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Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Oskar von Ecker Eckhofen

*17. Juli 1828, †27. Juli 1910 – von 1855 bis 1862 Lehrer auf Botzlar 

 

Dieter Gewitzsch

Nach dem der erste Hauptlehrer, Dr. Deneke, die Ackerbauschule Botzlar zum 1. April 1855 verlassen hatte, übernahm der 26-jährige Oskar von Ecker die freigewordenen Stelle.(1)  

Hans Ludwig Oscar Freiherr von Ecker-Eckhoffen wurde am 17. Juli 1828 in Bobingen bei Augsburg geboren. Er absolvierte das Gymnasium in Bamberg und studierte zwei Jahre an der Universität in Würzburg.(2)  Hierauf bildete er sich zwei Jahre lang in der landw[irtschaftlichen] Praxis auf einem Gute bei Schwabmünchen und durchlief dann den zweijährigen Studiengang der landw[irtschaftlichen] Akademie in Hohenheim mit dem Abgangszeugnis von 1852. Im Jahre 1853/54 bekleidete er ein Jahr lang die Stelle eines Wirtschaftsassistenten in Weihenstephan.(3)  Aus dieser Position heraus bewarb er sich im Mai 1855 mit der Empfehlung des Direktors der angesehen Akademie zu Hohenheim, Gustav Walz.(4)  – Auch das Kuratorium zeigte sich überzeugt, dass Oskar von Ecker – wie Brüning formulierte – die vollständige Qualifikation zu einem Lehrer an einer Ackerbauschule [besitzt], womit er zugleich einen regen Eifer verbindet.(5)  

Ecker blieb bis 1862 Lehrer der Landwirtschaft an der Ackerbauschule Botzlar und veröffentlichte im Jahr seines Abschieds einen bemerkenswerten Aufsatz in den vom Präsidium des Landes-Ökonomie-Kollegiums Berlin herausgegebenen „Annalen der Landwirthschaft“(6):  

Der Beitrag befindet sich auf der Höhe der in den 1850er und 1860er Jahren landesweit geführten Diskussion um die Ausgestaltung des landwirtschaftlichen Bildungswesens mit dem Ziel, eine wissenschaftlich begründete „rationale Landwirtschaft“ zu etablieren. Der Autor bezieht sich mehrmals direkt auf seine praktischen Erfahrungen als Lehrer zu Botzlar, verharrt aber nicht bei lokalen Betrachtungen:   


Für Ecker beruht das landwirtschaftliche Gewerbe zunächst auf Erfahrung, wobei er die Überlieferung von dem unterscheidet, was man durch eigene praktische Tätigkeit erworben hat. Wie andere vor ihm hat er beobachtet, dass der mündlichen Überlieferung geglaubt und vertraut wird, Bücher und Zeitschriften dagegen unbeachtet bleiben. Ecker schließt sich den Forderungen nach besseren Schulen, einem allseitig anregendem Vereinsleben und umsichtig geleiteten Zeitschriften an, für ihn sind das die „Hebel des Fortschritts“ bei den bäuerlichen Grundbesitzern.

Bis in die 1850er Jahre habe die herkömmliche landwirtschaftliche Ausbildung eine Art „handwerklichen Landwirt“ hervorgebracht, dem der „innere Grund“ seiner Handlung nicht bewusst sei. Er mache alles so, wie es immer gemacht wurde und habe es auch nie anders gelernt. Ecker vermisst die Fähigkeit, aus Beobachtungen und veränderten Bedingungen Schlüsse zu ziehen. Dazu fehle das nötige Wissen und der durch dürftige Elementarschulen kaum angeregte Geist erschlaffe bald angesichts einer als unveränderbar wahrgenommenen Praxis.

Die bessere landwirtschaftliche Erziehung ziele, auf die bäuerlichen Grundbesitzer, deren geistige Anregung sie fortwirkend … erhalten will. Ecker räumt ein, dass (1862) der Schultyp wie alles erst Werdende unvollkommen und noch unbefriedigend ist und fordert, die Bedürfnisse der Zielgruppe gründlicher zu erforschen.

