aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Schützengesellschaften

Gründung einer Bruderschaft in Bork (1826), siehe unten

Schützenfeste im Amtsbezirk Bork 1826  1889  >>


Der „fremde Blick“ auf das Schützenwesen ...

Dieter Gewitzsch

... geht hier von der preußischen Obrigkeit aus, die allgemein ein wachsames Auge auf das Treiben ihrer Untertanen hatte und schon im August 1816 betreffend der Sonn- und Festtagsfeier verordnete, dass kein Gastwirth oder Hausbewohner Musik, Tanz, Singen, Spiel und Lustbarkeiten in seinem Hause während des öffentlichen Gottesdienstes dulden durfte.[1] Am selben Tag konkretisierte die Regierung in Münster auch, wie man es mit dem Gebrauch der Schießgewehre besonders beim Scheiben- und Vogelschießen[2] halten wollte. Damit war der Rahmen für das Feiern von Schützenfesten in der jungen Provinz abgesteckt.

Ludwig von Vincke

Oberpräsident Vincke sah die Feiern eingebunden in Tradition und führte im Abschnitt 7 seiner Verordnung aus: Es ist zu wünschen, daß die alte löbliche und unter Beobachtung dieser Vorschriften unschädliche Uebung des Scheiben- und Vogelschießens überall, wo solche früher Statt gefunden hat, wieder auflebe, und wo solche noch nicht war, neu eingeführt, auch solche Tage dazu gewählt werden, welche die Erinnerung eines denkwürdigen, dem Orte, dem Lande oder dem Staate theuren Ereignisses heiligt.[3]

Für die Einhaltung der Sonn- Feiertagsruhe wurde die Ortspolizeibehörde verantwortlich gemacht. Von den Kreiskommissaren, den späteren Landräten erwartete Vincke, dass sie das Schützenwesen  in seinem Sinne befördern. Als Oberpräsident verpflichtete er die Kreisbehörden, monatlich über den Erfolg ihrer … Bemühungen … Rechenschaft zu geben, und nicht nur die Orte, wo dergleichen Uebungen Statt gefunden haben, sondern auch die Schützenkönige namhaft zu machen.[4] 

Leider konnten solche Nachweisungen bisher nicht gefunden werden. Die Akte „757 Schützenfeste 1863-1908“ des Landratsamts enthält keine Korrespondenz in dieser Sache und unter den Akten des Oberpräsidiums findet sich die geforderte Berichterstattung auch nicht. 

Ergiebiger ist dagegen die im Amt Bork angelegte Akte „Schützengesellschaften“[5]. Der im Stadtarchiv Selm einzusehende Schriftwechsel gibt Hinweise auf über sechzig Schützenfeste, die von 1826 bis 1899 stattfanden. Wer den Vogel abschoss, notierte die Behörde nicht, aber die Bürgermeister und Amtmänner prüften die von den Veranstaltern aufgestellten Statuten und beauftragten Polizeidiener und Gendarmen für Sicherheit, Ruhe und Ordnung zu sorgen. Geplante „Tanzlustbarkeiten“ erforderten eine polizeiliche Erlaubnis und bei Festen auf den Höfen benötigte der Gastgeber eine kurzzeitige Konzession als Gast- und Schankwirt.

In seiner „Chronik des Amtes Bork“ berichtet der in Bork tätige Lehrer Christian Didon auch …


... Von den Schützenfesten.
Im Jahre 1826 feierten die Männer ihr erstes Schützenfest, das mit einer Bruderschaft verbunden war. Sie nannten sich Johannes-Bruderschaft. Anfänglich konnten nur die Bürger des Dorfes darin aufgenommen werden, späterhin wurde es einem jeden im Kirchspiele gegen Erlegung von 1 ½ Thl. gestattet, beizutreten. Man schoß nach einem Vogel und der Schützenkönig bekam einen silbernen Löffel, 4 Thl werth. Das ganze Fest dauerte 2 Tage. Seit dem Jahre 1845 ist diese nicht mehr gehalten worden.[6]

Der älteste "amtliche Vorgang" betrifft u.a. die seit dem 24ten Juni 1826 … bestehende Bruderschaft zu Bork[7] und beginnt mit einem Schreiben des damaligen Bürgermeisters Köhler an den Lüdinghauser Landrat von Schlebrügge. Köhler meldete Anfang September 1826 der Kreisbehörde ein PolizeiVergehen, legte alle Verhandlungen vor und bat um Bestätigung eines in dieser Sache verfassten Strafresoluts

Was war geschehen? 

