nicht vor der Arbeit, doch die bevorstehende Strecke wäre auch für einen richtigen Matrosen kein Zuckerschlecken gewesen. Nach einigen Tagen erfuhr er, dass der Kapitän noch gar nicht sicher war, welche Route er in den Pazifik nehmen würde, ob er wirklich Kap Hoorn umsegeln wollte oder die Magellanstraße bevorzugte. Diese war zwar nur fast halb so lang wie die Route um das Kap (ca. 600 km zu 1.300 km), doch wegen der zahlreichen Inseln, Halbinseln und Seitenarmen, wegen tückischer Winde und Strömungen nicht ungefährlich. Für die Magellanstraße sprach, dass bei ihrer Durchquerung frisches Wasser und Proviant aufgenommen werden konnte.

Um das Kap Hoorn herum, eine Landspitze der Insel Isla Hornos, erwarteten die Seeleute einen ständigen Westwind, jedoch einen von geringerer Stärke als im angrenzenden Südostpazifik. Die Wahrscheinlichkeit von schweren Stürmen war gering. Mit ein bisschen Glück konnte die Fahrt durchaus zu schaffen sein, so hofften alle, auch wenn sie von den zahlreichen Schiffswracks gehört hatten, die im Weg lagen. Zum Glück waren die meisten auf den Seekarten verzeichnet.

Die ersten Tage gen Süden verliefen recht ruhig. Der Wind blies verhalten, sie kamen voran und wurden nicht von Stürmen bedroht. Weiter südlich wurde es allerdings ungemütlicher. Die Sicht verschlechterte sich, es war nass und kalt, Regen- und Hagelschauer prasselten auf das Schiff und Besatzung und Passagiere ahnten, was auf sie zukommen konnte, ganz gleich, für welche Route sich der Kapitän entscheiden würde. Der Nebel verdichtete sich und vielleicht deshalb entschied sich der Kapitän nach einigen Tagen, das Kap zu umfahren. Er begründete seine Entscheidung nicht, aber Bernard glaubte, dass ihm die Enge des Kanals an manchen Stellen (ca. 4 km) bei der mangelhaften Sicht gefährlicher erschien als die Alternativroute.

Die Entscheidung war richtig, denn das Wetter beruhigte sich und ein eher ungewöhnlicher Ostwind unterstützte ihre Fahrt. Es war zu spüren, wie sich ein Gefühl der Erleichterung auf dem Schiff ausbreitete. Doch die Passagiere hatten die schnellen Wetterumschwünge dieser Gegend nicht einkalkuliert. Einige Tage später drehte der Wind und blies ihnen von Westen stark ins Gesicht. Er wuchs sich zu einem kräftigen Sturm aus und der Kapitän sah sich nach langen Kämpfen gegen die Widrigkeiten genötigt, in einer kleinen Bucht zu ankern. Mehrere Tagen blieben sie dort, bis plötzlich eines Morgens alles vorüber war. Die Sonne schien, das Meer war ruhig und sie setzten ihre Fahrt fort.

Das, wenn das für diese raue Gegend überhaupt gesagt werden kann, gute Wetter ermutigte auch einige Feuerländer, mit ihren Kanus die Küste zu befahren. Als sie in die Nähe des Schiffs kamen, winkten einige freundlich den Passagieren zu und riefen unverständliche Botschaften. Andere blickten nur mürrisch auf und konzentrierten sich allein auf ihre Aufgaben. Sie waren auf Nahrungssuche, sammelten Schalentiere und Seeigel, fischten, sahen sich nach Seehunden um und hätten auch einen verwesenden Wal nicht verschmäht. An Land blieben ihnen nur einige Pilze und Beeren zur Ergänzung. Der Hunger war ihr ständiger Gast. Dies alles erfuhr Bernard von einem Seemann, der schon zum vierten Mal dieses Route befuhr. Auf einen näheren Kontakt mit den Feuerländern legte Bernard keinen Wert, er hatte an Bord auch genug zu tun. Außerdem war ihm glaubhaft berichtet worden, einige der auf Feuerland und in Patagonien lebende Stämme seien Kannibalen und denen wollte er bei dem begrenzten Nahrungsangebot nicht zu nahe kommen.

Bernards Schiff hatte das Glück auf seiner Seite. Es erreichte den Pazifik, ohne weiteren besonderen Gefahren ausgesetzt zu werden. Das Kap hatten sie zwar nur erahnen können, von Nebel umhüllt, machte es seinem geheimnisvollen Ruf alle Ehre, doch die Reisenden waren froh, wohlbehalten an der Westküste angekommen zu sein. Das nächste Ziel war Valparaíso, der wichtigste Seehafen Chiles.

Chile

Chiloé

Ein weiter Weg lag noch vor ihnen. Entlang der Westküste Patagoniens, mit ihren unzähligen vorgelagerten Inseln, den Halbinseln und Meeresbuchten, wollten sie die Insel Chiloè passieren, doch zwang sie ein Leck, dort vor Anker zu gehen. Die Insel war gerade von chilenischen Truppen den Spaniern abgerungen worden. Sie misst von Norden nach Süden rund 180 Kilometer bei einer Breite von 50 Kilometer.

Als erstes sahen sich die kundigen Matrosen den Schaden am Schiff genauer an, der sich als nicht so gewaltig herausstellte. Man traute sich zu, die Stelle mit ein paar Holzplanken abdichten zu können und machte sich gleich an die Arbeit. Acht andere Männer ruderten mit zwei Booten zu der Insel, wo sie hofften, Holz (die eigenen Vorräte reichten nicht aus) Frischwasser und Gemüse zu bekommen. Die hügelige Insel empfing sie mit einem großen, üppigen Waldgebiet voller immergrüner Bäume und tropischer Pflanzen. In dem milden, aber überaus nassen Klima und auf den fruchtbaren Böden gedieh die Vegetation vorzüglich. Nur wo sich die Bewohner einige freie Flächen für ihre Häuser und Gärten freigelegt hatten, war dem Wald etwas Land genommen worden.

Als die Männern aus den Booten stiegen, machten die Einwohner kein großes Aufheben um sie. Es waren schon so viele Europäer bei ihnen erschienen, dass sie erst einmal abwarteten, was diese Truppe im Schilde führte. Da die Seemänner Spanisch sprachen, war ihr Anliegen schnell erklärt und die Eingesessenen waren bereit zu helfen. Für die Ergänzung des Holzes wiesen die Einwohner ihnen zwei Bäume zu, die sie fällen und zu Planken schneiden durften. Nur als es ans Bezahlen ging, stockte der Vorgang. An Geld waren die Insulaner nicht interessiert. So fuhr ein Boot zum Schiff zurück, um Waren für den Tauschhandel zu besorgen. Da es auf der Insel genügend Schweinefleisch, Fisch und die in Farbe und Form unterschiedlichsten Kartoffeln gab, kamen die Besucher mit gepökeltem Rindfleisch, ein paar Werkzeugen, Tabak und glitzernden Gürtelschnallen zurück. Die Holzverkäufer sichteten die Angebote, nahmen von allem etwas und das Geschäft wurde abgeschlossen. Nachdem das Holz und die anderen Waren auf das Schiff gebracht und die Reparaturen ausgeführt waren, fuhren sie weiter. Einige Einwohner kamen zum Strand und beobachteten ihre Weiterfahrt fast eine halbe Stunde lang, vom Schiff aus gut sichtbar, weil die indigoblaue Wollkleidung weit aufs Meer hinaus leuchtete.

Zehn Tage später ankerte das Schiff in der Bucht von Valparaíso.

Valparaíso

Hier wollte Bernard etwas länger bleiben. Ermüdet von den vielen Wochen auf See, sehnte er sich nach so etwas wie einem städtischen Leben, nach festem Grund unter den Füßen. Aber er konnte nicht einschätzen, was ihn erwartete.

Das Schiff legte morgens in der Bucht an. Dort ankerten schon an die hundert Schiffe aus aller Welt und bestätigten eindrucksvoll die Wichtigkeit dieses Hafens. Vom Deck aus konnte Bernard einen ersten Blick auf die Stadt werfen. Vor einer steilen, karg bewachsenen Hügelkette, entlang der parallel zur Bucht verlaufenden Straße, standen die weißgetünchten Häuser. Das Wasser hatte in die Hügelkanten einige Furchen eingegraben, die eine rote Erde freilegten. Im Hintergrund waren die Anden zu sehen und etwas nordöstlich ein fast Siebentausender, der Vulkan Aconcagua.

Unzählige Möwen umschwirrten, begierig nach jedem Stück Nahrung schnappend, die Frachter, während zahlreiche Boote Passagiere und Fracht an Land brachten. An den Häusern waren noch Schäden des Erdbebens von 1822 zu sehen, doch das Leben in der Stadt ging seinen gewohnten Gang. Am Kai warteten, wie fast in jeder Hafenstadt, Kutschen, Maultiergespanne, Ochsenkarren und Träger auf Aufträge; einige Männer hockten auf den Türschwellen, betrachteten ruhig das Treiben um sie herum und tauschten sich hin und wieder mit ihren Nachbarn und ihnen bekannten Passanten aus; Frauen eilten mit ihren Kindern die Straße entlang, um Einkäufe nach Hause zu bringen; Mönche und Nonnen bettelten um Spenden für die Armen.

Bernard stand etwas verloren herum. Auf dem Schiff hatte ihm ein weit gereister Kaufmann zwei Namen von Hausbesitzern notiert, die ein oder zwei Reisende bei sich aufnahmen, eine Adresse hatte er aber nicht dazu geschrieben. Einem der wartenden Männer hielt Bernard das Stückchen Papier unter die Nase, deutete auf den ersten Namen und wurde durch ein Handzeichen nach rechts verwiesen. Dieses Verfahren wandte er noch zweimal an, dann stand er vor einem reich verzierten bürgerlichen Haus, an dem mit einem kleinen Messingschild die Zimmervermietung offeriert wurde. Auf sein Klopfen öffnete ihm ein Dienstmädchen. Es führte ihn in eine weiträumige Empfangshalle, in der er auf die Dame des Hauses zu warten hatte. Sie erschien nach wenigen Minuten und stellte sich als Mrs. Todd vor. Mrs. Todd sprach ihn auf Englisch an, was Bernard sehr angenehm war und nach einem kleinen Geplauder über die Mühen der Seefahrt vereinbarten sie einen fünftägigen, aber verlängerbaren Aufenthalt.

Mrs. Todd gehörte der noch kleinen, aber stetig wachsenden englischen Community von Valparaíso an. Nach der Unabhängigkeit Chiles im September 1810 hatte der Kongress entschieden, Einwanderer ins Land zu rufen, um die wirtschaftliche Entwicklung zu beschleunigen. Viele folgten dem Ruf, besonders auch viele Engländer, die Valparaíso zu einem ihrer Hauptsiedlungspunkte erkoren. Der Überseehandel auf dem Pazifik sollte von diesem wichtigen Hafenort aus befördert und kontrolliert werden. Die Engländer in der Stadt fühlten sich als eingeschworene Gemeinschaft. Gleichgültig was man von dem Einzelnen hielt, pflegten sie ihre Kontakte, stützten und halfen einander.

