aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Unruhe an den Schleusen

Christel Gewitzsch

Renitente Arbeiter

1. Reste an der Schleuse bei Horst, Foto: Karl Glowsky

Bei den ersten Planungen zum Ausbau der Schifffahrt auf der Lippe war eines schon offensichtlich: Um die Lippe von Wesel bis Hamm mit Schiffen befahren zu können, kam man um den Bau von einigen Schleusen nicht herum. Besonders für das letzte Drittel dieser insgesamt 145 Kilometer langen Strecke waren diese nötig. In den 20er Jahren wurden einige neu errichtete Schleusen in Betrieb genommen und ab 1831 gelangten die Schiffe sogar bis kurz vor Paderborn. Durch die Vergrößerung von drei Schleusen in den 50er Jahren kamen auch größere Schiffe bis nach Hamm.

Der Schleusenbau war nicht nur teuer, sondern führte in den betroffenen Gemeinden auch zu einiger Unruhe, mit der sich die lokalen Behörden beschäftigten mussten. Unter den Maurern an der Schleusenbaustelle in Horst kam es immer wieder zu Prügeleien und in Bork fielen sie durch nächtliche Ruhestörungen häufig unangenehm auf. Fast täglich werde er von Eingesessenen, die sein energisches Eingreifen forderten, darauf angesprochen, schrieb Bürgermeister Köhler 1821 an den Landrat Schlebrügge. Auch der auf der Baustelle Aufsicht führende Maurermeister Hennes wurde der Lage allein nicht mehr Herr und wollte die Rädelsführer eingesperrt sehen.

Köhler schickte daraufhin den Polizeidiener mit vier Mann Unterstützung zur Schleuse, um die Verhaftungen vorzunehmen. Der zur Unterstützung des Polizeidieners angeforderte Gendarm Unteroffizier Unkel war noch nicht eingetroffen. Die in Eile zusammengestellte Hilfsmannschaft war aber eher hinderlich. Die Männer postierten sich am Rand des Geschehens, machte sich über den Polizeidiener lustig und der eine von denselben Namens Ludewich Steinmann erlaubte sich noch des Ausdrucks, das arretiren so nicht ginge, sondern der Bürgermeister müße die Sache untersuchen.[1] Erzürnt beantragte Köhler beim Landrat eine angemessene Bestrafung des Webers Steinmann, der daraufhin von Schlebrügge auf die Kreisstube nach Lüdinghausen zitiert wurde.

2. Schleuse Horst, Foto: Karl Glowsky

Trotz der fehlenden Hilfe der Borker Männer konnten die Rädelsführer des Krawalls, die Maurergesellen Martin Hering und Heinrich Hühner aus Wesel, verhaftet und in die Arrestzelle gesperrt werden. Dort blieben sie nicht lange, denn alle wollten sie loswerden. Der Wasserbau-Inspektor Zimmermann bat den Bürgermeister, da sie ohne Zweifel von Neuem wie gestern hier geschehen Meuterey unter [den] Arbeitern anstiften würden, den beiden ihren ausstehenden Lohn auszuzahlen, genehmigte ihnen auch das verlangte Reisegeld von einem Taler und bedankte sich ausdrücklich bei Köhler für gehabte Bemühung.

Mit einem auf 2 Tage gültigen Laufpaß über Olfen, Haltern und Dorsten nach ihrer Heimat schickte Köhler sie fort. Gleichzeitig informierte er den königlichen Polizeidirektor Schneider in Wesel über die Vorfälle an der Baustelle. Das Fehlverhalten, besonders das des Martin Hering, der seit kurzem nur immer darauf bedacht gewesen sei, sämmtliche Maurer von der Arbeit zu verscheuchen, sollte der Heimatgemeinde zur ferneren Veranlassung zur Kenntniß gegeben werden. Sein renitentes Verhalten hätte Hering noch am Morgen unter Beweis gestellt, als er versuchte, seinen Bruder unter Gewaltanwendung mit nach Wesel zu nehmen. Der wollte aber seine Arbeitsstelle nicht aufgeben und weigerte sich.

