Dr. Ferdinand Deneke
1852 -1855 Lehrer der Ackerbauschule Botzlar
Dieter Gewitzsch
Im Juni 1851 beschreibt der Pächter Wilhelm Brüning[1], wie er sich die personelle Ausstattung einer Ackerbauschule auf dem Gut Botzlar vorstellt. Sich selbst sieht er in der Pflicht, als Vorsteher der Anstalt für vorschriftmäßige Abläufe zu sorgen und mit staatlicher Hilfe die materielle Ausstattung des Unternehmens sicherzustellen. Über seine Persönlichkeit wie seine Befähigung würden der Direktor des Landwirtschaftlichen Hauptvereins Münster, Jonas[2], und der Landrat des Kreises Lüdinghausen, Graf Schmising, Auskunft geben.
Aus Sicht des Landrats war Brüning als praktischer Landwirth zur Leitung einer Ackerbauschule befähigt und als ein Mann von Energie auch in der Lage, seine Eleven im Sinne einer sorgfältigen Erziehung streng zu überwachen, zur Tätigkeit anzuhalten und nicht zu verweichlichen. In wie fern er aber die Gabe der Lehre habe ... und ob er in den verschiedenen Wirthschaftszweigen selbst Unterricht ertheilen könne, wollte Schmising nicht beurteilen; der Landrat strich aber heraus, dass Brüning in den Werken der landwirthschaftlichen Klassiker sehr zu Hause sei. Brünings Vorträge beim landwirtschaftlichen Verein seien ihm stets verständig, er empfände sie aber bisweilen etwas docirend.
Der Personalplan der Ackerbauschule
Für den künftigen Vorsteher der Ackerbauschule stand indessen fest, dass er sich selbst an dem Unterricht beteiligen werde, auch wenn der im März/April 1852 mit dem Oberpräsidenten der Provinz Westfalen geschlossene Vertrag das nicht ausdrücklich verlangte:
§. 5.
Der p. Brüning übernimmt die Direction der Anstalt, stellt außerdem, unter Genehmigung des im §. 9. dieses Vertrages näher bezeichneten Curatoriums, einen wissenschaftlich gebildeten Hauptlehrer an, und sorgt überdies noch für den erforderlichen Unterricht der Schüler in der Thierheilkunde, in dem Pferdebeschlage, in der Stellmacherarbeit, in der Gärtnerei mit Einschluß der Obstbaumzucht, so wie in dem Nivelliren. – [3]
Dr. Deneke – Hauptlehrer mit Hang zur Chemie
Im Herbst 1852 erhielt der erst 25-jährige Dr. Ferdinand Deneke[4] die Stelle als Hauptlehrer an der Ackerbauschule Botzlar, wo er Naturwissenschaften unterrichtete.
Deneke wurde am 21. März 1827 in Westfalen geboren, sein Vater war Rektor der dortigen Stadtschule, die auch der Sohn besuchte. Privatunterricht ergänzte und erweiterte die schulische Ausbildung besonders in den Sprachen. Mit sechzehn Jahren wechselte Deneke im Oktober 1843 für zwei Jahre zur Provinzial-Gewerbeschule in Hagen, die ihn zum Studium der Naturwissenschaften, besonders der Chemie anregte. Nach Abschluss der Gewerbeschule beschäftigte er sich von Oktober 1845 an ein Jahr lang in chemischen Fabriken, um die Darstellung der Schwefelsäure, der Soda, des Glaubersalzes und des Chlorkalkes praktisch zu erlernen, bevor er im Herbst 1846 an der Universität Gießen unter Liebigs Leitung ein Studium der Chemie begann.[5] 1848 veröffentlichte Deneke in den von Wöhler und Liebig herausgegebenen „Annalen der Chemie und Pharmacie“ den Aufsatz: Analyse der Brunnensoole, der Soolmutterlauge und des Pfannensteins von der Saline zu Werl Westphalen.[6]
Nach zwei Jahren im Universitäts-Laboratorium zog es Deneke wieder in die Praxis. Er arbeitete Anfang der 1850er Jahre in einer Stearin- und Seifenfabrik und beschäftigte sich in seinen Mußestunden mit Untersuchungen über die Stahlfabrikation. 1851 promovierte er in Gießen und zog ein Jahr später auf Botzlar ein.
