Ein unerwarteter Fund aus dem Jahr 1855:
Bewirtschaftungsplan und Ertragsanschlag des Gutes Botzlar
Dieter Gewitzsch
Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin findet man in den Akten des Landesökonomiekollegiums Briefe und Berichte über die Gründung und den Betrieb der Ackerbauschule auf Gut Botzlar. Nach dem 1852 geschlossenen Vertrag mit dem Landwirtschaftsministerium war der Direktor der Schule, Gutspächter Wilhelm Brüning, verpflichtet, alljährlich einen Rechenschaftsbericht zu erstatten und denselben am 1ten October jeden Jahres dem Curatorium zu überreichen, welches ihn mittelst gutachtlichen Berichts durch Vermittlung des Ober-Präsidenten an das Königliche Ministerium der landwirthschaftlichen Angelegenheiten, und abschriftlich an das Königliche Landes-Oekonomie-Collegium befördert.[1]
Auf den unteren Stufen dieser „Meldekette“ ist nur wenig oder gar nichts von der Korrespondenz in Sachen Ackerbauschule Botzlar erhalten. Ein „Gutsarchiv Botzlar“ gibt es nicht und die Findbücher zum „Gesamtarchiv von Landsberg-Velen“, das vom Landesarchiv in Münster betreut wird, führen (noch) keine Akten über die Verpachtung des Gutes Botzlar im 19. Jahrhundert auf. Vielfach sind nur Begleitschreiben zu finden, mit denen vielleicht aussagefähigere Anlagen weitergereicht wurden. Die oben erwähnten Abschriften der Botzlar-Berichte verblieben zuletzt in den Akten des Landesökonomiekollegiums, die auch den Schriftwechsel mit dem Ministerium enthalten.
Naheliegend, dass man die Mitteilungen über das erste Geschäftsjahr auf allen Ebenen sehr genau nahm. In Berlin gab es einen lebhaften Schriftwechsel des Ökonomiekollegiums mit dem Ministerium, in dem es hauptsächlich um die Ansprache der gewünschten Zielgruppe ging. Man zweifelte nicht an der Entscheidung pro Botzlar und verkannte auch nicht, dass Brüning in dem Rufe eines besonders guten Landwirthes und einer sehr ehrenhaften Gesinnung steht, empfahl aber dennoch, der Brüning möge mit dem nächsten Rechenschaftsbericht auch belegen, dass bei ihm ein musterhafter, jedenfalls zweckmäßiger Ackerbaubetrieb statt finde.
Brüning reichte eine Beschreibung ein, die er zum Zwecke der Benutzung für den Unterricht an der Ackerbauschule ausgearbeitet hatte und erklärte selbstbewusst, daß nur durch eine vollständige Rechnungslage … ein richtiges Bild über die Erträge eines Gutes gewonnen werden könne. Der beschriebene Zustand der Gutswirtschaft dauere schon vier bis fünf Jahre an, aber man werde künftig wegen der steigenden Erträge der neuangelegten Flößwiesen, der Einführung der englischen Weidewirthschaft und des Zukaufs von Guano und Knochenmehl einen anderen Maßstab an den Ertrag anlegen können. Die höheren Behörden beeindruckte das weniger, sie erwarteten konkrete Zahlen über die tatsächliche Ertragslage. Oberpräsident Düesberg empfahl deshalb dem Kollegium etwas bürokratischen Druck auszuüben und für diese Art Nachweisungen ein bestimmtes Schema … vorzuschreiben.
Januar 2018
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[1] Alle Zitate: GStA PK I. HA, Rep. 164 A Landesökonomiekollegium, Nr. 61 Bd 2 + 3 – Acta betr. die Errichtung von Ackerbauschulen in der Provinz Westfalen