Der Erfolg versprechende Lernprozess vollzieht sich nach Ecker in zwei Schritten. Zuerst müsse man dem Schüler alternative Methoden so nahebringen, dass er die Vorteile mit Händen greifen kann, denn ein treffliches Beispiel beeindrucke einen der Tradition verpflichteten Bauern eher als die klarsten und bündigsten theoretischen Auseinandersetzungen.

Allerdings bewirke das Vormachen und Vorzeigen allein noch keinen überzeugten Nachvollzug. Um eine stabile Verhaltensänderung zu erreichen, bedürfe es in einem zweiten Schritt der geistigen Erfassung und Einordnung. Hier kommt die Ackerbauschule ins Spiel, die  berufen sei, praktische Erfahrung mit theoretischen Erkenntnissen in eine innige Wechselbeziehung zu bringen. Ecker lässt dabei keinen Zweifel aufkommen, welche Zutat er für die Hefe im Teig hält: so empfängt die Praxis erst Leben und Bewegung durch die Theorie, und wird durch sie aus der verknöcherten Umschalung gelöst, welche Gedankenlosigkeit und Tradition rings um sie angesetzt haben.

Bei den „Landwirtschaftslehrern“ bemängelt Ecker die allgemein unzureichende fachliche und pädagogische Vorbildung. Sehr zum Nachteil für das Unterrichten an einer Ackerbauschule, wo man häufig auf eine sehr heterogene Schülerschaft trifft. Auf Botzlar habe fast immer ein Drittel der Zöglinge nicht der erklärten Zielgruppe angehört. Die Söhne von Beamten und dergl. hätten sich auf höheren Bürgerschulen, Fortbildungsanstalten, Realschulen und Gymnasien versucht, bevor sie in die Ackerbauschule eintraten. Diesen meist älteren Schülern standen die Söhne von Schulzen und Colonen gegenüber, die kaum orthografisch schreiben konnten und im Rechnen über die vier Grundrechenarten nicht hinausgekommen waren.

Auf die Frage, wie man unter diesen Bedingungen den theoretischen Teil des Unterrichts sinnvoll realisieren solle, sei gern darauf verwiesen worden, dass die Ackerbauschule ihr Augenmerk eigentlich auf eine verbesserte Praxis zu richten habe. Die Theorie könne nebenher in Feld und Wiese, unmittelbar anknüpfend an die jeweiligen Arbeiten, ertheilt werden.

Der ehemalige Lehrer kontert, dass die Methode, den theoretischen Lernstoff ohne Plan während der praktischen Arbeit aufzurufen, weder den Interessen der Lernenden noch denen des Ausbildungsbetriebs diene. Auf der einen Seite störe der begleitende Unterricht den Betrieb und mindere die Arbeitsleistung,  andererseits könne man mit eher zufällig der praktischen Arbeit angelagerter Theorie kein ernstzunehmendes Lernergebnis sichern. Eine Schulleitung dürfe nicht dulden, dass der theoretische Teil der Ausbildung nur sporadisch stattfindet und oberflächlich betrieben wird.

Ecker wünscht sich ein landwirtschaftliches Schulwesen auf einer naturwissenschaftlichen Grundlage, die er für unentbehrlich hält. Ausführlich beschreibt er die Inhalte und Methoden einer Lehre von der „rationalen“ Landwirtschaft, untersucht die Voraussetzungen und benennt fachliche und allgemeine Bildungsziele. Dabei spart er die Schulorganisation nicht aus und weist den „mittleren Ackerbauschulen“, zu denen er auch Botzlar zählt, ihren Platz als „Fortbildungsschulen“ zwischen der Elementarbildung und den Hochschulen zu. Solche „Mittelschulen“ könnten nach Eckers Einschätzung ein fruchtbares ... Feld der Wirksamkeit haben, wenn nicht bestimmte Hindernisse günstigen Resultaten entgegenstünden:

1. der vorherrschend private Charakter dieser Anstalten;

2. der Mangel an genügender geistiger Vorbildung eines Theils dieser Zöglinge;

3. die Kürze des Aufenthalts der Eleven;

4. der durch die ungesicherte Stellung bedingte häufige Wechsel der Lehrkräfte;

5. das Fehlen ausreichender Lehrmittel;

6. der Mangel einer der Hauptbedingungen des Erfolges der in allen Betriebszweigen mustergiltigen Wirthschaft.