Die Todds war eine der ersten Familien, die sich hier angesiedelt hatten, und sie legten besonderen Wert auf den Zusammenhalt der Neuankömmlinge. Einmal in der Woche luden sie zu einem geselligen, musikalisch untermalten Abend in ihr Haus und auch Bernard erhielt am anderen Morgen eine Einladung für den frühen Abend. Für ihn war es verwunderlich, dass die Todds Zimmer vermieteten, denn sie waren ganz offensichtlich nicht auf diese Einnahme angewiesen. Er konnte es sich nur damit erklären, dass sie die Neuen schnell kennenlernen, begutachten und entscheiden wollten, ob sie in ihren Kreis aufgenommen werden sollten.

Am Abend traf die Gesellschaft nach und nach ein. Ein livrierter Diener führte sie in einen zum Garten liegenden Saal, wo die Gastgeber jeden freudig begrüßten und ihnen eine Erfrischung von den überall herumwieselnden Dienstmädchen reichen ließen. Nach einem kurzen Geplauder bildeten sich kleine Gruppen, die sich eine Sitzgelegenheit suchten, doch wurden die Gespräche auch immer wieder im großen Rahmen aufgenommen. Mrs. Todd stellte Bernard den elf anderen Besuchern vor, die teils erstaunt, ungläubig oder besorgt reagierten, als sie von seiner abenteuerlichen Reise hörten. Sie hatten zwar alle schon selber ein oder mehrere Male den Atlantik überquert, doch dies zum reinen Vergnügen zu tun, schien ihnen recht seltsam. Nur die kleine Tochter des Hauses, die von einem Mädchen kurz nach Beginn der Gesellschaft in den Saal geführt worden war, platzte fast vor Neugier und ließ nicht nach, ihn mit Fragen zu bombardieren. Als die Mutter sie zurechtwies, verließ sie empört den Saal und verzog sich in die Küche.

Die lag in einem Nebengebäude, war aber durch einem Gang mit dem Haupthaus verbunden. In diesen Räumlichkeiten lebten die Dienstboten aus dem Stamm der Changos, teilweise mit ihren Familien. Und hierhin zog es auch die kleine Ann Todd immer wieder. Besonders wenn ihr die Stimmung in den elterlichen Räumen nicht zusagte. Sie ließ sich für einfache Küchenarbeiten einteilen, half, wo sie konnte und durfte, stellte auch dort Fragen über Fragen, die weit über das Kochen, Backen und Braten hinausgingen. Das Mädchen lernte so die Sprache der Hausangestellten, ihre religiösen Riten und Mythen und fühlte sich deren Kultur bald näher als der englischen.

Als Ann aus dem Saal verschwunden war, stellten sich die andern Gäste Bernard vor. Gekommen waren Mr. Appletree, ein Möbelhändler, Mr. Jones, ein Schneider und der ehemalige Schiffskapitän Mr. Barthelby mit ihren Gattinnen und zwei heranwachsenden Töchtern der Jones; eine englische Lehrerin, die bisher in Privathäusern unterrichtet hatte, aber nun vor Ort eine Schule eröffnen wollte; ein junger Arzt und ein Handelsmann, dessen Familie noch in England geblieben war.

Der Arzt, Doktor Ian Miller, war ungefähr in Bernards Alter und noch nicht lange in Chile. In Valparaíso arbeitete er vorübergehend in einer Krankenstation. Er war sich noch nicht im Klaren darüber, ob er in der Hafenstadt oder in der nicht weit entfernt liegenden Hauptstadt Santiago eine Praxis eröffnen sollte. Zwar brachten die Schiffe immer wieder neue Hilfsbedürftige an Land, doch die meisten von ihnen verließen sich lieber auf die Künste der Schiffswundärzte. Ian Miller ließ sich von Bernard in dessen Pläne für die nächsten Tage einweihen und fragte zum Schluss schüchtern nach, ob er ihn vielleicht begleiten dürfe. Allein, so gab er unumwunden zu, traute er sich nicht, längere Ausflüge zu machen. Ihm war alles noch zu fremd und Angst einflößend. Bernard wunderte sich ein wenig, dass Miller es überhaupt bis nach Chile geschafft hatte, freute sich aber trotzdem über die angebotene Begleitung. Sie verabredeten sich für den nächsten Morgen, um alles Weitere zu besprechen und vorzubereiten.

Mit zwei Pferden und nur wenig Gepäck ritten sie nach drei Tagen los. Sein restliches Gepäck hatte Bernard in der kleinen Wohnung seines Begleiters deponiert. Mrs. Todd zeigte sich unwillig, als er es in ihrem Haus unterstellen wollte. Für sie war Bernard, da sie nun wusste, dass er nur auf der Durchreise war, nicht mehr von Interesse.

Bernard konnte gut mit Pferden umgehen, er war mit ihnen groß geworden. Auf dem Hof seiner Eltern gab es immer mindestens drei Pferde, auf denen er früh das Reiten gelernt hatte. Auf den 21 Höfen in seiner Bauerschaft, so hatte es eine Zählung aus dem Jahr 1822 ergeben, standen 37 Pferde zur Verfügung. Wie es mit den Reitfähigkeiten bei Ian Miller aussah, wusste Bernard nicht, aber gegen die Wahl des Fortbewegungsmittels hatte er keine Einwände erhoben. Als sie los ritten, sah Bernard sofort, dass er sich keine Sorgen machen musste. Miller und das Pferd bildeten eine Einheit, als hätten sie schon viele Kilometer miteinander zurückgelegt.

Ausflug zu Pferde

Sie planten, zuerst nah der Küste entlang nach Quintero zu reiten, um von dort aus über eine Bergkette in das von Valparaíso fast fünfzig Kilometer entfernte Tal von Quillota zu kommen. In der unmittelbaren Umgebung von Valparaíso erschien wegen der regenarmen Sommerzeit die Vegetation recht karg, doch etwas entfernt trafen sie auf wunderschöne, stark duftende Blumen und Büsche, die den Aufenthalt in diesem freundlichen Klima noch angenehmer machten. Sogar in der Nacht, die sie in einem einfachen Unterschlupf verbrachten, stiegen ihnen diese Düfte in die Nase. 

Am zweiten Tag erreichten sie zur Mittagszeit das frühere Landgut des Flottenbefehlshabers im chilenischen Unabhängigkeitskrieg Lord Cochrane. Sie hielten sich nicht lange dort auf, tränkten die Pferde, füllten ihre Feldflaschen, nahmen einige Früchte mit und zogen weiter zu den ausgedehnten Muschelfeldern, die von den Einheimischen zur Kalkproduktion genutzt wurden. In der Nähe fanden sie abends einen Schlafplatz in einer Art Scheune, so dass sie wenigstens ein Dach über dem Kopf hatten. Nach einem kargen Frühstück schlugen sie den Weg nach Quillota ein.

Es wurde ein angenehmer, durch eine heitere, malerische Landschaft führender Ritt; vorbei an Weideflächen, kleinen Häusern an den Berghängen, durch liebliche Bachtäler. Sie überquerten einen Bergkamm, an dessen Fuß immergrüne Bäume wuchsen. Als sie in das Quillota-Tal hinunter blickten, bot sich ihnen eine fruchtbare Landschaft mit einem Flickenteppich von kleinen viereckigen Gärten. Orangen- und Olivenbäume wuchsen dort in großen Mengen, Gemüse aller Art wurde angebaut. Als sie am frühen Abend das Tal erreichten, bekamen sie in einem Gut am Rande der Besiedlung die Möglichkeit zu übernachten und, was zuerst viel wichtiger war, ein üppiges Abendessen einzunehmen. Am anderen Morgen ritten sie ohne große weitere Aufenthalte nach Valparaíso zurück.

Dort konnte Bernard bei Ian Miller unterkommen. Ihr Ausflug war sehr harmonisch verlaufen, sie hatten sich angefreundet und verbrachten gerne die folgenden Tage miteinander. Bernard sah sich nach einer Möglichkeit zur Weiterfahrt um, während Ian seine Arbeit in der Krankenstation wieder aufnahm.

Bernard hatte zuerst mit dem Gedanken gespielt, sich auf einem der Walfangschiffe, die im Hafen lagen, anheuern zu lassen. Zwischen der Küste Chiles und Neuseelands spielte sich zu dieser Zeit ein Großteil der Waljagd ab und auf Tahiti lag einer der Anlaufhäfen. Besonders der Pottwal war in dieser Region begehrt, da aus der Körperflüssigkeit in seinem riesigen Kopf, Walrat genannt, Öl für die besten Kerzen gewonnen wurde. Die Betreiber der Schiffe suchten immer neue Leute. Als Bernard Abends in den Wirtshäusern den Geschichten der Matrosen lauschte, als er sah, wie viele Schnäpse sie in kurzer Zeit hinunterkippten, als er von den Kämpfen mit den Walen und ihrer Zerlegung hörte, als er dann noch aufschnappte, dass die Verträge für diese Schiffe in der Regel drei Jahre umfassten und während dieser Zeit so wenig Häfen wie möglich angefahren wurden, begrub er seine Idee. Bei dem großen Angebot an Schiffen im Hafen von Valparaíso fand er bald einen Platz auf einem Handelsschiff nach Tahiti.

6. Tahiti

Tahiti war ein Ziel, das sich Bernard schon zu Hause in den Kopf gesetzt hatte. Die Vorbereitung dafür bestand aus dem Studium einiger Schriften von Kapitänen und Forschungsreisenden. Diese waren unterwegs, um die Südsee und den Nordpazifik zu erforschen und zu kartografieren. Einige hatten auch den Auftrag, eine nördliche Passage vom Pazifik zum Atlantik zu finden. Bernard hatte diese Bücher spät in die Hand bekommen, denn der Pastor gab sie ihm erst einige Wochen vor seiner Abreise. Nach der, zugegeben etwas eiligen Lektüre, wollte er sich aber umso mehr ein eigenes Bild von dem angeblichen Paradies auf Erden machen, denn die Darstellungen waren schon recht unterschiedlich. Die Berichte und Romane aus dem 18. Jahrhundert, in denen die Insel als Ort der Glückseligkeit gepriesen wurde, ergänzten andere Schreiber mit Schilderung von eher unerfreulichen Traditionen.

Der englische Marineoffizier Samuel Wallis, der im Juni 1767 in Tahiti anlandete, schrieb von hübschen, sogar schönen „Weibern“, die die Keuschheit nicht als besondere Tugend anzusehen schienen. Er schilderte aber auch, dass Väter und Brüder die Frauen den Matrosen gegen den Tausch von Eisennägeln anboten. Mit einem Ast zeigten sie die Länge des Nagels an, den sie für die Dienste forderten. Je schöner die Frau, umso länger der Nagel.  Eine Weile schien diese Praxis dem Kapitän und den Offizieren verborgen geblieben zu sein, weil die anders beschäftigten Matrosen von ihren Kameraden gedeckt wurden. Als Wallis davon erfuhr, konnte er sich endlich den Verlust der Nägel an seinem Schiff erklären, das unter dem Raubbau Gefahr lief, zusammenzubrechen.

