Verlegung eines Weges am Haus Sobbe - 1856
Christel Gewitzsch
Mal wieder löste ein Beschwerdebrief das Anlegen einer neuen Akte aus. Der Kolon Franz Ophaus aus Ondrup beklagte sich beim Landrat über das eigenmächtige Tun seines Nachbarn Heinrich Sobbe– eigentlich Heinrich Wacker, genannt Sobbe, der 1844 Elisabeth Sobbe geheiratet hatte – und schrieb:
Anfang März c. trug der Kötter Sobbe hierselbst auf Verlegung eines längs seinem Hofe laufenden Weges an. Der Herr Bürgermeister Foecker mit mehreren Gemeindeverordneten, waren an Ort und Stelle um den Antrag zu beraten, Obgleich über diesen Gegenstand nichts bestimmtes beschlossen hat der Kötter Sobbe den alten Weg zu seiner Benutzung eingefriedigt und quer über sein Grundstück eine Fläche zum neuen Wege liegen lassen, ohne daß dieselbe in gehörigen Stand gesetzt, noch derselben die Richtung gegeben, die bei öffentlichen Wegen unbedingt erforderlich ist. Da das zum Wege angewiesene Grundstück Lehmboden, so ist dasselbe beim Regen fast nicht zu befahren oder für Fußgänger zu gebrauchen. Weil ich fast täglich, um nach Selm zu kommen, diese Strecke Weges benutzen muß; so habe ich schon mehrmals um Abhülfe gebeten, bin aber nicht erhört worden. Auch scheint mir die Verlegung des Weges ein unnützer Kostenaufwand für die Gemeinde zu sein, da der Weg an Schonheit nicht gewinnen kann.
Ein Königliches Landrathsamt bitte ich daher ganz gehorsamste, die Sache in Erwägung zu nehmen und hochgeneigst die Abhülfe möglichst bald zu veranlassen.[1]
Amtmann Foecker, zur Berichterstattung verpflichtet, rückte die Darstellung des Ophaus etwas gerade. Die Genehmigung zur Verlegung des Weges war vom Selmer Gemeinderat schon im vorigen Jahr erteilt worden. Dabei wurde verabredet, daß Sobbe die alten Wegestücke erhält und er im Gegenzug an die Gemeinde von seinem neben dem seither bestandenen Wege belegenen Ackergrundstücke die zum Ausbau des nun anzulegenden Weges erforderliche Fläche unentgeldlich abtritt.
Um die Instandsetzung des Weges brauchte er sich nicht zu kümmern, dies war unstrittig die Angelegenheit der Gemeinde. Doch konnte diese mit den Arbeiten nicht beginnen, weil sie sich mit dem Kolon Spinne, wohnhaft in Selm Beifang, über die Abtretung eines Teils seines an der neuen Strecke gelegenen Grundstückes einigen musste. Es ging um knapp vier bis maximal siebeneinhalb Meter, die Spinne aber partout, trotz vielfacher Bemühungen des Amtmanns, nicht abgeben wollte.
Foecker versprach, sich nun darum zu bemühen, den Weg ohne Rückgriff auf das fragliche Grundstück herstellen zu lassen, denn eine Verlegung sei absolut notwendig. Es liege nämlich die seither bestandene alte Wegestrecke in eine Niederung, welche von allen Seiten dem Zuflusse von Wasser ausgesetzt und daher im Winter und Frühjahr kaum zu passiren ist, wodurch die Gemeinde immer große Instandsetzungs Kosten aufzuwenden gehabt hat, zur andern erhält der Weg durch die Verlegung eine nähere Richtung, wird über einem Hofe geführt, welche dem Zufluß des Wassers weniger ausgesetzt ist und erfordert weit weniger Instandsetzungskosten, als die seitherige Wegestrecke.
Landratsamtsvertreter Rospatt verfasste für den Beschwerdeführer eine kurze Information hierüber und forderte die baldige Instandsetzung der neuen Wegestrecke. Schon vier Tage später verkündet Foecker die Auftragsvergabe für die nötigen Erdarbeiten, die sofort erledigt werden sollten. Dies rief den Kolon Spinne auf den Plan. Er erschien auf dem Kreisbüro und erklärte:
Bekanntlich solle der alte von Selm durch die Bauerschaft Ondrup nach Südkirchen führende Weg eine andere Richtung erhalten. Bei der Umlegung desselben soll nun der neue Weg mitten über den Kamp des Kötters Sobbe und theilweise auch über den anstoßenden mir gehörigen Kamp gelegt werden, so daß ich einen Theil jenes Kampes abtreten müßte, wozu ich indeß durchaus nicht geneigt bin, da die Umlegung meines Erachtens ganz anders und besser erfolgen kann. Obgleich ich vor dem Herrn Amtmann meine Protestation vorgetragen habe, so sind doch die Arbeiten am 4 d. Mts. mindestfordernd verdungen und muß ich deshalb befürchten, daß der neue Weg wider meinen Willen über mein Grundstück gelegt wird, Ich muß auch bemerken, daß ich mich auch gegen eine angemessene Entschädigung zur Abtretung der qu Fläche Grundes nicht verstehen würde und muß deshalb gehorsamste bitten, dem Wege eine solche Richtung geben zu wollen, daß meine Grundstücke dabei unbeschädigt bleiben.