Zwei Monate nach den Vorfällen an der Horster Schleuse ging es an der Baustelle in Dahl weiter. Dieses Mal hatten sich Mauerer aus Wesel mit Schachtgräbern aus Selm eine Schlägerei geliefert. Der dort zuständige Bauinspektor bat um die Wiederherstellung der Ordnung durch polizeiliche Maßnahmen gegen die Ruhestörer, die sich in der Zwischenzeit aber schon von der Baustelle entfernt hatten. Die weitere Untersuchung verlief anscheinend im Sande, da die namentlich bekannt gewordenen Arbeiter sich vor Ort nicht mehr blicken ließen.   

Für das darauffolgende Jahr – 1822 – wurde Köhler vorbeugend aktiv. Bevor die Arbeiten an den Schleusen im Frühjahr wieder aufgenommen wurden, wandte er sich an den Landrat mit der Bitte, dieser möge dem Polizeidirektor in Wesel verdeutlichen, dass nur Arbeiter mit ordnungsgemäßen Papieren für den Schleusenbau angestellt und eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten würden. Köhler wollte sich und den Leuten Unannehmlichkeiten ersparen. Die Tagelöhner, meistens aus Wesel, sollten sich nicht ohne Chance auf Einstellung auf den langen Weg machen und er selbst wollte sich der misslichen Aufgabe der Zurückweisung entledigen. Köhler bat den Landrat außerdem, auch den Bauinspektor Zimmermann in Lünen in diesem Sinne erneut zu instruieren. Zur Sicherheit schrieb Köhler selbst auch an den Bauinspektor: Mit der vorrückenden Jahres-Zeit werden auch wieder die Schleusenarbeiten beginnen und hierzu aus aller Welt Arbeiter herbei kommen; Damit aber die öffentliche Ruhe und Sicherheit durch diese Fremdlinge nicht gefährdet, auch kein Verdächtiger oder sonstiger Verbrecher sich unter den Arbeitern aufhalten und somit die im vorigen Jahren so häufig stattgefundenen Unruhen vorzubeugen, finde ich es sehr zweckmäßig, daß keine Fremdlinge, welche nicht mit einen auf seine Person allein ausgestellten förmlichen Paß oder sonstiger Legitimations-Bescheinigung versehen auf den Baustellen Arbeit ertheilt würde. Die Papiere der Arbeiter wollte Köhler selbst in Verwahrung nehmen.

Die Vorsichtsmaßnahmen scheinen für dieses Jahr erfolgreich gewesen zu sein; von randalierenden Arbeitern liest man nichts. Dafür schickte der Landrat den Gendarm Oppermann zur Unterstützung des Bürgermeisters nach Bork, weil Schifferknechte die Ruhe und Ordnung an der Lippe störten. Ein Jahr danach verhielt sich aber schon wieder ein Schachtgräber namens Bilkens höchst widerspenstig und grob, dass der Bau-Conducteur um Hilfe nachsuchte, weil er sich persönlich bedroht fühlte und es alleine nicht schaffte, den Mann von der Baustelle zu entfernen.

Zuverlässige Schleusenwärter

Nachdem die ersten Schleusen an der Lippe fertig gestellt waren, erließ der Oberpräsident am 30. Oktober 1823 die Instruction für die Schleusenwärter auf der Lippe[2]. In 17 Paragrafen wurden die Qualifikation, die Dienstpflichten und Rechte der Wärter niedergelegt. Zuverlässige und moralisch gefestigte, nicht der Trunksucht anheimgefallenen Männer sollten mit der Arbeit betraut werden.  Schreiben und lesen mussten sie können und auch etwas Rechnen, denn regelmäßig war der Wasserstand zu messen und in Tabellen einzutragen, sowie die Größe der Ladungen und Anfang und Ende der Schifffahrten zu notieren und all dies am Ende eines jeden Monats einzureichen. Bevorzugt wurden Bewerber mit handwerklichen Fähigkeiten, da kleinere Reparaturen und Wartungsarbeiten an der Schleuse mit zu ihrem Aufgabenbereich gehörten, sowie auch die Pflege der Außenanlagen. Die Instruktion sah die Möglichkeit vor, von den Wärtern eine Kaution von 300 Talern zu verlangen. Wenn mit Eifer gearbeitet und vorschriftsmäßig gehandelt wurde, würde die Zahlung des jährlichen Gehalts erfolgen.

Direkt an den Schleusen wies man dem Wärter eine Dienstwohnung zu. Die kleinen Häuschen mit Stallgebäuden mussten von ihm in gutem Zustand gehalten werden. Ganz besonders verpflichtete man die Wärter auf die Einhaltung aller feuerpolizeilichen Regelungen und drohte mit strenger Bestrafung, falls es durch eigene Schuld zu Brandunglücken kommen sollte.