Direktor Brüning empfing den 20 Jahre jüngeren Wissenschaftler mit offenen Armen; die beiden teilten zumindest ihre Vorstellungen von einem ambitionierten Lehrbetrieb und verständigten sich in kurzer Zeit über die wünschenswerte Ausstattung der Schule für den naturwissenschaftlichen Unterricht. Brüning wandte sich werbend an das Kuratorium und legte seinem Antrag auf Beschaffung der Lehrmaterialien einen erweiterten Lehrplan mit ausführlichen Angaben zu den Unterrichtsinhalten vor.[7]
Geräte und Hilfsmittel für den naturwissenschaftlichen Unterricht
Künftig sollten die Vorträge über Physik durch die nötigen Instrumente unterstützt werden, fand Brüning und bat um Übersendung von 1 Barometer, 2-3- guten Thermometern und 1 Hygrometer. Bodenkunde und Düngerlehre wolle man nach dem Handbuche von Dr. Sprengel vorgetragen, der sich als Schüler von Thaer von der herkömmlichen „Humustheorie“ abgewandt hatte und schon vor Liebig den Weg einer nährstoffbezogenen Düngerlehre bereitete.[8] Bei der zeitgemäßen Ausrichtung des Faches bedürfe man der Unterstützung der Chemie und wolle deshalb ein einigermaßen vollständiges chemisches Laboratorium einrichten, in welchem einestheils den Zöglingen die wichtigsten chemischen Versuche, welche in die oben erwähnten Fächer einschlagen, vorgezeigt werden können, andernfalls selbst wissenschaftliche Untersuchungen über die verschiedenen Zweige der Landwirthschaft ausgeführt werden. Er lasse zu diesem Zweck bereits ein Zimmer einrichten, verkündete Brüning und Dr. Deneke werde mehre werthvolle Gemische und physikalische Instrumente, als Wage, Platintiegel, Agatschaale u.s.w. beisteuern, aber die nötigen Glas- und Porzellansachen, als Retorten, Bechergläser, Reagentiengläser, Abdampfschaalen u.s.w, u.s.w. dürften jedoch noch zu beschaffen sein. Ein Betrag von vierzig Talern würde ausreichen, rechnete Brüning vor, der schnell ein Verzeichnis der Instrumente einreichen wollte, falls ein hohes Collegium [es] nicht vorziehen sollte, den angeführten Beitrag zu diesem Zwecke zu überweisen.
Die für die Bodenkunde nöthigen Mineralien fehlen mir fast völlig, klagte Brüning, und es ist mir überhaupt hier sehr wenig Gelegenheit zu Beschaffung einer derartigen Sammlung geboten. Aber für ein hohes Kollegium in Berlin mit seiner ausgedehnten Correspondenz sei es nicht schwierig, die betreffenden Mineralien zu erhalten, dort werde man gewiss bereit sein, ihm bei Beschaffung einer solchen Sammlung hülfreich Hand zu leisten.
Einmal in Schwung offenbarte der Direktor der Schule weitere Pläne: Es ist meine Absicht, allmählich eine Bibliothek für die Anstalt zu beschaffen, so wie bei dem Königlichen meteorologischen Institute in Berlin dahin zu wirken, daß dasselbe eine Station hier errichten möge, zu deren Übernahme sich Dr. Deneke bereit erklärt hat.
Im Oktober 1853 wurde der erste Rechenschaftsbericht der Ackerbauschule fällig, der auch über die Arbeitsteilung zwischen dem Direktor und den Lehrkräften Auskunft gibt.
Im Winter-Semester [1852/53] wurde gelehrt:
Vom Dirigenten in wöchentlich 2 Stunden rationelle Landwirthschaft nach Thaer.
Vom Lehrer Dr. Denecke in täglich 3 Stunden Chemie, Physik, Physiologie soweit selbe für Landwirthe erforderlich und nützlich sein kann, Düngerlehre, Bodenkunde.
Vom Thierarzt Langenkamp wöchentlich 1 Stunde Unterricht über Bau, Formen und Pflege der Hausthiere. (Unterricht in der Thierheilkunde, soweit selber für Landwirthe passend, wird im 2ten d.h. dem laufenden Jahre [1853/54] ertheilt.)
Im Sommer-Semester [1853] bis zum Eintritt der Erndte wurde gelehrt:
Vom Dirigenten in wöchentlich 2 Stunden: Taxationen von einzelnen Gegenständen, Gutstheilen und ganzen Gütern.