Der besondere Reiz und Ruf Tahitis, so sagte man, ging in erster Linie von dem Reisebericht des Franzosen Louis Antoine de Bougainville aus. Der juristisch und naturwissenschaftlich gebildete Offizier war sehr interessiert daran, fremde Welten kennenzulernen, Neues zu entdecken. In Begleitung eines zweiten Schiffes erhielt er den Auftrag zu einer ersten französischen Weltreise, auf der er unentdecktes oder unbeanspruchtes Land der französischen Krone sichern sollte. Das geschah zum Beispiel mit den Falklandinseln. Als allerdings Spanien seinen Anspruch auf den Ostteil anmeldete, war der französische König Ludwig XV. nicht gewillt, wegen einer Inselgruppe im Atlantik in Konflikte zu geraten. Bougainville musste die Inseln gegen eine Entschädigung an die Spanier abgeben.

Auf ihrer gemeinsamen Reise schafften es die beiden französischen Schiffe nach sechs Monaten, nach mühevollem Lavieren auf dem Pazifik, die Insel Tahiti zu erreichen. Es war nicht einfach, einen sicheren Ankerplatz zu finden, doch am 6. April 1768 konnte Bougainville mit einigen Offizieren an Land gehen, um Ausschau nach Frischwasser zu halten.

Kaum hatten die beiden Schiffe angelegt, waren sie von zahlreichen Menschen umzingelt. Geschickt und flink näherten sie sich mit ihren Booten, lachten, winkten und begrüßten sie freundlich. In einigen Booten saßen nackte Frauen, die von den sie begleitenden Männern offen angeboten wurden. Matrosen und Soldaten, so Bougainville, waren nur mühsam zu bändigen und zurückzuhalten, Offiziere und er selbst nicht minder. Doch der Koch hatte es an Land geschafft und war ob der gemachten Erfahrungen reichlich verstört wieder zurückgekommen. In den folgenden Tagen, als die Schiffsbesatzungen regelmäßig an Land gingen, baten die Bewohner sie immer wieder in ihre Wohnungen, bewirteten sie großzügig mit Essen und Getränken und freizügig mit den Liebeskünsten der jungen Frauen. Für den Widerstand der jungen Matrosen legte Bougainville in seinem Reisebericht seine Hand nicht ins Feuer.

Im Laufe des Aufenthaltes blieben Bougainville die Schattenseiten nicht verborgen. Die Standesunterschiede, so schrieb er, seien erheblich; die Macht des Königs und der Vornehmen unbegrenzt. Aus der unteren Klasse nahmen sie die Unglücklichen für die Menschenopfer. An Fleisch und Fisch konnten sich nur die Mächtigen bedienen, für alle anderen gab es Hülsenfrüchte und Obst. Auch das Holz für die Beleuchtung in der Nacht war unterschiedlich verteilt. Und die sonst so begehrten Frauen durften in den besseren Kreisen ihre Mahlzeiten nicht zusammen mit den Männern einnehmen, sie durften sie nur bedienen.

Von den Reisen James Cooks stammen weitere Erzählungen über Tahiti. Er umsegelte  gleich dreimal die Welt, von 1768 bis zu seinem gewaltsamen Tod 1779. (1. 1768 – 71; 2. 1772 – 75; 3. 1776 – 79/80) Dabei entdeckte er u.a., dass Neuseeland aus zwei Hauptinseln besteht, er erforschte die Ostküste Australiens, überquerte als erster den südlichen Polarkreis, entdeckte Christmas Island und Hawaii. Nach seinen drei Reisen blieben nur noch wenige Pazifikinseln gänzlich unbekannt, was sich aber – auch durch Cooks Vorarbeiten – in den folgenden Jahrzehnten schnell änderte. Auf Cooks Reisen sind besonders viele Berichte entstanden, weil seine Begleiter mit unterschiedlichen Sichten ihre Erfahrungen mitteilten. So begleiteten ihn Bougainville und die beiden Forsters (Vater Johann Reinhold und Sohn Georg) auf der zweiten Reise und besonders die Schilderungen des Sohnes und seine Übersetzung der Berichte Bougainvilles bestimmten das Südseebild Deutschlands nachhaltig. Georg Forster galt als objektiver Beobachter, obwohl er selber eingestand, vieles durch eine gefärbte Brille wahrgenommen zu haben. Forster jun., bei der Abreise erst 18 Jahre alt, fielen zu Tahiti Vergleiche mit Paradiesgärtlein, Schlaraffenland und Jungbrunnen ein. Cook selbst betonte, niemals kranke Einwohner gesehen zu haben, alle schienen gesund, stark und kräftig zu sein. Die Berichterstatter führten dies auf das günstige Klima zurück. Gemäßigte Wärme, frische Winde, ein heiterer Himmel sorgten darüber hinaus für eine Vielzahl gesunder Früchte, so dass einem glücklichen Leben nichts im Wege stand. Einem Leben, welches die Bewohner sanft, gutherzig, freundlich und gastfreundlich stimmte.

Der ach so junge Georg Forster schwärmte von den zarten, vollbusigen, mit kurzen Röckchen und verführerischen Posen werbenden Frauen, die einen gänzlich anderen Begriff von Keuschheit hatten, ohne dafür von irgendjemanden getadelt zu werden. Forster zeigte Verständnis für die Matrosen und Offiziere, die diesen Werbungen erlagen. Er selbst blieb – nach eigener Aussage -  standhaft, bis auf eine Massage, die ihm die Tochter des Gastgebers nach einer langen Wanderung zuteilwerden ließ. James Cook selbst soll die Rolle des Betrachters nie überschritten haben.
Die negativen Seiten blieben weder bei Cook noch bei Georg Forster unerwähnt, aber man las wohl gerne darüber hinweg. Das Bild der Südsee in Europa wurde durch diese Schilderungen nicht nachhaltig verändert. Die beiden berichteten von Korruption, Habgier, Kindstötungen, Klassenunterschieden, Zwangsprostitution und mangelnder Hygiene. Erst die Ermordung Cooks 1779 auf Hawaii ließ in Europa den rosaroten Blick auf das Leben in der Südsee ins Wanken geraten.

Der britische Seefahrer und Entdecker George Vancouver, der in den 1790er Jahren viermal Tahiti besuchte und als sorgfältiger und exakt arbeitender Kapitän beschrieben wurde, lieferte die nächsten Informationen über die Insel. Er versuchte bei seinen Aufenthalten, den Kontakt zwischen seinen Leuten und den Einheimischen zu reduzieren. Nur ausgewählte Personen durften an Land. Er verbot den Umgang mit den Schönen der Insel und als ein junger, schnöseliger Angehöriger des britischen Adels das Verbot umgehen wollte, bestrafte er ihn mit 24 Peitschenhieben.

Als Bernard 1825 tahitischen Boden betrat, hatte sich einiges geändert. 1797 waren englische protestantische Missionare von der London Missionary Society auf die Insel gekommen, die aber nicht viel ausrichteten. Unter Pomare II., der sich gegen die anderen Häuptlinge der Insel nach seines Vaters Tod behaupten musste, gewannen die Missionare an Einfluss. Pomare ließ sich 1819 taufen, seine Untertanen folgten ihm. 1821 starb er und sein einjähriger Sohn folgte ihm unter der Regentschaft seiner Mutter und der gewiss nicht selbstlosen Hilfe der Missionare. Diese wollten die in ihren Augen nicht sehr edlen Wilden zu einem Leben nach Vorbild der bürgerlichen, protestantischen, puritanischen Moral Englands umformen.

Bernard wollte sehen, wie sich deren Einfluss auf die angeblich so fröhliche, glückliche, freundliche Gesellschaft bemerkbar gemacht hatte. Einige Jahre vor Beginn seiner Reise war in einer Zeitung ein Erfolgsbericht erschienen. Danach war der Götzendienst abgeschafft und es waren Kirchen gebaut worden, die Lesefertigkeit der Leute stark angestiegen, hunderte von alten und neuen Testamenten verteilt und die großen Götzenbilder zerstört worden. Abbilder der Familien-Götzen des Königs hatte dieser den Missionaren übergeben, damit sie vernichtet oder nach England geschickt werden sollten. Angeblich wollte Pomare den Engländern zeigen, welchen primitiven Göttern sie einst gefolgt waren.

Andere Reisende sahen die Veränderungen eher negativ. Adalbert Chamisso, Dichter und Naturforscher französischer Herkunft, der von 1815 bis 1818 an einer Weltumseglung teilnahm, bedauerte die Verhüllung der Körper mit Missionarshemden und die Traurigkeit, die sich über die „Kinder der Freude“ gelegt hatte. Ein russischer Baron, der 1820 auf Tahiti anlandete, sah Frauen mit geschorenen Köpfen, ihre langen Haare waren als unsittlich erklärt worden, wie auch ihre Musik und Tänze, ihr Blumenschmuck und ihre Tattoos. Vor seiner Abfahrt kamen zwar einige Mädchen an Bord, doch anstatt die Besatzung mit Musik und Tanz zu unterhalten, brachten die Besucherinnen nur einige Kirchenlieder zu Gehör.

Den Kritikern der Missionierung hielt man entgegen, dass das Bild von der idyllischen Lebensweise nie zugetroffen hatte. Zwar seien die Menschen den Europäern freundlich entgegengekommen, doch sei ihr Leben untereinander von den rohesten Sitten geprägt gewesen. Einer der Kritiker war der Offizier der russischen Marine Otto von Kotzebue, ein Sohn des erfolgreichen Schriftstellers August von Kotzebue. Er war der Ansicht, ein paar hundert Heiden zu Christen zu machen, sei der Mühe nicht wert. Sie könnten sich an die neue Lebensweise auf Dauer nicht gewöhnen und würden bald daran zugrunde gehen. Ein anderer Weltreisender schrieb etwas später, die Religion der Tahitianer bestünde nur in der Befolgung der äußeren Formen und sei in erster Linie durch die Angst vor den Missionaren begründet.

Zugrunde gingen große Teile des tahitischen Volkes allerdings weniger an der Missionierung als, neben den zur Machterhaltung geführten Kriegen, an dem Einschleppen von Waffen, Alkohol und Krankheiten; in der Südsee besonders an der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten. Dagegen ergriff aber auch Kotzebue keine vorbeugenden Maßnahmen. Im Gegenteil, er ließ großzügig die tahitischen Frauen an Bord kommen und meinte, keinen Schaden zu verursachen, „wenn ein wenig Moral über Bord geht, dafür an Bord der Mannschaftsgeist profitiert“.

Bernard sah bei seinem kurzen Aufenthalt keine Chance, wirklich hinter die Kulissen zu schauen, doch durch die Arbeit der Missionare schien ihm die Stimmung auf der Insel nicht so bedrückt und freudlos wie manche geschrieben hatten. Er sah fröhliche Gesichter, auch  Zusammenkünfte bei Tanz und Musik, und es schien ihm, dass die Einwohner eine angepasste Art gefunden hatten, mit den Regeln der Religion umzugehen. Es wurde nicht die reine Lehre des Evangeliums gelebt, aber wer werfe da den ersten Stein? Und wenn es stimmte, dass durch die Arbeit der Missionare die grausamen Rituale der Vergangenheit angehörten, war seiner Meinung nach schon viel erreicht.

