aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Das Dienstjubiläum des Landrats Graf von Wedel - 1900


Christel Gewitzsch

Amtmann Busch in Bork – wahrscheinlich nicht nur er – legte im Frühjahr 1900 eine neue Akte an. Zum ersten Mal konnte ein Landrat des Kreises Lüdinghausen, es handelte sich um Graf von Wedel, sein 25-jähriges Dienstjubiläum feiern. In dieser Akte wurde der Schriftverkehr über das im Herbst bevorstehende Ereignis abgelegt.

Zur Person

Wilhelm Graf von Wedel, am 15. November 1837 in Oldenburg geboren, zog es nach Abschluss des Gymnasiums in die Armee. Im März 1855 trat er dem 4. Kürassier-Regiment in Münster bei, was ihm die Teilnahme an den drei Bismarck‘schen Kriegen einbrachte: 1864 gegen Dänemark, 1866 gegen Österreich, 1870/71 gegen Frankreich.

Schloss Sandfort, Olfen

1861 heiratete Wedel Luise von Bodelschwingh-Plettenberg, die Erbin der Güter Sandfort, Senden und Rechede. Als ihr Vater 1869 starb, reichte Wedel den Abschied von der Armee ein, um sich der Verwaltung dieser Güter zu widmen. Doch mit dem Beginn des deutsch-französischen Krieges 1870 war er wieder zur Stelle. Im Rang eines Majors und ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse verließ Wedel im November 1871 die Armee endgültig.

Seine kommunalpolitische Karriere begann. Für einige Monate verwaltete er 1874 das Landratsamt im Kreis Lüdinghausen, bis er ein Jahr später kommissarischer Nachfolger des Freiherrn Ignatz Landsberg-Velen als Landrat wurde. Am 15. November 1875 erhielt er seine definitive Ernennung. Der Kulturkampf hatte die Stelle frei gemacht. Als Mitglied der Zentrumspartei war Landsberg-Velen nicht mehr genehm, er wurde für einige Jahre zur Disposition gestellt. Der protestantische Graf von Wedel profitierte davon, was – laut Wennemar Hömberg - eine wahre und innige Freundschaft(1) mit seinem Amtsvorgänger nicht ausschloss.

Planungen für das Jubiläum

Bis 1905 blieb Wedel Landrat des Kreises. Fünf Jahre vorher – also 25 Jahre nach seiner Ernennung – machten sich im März die Kreistagsmitglieder, im April die Bürgermeister und Amtmänner des Kreises an die Arbeit, um das Dienstjubiläum des Landrats am 15. November 1900 angemessen zu würdigen. Freiherrn Fritz von Twickel, Ehrenamtmann des Amtes Drensteinfurt, ernannten sie zum Vorsitzenden des Festkomitees. Er informierte seine Kollegen zügig über die ersten Planungen: Es wurde ein Geschenk in ungefährem Werte von 2000 Mark in Aussicht genommen. Es wird beabsichtigt, die Kosten des Festes und Geschenkes nach dem Verhältnis der direkten Staatssteuern zu verteilen.(2) Seine Kollegen forderte er auf, ihm die dazu nötigen Beschlüsse bald mitzuteilen.

Die nächste Idee war, von jeder Gemeinde die hervorragendsten und denkwürdigsten Punkte photographisch in höchstens 4 Bildern aufzunehmen, um sie in einem Album zusammenzufassen. Ein Fotograf aus Münster sollte alle Aufnahmen machen und für die Inschriften im Album wollte man Professor Scheuren aus Düsseldorf gewinnen. Ein weiteres Album mit den Photographien der Kreistag- und Kreisausschußmitglieder, der Mitglieder des Kuratoriums der Kreissparkassen, der Kreisbeamten und der Bürgermeister und Amtmänner wurde geplant. All die Betroffenen sollten Fotografien im Visitenkartenformat einreichen und sie mit eigenhändiger Unterschrift versehen. Auf ungefähr sechs Mark schätzte das Festkomitee den Unkostenbeitrag pro Person. Eine gute Schätzung, denn fällig wurden später genau 5,68 Mark.

