Friedrich Wilhelm III. geruhte zu entscheiden
Christel Gewitzsch
Ein „Na endlich!“ mag dem Freiherrn vom Stein beim Erhalt der Nachricht durch den Kopf gegangen sein, als ihn Anfang Juli 1816 die Genehmigung des Königs (mit Wirkung vom 1.Juli 1816) für den Tausch des Gutes Birnbaum gegen Cappenberg erreichte. Für seinen Geschmack hatte diese Entscheidung viel zu lange auf sich warten lassen. Seit dem Ende der Befreiungskriege trug Stein sich mit dem Gedanken, das so weit von seinen nassauischen Besitzungen entfernt gelegene Gut in der Provinz Posen durch ein anderes zu ersetzen. Cappenberg blieb dabei nicht ohne Konkurrenz, nahm aber schnell die Favoritenrolle ein. Zu Anfang hatte Stein auf den Johannisberg im Rheingau ein Auge geworfen, aber da kam ihm der österreichische Staatsmann Fürst Metternich zuvor, der mit diesem ehemaligen Benediktinerkloster für seine Verdienste auf dem Wiener Kongress belohnt wurde. Auch das säkularisierte Kloster Liesborn in Wadersloh war im Gespräch und noch Ende des Jahres 1815 schrieb Stein in seinen Briefen von der Suche nach einem Tauschobjekt. Finanzminister Bülow hatte ihm versichert, sein Anliegen zu unterstützen, der preußische Beamte Eichhorn in Berlin versprach zu helfen, auch die Mitglieder der Domänen-Sektion waren ihm wohlgesonnen. Den Oberpräsidenten der Provinz Westfalen Vincke bat Stein, sich um die Angelegenheit zu kümmern: ... wie Sie es mit Ihren Pflichten als öffentlicher Beamter und als mein Freund vereinigen zu können glauben.[1] Ende Dezember 1815 hatte Vincke allerdings schon in sein Tagebuch geschrieben: - unangenehmer Tauschantrag von Stein -[2]. Ludger Graf von Westphalen vermutet in seiner Anmerkung zu diesem Eintrag, dass Vincke die Verquickung von Freundesdienst und amtlicher Stellung nicht gern gesehen hat und vielleicht Stein auch gar nicht so nahe bei sich haben wollte.
Zweifel an der Bereitschaft des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., Steins Wunsch zu erfüllen, waren allerdings angebracht. Die Kräfte, die die Erfüllung des königlichen Verfassungsversprechens erwarteten, standen in der Gunst des Herrschers nicht an oberster Stelle.
Geduld war gefordert
Stein drängte Anfang des Jahres 1816 auf eine Entscheidung und führte einige Male sein fortgeschrittenes Alter und seine angegriffene Gesundheit als Gründe für die Eile an. Er glaubte, die nötigen Vorarbeiten, Ertragsberechnungen von Birnbaum und Cappenberg, erledigt zu haben und hatte für einen Ausgleich Vorschläge eingereicht. Aber die endgültigen Berechnungen für Birnbaum verzögerten sich und die in Teilen noch ungeklärte rechtliche Situation der Bauern in Westfalen erschwerte die Wertermittlung von Cappenberg. Stein machte deshalb deutlich, dass er nur vom aktuellen Rechtszustand ausgehen wolle. Von möglichen Veränderungen zu Lasten der Bauern wollte er nicht profitieren. Er schrieb an den Staatsrat Kunth, seinem langjährigen Mitarbeiter: Ich will keine Prozesse mit den Bauern und mir nicht den Haß dieses Standes aufladen, wie so mancher westfälische Edelmann [...] es getan. [...] Von den Bauern fordere ich nichts wie die Pachten oder Leistungen, so mir überwiesen werden, nach dem jetzigen Besitzstand.[3]
Stimmungsumschwung
Obwohl ihn aufmunternde Nachrichten über die Entwicklung des Tauschgeschäfts erreichten, schrieb er im Mai an seine Schwester Marianne von Verdruss, Krankheit und Todessehnsucht. Gegenüber dem Staatskanzler Hardenberg erklärte er etwas später, er glaube nicht mehr an einen positiven Bescheid und werde die Idee wohl aufgeben müssen. Doch ein Brief des Finanzministers Bülow vom 28. Juni brachte ihm endlich die ersehnte Genehmigung des Königs. Und umgehend änderte sich der Ton in Steins Briefen. Er lud Vincke ins Lahntal ein, äußerte sich erfreut über Verhandlungserfolge in und für Frankfurt und bedankte sich artig bei der Stadt Bremen für die Verleihung der Ehrenbürgerrechte.
Erste Inbesitznahme
Auch wenn die endgültige Unterzeichnung des Tauschvertrages noch einige Jahre auf sich warten ließ, widmete Stein seinem neuen Eigentum viel Aufmerksamkeit. Das Schloss war nach jahrelanger Vernachlässigung nicht bezugsfertig, aber im Propsteiflügel wollte er für sich und seine Familie eine Wohnung einrichten lassen, um einen Großteil des Sommers 1816 dort zu verbringen. Im August machte er sich auf den Weg nach Westfalen und nach einem kurzen Aufenthalt in Münster nahm er Quartier in Cappenberg. Dort brachte er erste Instruktionen für seinen Rentmeister Franz Heidenreich Geisberg und seinen Oberförster Daniel Poock zu Papier und bedankte sich bei Vincke für die Unterstützung des Tausches. Im Mai 1817, so schrieb er an die Gräfin Kielmansegg, wolle er das Schloss so weit in Stand gesetzt haben, dass Familie und Freunde dort untergebracht werden konnten. Um ihren Besuch bei ihm zu befördern, geriet er regelrecht ins Schwärmen. Er schrieb ihr von der herrlichen Vegetation [der] Eichen und Buchen[4] und von dem weiten, freien Blick in eine große, schöne, von den Gebirgen des Sauerlandes begrenzte Ebene; dem Herrn Gemahl versprach er ein ausgedehntes Jagdrevier.[5]
Am 5. September 1816 beendete Stein seinen ersten Aufenthalt als neuer Eigentümer in Cappenberg und kehrte nach Nassau zurück. Seine Bemühungen um Cappenberg hielten aber auch während seiner Abwesenheit an. In ständigem Briefwechsel mit seinem Rentmeister und Oberförster kümmerte er sich um alle Belange der Gutsverwaltung. Und da er sozusagen ein leeres Haus[6] gekauft hatte, machte er sich mit Elan an die Ausstattung. Für die Möblierung des Schlosses beauftragte er Handwerker in nah und fern, gab detaillierte Anweisungen, nutzte die Messestadt Frankfurt für Einkäufe von Tapeten, Möbelstoffen und Tischzeug und nahm so sein neues Domizil nach und nach in Besitz.
Juni 2016
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[1] Freiherr vom Stein, Briefe und amtliche Schriften, Band 5, Stuttgart 1964, S. 485.
[2] Die Tagebücher des Oberpräsidenten Ludwig Freiherr Vincke 1813-1818, bearbeitet von Ludger Graf von Westphalen, Münster 1980, S. 201.
[3] Freiherr vom Stein, S. 486.
[4] Freiherr vom Stein, S. 552.
[5] Freiherr vom Stein, S. 551.
[6] Josef Lappe, Freiherr vom Stein als Gutsherr auf Kappenberg, Münster 1920, S. 14.