Die weiteren Ausführungen vermeiden den ausdrücklichen Bezug zu Botzlar, es ist aber anzunehmen, dass die Texte sich auch aus den unmittelbaren Erfahrungen Eckers mit dieser Schule speisen. Ein privater Betreiber (wie Wilhelm Brüning) verfolge eben, wie es in der Natur der Dinge liegt, neben dem Nutzen für das Allgemeine auch specielle Vortheile und diese Absicht lähme nicht selten die Resultate für das Gemeinwohl. Theorie und Praxis würden bald als konkurrierende Größen gesehen, konkret bei der Entscheidung „Unterricht oder praktische Arbeit?“. Werden Schüler aus betrieblichen Gründen verstärkt zu praktischen Arbeiten herangezogen, fehlt die Zeit für die Unterweisung. Ebenso könnte das Streben nach einem guten Betriebsergebnis verhindern, dass alle für die Ausbildung relevanten Produktionen und Verfahren stattfinden, gleich ob sie für den Betreiber der Ackerbauschule lohnend sind.

Als Fazit spricht sich Ecker ganz eindeutig für staatliche Ackerbauschulen aus, die vorrangig ihren Bildungszielen verpflichtet sind und nicht als Teil eines Geschäftsmodells für Gutsbesitzer oder -pächter rentabel sein müssen. Von einem solchen Lehrbetrieb erwartet Ecker eine bessere Ausstattung mit artenreichen Viehbeständen und Werkzeugen und Maschinen, die dem Fortschritte der Gegenwart entsprechen. Von den Behörden fordert er eine strenge fachliche Aufsicht, die Bedingungen für die Aufnahme der Schüler formuliert und durchsetzt. Ähnliches gilt mit Blick auf das Lehrpersonal. Der Staat soll nur in ihren Kenntnissen und Fähigkeiten bewährte und erprobte Männer zulassen und den höher qualifizierten Lehrern eine Stellung bieten, die ihnen erlaubt, einen bescheidenen Heerd zu gründen, auf dass tüchtige Kräfte den Anstalten erhalten blieben.

Mit seinem Aufsatz vermittelt Ecker 1862 Vorstellungen von einem Typ landwirtschaftlicher Lehranstalt, wie er wenige Jahre später in Gestalt der Schulen in Herford (14. Oktober 1868) und Lüdinghausen (1. Oktober 1869) seinen Betrieb aufnahm. 

Ecker hat den schulischen Beitrag zur Ausbildung von Landwirten und zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft nie isoliert gesehen, sondern mit den landwirtschaftlichen Vereinen und entsprechenden Zeitschriften als „Hebel“ des Fortschritts benannt. Ihm war bewusst, dass dieser Dreiklang nicht seine alleinige Erfindung war. In einem Bericht aus dem Jahre 1836 hielt der westfälische Oberpräsident die Organisation der Bauern in Kreisvereinen und ein „Wochenblatt“ für geeignet, zur Erhaltung und Aufhülfe des landwirthschaftlichen Gewerbes beizutragen.(7) 

Ein Vierteljahrhundert später betont Ecker, dass es mit Gründungen nicht getan sei. Er verweist auf Badersleben (Sachsen-Anhalt), wo es von der Ackerbauschule ausgehend gelang, einen Bauernverein ins Leben zu rufen und die Monatsschrift „Mittheilungen über die Wirksamkeit des Bauernvereins und der Ackerbauschule zu Badersleben“ herauszugeben. Ecker zeigt sich beeindruckt von der Anstrengung und Opferwilligkeit des dortigen Lehrers für die Fachwissenschaften, Dr. Krämer. Dass „sein“ aktueller Schulleiter (Wilhelm Brüning) schon seit Jahren schreibend für Verbesserungen in der Landwirtschaft eintrat und sich im Kreisverband Lüdinghausen engagierte, also auf seine Art die „Hebel“ Schule, Verein und Zeitschrift bediente, erwähnt Ecker nicht. Kraemer war Wissenschaftler  und Brüning Unternehmer – das machte für Ecker möglicherweise den Unterschied aus. 