Unzuverlässige Schleusenwärter

1823 nahmen die Schleusen in Dahl und Horst ihren Betrieb auf und schon 1824 sah sich der Wasserbauinspektor genötigt, dem Schleusenwärter Schnellenkamp zu Dahl mit Entlassung zu drohen. Vielfältige Klagen und Beschwerden waren eingegangen und wenn der Bürgermeister dem Wärter kein positives Attest über die Besserung seines Lebenswandels und die Beseitigung einer Menge von Querellen ausstellen könnte,[3] müsse er zur Tat schreiten. Köhler konnte weder eine positive noch negative Beurteilung abgeben. Früher, so Köhler, habe Schnellenkamp in Bork zwar einige Händel gehabt welche [er] dem betreffenden Gerichte angezeigt hatte, auch habe Schnellenkamp allerhand Gesindel bei sich aufgenommen, worüber er den zuständigen Waltroper Bürgermeister informiert habe, aber in neuerer Zeit sei ihm nichts über den Wärter zu Ohren gekommen. Solche Nachrichten scheinen nicht immer den Weg zu den entscheidenden Behörden gefunden zu haben, denn drei Monate später erreichte Köhler wieder ein Schreiben zu diesem Fall, dieses Mal vom Bau-Conducteur Wesener. Danach hatte der Oberpräsident entschieden, den Schleusenwärter sofort seines Dienstes zu entlassen ..., wenn derselbe nicht binnen 6 Wochen eine Bescheinigung beibringt, daß Ew.Wohlgeboren gegen seine sittliche Führung durchaus nichts zu erinnern, insbesondere, daß er dem Trunke nicht ergeben. Ob Köhler daraufhin noch einmal reagierte, bleibt offen.

Sechs Jahr später sorgte der Schleusenwärter in Dahl – jetzt Schulz – für neuen Ärger.[4] Zwei Knechte des Treidelbauern Heinrich Wulfinghoff aus Datteln-Klostern kamen mit einem leeren Schiff auf dem Weg nach Lünen an der Schleuse zu Dahl am frühen Nachmittag an. Der eine der Knechte machte sich mit drei Pferden gleich wieder auf den Rückweg, da für die Weiterfahrt nur zwei Pferde gebraucht wurden. Der andere, Rosenbaum mit Namen, setzte seinen Weg nach Lünen nicht fort, sondern ließ sich von dem Schleusenwärter zum Bleiben und zum Genuss von einigen Gläschen Branntwein überreden. Am anderen Morgen, ein Sonntag, gingen die beiden und ein weiterer Schiffer erst einmal nach Bork in die Kirche, von wo sie um zwei Uhr zurückkamen. Der Schiffer und Rosenbaum sollen so betrunken gewesen seyn, daß sie sich im Schiffe aufhalten mußten und der Schleusenwärter übernahm das Gespann und fuhr das Schiff aus dem Canal in die Lippe bis ungefehr eine Viertel Stunde den Strom hinauf.  Dort verfing sich die Zugleine und Schulz, ohne Erfahrung mit dieser Arbeit, trieb die Pferde so stark an, dass sie in die Lippe fielen und ertranken. Der Schleusenwärter schlich sich davon, beteuerte später seine Unschuld, doch gab es genügend Zeugen, die ihn belasteten. Der Bau-Conducteur Wesener empfahl dem geschädigten Treidelbauern, vor Gericht zu ziehen.

Anlässlich einer Strombefahrung wurde 1848 auch beklagt, dass einige Schleusenwärter ein Schankgewerbe betrieben, was nicht selten zu Streitigkeiten unter den Flussschiffern und zu Unglücksfällen führte. Als Beispiel wurde der sich kürzlich an der Schleuse zu Werne ereignete Fall mit dem Schiffer Menne aus Lünen angeführt, welcher vor ungefähr 3 Wochen mit seinem Schiffe vorbeifahrend vermittelst eines kleinen Kahns an der gedachten Schleuse angefahren, sich dort in Branntwein berauscht habe und später vermißt worden, wo sich ergeben, daß er, wahrscheinlich beim Einsteigen in den gedachten kleinen Kahn, in die Lippe gestürzt und darin ertrunken ist.[5]

Die daraufhin angestellten Untersuchungen blieben erfolglos, deshalb erhielten die Bürgermeister die Anweisung, von Zeit zu Zeit persönlich - oder von den Polizeidienern -  unangekündigte Kontrollen bei den Schleusenwärtern vorzunehmen.

