Auf dem Weg zum Oberbergrat: Rudolph Brüning
Dieter Gewitzsch
Nach der Abiturprüfung Mitte Juli 1856 hatte es der junge Mann eilig, er hatte konkrete berufliche Pläne und wollte nicht bis Ende August auf ein offizielles Zeugnis warten. Das Königliche Laurentianum zu Arnsberg kam dem Wunsch seines Zöglings nach. Direktor Dr. Hoegg bescheinigte dem Gymnasiasten Rudolph Brüning aus Botzlar ... behufs Anmeldung zum Berg- und Hüttenfache, dass ihm das Zeugnis der Reife zuerkannt wurde.[1] Wenig später hatte Rudolph Brüning seine Bewerbungsunterlagen zusammen. Neben dem provisorischen Zeugnis reichte er dem Oberbergamt in Bonn ein Gesundheits-Attest und ein curriculum vitae ein und bat, ihn zum Berg und Hüttenfach zu lassen zu wollen. Der zwanzigjährige Abiturient wohnte zu der Zeit bei dem Oberlehrer Pieler in Arnsberg und dachte zunächst nicht daran, die Region zu verlassen. Der Bergbehörde schrieb er: Sollte ich vielleicht über die Zeit des Eintritts und über den Ort, wo ich das praktische Jahr abzuhalten habe, einen Wunsch aussprechen dürfen, so wäre es mir aus Gründen sehr erwünscht, wenn ich am 1ten October in Hüsten eintreten könnte.[2] Mit einem handgeschriebenen Lebenslauf stellte sich Brüning seinem Ausbilder vor:
Curriculum vitae des Rudolph Brüning.
Ich Rudolph Brüning, Sohn des Direktors der Ackerbauschule zu Botzlar Wilhelm Brüning und der Christine geb. Hagedorn, bin geboren am 3. Dezember 1835 auf dem Hause Botzlar bei Selm, Kreis Lüdinghausen. Meinen ersten Unterricht genoß ich in der Elementarschule zu Selm, die ich in meinem 13ten Jahre verließ, um mich zu meiner weiteren Fortbildung auf das Pro-Gymnasium zu Dorsten zu begeben. Darauf besuchte ich das Gymnasium zu Münster und später das Pro-Gymnasium zu Rietberg. Nachdem ich letzteres absolvirt, wurde ich im Herbste 1854 in die Unter-Prima des Gymnasiums zu Arnsberg aufgenommen, woselbst ich im letzten Prüfungs-Termine das Examen pro abitur bestand. –
Gesundheitlich begründete Einwände gegen die beruflichen Pläne des jungen Brüning gab es nicht. Der Arnsberger Kreis-Physikus Dr. Hiese hielt ihn für körperlich vollkommen qualifizirt zum Berg- und Hüttenfache und stellte fest:
Derselbe ist groß und grade gewachsen und ist im Verhältniß zu dem angegebenen Alter von 20 ½ Jahren sehr kräftig und entwickelt. Die Brust ist gewölbt, der Atem frei, der Herzschlag normal. Die Unterleibsorgane boten keine Abnormitäten. Auge und Gehör zeigten sich gesund. Überhaupt treten bei der Untersuchung keine Zeichen hervor, welche auf irgend eine ausgesprochene Krankheit oder Krankheitsanlage hindeuten.[3]
Ein Probejahr als „Bergwerks-Beflissener“
Rudolph Brüning bemühte sich um – wie es hieß – Zulassung zu den praktischen Arbeiten; er wollte als „Bergwerks-Beflissener“ angenommen werden und ein „Probejahr“ (eine Art Lehrzeit) ableisten. Man würde ihn einem Bergamt zuweisen, aber auf den Erwerb eines Lohnes ... konnte er bei diesen Arbeiten nicht ... rechnen und Unterstützungen aus Königlichen Kassen wurden auch nicht bewilligt.[4]
Bonn antwortete postwendend und Brünings Pläne bekamen einen kleinen Dämpfer. Das Oberbergamt eröffnete ihm, dass der Zudrang zum Bergfach zurzeit sehr groß sei und auch bei guter Qualifikation keine Aussicht bestünde, dass er in angemessener Zeit in dem Königlichen Dienste ein Unterkommen finden werde. Weil sie keine berufliche Perspektive eröffnen konnte, riet die Behörde von dem Vorhaben ab. Sollte Brünings Entschluss dennoch feststehend bleiben, so werde man ihn zu dem Probejahr zulassen. In diesem Fall habe er sich bei dem Königlichen Bergrath und Berg-Amts-Direktor Herrn Lorsbach in Siegen zu melden.[5] Brüning, der sich zu dieser Zeit auf Botzlar bei Bork aufhielt, lies aber keine Zweifel aufkommen und reichte dem Oberbergamt Bonn eine vom Borker Amtmann Föcker beglaubigte Abschrift seines Abiturzeugnisses nach.
Das erste Jahr, die erste Etappe auf dem Weg zum höheren Bergbeamten, begann für Brüning am 14. Oktober 1856 im Bergamtsbezirk Siegen. Er kam zunächst – wie er sich das gewünscht hatte – nach Hüsten, wo er mit der Aufbereitung, der Bohr- und Schießarbeit und den praktischen Arbeiten auf den Metallhütten bekannt gemacht wurde. In Eiserfeld stand Schägel- und Eisenarbeit auf dem Programm, in Wilnsdorf wiederum Bohr- und Schießarbeit und in Bensberg wurde der „Bergwerks-Beflissene“ bei der Schacht- und Streckenzimmerung und der Aufbereitung beschäftigt. Nach elf Monaten – etwas vor der Zeit – stellte er den Antrag, zum „Tentamen“ (Vorprüfung, Zwischenprüfung) zugelassen zu werden und bat um die Prüfungstermine.[6] Sein Siegener Vorgesetzter Lorsbach hatte keine Einwände, er bescheinigte Brüning mit der Weiterleitung des Gesuchs, dass er einen regen Fleiß bewiesen und sich musterhaft betragen hat.
Im September 1857 stand Brüning also davor, die erste Stufe einer bemerkenswerten Karriereleiter zu nehmen, deren höchste die Ernennung zum Oberbergrat 1888 war.
Oktober 2015
______________________________
[1] LAV NRW R, BR 101 Nr. 803 – Bescheinigung vom 22. 07.1856.
[2] LAV NRW R, BR 101 Nr. 803 – Bewerbung vom 08.08.1856.
[3] LAV NRW R, BR 101 Nr. 803 – Attest vom 06.08.1856.
[4] Vorschriften über die Befähigung zu den technischen Aemtern der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung vom 3. März 1856 – in: Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Deutschen Reich, Bd.: 4. 1857 – urn:nbn:de:bvb:12-bsb10705843-6.
[5] LAV NRW R, BR 101 Nr. 803 – Schreiben vom 09.08.1856.
[6] LAV NRW R, BR 101 Nr. 803 – Schreiben vom 15.09.1857.