Nach dem Ausscheiden aus der Ackerbauschule Botzlar promovierte Ecker noch im selben Jahr in Jena (7.11.1862)(9)  und ging zurück nach Bayern zur Landwirtschaftlichen Zentralschule Weihenstephan, die in ihrem Jahresbericht für 1863/64(10) den Dr. v. Ecker bereits als Professor für Botanik, Physiologie der Pflanzen, allgemeinen und speziellen Pflanzenbau zum Lehrpersonal zählt. Der bayerische König hatte Professor Max Lidl in den Ruhestand versetzt und dem inzwischen 35-jährigen Ecker mit Wirkung vom 1. April 1864 die Stelle eines Professors ... in provisorischer Eigenschaft übertragen. Nach nur drei Jahren bat Ecker um die Entlassung aus dem königlich bayerischen Staatsdienst, die ihm auch gewährt wurde. Den Titel eines Professors durfte er über den Tag hinaus beibehalten.(11) Er lebte als Gutsbesitzer in der Steiermark auf Schloss St. Gotthard bei Graz, wo er am 27. Juli 1895 verstarb.

Es wundert nicht, dass sich Oskar von Ecker Eckhofen in landwirtschaftlichen Vereinen engagierte:

Der steirische Landbote, Organ für Landwirthschaft und Landeskultur, Hg. von der Steiermärkischen Landwirthschafts-Gesellschaft. 9. Jg., Nr. 24, 23.11.1876, S. 191 – books.google.com.

November 2021
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Quellen und Literatur:

(1) Nahezu gleichzeitig mit der Bewerbung für Botzlar suchte Ecker im April 1855 eine Anstellung an dem in Gründung befindlichen eidgenössischen Polytechnikum in Zürich, das im Herbst des Jahres seinen Betrieb aufnehmen sollte. Der 26-jährige Berufsanfänger bewarb sich für Zürich in der irrigen Annahme, dass die heute zu den besten Universitäten zählende Hochschule einen Lehrstuhl für Landwirtschaft einrichten würde. Dem ambitionierten Ecker blieb versagt, in Zürich zu den Männern der ersten Stunde zu gehören.
(2) Nach den Kösener Korpslisten war er 1847 Student und Mitglied des studentischen Korps Moenania.
(3) Bayerisches Landwirtschaftliches Jahrbuch, Band 38, S. 128. – books.google.com.
(4) Gustav Walz, Professor für Landwirtschaft, Direktor der Landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim 1851-65 – uniarchiv.uni-hohenheim.de/geschichte/direktoren-rektoren-praesidenten – 23.01.2017.
(5) GStA PK 1. HA, Rep. 164 A, Nr. 61, Bd. 2 und 3 Landesökonomiekollegium.
(6) Annalen der Landwirtschaft in den königlich preußischen Staaten, 20. Jg., Bd. 39, Aufsatz in drei Teilen, S. 233-245, S. 458-469 und S. 526-534.  – Wenn nicht anders zitiert, folgt die Inhaltsangabe diesen Texten.(7) Vgl. Förderung des landwirtschaftlichen Gewerbes - Bericht des westfälischen Oberpräsidenten Ludwig von Vincke (1836) - aktenlage.net/Wirtschaft/Denkschrift-Vincke-1836 – 03.11.2021. 
(8) „Kraemer, August Albrecht
Adolph“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/116353074> (Stand: 26.7.2021).
(9) Bayer. Landw. Jahrbuch, a.a.O., S. 128.
(10) Jahresbericht ... Permalink: mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10708981-3.
(11) Allgemeine Zeitung München, Nr. 242, Beilage von Freitag, 30. August 1867 - books.google.com. Seite 3902 unter „Personal-Nachrichten“: Wissenschaft und Kunst. Bayern: dem Professor an der landwirthschaftlichen Centralschule in Weihenstephan Dr. Frhrn. O. von Ecker-Eckhofen ist die erbetene Entlassung aus dem k. Staatsdienst mit Beibehaltung des Titels eines k. Professors bewilligt.

 
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