7. Neuseeland

Nach einigen Tagen auf Tahiti bekam Bernard eine Passage nach Neuseeland, auch das ein Land auf der Route der Walfangschiffe. Davon lagen auch drei vor Anker, als ihr Schiff nach einer dreiwöchigen Fahrt in der Bay of Islands anlandete. Die Fahrt hierher war für den inzwischen an hoher und unruhiger See Gewöhnten äußerst unangenehm gewesen. Er erinnerte sich an seine schlechten Erfahrungen auf dem Atlantik. Wieder konnte er tagelang kaum Nahrung zu sich nehmen, musste sich mit Keksen und nicht mehr sehr frischem Wasser begnügen. Geschwächt verließ er in Neuseeland das Schiff.  Hier musste er erst einmal zu Kräften kommen, ganz gleich, welche Schauergeschichten ihm über die Maori durch den Kopf gingen. Was hatte er nicht alles für blutige Geschichten über sie in den Kalenderblättern und Presseberichten gelesen?

Unzivilisiert, barbarisch, primitiv, kriegerisch und grausam sollten sie sein. Fremden würde sie menschliche Schädel und andere Knochen vorzeigen und demonstrativ an ihnen herum knabbern. Mit ihrem Begrüßungs-, aber gleichzeitig auch Kriegstanz, dem Haka, brächten sie auch den Mutigsten zum Erschauern.  Die Chancen – so ein Forschungsreisender - sich  durch die Begegnung mit europäischer Kultur zu entwickeln, hätten sich nicht genutzt.  Nur die negativen Seiten waren bereitwillig übernommen worden. Der Reisende war sich sicher, die Maori würden bald ausgestorben sein.

Stark geprägt worden waren die Ansichten über das Volk von den Erlebnissen des Franzosen Marc-Joseph Marion du Fresne, der mit 25 weiteren Offizieren und Matrosen 1772 überfallen und getötet worden war. Wochenlang hatten sie in gutem Einvernehmen neben den Maori in der Bay of Island gelebt, wo sie wegen einiger Reparaturen an den Schiffen und wegen ihres geringen Trinkwasservorrates anlanden mussten. Als sie eines Tages vom Fischen zurückkamen, hatte sich das Blatt gewendet. Den Maori war zu Ohren gekommen, dass dreizehn Franzosen in der Manawaora Bay angelandet waren. Das war streng verboten, weil dort vor ein paar Wochen einige Maori ums Leben gekommen waren. Damit galt das Betreten der Bucht als ein „tapu“. Diesen Tabubruch beantworteten hunderte von Maori Kriegern mit der Tötung du Fresnes und seiner Seeleute. Die Franzosen reagierten auf den Überfall mit Brandschatzung und Morden.

Bernards Schwächezustand ließ ihn dies alles beiseiteschieben; es würde so schlimm schon nicht werden. Bei der Missionsstation in der Bucht bat er um Hilfe, die ihm zuteil wurde. Der dort seit 1823 zuständige Missionar der anglikanischen Church Mission Society (CMS) Henry Williams hatte es, im Gegensatz zu seinen sendungsbewussten Vorgängern, geschafft, vertrauensvolle Kontakte zu den in der Nähe der Bucht neu angesiedelten Maori-Familien aufzubauen. Diese Familien hatten ihre angestammten Siedlungsgebiete verlassen, weil sie sich durch Geschäfte mit den Missionaren und den Seeleuten andere Einnahmequellen erhofften. Durch die Vermittlung der Missionare konnte Bernard in einem der unbenutzten Schlafhäuser des Stammes unterkommen. Es war mehr eine Hütte als ein Haus, doch das schreckte Bernard nicht ab, er wollte jetzt nur noch schlafen. Nach einem kleinen Imbiss machte er genau das und wachte erst am Abend des folgenden Tages wieder auf.

Geweckt wurde er von einer jungen Frau, die ihm Früchte und Getränke brachte, ihn mit unverständlichen Worten begrüßte und wieder verschwand. So oder ähnlich wiederholten sich diese Besuche in den nächsten Tagen. Auch Männer von der Missionsstation schauten vorbei und verfolgten seine langsame Genesung. Nach ungefähr einer Woche fühlte er sich stark genug, das Schlafhaus zu verlassen. Um seinen Helfern und seiner Helferin seine Dankbarkeit zu zeigen, bot er an, sie bei allen möglichen Arbeiten zu unterstützen. Doch sie wiesen sein Angebot zurück. Er sei zum Arbeiten noch viel zu schwach und solle sich erst einmal weiter im Schlafhaus erholen.

In den folgenden Tagen wurde ihm klar, dass er seine durch die Reiseliteratur geschürte Angst vor menschenfressenden Maori nicht sehr ernst nehmen musste. Sie sahen zwar oft bedrohlich aus, machten auch nicht gerade freundliche Gesichter, wenn sie ihn sahen, doch ließen sie ihn in Ruhe. Gefährlicher waren die derzeit immer wieder ausbrechenden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen einigen Stämmen der Nordinsel. Durch die Schusswaffen, die die Maori von den Engländern bekommen hatten, wurden die Konflikte zu blutigen Kriegen mit tausenden Opfern. Bernard wollte wissen, wie nahe die Kämpfe an die Gegend um die Missionsstation heran gekommen waren, erhielt aber beruhigende Antworten. Dafür erzählte man ihm von anderen ungemütlichen Nachbarn. Von den vielen Schiffen, die in den letzten Jahrzehnten hier angelegt hatten, waren immer wieder einige nicht sehr vertrauenswürdige Seeleute und Reisende in der Bucht hängen geblieben. Die meisten von ihnen hatten keine Gedanken daran verschwendet, wie sie mit ehrlicher Arbeit ihren Unterhalt verdienen konnten, sondern hatten sich zu Banden zusammengeschlossen, die durch Überfälle und Betrügereien die Gegend unsicher machten. Von diesen Nachbarn sei im Moment das meiste zu befürchten. Doch durch den regelmäßigen Kontakt gaben sich die Missionsstation und die Maori aus der Nachbarschaft gegenseitigen Schutz, allein schon durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit.

Ein Abend auf dem Marae

An einem der nächsten Abende erhielt Bernard eine Einladung zu einem Zusammentreffen des Stammes auf dem Vorplatz des großen Versammlungshauses, dem Marae. Begrüßt wurde er von einigen Stammesmitgliedern mit dem typischen Nasendrücken, von dem ihm auf dem Schiff schon erzählt worden war, so dass es ihn nicht überraschte und er sich angemessen verhielt. Es verblüffte ihn allerdings die unterschiedliche Länge und Stärke der jeweiligen Zeremonie. Ihm kam das heimische Händeschütteln in den Sinn, bei dem manch kräftiger Westfale auch erst Schluss machte, wenn sein Gegenüber Anzeichen von Schmerzen sehen ließ. Bei der weiteren Verständigung mit den Maori half ihm ein gebürtiger Engländer. Auch er war vor Jahren mit einem Walfangschiff in der Bucht angekommen und hatte das Land der Liebe wegen nicht mehr verlassen.

Als Bernard und der Engländer, der seit ein paar Monaten den Maori-Namen Wetenga angenommen hatte, in die Runde schauten, winkte seine tägliche Besucherin sie zu sich und bot ihnen den Platz neben sich an. Nach einiger Zeit, nachdem er allen Mut zusammengenommen hatte, fragte Bernard nach dem Namen der Frau. Wetenga sprach kurz mit ihr und erhielt wohl die Erlaubnis, den Namen zu nennen. Hinemoa hieß sie. Bernard wiederholte den Namen einige Male und sah sie zum Schluss dabei an. Sie lächelte ihm zu. Sie war eine nachgeborene Tochter des Häuptlings, nicht durch besondere Pflichten und Rituale wie die Erstgeborene gehindert, ihren Weg zu gehen. Ihr war die Aufgabe zugefallen, losen Kontakt mit der Missionsstation zu halten. Wenn allerdings etwas Wichtiges zu regeln war, übernahmen das die mächtigen Männer.

Alle warteten auf den Clanchef und nachdem dieser Platz genommen hatte, formierten sich rund zehn Männer und präsentierten einen Haka, den berühmt berüchtigten Tanz der Maori. Obwohl die Tänzer alles gaben, um furchteinflößend und bedrohlich zu wirken, hatte Bernard keine Angst, denn die anderen Teilnehmer saßen friedlich auf ihren Plätzen. Auch wandten sich die Krieger nicht ihm zu, sondern tanzten vor allen Anwesenden. Die Männer führten keine Waffen bei sich, traten aber kraftvoll, laut und bestimmend auf und streckten weit ihre Zungen heraus. Es war gut vorstellbar, welchen Schrecken sie in anderen Zusammenhängen verbreiten konnten. Aber niemand im Publikum zeigte ein besorgtes Gesicht und im Hintergrund begleiteten sogar einige Frauen mit eleganten Tanzbewegungen die Aufführung der Männer. Nach dieser Begrüßung gab es innerhalb der Maorigesellschaft einiges zu beraten und zu entscheiden. Bernard hatte Zeit, sich gründlich umzusehen.

Das Versammlungshaus, vor dem sie saßen, glänzte in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Es hatte weiße Holzwände und ein dunkelrotes, reich verziertes Dach. Seitliche Holzstelen umfassten den Eingangsbereich, in dessen Mitte eine schlanke Säule, aus übereinander getürmten Gestalten geschnitzt, bis über das Dach reichte und von einer Skulptur eines Mannes, vielleicht eines Häuptlings, gekrönt wurde.

Manche der versammelten Maori um ihn herum sahen ziemlich wild aus. Er studierte ihren  Hautschmuck, der den hochrangigen Männern vorbehalten war. Bei den älteren von ihnen war oft der ganze Kopf mit dunklen Linien überzogen. Alle Tätowierungen unterschieden sich, folgten, wenn der Tätowierer es gut gemacht hatte, den Linien des Kopfes. Auch einige Frauen schmückten sich mit kleinen Zeichnung auf den Lippen, am Kinn oder am Nasenflügel und Bernard entdeckte, dass bei Hinemoa unter der Lippe eine Art Blumenmotiv eingeritzt war. Wie krank musste er gewesen sein, um das erst jetzt zu entdecken?

Nach den offiziellen Beratungen, einem Tanz der Frauen und einigen gemeinsamen Gesängen, setzten sich nach und nach ein paar ältere Frauen in die Mitte und erzählten Geschichten der Vorfahren.

Erste Geschichte

Die erste handelte von Kupe, der die Inseln, viele Jahre nachdem der Unruhestifter Maui sie vom Boden des Ozeans gefischt hatte, wieder entdeckte. Kupe lebte in Hawaiki und hatte sich in eine junge Frau verliebt, die aber schon mit seinem Vetter Hoturapa verheiratet war. Eines Tages fuhren Kupe und sein Vetter zum Fischen hinaus. Als sie weit draußen waren und den Anker warfen, verfing sich Kupes Angelleine. Hoturapa bot seine Hilfe an und Kupe forderte ihn auf, unter das Boot zu tauchen, um sie wieder frei zu bekommen. Doch kaum war Hoturapa unter der Wasserfläche verschwunden, kappte Kupe das Seil des Ankers, paddelte zurück an Land und ließ seinen Vetter erbarmungslos ertrinken. Wieder zu Hause, erzählte er der Familie von dem angeblich tragischen Unfall und heiratete so schnell wie möglich die Witwe.