Benachteiligte Schleusenwärter

Dass ein regelmäßiger Konsum von Bier und Wein nicht unbedingt ein Zeichen für fortgeschrittenen Alkoholismus sein musste, sondern eher als kleineres Übel gelten konnte, ergab sich aus der mangelhaften Wasserqualität früherer Zeiten. Auch für einige  Schleusenwärter des 19. Jahrhunderts könnte man diese Begründung fast als Entschuldigung für ihre Trinkgewohnheiten gelten lassen. Sie schöpften ihr häufig ungenießbares und ungesundes Trinkwasser aus der Lippe, weshalb Amtmann Stojentin bei mehreren Strombefahrungen vorschlug, an den Schleusenhäusern Pumpen anzulegen. Stojentin berief sich auf die Ärzte, die das Lippewasser für Erkrankungen bei den Bewohnern der Schleusenhäuser verantwortlich machten. Er konnte die Gesundheitsgefährdung anschaulich darlegen: Nicht nur die Existenz von unreinen und ungesunden Zuflüssen zur Lippe, sondern auch, dass ungeachtet der strengsten Aufsicht immer noch vorkommen wird, daß crepirtes Vieh, Schweine, Hunde, Katzen u.s.w. in die Lippe geworfen werden, die sich häufig in der Nähe von Schleusen an den Kribbwerken festlegen, dann wird klar zu Tage treten, daß die Gefühle der Menschen mit Schaudern erfüllt werden, wenn man die Gewißheit vor Augen hat, das so mit stinkenden thierischen Stoffen angefüllte Wasser müsse von Menschen genossen werden.[6]

5. Lippe bei Dahl

Stojentin hatte sich zu diesem Thema schon mehrfach mündlich beschwert. Im Haus des Schleusenwärters Schulz in Dahl waren 1849 überdies zwei Cholerafälle vorgekommen, einer davon tödlich. 1851 legte der Amtmann seine Beschwerden schriftlich nieder, wobei er den früheren Einwand des Wasserbauinspektors, die Pumpen seien viel zu teuer, mit einem Angebot des Waltroper Pumpenmachers Bernard Bomert entkräftete. Danach war nicht einmal die Hälfte der angegebenen Summe aufzubringen. Nach einem Zeitraum von 30 Jahren, merkte Stojentin an,  ... wird es gewiß an der Zeit sein, einen meines unmaßgeblichen Dafürhaltens so großen Uebelstand durch Opferung einer verhältnißmäßig sehr geringen Geldsumme abzuhelfen.

Der Oberpräsident sah das anders. Die Notwendigkeit, die Stojentin bei der Schleuse zu Horst so dringend sehe, sei noch bei keiner anderen Schleuse zur Sprache gekommen. Anlässlich der nächsten Strombefahrung müsse man den Gegenstand noch einmal erörtern, zumal für die erheblichen Kosten im Augenblick keine Mittel zur Verfügung stünden. Ob später auf das Angebot des Bomert zurückgegriffen werden könne, sei fraglich. Bei den Baubeamten sei er unbekannt und mit Ausnahme der Schleuse von Horst scheine der Bomert auch mit keinem anderen Schleusenwärterhaus vertraut zu sein.

Die Ablehnung musste Stojentin akzeptieren. Doch aufgeben wollte er nicht, denn er notierte am Rand: Bei der nächsten Strombefahrung der Lippe zu reproduciren. Dass Teile der Bevölkerung ihr Trinkwasser der Lippe entnahmen, war auch Anfang des 20. Jahrhunderts noch gang und gäbe, denn anlässlich einer Typhusepidemie Ende 1904 in Anröchte, Kreis Lippstadt, forderte der Regierungspräsident alle Amtmänner auf, die Anlieger vor dem Gebrauche des Lippewassers zu warnen.[7]