Die Gründung einer Bruderschaft in Bork (1826) brachte Bürgermeister Köhler in Bedrängnis

Die Dorfgemeinde Bork hatte – so Köhler – nach dem Beispiele verschiedener angrenzenden Gemeinden eine Bruderschaft errichtet und dabei zur Norm angenommen, daß keine Miethlinge zuläßig sein sollten, das hieß – wie es der Landrat später formulierte – daß die nicht mit Grundeigenthum oder Häuser angesessenen Einwohner … von den übrigen ausgeschlossen wurden. Die von einem Fest ferngehaltenen Mietlinge (Tagelöhner, Dienstboten, Knechte …) waren laut Köhler schon aufgebracht, als der Gastwirt Schumacher[8] auf den Plan trat und ankündigte, ein Scheibenschießen zu veranstalten, und eine halbe Tonne Bier zu spendieren. Das habe die Mietlinge noch mehr gereizt und dreiste gemacht. Auf öffentlicher Straße hätten sie erklärt, dass sie, da man sie nicht in der Bruderschaft aufnehmen wolle, … auch für die Zukunft keine Dorfslasten mehr tragen würden und ihre Söhne dem Könige nicht dienen werden. 

Köhler bewertete diese Äußerungen zwar als lächerlich und wusste, dass ein leichtes Mittel zur Hand ist, um selbe zu ihrer Pflicht zu bringen, aber es leuchte aus den Reden doch ein rebellischer Sinn allzu deutlich hervor. Dem Gastwirt Schumacher habe er die Erlaubnis zu der Lustbarkeit mit Tanzmusik unter der Bedingung geben wollen, dass der Wirt sich für jeden vorfallenden Unfug persönlich verbürgen müsse. Schließlich habe Schumacher in seinem Hause ohne Erlaubnis Tanzmusik geduldet und – wie durch verschiedene Eingesessene bekannt geworden – verordnet, dass von den Teilnehmern ein weißer Band um ihren Hut getragen werden müsse. Köhler vermutete, dass Schumacher allein der Beförderer dieses sträflichen Frevels gewesen, welches um so strafbarer, da er als Beigeordneter doch verpflichtet [sei], die Handhabung der Polizeigesetze mit aller Kraft zu befördern. –

Der gerade 31-jährige Bürgermeister ließ in seinem Schreiben gehörig Dampf ab und machte aus seinen persönlichen Empfindungen kein Hehl: Ich kann mich … der Äußerung nicht enthalten, wie sehr ich mich im Schumacher getäuscht [habe], da ich denselben immer als einen graden, aufrichtigen und ordnungsliebenden Mann geschätzt [habe], und denselben jetzt als einen Rebellen finde. Schumacher habe gleich anfangs keine große Lust gezeigt, selbst der Bruderschaft beizutreten  (wahrscheinlich aus Persönlichkeiten gegen ein oder anderes Mitglied) und sei ein geheimer Aufwiegler in der Wegebesserungsangelegenheit des Uebbenbrock gewesen. Auch Polizeidiener Kalter habe ihn enttäuscht, weil er an dem unerlaubten Fest teilnahm, obwohl er ihm bei Verlust seines Amtes solches untersagt und aufgegeben hatte seiner Pflicht getreu solches zu verhindern.

Landrat von Schlebrügge, der den Kreis Lüdinghausen zu dieser Zeit noch von seinem Wohnsitz Beckendorf bei Hamm verwaltete, betrachtete die Vorgänge im Dorf Bork nicht nur aus räumlicher Distanz. Unaufgeregt stellte die Kreisbehörde fest[9], dass in der Lustbarkeit der von der Bruderschaft ausgeschlossenen Einwohner umso weniger etwas unerlaubtes oder frevelhaftes zu erkennen sei, als diese zuvor die polizeiliche Erlaubniß dazu nachgesucht hätten. Auch der Wirt habe nichts sträfliches begangen, weil er sich für Abwehrung jeden Unfugs verbürgt und die Leute ermahnt habe, keinen zu begehen. Wie aus den Aussagen hervorgehe, sei auch keiner begangen worden. Schumacher habe die Bedingungen erfüllt.