Nach einigen Wochen kamen in den Familien des Getöteten und der Witwe Zweifel an Kupes Erzählung auf. Diesem schien es angebracht, das Weite zu suchen. Er stattete ein Kanu für eine lange Reise aus und verließ seine Heimat mit Frau, Familie und einem erfahrenen Navigator.

Viele Tage waren sie unterwegs, ohne Land zu entdecken. Sie waren müde, mutlos und niedergeschlagen, den sicheren Tod vor Augen. Doch dann entdeckte Kupes Frau eines Morgens eine lange weiße Wolke und darunter Land. Sie segelten darauf zu. Das Land war größer als sie je eines gesehen hatten. Die Wolke zog sich über die ganze Länge hin und so nannten sie das Land Aotearoa – lange weiße Wolke. Sie fuhren die Küste entlang, erforschten jeden Winkel, ruhten sich aus und mussten eine Tochter betrauern, die Selbstmord begangen hatte.

Dann kam die Zeit, in die Heimat zurückzufahren. Die Gruppe schaffte die schwierige Rückreise, musste bei der Ankunft viel erzählen und eine Menge Fragen beantworten.  Auf die Frage, ob er in dem fernen Land auch Menschen angetroffen habe, antwortete er: „Ich sah einen Kakadu und eine kleine Taube.“ Die Antwort „nein“ erschien ihm zu unhöflich. Dann fragte man ihn, ob er nach Aotearoa zurückkehren wolle. Wieder wich er aus und sagte: „E hoki Kupe? (Wird Kupe zurückkehren?). Und bis heute gebrauchen die Maori diese Antwort, um ein Nein zu vermeiden.

Zweite Geschichte

Eine andere Frau setzte sich in die Mitte und erzählte nach einer kleinen Pause, in der sich die Zuhörer über das gerade Gehörte ausgesprochen hatten, eine weitere Geschichte. Sie handelte von einer Frau namens Rona und der Legende vom Mond.

Rona war eine schwierige Frau. Aus unerfindlichen Gründen kam sie schnell in Wut, brüllte herum und beleidigte jeden, der ihr in die Quere kam. Ihr Mann liebte sie sehr, sah traurig diesen Wutausbrüchen zu und dachte manchmal, dass es wohl besser sei, sie zu verlassen.

Eines Nachts, als er mit seinen zwei Söhnen zum Fischen hinausfuhr, sagte er seiner Frau, dass sie nicht vor der nächsten Nacht zurückkommen würden und es schön wäre, wenn dann das Abendessen bereit stünde. Rona stimmte zu und begann am nächsten Tag mit der Zubereitung der Mahlzeit. Sie machte Feuer und legte Steine darauf. Wenn die Sonne unterging, müsste sie Wasser auf die Steine geben, das Essen darauf legen und mit Blättern und Lehm abdecken.

Als sie am Abend den Gesang der zurückkommenden Fischer hörte, wollte sie damit beginnen, merkte aber, dass sie vergessen hatte, Wasser zu holen. Mit zwei großen Kürbissen lief sie zur Quelle. Es war schon dunkel, kein Mondlicht beschien den Weg, sie stolperte und fiel hin. Schnell stand sie wieder auf und sah erleichtert, dass die Kürbisse heil geblieben waren. An der Quelle füllte sie Wasser hinein und lief zurück. Doch es war nicht heller geworden und sie geriet noch einmal ins Straucheln und fiel. Dabei schwappte eine Menge Wasser aus den Kürbissen, aber schlimmer noch, sie scheuerte sich ihr Knie auf. Ihre Wut darüber war größer als der Schmerz und sie ließ sie am Mond aus. „Du hast mir dein Licht genommen. Was fällt dir ein! Pokokohua! Pokokohua!“ Das war zu viel. Dazu muss man wissen, dass dieses Wort ein ganz schlimmes Schimpfwort ist. Es bedeutet nur ‚gekochter Topf‘, aber dahinter verbirgt sich etwas äußerst Unanständiges, was genau, wollte kein Maori sagen.

Der Mond konnte die Beleidigung nicht hinnehmen. Er packte Rona und wollte sie hinauf ziehen. Rona versuchte noch, sich an einem Zweig festzuklammern, doch der Mond zog Rona mitsamt dem Baum in die Höhe und stellte die Frau auf seiner Vorderseite ab.

Als ihr Mann und die Söhne heimkamen, sahen sie die Vorbereitungen für die Mahlzeit, doch keine Rona. Erst als sie zum Mond hinaufschauten, entdeckten sie dort die Gestalt einer Frau mit zwei Kürbissen und wussten sofort, was geschehen war. Rona hatte wohl einmal zu viel geflucht.

Diese Geschichte hat als warnendes Sprichwort Eingang in die Maori-Sprache gefunden. Das Sprichwort lautet: ‚Kia mahara ki te he o Rona‘ und heißt: Erinnere dich an Ronas falsches Verhalten!

Die letzten Tage

Rund vierzehn Tage blieb Bernard noch in der Bucht. Er nahm sich Zeit, um der Missionsstation beim Aufräumen, Putzen, Reparieren, Transportieren und weiteren Arbeiten zu helfen und immer, wenn es ihm gestattet wurde, machte er sich bei Hinemoas Familie in Haus und Garten nützlich. Das waren seine schönsten Stunden, denn hin und wieder fand sich auch seine Freundin, wie er Hinemoa für sich nannte, im Garten ein und arbeitete mit ihm zusammen. Da sie ihn nicht mehr in der Schlafhütte besuchte, war das der Weg, sie zu sehen und durch Gesten und Mimik eine Art Unterhaltung mit ihr zu führen. Oft verstanden sie überhaupt nicht, was der andere meinte, probierten aus, sich mit Händen, Füßen und allerlei Grimassen zu verständigen, amüsierten sich dabei köstlich, lachten viel und arbeiteten wenig. Dabei war Arbeit genug vorhanden. Die Kartoffelfelder warteten auf Pflege und auch einige Reihen Gemüse mussten gejätet werden. Die Maori hatten sich nie große Sorgen wegen ausreichender Nahrung machen müssen. Der überall wachsende Farn, dessen Wurzeln zwar nicht besonders lecker aber sehr nährstoffreich waren, die Schalentiere an den Küsten und die Fische des Meeres reichten immer aus. Trotzdem hatten einige Gemüsepflanzen der Engländer ihr Interesse geweckt und sie nutzten sie gern, um ihren Speiseplan zu variieren.

Es fiel Bernard schwer, seine Abreise zu planen, doch wusste er auch, dass es mit jedem Tag schwieriger wurde. In der dritten Woche bemühte er sich um eine Passage auf einem holländischen Schiff. Dieses fuhr ohne große Umwege zu Bernards nächstem Ziel und deshalb hieß es, Abschied zu nehmen. Das war Bernard auf seiner Reise noch nie so schwer gefallen. Die Missionare gaben ihm die unverzichtbaren Kekse und Obst mit, Hinemoas Familie schenkte ihm einen Korb mit gerösteten Süßkartoffeln und Hinemoa hängte ihm eine Kette mit einem zu einer Acht verdrehten Oval aus einem grünen Stein um den Hals. Bernard schenkte ihr eine kleine geschnitzte Holzfigur, bei der er vergeblich versucht hatte, eine Ähnlichkeit mit sich herauszuarbeiten. Nach Ablegen des Schiffes stand der junge Mann lange an der Reling, auch als vom Land nichts mehr zu sehen war.

8. Batavia

Das Schiff nahm Kurs auf die kleine Insel Norfolk, danach fuhr es in Richtung Neukaledonien. Beide Inseln, bzw. Inselgruppen haben ihren Namen James Cook zu verdanken. Auf seiner Reise benannte er 1774 Norfolk zu Ehren der Duchess of Norfolk und Neukaledonien erhielt den Namen, weil ein Teil der Hauptinsel ihn an Schottland erinnerte; von den Römern „Caledonia“ genannt. An der Norfolkinsel fuhren sie nur vorbei. Sie war gerade nach zwölfjähriger Pause von den Briten wieder als Sträflingskolonie für Schwerkriminelle eingerichtet worden. In Neukaledonien legten sie für einen kurzen Stopp an.

Entlang der Ostküste Australiens ging es weiter nach Norden. Dort bogen sie in die berüchtigte Torres Straße ein, der Meerenge zwischen Australien und Neu-Guinea. Berüchtigt wegen einer starken Gezeitenströmung, gefährlicher Riffe und wandernden Sandbänken. Zwischen 274 kleinen bis mittelgroßen Inseln musste der Kapitän hindurch lavieren. Er trotzte der rauen See und konnte manche Stellen nur bei Flut passieren. Vom Schiff aus sahen Besatzung und Passagiere zahlreiche Kokospalmen, die die Inselbewohner als Sinnbild ihrer Großfamilien ansahen, von den Bewohner sahen sie nichts. Das Schiff steuerte auf Celebes zu und gelangte dann ohne weitere Komplikationen nach Batavia.

Vor der Einfahrt in das Hafengebiet kamen sie an zahlreichen unbewohnten Inseln vorbei. Auf einer sahen sie allerdings einige kleine, weiß getünchte Häuser, mit Ziegeln bedeckt und eine große Werft für die Reparatur der Schiffe. Vor dem Hafen Batavias ankerten sie neben Briggs und dreimastigen Schiffen auf der Reede. Das war nötig, weil das flache Gewässer es nicht zuließ, mit den großen Schiffen näher an das Land heranzufahren. Zwischen zwei weit ins Meer herausragenden Dämmen brachten kleine Schiffe sie in den Hafen.

Unter schattenspendenden Tamarindenbäumen warteten Javaner, Malaien und Chinesen auf die Neuankömmlinge. Einige machten auf ihre kleinen Läden aufmerksam, andere offerierten Mietwagen für die Weiterfahrt oder boten sich als Träger an. Europäer waren hier nur wenige zu sehen. Sie hielten sich in erster Linie in ihrem Viertel Weltevreden landeinwärts auf, in ihren Landhäusern, in ihren kleinen Palästen inmitten großzügig angelegter Gärten. Dort lebte es sich angenehmer und gesünder als in der feucht-heißen, sumpfigen, stinkenden Hafenzone. Auch die Chinesen und andere Einheimische zog es in höher gelegene Gegenden, teils zerstreut oder gemeinsam in kleinen Dörfern. Das größte von diesen war das chinesische Kampong, westlich von Batavia gelegen.

Die alte Stadt am Hafen war zum großen Teil abgerissen oder sich selbst überlassen worden. Bernard sah die Reste der alten Wälle des Forts, wo Arbeiter gerade Backsteine herausschlugen, um sie weiter zu verwenden. Er sah verlassene Häuser, Trümmerhaufen, Wildwuchs. Nur das Zollhaus, das Arsenal und ein Wirtshaus machten einen besseren Eindruck, was Bernard dazu bewog, dort einzukehren.