Frustrierte Schleusenwärter

6. Haus Dahl

Um gegen die den Strom befahrenden Schiffer ihr Ansehen zu behaupten[8], müssten die Schleusenwärter - laut Dienstinstruktion - Männer mit einem gesetzte[n] Wesen sein. Der schon häufig erwähnte Vincenz Cirkel geriet 1828 mit dem Schleusenwärter von Dahl aneinander. Cirkel hatte vier Holzflöße einige Zeit in dem Schleusenkanal liegen lassen, obwohl der Wärter ihn immer wieder zum Freimachen des Kanals aufgefordert hatte. Als ein Schiff für einen Schleusengang anstand, verlegte der Wärter die Flöße eigenhändig, um Platz zu schaffen. Diesen Vorgang nutzte Cirkel, um die Zahlung von sechs Talern für die Benutzung des Schleusenkanals, zu verweigern. Auch nach der Anmahnung des Landrats, bei dem eine Anzeige vom Rendanten der Schifffahrtskasse dazu eingegangen war, ließ sich Cirkel einen Monat mit der Beantwortung Zeit. Er begründete seine Zahlungsverweigerung mit seinem Recht auf Gleichbehandlung. Wenn man also den Kanal zum Schutzhafen gegen Vergütung bestimmte, so durfte die Behandlung [die oben geschilderte] selbstredend nicht eintreten.[9] Mit der Einschätzung, die Schleuse sei ein Schutzkanal, lag Cirkel falsch. Schiffe sollte ohne allen Aufenthalt durch die Schleuse passiren[10] und im Paragrafen 9 der Dienstinstruktion wurde den Schleusenwärtern bei einem Taler Strafe verboten, leere oder beladenen Nachen in der Schleuse liegen zu lassen. Dem Landrat blieb nichts anderes übrig, als das angedrohte executivische Verfahren gegen Cirkel einzuleiten.

Das von den Schleusenwärtern erwartete Durchsetzungsvermögen war nicht nur gegenüber den Schiffern von Nöten. Der Wärter Tölle musste sich im September 1832 mit dem Vieh des Rentmeisters Schultz zu Horst herumschlagen und sich dabei über die nachlässige Behandlung dieser Vorgänge durch den Bürgermeister beklagen. Es begann damit, dass Tölle ein Stück Vieh auf dem Kanaldeich einfing und als Pfandstück zum Amt nach Bork brachte. Schon am Tag darauf war es dem Besitzer wieder ausgehändigt worden, ohne auf eine vorherige Schadensersatzregelung zu achten. Als Tölle drei Tage später zehn Rindviecher auf dem Deich entdeckte, trieb er sie nach seiner Erfahrung, daß das Pfänden ohnehin fruchtlos sei, einfach nur zurück. Wasserbauinspektor Wesener, über diese Vorkommnisse von Tölle informiert, wies ihn daraufhin an, beim nächsten ähnlichen Fall ein Stück Vieh auf Kosten der Eigenthümer einzufangen und nach Bork an [den Bürgermeister] abzuliefern. Und an diesen richtete er die dringende Bitte, der von H. Ober-Präsident Excellenz gebilligten Anordnung gefälligst nachzukommen und jenes Pfandstück nicht verabfolgen zu lassen, bevor der Frevel gesühnt ist.

Zwei Tage danach schon sah sich Tölle veranlasst, dieser Anordnung zu folgen. Fünf Viecher fanden sich wieder auf dem Deich ein und futterten das Gras, das eigentlich der Kuh des Deichwärters zustand. Zwei Männer transportierten eines der Rinder nach Bork, nachdem sie sich zuerst geweigert hatten, denn für den ersten Transport waren sie noch nicht bezahlt worden. Aber Tölle konnte sie überreden und versprach ihnen die Unterstützung des Inspektors bei ihren Lohnforderungen. Er selber erinnerte bei dieser Gelegenheit den Bürgermeister an seinen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beschädigung des Graswuchses auf dem Deich.

August 2017
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[1] und folgende Zitate: StA Selm, AB-1 – 474.
[2] aus: Werner Koppe, die Lippewasserstraße, Bielefeld 2004, S. 211ff.  
[3] und folgende: StA Selm, AB-1 – 480.

[4]
und folgendes Zitat: Werner Koppe, Die Lippewasserstraße, Bielefeld 2004, S. 186f.  
[5] LAV NRW W, Kreis Lüdinghausen, Landratsamt, Nr. 1118.

[6]
und folgende: StA Selm, AB-1 – 480.  
[7] Stadtarchiv Selm, AB-1 – 513.

[8]
Koppe, S. 211.  
[9] und folgende, falls nicht anders vermerkt: StA Selm, AB-1 – 480.

[10]
Koppe, S. 214. 

 
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