Einen größeren Aufwand erforderte das am Tag der Feier um 14 Uhr geplante Festessen im Gesellenhaus in Lüdinghausen. Zur Ermöglichung einer größeren Ordnung und besseren Fertigstellung des Essens schrieben die Bürgermeister und Amtmänner mögliche Teilnehmer ihrer Bezirke an, sammelten die Namen der Interessierten und reichten die Listen ein. Die Kreistagsmitglieder und der Klerus erhielten eine gesonderte Benachrichtigung. Die Beteiligung kostete vier Mark.

Aus dem Amt Bork wollten mehr als zwanzig Personen an dem Essen teilnehmen. Nicht alle Namen sind eindeutig zu entziffern, aber Amtmann Busch, der Beigeordnete Wethmar, Rendant Tiemann, Rentmeister Orth, Oberförster Werner, Inspektor Brandei, die Herren Schulze Altenbork, Reygers, Dr. Sander, Zilch, Kraftbutter, Wischeler, Kreutzkamp, Uebbert, Niehues, Lenz, Rosenkranz, Schulte Potthoff, Wienecke und Direktor Kampa von der Kielmansegge’schen Brauerei wollten sich dieses gesellschaftliche Ereignis nicht entgehen lassen. Aus der Stadt Lüdinghausen hatten sich bis zum 22. Oktober 75 Leute angemeldet, aus Olfen nahmen zehn Personen an dem Festessen teil.

Ein Fackelzug

Das Amt Olfen fühlte sich seinem Mitbürger besonders verbunden und plante für den Vorabend des Jubiläums einen Fackelzug zu Ehren des Landrats. Eine Kommission, bestehend aus dem Amtmann, den Gemeindevorstehern und dem Amtsverordneten Ostrop zu Vinnum(3), übernahm die Vorbereitungen. Der Kapellmeister Watermeier und der Vorstand des Gesangvereins „Harmonia“ wurden gebeten, ihren Teil zur musikalischen Untermalung beizutragen.

Die Kapelle aus zehn Musikern wurde nicht nur für den Zapfenstreich vor dem Schloss engagiert, sondern für die Musikbegleitung über den Abend hin, falls man in ein Lokal einkehren wollte. Man wollte, wie man der Presse am Tag darauf entnehmen konnte: Den Schluß der Feier bildete ein Zug durch einige Straßen der Stadt und eine gemüthliche Vereinigung im Schulte’schen Saale, die einen sehr angeregten Verlauf nahm. 45 Mark bekam Kapellmeister Watermeier für sein Tun. Die Gesangvereine „Cäcilia“ und „Harmonia“ schlossen sich für diesen Abend unter der Leitung des Lehrers Köbbing zusammen, um zwei Lieder anzustimmen. Laut Lüdinghauser Volksblatt brachten die Sänger das „deutsche Lied“  und Beethovens majestätische Composition „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ mehrstimmig in wirkungsvoller Weise zum Vortrag. ... Die Steigermannschaften der Feuerwehr (14 Mann) sollten dem Fackelzuge mit großen Pechfackeln voraus gehen. Die Kosten trug die Amtskasse. Zur Erhöhung der Feier wurde ein Feuerwerk abgebrannt.

Amtmann Fruntke wies den Polizeidiener an, zweimal folgende Bekanntmachung zu veröffentlichen:
Unserem Mitbürger, dem Königlichen Landrath Herrn Graf von Wedel, soll von den Eingesessenen des Amtes Olfen aus Anlaß seines 25 jährigen Dienstjubiläums am Mittwoch den 14. November diese Jahres Abends gegen 7 Uhr auf Haus Sandfort ein Fackelzug mit Musik und Gesang dargebracht werden.
Es wird zur zahlreichen Betheiligung eingeladen. Versammlung Abends 6 Uhr auf dem Marktplatz. Die Theilnehmer von Vinnum erwarten den Zug an der Rentei.
Fackeln sind in hiesigen Geschäften zu haben.

Die Mitglieder der Amts- und Gemeinde-Vertretung erhielten gesonderte Einladungen mit einem Hinweis auf die Kleiderordnung: Schwarzer Anzug mit Cylinder und möglichst weißen Handschuhen.

Damit war der größte Teil der Vorbereitungen erledigt.