Schon zu den Zeiten, als die Vereinigte Ostindische Kompanie (VOC) hier das Sagen hatte, waren deutsche Soldaten und Schiffsleute angeheuert worden, weil es in den Niederlanden nicht genügend bereitwillige junge Männer für die Dienste auf den Schiffen gab. Bernard hoffte, in Batavia einen Landsmann zu finden, der ihm einige Ratschläge für seinen Aufenthalt und seine weiteren Pläne geben konnte. In einem Gasthaus in der Nähe von Weltevreden konnte er unterkommen.

Am nächsten Tag streifte er planlos umher, kam bald zu einem zentralen Platz, dessen eine Seite vom Gouverneurspalast eingenommen wurde. Hier befand sich alles, was zur Verwaltung nötig war: das Büro der Regierung, das Postbüro, die Landesdruckerei, Gefängnisse und Wachstuben. Auf einer anderen Seite sah er kasernenartige große Gebäude, in denen sich die Offizierswohnungen befanden. In einer Ecke stand eine katholische Kirche und in der Mitte des prächtigen Platzes eine Säule mit dem niederländischen Löwen. Dieser Platz und auch die Wohnviertel von Weltevreden zeugten von den Reichtümern, die die Niederländer in diesem Teil der Welt erlangen konnten. Durch Kooperation und Verträge, aber auch durch Gewalt und Erpressung gegenüber den Insel-Fürsten, hatten die Ostindien-Kompanie und danach der niederländische Staat ihr Monopol auf den lukrativen Gewürzhandel durchsetzen können. Die Gewürznelken, das Sandelholz, Muskatnüsse, Zimt und schwarzer Pfeffer waren bei den wohlhabenden Schichten Europas heiß begehrt.

Bernard sah bei seinem Spaziergang durch das europäische Wohnviertel nur ein paar weiße Frauen. Später erfuhr er, dass die wenigsten Ehefrauen ihre Männer nach Batavia begleiteten. Das Klima sagte ihnen nicht zu und außerdem war nicht immer klar, wie lange die Männer für ihre Tätigkeit in Batavia bleiben mussten, wollten oder durften. Viele Niederländer nahmen sich einheimische Frauen, gründeten Familien mit ihnen, die sie aber auch ohne Skrupel verstießen, falls die angetraute europäische Frau doch nach Batavia kam. Einige der niederländischen Ehefrauen, die mit Dienerschaft im Gefolge durch das Viertel gingen, trugen Röcke und Gewänder, deren Stoffe fast wie javanische aussahen. Die Europäerinnen hatten sich von den einheimischen Frauen in die Kunst der Batik einweihen lassen und passten nur die Muster dem europäischen Geschmack an. Anstatt der althergebrachten javanischen Motive bildeten sie besonders gerne Blüten, besonders die der Tulpe, auf ihren Stoffen ab.

Am Tag darauf sah sich Bernard in einem Chinesenviertel um. Chinesische Handwerker waren schon vor Jahrhunderten von den Niederländern auf die Insel geholt worden, um beim Aufbau von Batavia eingesetzt zu werden. Es waren über die Jahre hinweg viele weitere Händler und Arbeiter gekommen, angelockt von der Hoffnung auf ein besseres Leben und gute Geschäfte. Die Ansiedlungszahlen wurde den Niederländern zu hoch. Sie verstärkten die Kontrollen und deportierten viele Ankömmlinge nach China zurück. Als in den 1730er Jahren die Malaria ausbrach und viele Opfer forderte, machten weite Teile der einheimischen Bevölkerung und der Niederländer die Chinesen dafür verantwortlich. Das Misstrauen der Javaner wuchs auch aus der wirtschaftlichen Ungleichheit der beiden Bevölkerungsgruppen. Für sie waren alle Chinesen reich, wohingegen sie der Armut nicht entkommen konnten. Die Chinesen aber, sowohl die armen Arbeiter in den Zuckerfabriken als auch deren reiche Besitzer, fühlten sich durch die wirtschaftliche Entwicklung benachteiligt, protestierten auf den Straßen und töteten fünfzig niederländische Soldaten. Die Niederländer drohten mit unnachgiebigem Gewalteinsatz und Ausgangssperren. Chinesische Arbeiter wurden zahlreicher Gräueltaten beschuldigt. Es kam zu Plünderungen und Morden, was niederländische Truppen mit Brandschatzungen und der Tötung Tausender beantworteten. Nach Wochen der Unruhen kam es zu einem Waffenstillstand, der aber in den Folgejahren mehrmals durch Aufstände unterbrochen wurde.

Diese Ereignisse, die als Batavia-Massaker von 1740 in die Geschichte eingingen, hatte Bernard im Hinterkopf, als er das Chinesenviertel westlich von Batavia besuchte. Hier war nichts Niederländisches mehr zu entdecken. Einstöckige Häuser im chinesischen Stil, Handwerker jeglicher Art in ihren offenen Läden, Kramläden mit allen Utensilien des täglichen Gebrauchs, einige Apotheken mit äußerst befremdlichen Arzneimitteln und eine nicht geringe Zahl von Speisehäusern und Garküchen, in denen ständig gekocht und gebraten wurde. Die Düfte aus diesen Küchen vermischten sich auf den Straßen zu einer durchaus appetitlichen Anregung und Bernard konnte es nicht lassen, eine kräftige Suppe aus Fleisch und Fisch, verschiedenen anderen Meerestieren und einer Vielzahl von Gemüsen zu bestellen. Sie bekam ihm ausnehmend gut, machte ihn nur ein bisschen müde, so dass er noch eine Weile sitzen blieb und das Treiben auf der Straße beobachtete.

Die kurvige Straße vor ihm war zweigeteilt. In der Mitte verlief ein Kanal, über den zahlreiche Brücken die beiden Seiten verbanden. Es waren viele Leute unterwegs. Die Geschäfte erfreuten sich eines guten Zulaufs. Einige Bewohner nahmen sich die Zeit, mit Bekannten ein kleines Pläuschchen zu halten und fast alle trugen größere Körbe oder Beutel mit den Einkäufen des Tages bei sich.

Als er so vor sich hin träumte, setzte sich ein europäischer Herr an den Nachbartisch. Sie nickten sich zu und als dieser die gleiche Suppe bestellte, wie sie Bernard gerade gegessen hatte, beglückwünschte er ihn zu seiner Wahl. Sie kamen ins Gespräch. Bernard äußerte vorsichtig seine Verwunderung darüber, ihn hier anzutreffen, womit er bei seinem neuen Bekannten einen unerwarteten Mitteilungsdrang auslöste. Der Mann, ein Niederländer, nennen wir in Guttmin, suchte hier im Chinesenviertel Abstand zu seinen Landsleuten, mit denen er in den vergangenen Jahren seiner Tätigkeit als Beamter der Kolonialbehörden keine guten Erfahrungen gemacht hatte. Er musste wohl ein höhergestellter Beamte sein, vermutete Bernard. Guttmin war gut gekleidet, drückte sich in wohl gewählten Worten aus und konnte sich auf Deutsch fließend mit Bernard  unterhalten. Seinen Ärger begründete er mit den Eigenmächtigkeiten und der unkorrekten Amtsführung der meisten Verantwortlichen, weniger in Batavia als in den weiter entfernt liegenden Bezirken. Vor Kurzem musste er feststellen, dass auch der General-Gouverneur unangenehmen Nachrichten lieber aus dem Weg ging.  Niemand zeigte ein Interesse daran, negative Berichte weiterzuleiten, denn die hätten unweigerlich irgendwann die Regierung im Mutterland erreicht und die eigene Karriere beeinträchtigt.

Guttmin erzählte weiter, dass er bei Amtsbeginn einen Eid hatte ablegen müssen, nachdem er „die inländische Bevölkerung beschirmen werde gegen Unterdrückung, Misshandlung und Erpressung.“ Das war ihm unmöglich gemacht worden, denn die Unterdrücker, Misshandler und Erpresser stützten sich gegenseitig und erhielten Rückendeckung von den Vorgesetzten, die nicht unwillig waren, dafür eine gewisse Gegenleistung entgegen zu nehmen. So hatte er bei der Prüfung der Bücher zu Amtsantritt entdeckt, dass die Zahlen der Reisverkäufe zwischen den Bezirken nicht mit den dort gekauften Reismengen übereinstimmten. Die der Verkäufe waren deutlich höher und er fragte sich, warum dieses offensichtliche Missverhältnis noch niemand entdeckt hatte.

Oder die Sache mit den „Herrendiensten“, die von den Regenten der Bezirke in Anspruch genommen werden konnten. Diese Regenten stammten meistens aus einheimischen Adelsfamilien, weil sie durch ihre über Generationen gewachsene Autorität und Herrschaft am besten die Sicherheit gewährleisten konnten. Zugeordnet war ihnen ein Kolonialbeamter, der ihr Tun kontrollieren sollte. Aber wenn die Regenten immer mehr unbezahlte Arbeit von den Bauern forderten, schauten sie oft weg. Wenn die Bauern dann allerdings die ihnen auferlegten Mengen an Reis oder Kaffee etc. nicht liefern konnten, weil sie für die Arbeit auf ihren Äckern zu wenig Zeit hatten, bestrafte man sie zusätzlich.

Die Verpflichtung, in erster Linie Exportgüter anzubauen und zu festen Preisen an die Regierung zu verkaufen, drückte die Landbevölkerung und führte zu Hunger und Leid. In Zentral-Java versuchten die Bauern, sich gegen diese Ungerechtigkeiten zu wehren. Die Niederländer antworteten mit heftigem Truppeneinsatz und schlugen den Aufstand nieder.

Viele wussten von den Unregelmäßigkeiten und Übergriffen, aber wenn der eine über die Missetat des anderen hinwegsah, konnte er sich selbst Einiges erlauben. Eine Hand wäscht die andere, so fasste Guttmin seine Erfahrungen zusammen und da er bei diesem System nicht mitmachen wollte, geriet er in Ungnade, wurde mehrfach versetzt und rechnete fest mit seiner bevorstehenden Entlassung aus dem Kolonialdienst.

Am Ende seiner Klage entschuldigte sich Guttmin bei Bernard, dass er ihn so lange aufgehalten und mit seinen Sorgen überschüttet hatte. Bernard winkte ab. Er bedankte sich für das entgegengebrachte Vertrauen und den realistischen Einblick in die örtlichen Verhältnisse. Sie verabschiedeten sich sehr freundschaftlich und wünschten sich gegenseitig Glück für die vor ihnen liegenden Ereignisse.

Abends in den Gaststuben lotete Bernard die Möglichkeit aus, von Batavia mit einem holländischen Schiff nach Japan zu fahren. Nur aus diesem Grund hatte er Batavia in sein Reiseprogramm aufgenommen. Und die hier gerade bestehenden unruhigen Zeiten beschleunigten seine Absicht, Batavia bald zu verlassen.