Köhler indes konnte oder wollte sich nicht beruhigen, er war auch nicht bereit, den Gedanken Schlebrügges zu folgen und das Fest beim Wirt Schumacher vom guten Ende her zu denken und zu bewerten. Im Gegenteil, er legte nach und behauptete zur eigenen Rechtfertigung, dass es hier zu Borck … Mode geworden [sei] … Drohungen auszustoßen ohne solche entweder gleich darauf zu vollziehen oder gar auch sogleich mit Thätlichkeiten zu begleiten. Er sei überzeugt, Ursache gehabt zu haben, eine Lustbarkeit zu untersagen die aus Trutz und Malise[10] veranlaßt wurde. Der Schumacher hätte sich schriftlich oder mündlich …für jeden Unfug zu verbürgen müssen, aber das habe er nicht getan. Es gäbe aber Aussagen, dass der Wirt über die Forderung nur Glossen gemacht und solche keinesweges zu erfüllen geneigt gewesen sei. Scheibenschießen und Tanzmusik seien also gegen das ausdrückliche Verbot des Bürgermeisters geschehen und solch ein förmlicher Frevel müsse jedenfalls gestraft werden. Wenn sein Ansehen in der Gemeinde nicht ganz verlohren gehen solle, betonte Köhler, müsse seinen Verboten Gehör gegeben werden. Unabhängig davon sei der Schumacher aber schon deswegen straffällig, weil bei ihm noch nach 10 Uhr getanzt worden sei, er aber nur bis 10 Uhr die Tanzgebühr entrichtet habe.

Nach abfälligen Bemerkungen über die Person Kalter, auf die an anderer Stelle einzugehen ist, appellierte Köhler erneut an den Landrat, den Wirt und den Polizeidiener nach Verdienst zu bestrafen, damit nicht wie sonst zu erwarten steht der Pöbel sagt wir wollen tanzen und es dem Bürgermeister ansehen laßen, wie dies schon wirklich der Fall gewesen sein soll.

Schlebrügge blieb unbeeindruckt, er vermisste in den Ausführungen Köhlers nach wie vor genügende Aufklärung, warum Köhler die Erlaubnis zum Scheibenschießen, und zur Tanz-Lustbarkeit versagt hatte. Der Landrat zog den Fall an sich und teilte Köhler mit, er müsse sich eine nähere Untersuchung des Vorgangs vorbehalten und rüffelte den Bürgermeister: … und scheint es als wenn Sie Sich unbesonnener Weise, in die kleinliche Partheisucht der Dorfes-Einwohner gemischt haben.[11] Zwei Wochen später hatte Schlebrügge in der Sache entschieden. Das Strafresolut gegen den Polizeidiener verfasste der Landrat selbst:

Da der Polizeidiener Kalter geständlich gegen das Ver-
both des Herrn Bürgermeisters an einem von mehreren
Einwohnern des Dorfes Borck veranstalteten
Scheibenschießen, und Tanz-Lustbarkeit Theil ge-
nommen hat, so wird derselbe hiermit in eine
Drei tägige Gefängniß-Strafe genommen,
welche er im Arresthause zu Werne abzusitzen
hat.
Beckedorf 16. November 1826
Der Landrath.
vSchlebrügge

Mit gleicher Post wurde Bürgermeister Köhler beauftragt, den Wirth Schumacher wegen der nach 10 Uhr verlängerten Tanzmusik zur Verantwortung zu ziehen.

Januar 2020 - wird fortgesetzt
 ______________________________

Ausschnitte,  Schreiben vom 6. August 1856.  Vgl. Anm. 7


[1] Amtsblatt Regierung Münster, 1816, Nr. 5 vom 31.08.1816, S. 56f.
[2] a.a.O., Nr. 7 vom 14.09.1816, S. 70ff.
[3] ebenda.
[4] ebenda.
[5] StA Selm AB-1 527 Schützengesellschaften 1826-1899.
[6] Christian Didon, Chronik des Amtes Bork, Hg. Archiv der Stadt Selm, Selm 1995, S. 40.
[7] StA Selm AB-1 527 – Schreiben des Festkomitees an den Borker Amtmann vom 06.08.1856.
[8] In einer Nachweisung vom 8. April 1819 listet Bürgermeister Fuisting für die Gemeinde Bork sechs Personen auf, die Branntwein brennen und/oder Bier brauen. Genannt wird auch Anton Schumacher, der im Jahr fünf Monate gebrannt und sechs Monate gebraut hat. – Vgl. LAV NRW W – Bestand K 332 (Lüdinghausen) Nr. 33.
[9] StA Selm AB-1 527 – Schlebrügge an Köhler vom 10.09.1826.
[10] vgl. maliziös = boshaft, Boshaftigkeit?
[11] StA Selm AB-1 527 – Schlebrügge an Köhler vom 31.10.1826.

 
Email