Vikar Madel will nicht mehr
Christel Gewitzsch
Die Schenkung
Die Schenkung von viereinhalb Morgen Gartenland, die der Vikar Madel am 20. Juni 1827 der Schule, den Armen, der Kirche und Pastorat zu Selm vor dem Werner Land- und Stadtgericht machte, konnte nicht sofort wirksam werden, da sie erstens von den Beschenkten offiziell anerkannt werden musste und zweitens der Vikar sich bald darauf seiner Sache nicht mehr so sicher war.
Der Bischof von Münster Droste Vischering erklärte sich in einem Schreiben an die Regierung bereit, die vom Selmer Pfarrer Evers schon erklärte Akzeptanz zu bestätigen und bat die Regierung, sich höheren Orts dahin hochgefällig zu verwenden, daß die Schenkung [...]auch von Staats wegen genehmiget wird.[1]Dem stand aber noch die bisher verweigerte gutsherrliche Genehmigung zum Verkauf der besagten Grundstücke entgegen.
Der Vikar will nachbessern
Zwei Monate nach dem Termin beim Werner Gericht meldete sich Vikar Madel schriftlich bei der Königlichen Regierung in Münster und bat um die Aufnahme weitere Bestimmungen zu der Schenkungsurkunde. Er sah sich nicht verpflichtet, der Gemeinde zu Selm den Grund zum Schulhause ohnentgeldlich zu überlassen. Für denjenigen Grund und Flächeninhalt, worauf das Schulhaus zu stehen kommt, soll also die Gemeinde zu Selm gehalten seyn, alle Jahre einen Thaler an den zeitlichen Steuer-Empfänger zu zahlen: diesen Thaler soll sodann der zeitliche Pastor unter die dürftigen Hausarmen vertheilen.[2] Die Erlöse aus den Gärten widmete er zu einem Drittel den Hausarmen, bzw. der Unterhaltung der Kirche. Für ein weiteres Drittel bestellt er eine jährliche Messe für sich, die nach seinem Tode für ihn und seine Familie fortgeführt werden sollte. Darüber hinaus wollte er die Pastoren der Gemeinde verpflichten, mit den Lehrern, Lehrerinnen und allen versammelten Schulkindern jeden Tag in der Messe einen Rosenkranz für ihn zu beten.
Der Bischof widerspricht
Fast postwendend äußerte sich der Bischof zu diesem Anliegen des vormaligen Dominikaners Madel. Einige Wünsche des Vikars waren überflüssig, weil sie in der Schenkung schon erwähnt worden waren, wie die für ihn zu lesenden Messen und teilweise auch die Verteilung von Erlösen an die Armen. Für die neu hinzugekommene Verpflichtung der Gemeinde, einen Taler jährlich für die Armen zu zahlen, fühlte er sich nicht zuständig, sah aber nichts dawider zu erinnern. Gegen die Verpflichtung der Lehrer, mit den Schulkindern täglich einen Rosenkranz für den Spender zu beten, sprach er sich vehement aus. Madel müsse sich damit abfinden, so schrieb der Bischof, dass die Beschenkten mit der Ratifizierung einen Rechtstitel erworben hatten, der ihnen die Befugnis über das Gut zuteilte. Der Vikar sei nicht berechtigt, der milden Stiftung neue Lasten und Auflagen aufzubürden. Besonders auch deshalb nicht, weil er selber vor dem Gericht in Werne beantragt hatte, dass die Schenkungen sowohl gegen ihn selbst, als gegen jedermann [...] geschützt werden möchten.
Madel fühlt sich betrogen
Im Dezember 1827 wandte sich Pater Antonius Madel, so unterzeichnete er seine Briefe, wohingegen der Bischof vom Priester Elbert Wilhelm Madel schrieb, erneut an die Regierung in Münster. Er bat sie, die Landesherrliche Genehmigung zur Annahme dieses Geschenkes zu verweigern, weil er sich mit dem Gedanken trug, gerichtliche Hülfe in Anspruch zu nehmen. Er fühlte sich beim Ankauf der Grundstücke wenigstens um die Hälfte verletzt und überhaupt bei der Schenkung [...] übervortheilt.