Presseecho

Die lokale und regionale Presse ließ es sich nicht nehmen, von diesem gesellschaftlichen Ereignis zu berichten. Das Lüdinghauser Volksblatt widmete den Feierlichkeiten mehrere Artikel, deren Inhalt auch vom Münsterischen Anzeiger genutzt wurde. Das Volksblatt nahm den Fackelzug der Olfener zum Anlass, die Verdienste des Landrats herauszustellen:
Unvergessen soll es dem Herrn Landrath sein, was er namentlich für den Bau der Lippebrücke, sowie der Chausse nach Selm und Vinnum, für die Straßenbesserung und andere dem gemeinen Nutzen dienende Zwecke gewirkt hat. Ein hochherziges Geschenk von ihm im Werthe von 1000 Mk. ist die neue Thurmuhr; für das Krankenhaus und Kriegerdenkmal spendete er namhafte Beiträge. Von seiner privaten Wohlthätigkeit könnte manche bedürftige Familie erzählen. Leutselig gegen Jedermann, trat der Herr Graf als Chef des Kriegervereins zu dessen Mitgliedern in besonders freundlichen Verkehr, der bei den wiederholten kameradschaftlichen Vereinigungen zur Sommerzeit in den prächtigen Waldungen beim Schlosse Sandfort seine besondere Pflege fand.(6)

Aber man scheute sich auch nicht, auf Missstimmigkeiten hinzuweisen: Bei der nahen Berührung mit der Gemeinde und dem in mancher Hinsicht unvermeidlichen Widerstreit der Anschauungen und der Interessen sind zwar Meinungsverschiedenheiten über örtliche Fragen nicht ausgeblieben, doch hat der hohe Jubilar des Oefteren bewiesen, daß er auch einem überzeugten, ehrlichen Gegner seine Achtung nicht versagt. Glücklicher Weise sind überdies einige Ursachen von Mißverständnissen im Laufe der Zeit verschwunden.

Den eigentlichen Festtag schilderte die Zeitung ihren Lesern detailliert. Morgentliche Böllerschüsse, Ankunft der Festteilnehmer in Lüdinghausen, Versammlung im Kreisgebäude um 11 Uhr, Begrüßung des Jubilars und Gratulationscour. Bevor der Oberpräsident v.d. Recke erschien, überreichten die Beamten und Vertreter des Kreises und der Kreiskriegerverband ihre Alben. Die Verbandsvertreter nahmen in der Stadt Aufstellung, der Jubilar schritt die Front in Begleitung der Ehrengäste ab, dankte tief gerührt und schloß mit einem Hurrah auf den obersten Kriegsherrn. Hierauf folgte die Parade, an der sich ca. 700 Krieger betheiligten.

Beim Festessen für über 300 Teilnehmer brachte der Oberpräsident einen Toast aus. Den anschließenden Trinkspruch sprach Wedels Amtsvorgänger v. Landsberg. Man kannte sich schon aus der gemeinsamen Zeit beim Kürassierregiment in Münster und die Zeitung erinnerte daran, dass Landsberg in den 70er Jahren Wedel als Landrat empfohlen hatte, als er selbst während des Kulturkampfes den Posten verlassen musste. In seiner Erwiderung dankte Wedel allen Gratulanten, den Beamten der Verwaltungen, den Mitgliedern der Kreisvertretung und besonders seinem langjährigen Mitarbeiter Kanzleirat Allard.

Wedels Bemerkung, daß er alt sei und vielleicht nicht mehr auf seinem Posten bleiben könne, motivierte den Reporter zu dem Schlusssatz: Dem hohen Jubilar rufen wir von Herzen zu: Ad multos, multos annos!(7)

Für den nächsten Tag schaltete der Landrat folgende Anzeige:

1905 legte Wedel sein Amt als Landrat nieder. Er starb am 25. April 1912.

März 2023
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1. Wennemar Hömberg, Der Kreis Lüdinghausen von 1813 bis 1913, Lüdinghausen, S. 305.
2. Und folgende Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 24.
3. Und folgende Zitate: Archiv der Stadt Olfen, A9, Amt Olfen, Kreis Lüdinghausen, Acta betreffend; Feier von Jubiläumsfesten.
4. Komp. Peter Fassbänder; Text Adolph Hachtmann, Ich dachte dein du trautes Heimatstal ...
5. Dortmunder Zeitung, 16.11.1900.
6. Und folgende Zitate: Lüdinghauser Volksblatt vom 15, 17. und 20.11.1900, aus: Archiv Olfen a.a.O.
7. Auf viele, viele Jahre!


 
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