Bernard wusste, dass Japan seit dem 17. Jahrhundert Fremde – von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht ins Land ließ, doch hegte er die Hoffnung, als Seefahrer auf einem niederländischen Schiff vielleicht eine Chance zu haben. Die Niederländer waren zur Zeit die einzigen Europäer, die in Japan anlanden und mit Japanern Handel treiben durften. Von Dejima aus, einer kleinen, künstlichen Insel vor Nagasaki, betrieben sie ihre Geschäfte. Dort standen sie unter aufmerksamer Beobachtung von japanischen Beamten, Dolmetschern und Wächtern und durften die Insel nur in Ausnahmefällen über eine streng bewachte Brücke Richtung Nagasaki verlassen. Eine weitere Brücke führte zu den Schiffen. Für all diese Aufwendungen mussten die Niederländer viel Geld bezahlen, doch die zu erwartenden Gewinne lohnten diese Ausgaben.

Der Optimismus unseres Weltreisenden, in Japan einen Fuß auf die Erde zu bekommen, nährte sich aus dem Beispiel des bayerischen Arztes und Naturforschers Philipp Franz von Siebold, dem es als Militärarzt der niederländisch-indischen Armee gelungen war, von den Japanern akzeptiert zu werden. Seit August 1823 war er in Japan. Allerdings konnte er mit medizinischen und naturwissenschaftlichen Kenntnissen punkten. Ihm war es erlaubt, japanische Patienten zu behandeln und Kollegen und andere Wissenschaftler zu treffen. Als besondere Ehre gestattete man ihm sogar, außerhalb Dejimas eine Schule zu betreiben, in der er seine Besucher und Patienten in westlicher Naturkunde und Medizin unterrichtete.

Fähigkeiten wie Siebold konnte Bernard nicht vorweisen. Seine Gesprächspartner in Batavia nahmen ihm schnell die letzten Hoffnungen. Mehr als die Küste Japans würde er nicht zu sehen bekommen. Auf allen Schiffen wurden die Besatzung und die mitgeführten Waren gründlich kontrolliert, bevor die Erlaubnis erteilt wurde, Dejima zu betreten. Sogar die Frau eines neu ernannten Direktors der niederländischen Verwaltung war 1817 nach drei Monaten ausgewiesen worden. Eine Ausnahme von der Regel – ausländische Frauen durften sich in Dejima nicht aufhalten – hatte die japanische Regierung auch der Direktorenfrau nicht gestattet. Bernard würde schon wegen seiner Unkenntnis der niederländischen Sprache auffallen; obwohl, so räumten sie ein, die Japaner das unzureichende Niederländisch des Siebold auch stillschweigend überhört hatten. Aber was wollte er in Dejima, fragten ihn die Seeleute. Man kam sich auf der kleinen Insel schnell wie ein Gefangener vor, versicherten sie ihm und bemerkten anzüglich: Prostituierte könne er auch in Batavia aufsuchen. Womit sie auf die japanischen Frauen anspielten, die auf Dejima offiziell angesiedelt worden waren - freiwillig und unfreiwillig -, um den Fremden mit ihren Liebesdiensten zur Verfügung zu stehen.

Bernard stimmten diese eindeutigen Informationen nicht so traurig, wie er selbst vorher vermutet hatte. Er hätte einen weiten Weg zurück nach Nordost einschlagen müssen und wenn er ganz ehrlich mit sich war, musste er zugeben, langsam so etwas wie Heimweh zu verspüren und neue Eindrücken und Erfahrungen nicht mehr so enthusiastisch aufzunehmen wie in den Monaten zuvor. Also kümmerte er sich um ein Schiff, das bereit war, ihn in Richtung Europa zu bringen. Das war in Batavia nicht besonders schwierig, denn die kostbaren Waren aus dieser Region und aus Japan wurden in Europa erwartet.

9. Kapkolonie

Es sollte mal wieder eine sehr lange Seefahrt werden. Das Gebiet des Indischen Ozeans war dem Kapitän des niederländischen Schiffes zwar wohlbekannt, aber die Zeiten, in denen er von einem niederländischen Stützpunkt zum anderen fahren konnte, waren lange vorbei.  Mauritius – benannt nach dem Statthalter Moritz, Prinz von Oranien –  kam nach einem fast hundertjährigen französischen Zwischenspiel 1810 an die Briten und war seit 1814 britische Kronkolonie. Madagaskar lag noch auf dem Weg. Dort verstand es der seit 1810 herrschende König Radama I., die Briten und Franzosen gegeneinander auszuspielen, um seinen Herrschaftsbereich auszudehnen. Seit dem 17. Jahrhundert nutzen Sklavenhändler Madagaskar, um Arbeitskräfte für den Einsatz auf Mauritius zu verschleppen.

Im Notfall hätte der Kapitän des von Batavia kommenden Schiffes eine dieser Inseln angefahren. Sein vorrangiges Ziel aber war die Südspitze Afrikas. Im 17. Jahrhundert beförderte der niederländische Kaufmann Leendert Jansz, unterwegs für die Vereinigte Ostindische Kompanie, die Idee, an diesem Küstenstreifen eine Versorgungsstation einzurichten. Nach rund sechs schwierigen Monaten auf hoher See waren die Seeleute entkräftet und krank. Hier, fast auf halber Strecke zwischen Batavia und Amsterdam, konnten genügend Vorräte an Gemüse, Fisch und Fleisch besorgt werden. Und das galt auch weiterhin. Zwar hatten sich die Briten diesen ehemaligen niederländischen Stützpunkt 1806 angeeignet und waren auf dem Wiener Kongress 1815 darin bestätigt worden, doch das Schiff konnten dort pausieren, auch wenn die Stimmung  zwischen Buren und Briten nicht die beste war. Offizielle Verordnungen wurden inzwischen in Englisch verfasst, aber die niederländische Sprache blieb weiterhin in Gebrauch.

Die ersten Kontakte der Niederländer hatten nicht zum Ziel gehabt, neues Land an sich zu reißen. Doch ging die Entwicklung nach und nach in diese Richtung. Betroffen waren zum Beispiel die dort als Viehzüchter lebenden Khoikhoi. Stämme, die sich von den als Jäger und Sammler umherziehenden San abgespalten hatten. In den Anfängen ließen sich die Niederländer gern zu Handelsbeziehungen mit ihnen ein. Für die Versorgung der Seeleute wurde Fleisch benötigt, die Khoikhoi waren an Kupfer, Tabak und Eisen interessiert. Als sich einige Niederländer, vormals Angestellte der VOC, als „free burgher“ in der Nähe des Tafelberges niederließen, war der Anfang für eine immer stärker werdende Besiedlung durch Europäer gemacht. Nach einigen Jahrzehnten des Zusammenwachsens gaben sich diese Siedler den Namen „Africaander“. Die Konkurrenz zwischen den Gruppen, der Herrschaftsanspruch der VOC, Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Khoikhoi Clans und der Rückgang ihrer Viehbestände führte nach und nach dazu, dass die Einheimischen ihr Land nicht verteidigen konnten. Oft waren sie gezwungen, Platz zu machen, weiterzuziehen oder sich als Arbeitskraft bei den Weißen zu verdingen. Hinzu kamen Pockenepidemien, die unter den Khoikhoi viele Opfer forderten. Ihre Zahl verringerte sich drastisch und sie konnten sich immer weniger gegen die Weißen durchsetzen.

Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts war in dem Kapgebiet, nach anfänglichem Zögern der Vereinigte Ostindien Kompanie, der Besitz von Sklaven gestattet. Sie wurden aus Indonesien, Indien, Madagaskar und aus Ostafrika geholt. Die meisten Siedler besaßen um die fünf Sklaven, nur einige hatten mehr. Daraus ergab sich für die Sklaven kaum die Möglichkeit, sich zu verbünden und sich gegen ihr Schicksal gemeinsam zu erwehren. Flucht blieb ihnen als einzige Möglichkeit. Misslang sie aber, waren die Strafen umso erbarmungsloser. Im Laufe der Zeit lösten sich die Stammesverbände der einheimischen Völker auf, die Khoikhoi vermischten sich mit den Sklaven und den Weißen, die Bevölkerungsgruppe der Coloureds, der Farbigen, entstand.

Der Besatzung und den Passagieren des aus Batavia kommenden Schiffes waren diese Umstände und Entwicklungen wohl mehrheitlich nicht bekannt. Der angespannte und besorgte Gesichtsausdruck des Kapitäns bei der Annäherung zum Kap der Guten Hoffnung resultierte auch nicht aus den Sorgen über die gesellschaftlichen Probleme der Kapkolonie. Er sorgte sich wegen der nicht so leichten Aufgabe, dieses „Kap der Stürme“, wie das Kap der Guten Hoffnung auch genannt wurde, anzufahren. Zahlreiche Wracks auf dem Meeresgrund zeugen von diesem Problem. Für die starke Strömung, die auflandigen Winde und häufigen Nebelwände, für das Riff am Fuß des Kaps, für den ins Meer hineinragender Felsen und weiteren, teilweise nur einen halben Meter unter der Wasseroberfläche versteckten steinigen Hindernissen, bedurfte es eines erfahrenen Kapitäns. Und den hatte das Schiff offensichtlich. Als sie sich am frühen Abend der östlichen Spitze des Kaps näherten, erteilte er den Befehl zu ankern. Am anderen Morgen fuhren sie in die Tafelbucht und legten im Hafen von Kapstadt an. Sie trafen auf ungefähr fünfzehn Schiffe aus allen Teilen der Welt, alle darauf angewiesen, frischen Proviant für die Weiterreise zu bunkern.

Bernard ging an Land. Dort bekam er einen Platz auf einer pferdewagenähnlichen Kutsche, die ihn und einige andere Seeleute in die Innenstadt brachte. In der Nähe des mächtigen Forts aus dem 17. Jahrhundert stiegen sie aus. Kapstadt war schon seit der Zeit der Vereinigte Ostindische  Kompanie das Zentrum des Stützpunktes. Von hier aus wurde die Siedlung nicht nur verwaltet, hier spielte sich auch der rege Handel mit Nahrungsmitteln, Stoffen, Genussmitteln, allerlei Werkzeugen und Sklaven ab.

Besondere Pläne für den Besuch in Kapstadt hatte Bernard nicht gemacht. Er ließ sich treiben, streunte umher. Dabei kam er an einigen offizielle Gebäuden, wie zum Beispiel dem Zollamt, dem Gefängnis, dem Matrosenheim, dem Militärhospital vorbei – und an vielen Kirchen. Vor einer dieser Kirchen saß ein graugelockter älterer Mann auf einem Falthocker und fertigte eine detailgenaue Skizze der Fassade an. Bernard sah aus angemessener Entfernung dem Zeichner zu, der ihn bemerkte und zu sich heranwinkte. Bernards Entschuldigungsversuch wies er zurück. Er schien sich über dessen Interesse zu freuen und zeigte ihm weitere Zeichnungen in seinem Skizzenbuch, die er kenntnisreich erläuterte. Die wichtigsten Gebäude Kapstadts hatte er schon auf den Blättern festgehalten. Der Künstler stellte sich als britischer Historiker mit Namen James Miller vor, der das neue Terrain erkunden und erforschen wollte. Als er beim Blättern zu den ersten Seiten des Skizzenbuches kam, tauchten dort keine weiteren Gebäude, sondern Abbildungen der San auf, unter denen der Forscher einige Wochen gelebt hatte.