Vom Lehrer in 3 Stunden täglich: Nivelliren, Feldmessen, Botanik, Buchführung.
Vom Thierarzt in einer Stunde wöchentlich: Wie im Wintersemster.
Die Kultur der Obstbäume und Gartengewächse wurde von einem gebildeten Gärtner aus der Nachbarschaft besorgt.
Das ganze Jahr hindurch bis zum Eintritt der Erndte war abwechselnd die Hälfte der Zöglinge des Vormittags auf dem Lehrzimmer unter Aufsicht des Lehrers beschäftigt mit Repetiren und schriftlichen Ausarbeitungen, während die andere Hälfte practisch angestellt war.
1855 zieht es Deneke nach Berlin
Deneke konnte sich über seine erste Anstellung als Lehrer sicher nicht beklagen, doch nach nicht ganz drei Jahren trat der Hauptlehrer ... [am 1. April 1855] aus, um einem Rufe als Assistent an das Gewerbe-Institut in Berlin zu folgen.
Den weiteren Lebensweg des früh verstorbenen Deneke beschreibt der schon zitierte Nachruf:[9]
In Berlin fand er Gelegenheit, unter Doves[10] Leitung, dessen persönlicher Freundschaft er sich erfreute, sein Wissen in der Physik zu vervollständigen, und wurde im Herbste 1856 nach bestandener Lehrerprüfung für das Naturwissenschaftliche Fach an die Provinzial-Gewerbeschule zu Iserlohn berufen. Durch sein Lehrgeschick, durch Lebendigkeit, Frische und Anschaulichkeit im Vortrage verstand er das Interesse der Schüler für seine Unterrichtsfächer in hohem Maße anzuregen und hat dadurch nicht unerheblich zur Hebung der Schule beigetragen.
Nach fünfjähriger Tätigkeit übernahm Deneke die gleichnamige Stellung an der hiesigen Provinzial-Gewerbeschule [Danzig] und hat sie mit entschiedener Liebe zum Lehrfache bis zu seinem Tode inne gehabt. Er erlag am 4. November 1865 einem heftig auftretenden Anfalle von Meningitis nach zweitägiger Krankheit.
Die naturforschende Gesellschaft hat in ihm ein Mitglied verloren, das sich durch umfangreiches chemisches Wissen und eifrige Beschäftigung mit akustischen Untersuchungen[11], zu denen Deneke durch sein vorzügliches musikalisches Gehör in seltener Weise befähigt war, besonders auszeichnete.
Januar 2017
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[1] GStA PK I. HA, Rep. 164 A, Nr. 61 Bd. 2 Landesökonomiekollegium - Projektbeschreibung Brünings vom 22. Juni 1851.
[2] Wilhelm Jonas, General-Kommissar und Geheimer Rat, Münster.
[3] GStA PK I. HA, Rep. 164 A, Nr. 61 Bd. 3 Landesökonomiekollegium.
[4] Wenn nicht anders zitiert, folgt der Text dem Nachruf auf Ferdinand Deneke, *21.03.1827; †4.11.1865 – Schriften der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig, Danzig 1866, S. 8.
[5] Die Kösener Korpslisten führen Deneke als Mitglied der „Teutonia Gießen“ für das Jahr 1848, Nr. 126 als Dene(c)ke, Ferd., Chemiker.
[6] Annalen der Chemie und Pharmacie, Band LXV, Heidelberg 1848, S. 100-110. – google-books.
[7] GStA PK I. HA, Rep. 164 A, Nr. 61 Bd. 3 Landesökonomiekollegium – Antrag vom 24.11.1852.
[8] Philipp Carl Sprengel, *29. 03.1787, †19.04.1859, gemeinsam mit Albrecht Daniel Thaer und Justus von Liebig gehört er zu den geistigen Wegbereitern der neuzeitlichen Landbauwissenschaft. – Wikipedia.
[9] s. oben, Anm. 4.
[10] Heinrich Wilhelm Dove,*6.10.1803; †4.04.1879, Physiker und Meteorologe – Wikipedia.
[11] „Ein neuer akustischer Interferenz-Versuch“, Annalen der Physik, Band 201, Heft 6, 1865, Seite 335-341, Dr. Ferdinand Deneke, Danzig.