Die Regierung entsprach dieser Bitte. Als der Bischof im Februar des folgenden Jahres ein an ihn gerichtetes Schreiben des Selmer Pfarrers mit dem Gesuch um Genehmigung der Schenkung weiterreichte, begründete sie ihre Ablehnung mit der Beschwerde des Vikars und seiner Absicht, vor Gericht zu gehen. Pfarrers Ewers war erneut beim Bischof vorstellig geworden, weil die Zeit der Verpachtung, wie auch die Bestellung der Gartengrundstücke heranrückte. Die Regierung vermutete aber, dass Madel sich mit dem Gedanken des Widerrufs der Schenkung trug.
Man bemüht sich um Klärung
Der Bischof ließ nachforschen und fand heraus, dass Madel weder beim Oberlandesgericht noch beim Land- und Stadtgericht in Werne vorstellig geworden war. Wohl aber hatte der Madel sich geweigert, dem Weischer genannt Schulze zu Selm den vollen Kaufschilling der von diesem eingekauften und nachher verschenkten Grundstücke zu zahlen; er ist deßhalb von diesem verklagt, und nachdem er zur Zahlung verurtheilt ist, hat er nun mehr auch den Kaufschilling zum vollen nebst den veranlaßten Kosten entrichtet.
Als die Regierung von Madel den Nachweis seiner Klageerhebung forderte, bat dieser um eine Fristverlängerung, weil er wegen des schlechten Wetters und anderer Hindernisse wegen die erforderliche Reise nach Lüdinghausen bis jetzt nicht vornehmen konnte. Seiner Bitte wurde stattgegeben und Ende des Monats traf fristgerecht das Schreiben ein, in dem Madel mitteilte, den Justiz-Commissarius Gützloe in Werne mit Wahrnehmung [seiner] Gerechtsame beauftragt zu haben.
Madel kommt nicht weiter
Im Juni 1828 musste der Vikar allerdings Folgendes mitteilen:
Hochlöbliche Regierung!
Nachdem ich vor länger als 6 Wochen den Referendar Gützloe zu Nordkirchen als Rechtsanwald zum Betrieb des seitwerts allegiren Rechtsstreites erwählt und auch mit Vollmacht versehen hatte, erhielt ich Gestern von demselben sowohl Vollmacht als die zu seiner Information dienenden Papiere unter nichtigen Vorwänden, weshalb er die Sache zu übernehmen Anstand nehmen müsse, zurück.
Dieses, einen angehenden Juristen nicht empfehlende Benehmen kann ich leider nur als Entschuldigung anführen, weshalb ich der Auflage Eurer Hochlöblichen Regierung bisher nicht habe genügen können. Jedoch bemerke ich gehorsamst, wie ich auf einer in einigen Tagen anzutretenden Reise über Werne kommend, einen dortigen Justiz-Commissar consultiren, jedenfalls aber nach meiner in Zeit von 3 Wochen erfolgenden Retourreise Einer Königlichen Hochlöblichen Regierung eine in jeder Hinsicht genügende Erklärung abzugeben im Stande seyn werde.
Jetzt muss entschieden werden
Die Rücksichtnahme auf die Befindlichkeit des Vikars schien nun am Ende zu ein. Der Bischof wiederholte noch einmal seine Auffassung, dass einer Genehmigung nichts im Wege stehe. Der Vikar dürfe doch nicht durch die bloße Ankündigung, die Gerichte einzuschalten, sich vor der Erfüllung des Schenkungsvertrages drücken. Man könne nach der Genehmigung seine Klage auf Widerruf einfach abwarten.
Die Regierung ließ über den Landrat beim Selmer Gemeindevorstand anfragen, ob dieser sich für eine Genehmigung ausspräche, was er tat. Daraufhin schrieb die Abteilung des Innern in Münster an die Ministerien für geistliche, Schul- und Medizinal-Angelegenheiten und des Innern und bat darum, die Annahme dieser Schenkung von Staatswegen hochgeneigtes zu genehmigen. Die Genehmigung wurde in Berlin am 4. September 1828 erteilt.
September 2015
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[1] LAV, Reg. Münster Nr.31.
[2] Ebenda; wie auch die folgenden Zitate, falls nicht anders vermerkt.