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Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Der Dortmunder Unternehmer Wilhelm von Hövel ersteigert "Große Buxfort" (1856)

Dieter Gewitzsch

Wilhelm von Hövel

Wilhelm von Hövel

Wilhelm Freiherr v. Hövel ist mit Standesnamen „Herr zu Knechtsteden am Rhein, Buxfort in Westfalen und Häselich in Sachsen“. … Er ist in Dortmund am 23. April 1812 geboren, das einzige Kind des Vaters [Caspar Melchior Freiherr v. Hövel] aus erster Ehe. Seine Stiefschwestern verheiraten sich in Dortmund bestbürgerlich. Er bleibt Junggeselle.[1] Von 1296 bis Ende des 16. Jahrhunderts stellten die Hövels Vertreter im Dortmunder Rat. Sie waren unter den Industriellen der Stadt die einzige Familie mit patrizischer Herkunft.[2] 

Hövel war Schüler des Dortmunder Archigymnasiums, das nach der reichstädtischen Zeit von Wilhelm Kuithan im Geiste des Neuhumanismus und nach Humboldtschen Vorbild reformiert wurde. Unter den Schülern befanden sich weitblickende und erfolgreiche Unternehmerpersönlichkeiten. Friedrich Müser und Wilhelm von Hövel zählten zu den Pionieren der Dortmunder Großindustrie und Gustav Mallinckrodt war in Köln als Großkaufmann erfolgreich. Der Neffe Arnold Mallinckrodts machte sich zudem als liberaler Politiker und Mitglied der Ersten Kammer des Preußischen Landtags einen Namen.[3] 

Seit den 1840er Jahren engagierte sich Hövel für den Eisenbahnbau; er war Mitglied der Deputation der Aktionäre bei der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft.[4] 

Brauerei von Hövel, Thier & Co. im Jahre 1854

Brauerei von Hövel, Thier & Co. im Jahre 1854

1854 wurde Hövel Mitbegründer der Brauerei von Hövel Thier & Co.[5] Sein Partner Gustav Thier war zu der Zeit schon neun Jahre mit der Tochter Julia des Posthalters und Gastwirts Joseph Cremer aus Lüdinghausen verheiratet. Die Gründung setzte auf die Zukunft des industriellen Großbetriebs; die Brauerei gehörte zu den ersten, die In Dortmund die neue Münchner Brautechnik einführten.[6] Die Hövels besaßen seit dem 13. Jahrhundert Grund und Boden in Dortmund und übten hier seit 1517 das Braurecht in einem eigenen Betrieb aus.[7] 

1856 – in dem Jahr, als Hövel nach Selm kam – gründete er mit dem Dortmunder Arzt Friedrich Wilhelm Müser und dem Kaufmann Heinrich Vaerst aus Unna die Harpener Bergbau AG.[8]

Der Bergbau hatte auf seiner „Nordwanderung“ die Hellweglinie überschritten, aber die anspruchsvolleren Tiefbauanlagen erforderten reichlich Kapital und bargen Risiken. 1851 verzichtete der preußische Staat auf das bisherige Bergregal und das Direktionsprinzip und ermöglichte dem Privatmann, bergbauliches Eigentum zu erwerben. Drei Jahre später durften sich auch ausländische Geldgeber an neuen Bergbauunternehmen beteiligen.[9] In den folgenden Jahren entstanden an die hundert neue Zechen; viele hatten nach der Nationalität ihrer Gründer französische, englische und belgische Namen.[10]

Franz Mariaux wirft in seinem 1956 verfassten „Gedenkwort zum hundertjährigen Bestehen der Harpener Bergbau-Aktien-Gesellschaft“ einen Blick auf die Person des Mitgründers Wilhelm von Hövel und attestiert ihm – wie den Gründern allgemein – nichts als die eigenen Dinge vor Augen gehabt zu haben.[11] Im Dortmunder Raum stieß man in den 1850er Jahren überall auf Bohrlöcher, und die ersten weithin sichtbaren Fördertürme legten sich wie ein Kranz um die ehemals Freie Reichsstadt.[12] Hövel erkannte den enormen Finanzbedarf der sich abzeichnenden technisch-industriellen Entwicklung und seine Chance, bei rechtzeitiger Beteiligung hohe Gewinne zu erzielen. Er glaubte an den Fortschritt und versuchte sich in mehreren Industriezweigen zugleich. Als Investor beschränkte er sich auf die Gründung von Unternehmen. Hövel hatte gar nichts von einem Fabrikanten, wenig von einem Händler.[13] Man darf ihn einen Spekulanten nennen, risikofreudig, beweglich und gut informiert. In Bergbaufragen gehörte er zu den bestinformierten und meistbefragten Leuten an der Ruhr.[14] Gut vernetzt mit dem Regierungspräsidenten in Arnsberg, dem Oberbergamt in Dortmund und den Beamten der Bergämter konnte er verfolgen, wie man sich  „höheren Orts“ bemühte, zu Gunsten des Tiefbaus Spielraum für Privatkapital zu gewinnen.[15] Der damals 40jährige Hövel war vermögend und genoss persönlichen Kredit und den Ruf eines zwar kühnen, aber scharfsinnigen, soliden und kaufmännischen Kavaliers. Ein Schwarm von Anhängern folgte ihm, machte bei seinen Unternehmungen mit und überließ ihm die Vertretung. In Dortmunder Gründerkreisen wurden seine persönlichen Wege und Winke ... wie Direktiven höherer Instanz respektiert.[16] 