Miller erzählte von den Jägern und Sammlern, von den Viehzüchtern und Bauern und ihren Problemen miteinander und mit den fremden Siedlern. Er berichtete von diesem Stamm genau das, was Bernard während seiner Schulzeit in einem kurzen Text von Immanuel Kant gelesen hatte. Danach war es bei dem Weg der Menschheit vom Jäger und Sammler zur Sesshaftwerdung nicht unbedingt um eine Entwicklung zum Besseren gegangen. Kant schrieb von einem Übergang „aus dem Zeitabschnitt der Gemächlichkeit und des Friedens in den der Arbeit und Zwietracht“. Bernard erinnerte sich so genau daran, weil er wie selbstverständlich von einer stetigen Vervollkommnung der Menschheit ausgegangen war. Stufe um Stufe fortschreitend, die Krone der Schöpfung eben. Hier in Kapstadt hörte er nun zum zweiten Mal von der negativen Seite des Fortschritts und er wusste immer noch nicht, was er davon halten sollte. Doch die umherstreifenden San waren von Bauern in immer unwirtlichere Gebiete vertrieben worden, zwischen den heimischen und fremden Siedlern kam es häufig zu Konflikten, Frieden zu bewahren war schwieriger geworden.

Mit vielen guten Wünschen füreinander verabschiedeten sich Miller und Bernard voneinander. Miller plante, noch mindesten drei Monate in Kapstadt zu bleiben, Bernards Abreise stand kurz bevor. Doch es blieb ihm noch Zeit, sich ein wenig in der Stadt umzusehen.

Kapstadt bestand in weiten Teilen aus rechtwinklig angelegten Straßen, die er mehr oder weniger systematisch abschritt. Am liebsten waren ihm die Strecken, bei denen er den circa 1.000 Meter hohen Tafelberg mit seinen flankierenden Partnern Teufelsspitze und Löwenkopf vor Augen hatte. Auf den Meeresblick konnte er verzichten. Wasser hatte er in den letzten Monaten genug gesehen. Er fühlte sich wohl in der Stadt und empfand die Gebirge als eine schützende Begrenzung zum großen, unbekannten Afrika dahinter. Einige Matrosen hatten ihm vor der Ankunft ganz andere Empfindungen offenbart. Bei ihnen erzeugte der Anblick der Berge das Gefühl des Eingeschlossenseins. Sie glaubten, in der Stadt den Unbilden des Ozeans ausgeliefert zu sein, weshalb manche von ihnen das Schiff gar nicht verließen. Bernard verstand nicht ganz, weshalb die vom Meer ausgehenden Gefahren ihnen auf dem Schiff kleiner erschienen als in der Stadt, aber er beließ es dabei.

Bei seinen Spaziergängen traf er immer wieder auf Matrosen der im Hafen liegenden Schiffe. Oft prahlten sie mit ihren seemännischen Erfahrungen und erzählten schauerliche Geschichten von zahllosen Schiffsunglücken um das Kap herum. Besonders warnten sie ihn vor der Ausfahrt aus dem Hafen. Der Kapitän müsse höllisch aufpassen, um den richtigen Weg zwischen der afrikanischen Küste und der vorgelagerten Gefängnisinsel Robben Island zu finden. Aber Bernard vertraute den Fähigkeiten seines Kapitäns und ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. Und er wurde in seiner Haltung bestätigt, denn das Schiff fuhr kurz darauf zwar von Stürmen gerüttelt, aber unversehrt in die Weiten des Atlantischen Ozeans.

10. Heimfahrt

Wie schon Christoph Kolumbus 1492 auf der Kanareninsel La Gomera anlandete, um sich für die weite Fahrt nach Indien zu rüsten, machte auch Bernards Schiff auf dem Weg nach Amsterdam auf den Kanaren einen kurzen Stopp. Für diese neue spanische Provinz gehörte das Kommen und Weiterfahren der Segelschiffe seit Jahrhunderten zum Alltag. Man wusste, was die Schiffe brauchten und schaffte die gewünschten Güter zügig herbei. Deshalb war nach zwei Tagen alles Nötige erledigt. Über einen kleinen Bummel in der Hafengegend kam Bernard bei diesem Aufenthalt nicht hinaus. Aber er war froh, als es weiterging.

Gesund und munter, aber nicht ganz ausgeschlafen, kam er nach wochenlanger Fahrt in Amsterdam an. Am letzten Abend hatten sich einige Seeleute und Passagiere zu einer kleinen Abschiedsfeier getroffen. Sie hatten Adressen ausgetauscht und sich hoch und heilig versprochen, in Kontakt zu bleiben. Es war spät geworden. Der eine oder andere hatte etwas zu viel harte Getränke zu sich genommen, doch als das Schiff vor Anker ging, waren alle nur bestrebt, so schnell wie möglich den Heimweg anzutreten oder sich in ihren wenigen arbeitsfreien Stunden in der Stadt zu amüsieren.

Bernard genoss es, raschen Schritts erst einmal einige Kilometer hinter sich zu bringen. Dann sah er sich nach Fahrgelegenheiten um. Mal konnte er ein Stück mit einer Postkutsche fahren, mal nahmen ihn Bauern für einen Teil der Strecke mit, mal schloss er sich einer kleinen Gruppe Schmuggler an, die sich auf den Wegen gut auskannten. Zwischendurch marschierte er immer wieder alleine Richtung Osten. Es war ihm gleichgültig, wo er abends sein Haupt niederlegte, nur vor Regenfällen wollte er geschützt sein. Nach etwas mehr als einer Woche sah er von Weitem den Kirchturm seines Dorfes. Er war zu Hause.

-------------------------------------------------
Literatur etc.

Achebe, Chinua, Alles zerfällt, Frankfurt/M. 2012
Allende, Isabel, Fortunas Tochter, Frankfurt/M. 2004
arte.Stadt Land Kunst, 8. Oktober 2021
Aschaffenburger Zeitung 11.08.1824, http://digipress.digitale-sammlungen.de
Augsburgische Ordinari Postzeitung von Staats-, gelehrten, historisch- u. Ökonomischen Neuigkeiten. 1824, http://digipress.digitale-sammlungen.de
Beecher Stowe, Harriet, Onkel Toms Hütte, München 7. Aufl. 2023
Bougainville, Louis-Antoine de, Reise um die Welt, Wiesbaden 2010
Clark, Christopher, Preußen Aufstieg und Niedergang. 1600-1947, München 2008.
Darwin, Charles, Die Fahrt der Beagle, Hamburg 2006
Das Ausland: Wochenschrift für Erd- und Völkerkunde. 27.1.1833, https://digipress.digitale-sammlungen.de
Duden, Gottfried, Bericht über eine Reise nach den westlichen Staaten Nordamerikas, Elberfeld 1829
Equiano, Olauda, Merkwürdige Lebensgeschichte des Sklaven Olaudah Equiano, von ihm selbst veröffentlicht im Jahre 1789, Frankfurt 1990
Everett, Percival, James, München 2024
French, Howard, W., Afrika und die Entstehung der modernen Welt, Stuttgart 2023
Geiger, Manfred, Die Brüder Humboldt, Reinbek 2009
Goethe, Johann Wolfgang, Die Leiden des jungen Werthers, Frühe Prosa, dtv-Gesamtausgabe 13, München 2. Aufl. 1966
Goethe, Johann Wolfgang, Italienische Reise, Berlin 4. Aufl. 1987, S.16
Hagemann, Albrecht, Kleine Geschichte Südafrikas, München 4. Aufl. 2018
Heideking, Jürgen/Christof Mauch, Geschichte der USA,Tübingen 6. Aufl. 2008
Hesse, N., Das westliche Nordamerika, Paderborn 1838
Heyden, Ulrich van der, Rote Adler an Afrikas Küste, Berlin 2000
Humboldt, Alexander von, Ansichten der Natur, Stuttgart, Tübingen 1849
Illustrirte Zeitung, Leipzig 1843, Bd. 1, Nr. 25, S. 391, google.books
Junghuhn, Friedrich, Reisen durch Java, Magdeburg 1845.
Kant, Immanuel, Werke, Band VI, Mutmasslicher Anfang der Menschheitsgeschichte, 7.  unveränderte Auflage, Darmstadt 2011
Krzysanowski, David Franz Erich, Die Maori in Neuseeland. Geschichte, Konflikte, Diskriminierung, Forschungsarbeit, 2004, GRIN-Verlag 2004
Küchler Williams, Christiane, Erotische Paradiese, Göttingen 2004
Langsdorff, G. H. v., Bemerkungen über Brasilien. Mit gewissenhafter Belehrung für auswandernde Deutsche, Heidelberg 1821. Digitalisat: Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
Leschke, Gabriele, Otto Friedrich von der Gröben und der koloniale Diskurs, Berlin 2019
Mattioli, Aram, Verlorene Welten, Stuttgart 2017/2018
Meichsner, Irene, Vor 370 Jahren in Südafrika, Deutschlandfunk 6. April 2022
Melville, Hermann, Moby Dick, Zürich 2019
Morrison, Toni, Menschenkind, Hamburg 10. Aufl. 2012
Moore, Wayétu, Sie wäre König, Leipzig 2021
Multatuli (d.i. Eduard Douwes Dekker), Max Havelaar, Sharp Ink 2024
Neckar-Zeitung, Stuttgart 17.05. 1824, http://digipress.digitale-sammlungen.de
Neffe, Jürgen, Darwin, München 2019
Osterhammel, Jürgen, Die Verwandlung der Welt, München 3. Aufl. 2009
Scurla, Herbert, Reisen in Nippon, Berlin 6. Aufl. 1990
Siebold, Philipp Franz von, Nippon, Würzburg und Leipzig 1897
Spix, Joh. Bapt. von/ Martius, Carl Friedr. Phil. von, Reise in Brasilien, München 1823
Steinfeld, Thomas, Goethe, Porträt eines Lebens, Bild einer Zeit, Berlin 2024
Te Kanawa, Kiri, Land of the long white cloud, Maori Myths, Tales and Legends, Auckland 1989
Tocqueville, Alexis de, Über die Demokratie in Amerika, Stuttgart 2021
Twain, Mark, Die Abenteuer des Huckleberry Finn, Düsseldorf, Zürich 2003
Van der Kraaij, Dr. Fred P.M., Another example showing the emigration of fromer slaves to Liberia in the 19th c. was not voluntary, in: https://www.liberapastandpresent.org
Verne, Jules, Geographie, Der Triumph des 19. Jahrhunderts, http://www.zeno.org.
Wallis, Samuel, Reise um die Welt in den Jahren 1766, 1767 und 1768, in: Sammlung der besten Reisebeschreibungen, Band 5, Troppau 1785, www.digitale-sammlungen.de
wdr stichtag 7. April 1831
Wikipedia, div. Seiten
Wilby, Sorrel, Australiens unbekanntes Paradies, Die Inseln der Torres-Straße, NDR/arte 2019
Wulf, Andrea, Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur, München 2016



 
Email