Im Jahr der Gründung der „Harpener“ (1856) kaufte Wilhelm von Hövel das in der Gemeinde Selm gelegene Gut Große Buxfort.[17] Der Besitzer, Heinrich Johannes von Droste-Kerkerinck (1808-1872) zu Stapel, hatte den Justizrat und Notar Leesemann aus Münster beauftragt, den Verkauf des Gutes zu organisieren und durchzuführen.[18] An Interessenten mangelte es wohl nicht. Unter ihnen war auch Bauer Philipp Richter aus dem Münsterland, der vermutlich 1855 auf der Suche nach einem für ihn geeigneten Gut auch an die südwestliche Grenze von Westfalen reiste und die Bedingungen für den Kauf des Gutes Große Buxfort erkundete.[19] Die Preise gingen aber zu der Zeit so hoch, so Richter in seinen Aufzeichnungen, daß gar kein Ziel noch Maß dabei war. Es war um die Zeit des Krieges der Franzosen, Engländer und Italiener gegen die Russen bei Sebastopol,[20] eine Zeit, wo das Berliner Scheffel Weizen 5 oder sogar bis 6 Taler kostete.[21] 

Die erfolgreiche Versteigerung fand am 3. Juli 1856 auf dem Gut Große Buxfort statt. Kerkerinck hatte sich vorher festgelegt, den Zuschlag zu genehmigen, sobald das Gebot eines guten  Käufers die Summe von  Vierzig Tausend Thaler erreicht.[22] Vertreten waren drei Interessenten, wobei es im Verlauf der Auktion zu einem Bietergefecht zwischen Hövel und dem Justizrath Morsbach kam. Hövel eröffnete mit einem Gebot von 30.000 Talern und „schaukelte“ sich mit Morsbach über 24 Stationen auf 40.000 Taler hoch. Jetzt schaltete sich Direktor Brüning zu Botzlar einmal mit dem Gebot 40.100 Taler ein, bevor Hövel und Morsbach ihr „Duell“ mit weiteren Geboten fortsetzten und Hövel schließlich, nachdem er noch einmal von 41.600 auf die runde Summe von 42.000 Talern erhöhte, den Zuschlag erhielt.[23]

Oktober 2015
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[1]
Mariaux, Franz, Gedenkwort zum hundertjährigen Bestehen der Harpener Bergbau-Aktien-Gesellschaft, Dortmund 1956, S. 58.  
[2]
Luntowski, Das Jahrhundert, S. 246. – Von den aus Adelsfamilien stammenden Unternehmern, die am industriellen Aufbau Dortmunds beteiligt waren, ist auch Ludwig Graf von Kielmannsegg zu nennen, Schwiegersohn des Freiherrn vom Stein und als solcher Inhaber der westfälischen Herrschaften Cappenberg und Scheda. – Luntowski, ebd. 
[3]
Luntowski, Das Jahrhundert, S. 237f.  
[4]
Luntowski, Das Jahrhundert, S. 242.  
[5]
100 Jahre Brauerei Thier & Co. Dortmund – Festschrift Dortmund 1954, o.S.
[6]
[7] Mariaux, Franz, Gedenkwort zum hundertjährigen Bestehen der Harpener Bergbau-Aktien-Gesellschaft, Dortmund 1956,, S. 59.
[8]
Mariaux, Gedenkwort, S. 57ff.  
[9]
Mariaux, Gedenkwort, S. 35.  
[10]
Mariaux, Gedenkwort, S. 37.  
[11]
Mariaux, Gedenkwort, S. 43.  
[12]
Arthur Mämpel, Bergbau in Dortmund, Von Pingen und Stollen bis zu den Anfängen des Tiefbaus, Dortmunder Bergbau-Aktien-Gesellschaft (Hg.), Dortmund 1963, S. 109. 
[13]
Mariaux, Gedenkwort, S. 59.  
[14]
[15] [16] Mariaux, Gedenkwort, S. 60. 
[17]
Archiv LWL, Vereinigte Westfälische Adelsarchive e.V., C. St.Ak-Archiv Stapel Akten, 13 Haus Buxfort, Nr. 419, Blatt 127.  
[18]
VWA, Stapel Akten Nr. 419. 
[19]
Helmut Müller (Hg.), Autobiografische Aufzeichnungen des münsterländischen Bauern Philipp Richter, Münster 1979, S. 8. 
[20]
Krimkrieg 1854-1856. Die Festung Sebastopol am Schwarzen Meer fiel am 8. September 1855 nach elfmonatiger Belagerung durch Engländer und Franzosen. (Müller, Autobiografische Aufzeichnungen, S. 65, Anmerkung 33) 
[21]
Helmut Müller (Hg.), Autobiografische Aufzeichnungen des münsterländischen Bauern Philipp Richter, Münster 1979, S. 8.
[22]
[23] VWA, Stapel Akten Nr. 419.

 
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