Wieder ging die Aufforderung zur Berichterstattung an Foecker, der sich folgendermaßen darüber ausließ:
Die Beschwerde des Colon Spinne ist in soweit allerdings begründet, als ein kleiner Theil von seinem Grundstücke zum Ausbau des qu. Weges verwendet werden muß, indeß ist seine Einrede, daß die Umlegung des Weges ganz anders und besser erfolgen könne, durchaus unbegründet und nehme ich auf meinen Marginalbericht vom 18. v. M., worin ich die Nothwendigkeit der Verlegung des Weges auseinandergesetzt habe, gehorsamst Bezug. Bekanntlich wird die neue Wegestrecke über ein Grundstück des Kötters Sobbe geführt und mußte, um dem Wege die erforderlich Biegung geben zu können, von dem anstoßenden Ackerkamp des p Spinne ein kleiner Theil, etwa 1 bis 1 ½ Ruthe acquirirt werden. Spinne – ein Querulant und dabei ein großer Geizhals – wollte sich trotz allen Zuredens meinerseits und Seitens des Gemeinderaths hierauf nicht einlassen, wenngleich ihm noch von Seiten des Sobbe das Versprechen gegeben wurde, ihm soviel Grund von seinem Ackerkamp auf der entgegengesetzten Seite wieder zu geben, als er durch Abtretung von seinem Grundstück verlieren würde. – Unter Zuziehung des p Spinne und des Gemeinderaths ließ ich die Auspächtung der neuen Wegestrecke durch den Polizeidiener Aswerns vornehmen und es ergab sich, daß von dem Spinneschen Grundstücke nur ein kleiner Theil der den Kamp umgebenden Hecke verloren geht. Bei dieser Gelegenheit wurde Seitens des Gemeinderaths und des versammelten Publicums dem p Spinne über sein eigennütziges Verfahren die bittersten Vorwürfe gemacht und von dem versammelten Gemeinderathe mit meinem Einverständnisse beschlossen, trotz der Protestation des p Spinne den Weg auszubauen event. die Beschwerde des letzteren abzuwarten. Ich habe darauf den Kostenanschlag anfertigen lassen und die Instandsetzung der Wegestrecke verdungen, ohne auf die Quärelen des p Spinne weitere Rücksicht zu nehmen. So viel mir bekannt, haben die Arbeiten noch nicht begonnen und sollte daher das Königliche Landrathsamt für nothwendig erachten, nochmals eine Termin zur Besichtigung der qu. Wegestrecke anzuberaumen und Sich von der Sachlage zu überzeugen, so bitte ich hochgefälligst dies bald veranlassen zu wollen event. aber den Spinne unter dem vorgetragenen Verhältnissen mit seiner Beschwerde abzuweisen, wobei ich schließlich noch gehorsamst bemerke, daß die Gemeinde Selm nicht abgeneigt sein wird, ihm eine kleine Entschädigung aus der Gemeindekasse zukommen zu lassen.
Diese Vorgehensweise konnte Rospatt nicht gutheißen. Es sei gesetzlich unzuläßig, die Abtretung des Grundstückes zu erzwingen. Der Amtmann sollte doch noch einmal den Versuch einer gütlichen Einigung unternehmen und dabei erforderlichenfals die in Aussicht gestellte Entschädigung ins Spiel bringen. Und erstaunlicherweise konnte Foecker knapp 14 Tage später vermelden, daß der Colon Spinne sich endlich bereitwillig erklärt hat, der Gemeinde Selm zum Ausbau des rubricirten Weges den nöthigen Grund abzutreten. Die Arbeiten wollte er deshalb fortführen lassen und er glaubte, innerhalb der nächsten drei Wochen damit fertig zu werden.
Doch bei Rospatt lief erneut eine Beschwerde des Spinne ein und der Vertreter des Landrats meldete sich zu einer Ortsbesichtigung am 10. Oktober, 10 Uhr morgens an. Foecker bestellte daraufhin auch den Gemeindevorsteher Schulze Weischer für diesen Termin zum Haus des Kolonen Ophaus, wo alle sich treffen wollten, und ersuchte ihn darüber hinaus dringend, nach Kräften dafür zu sorgen, daß die gen. Wegestrecke bis Dienstag Abend, den 7. d. Mts. an welchem Tage ich dort eintreffen werde, vollständig und nach Vorschrift ausgebaut ist.
Am Tag der Besichtigung stellte sich dann heraus, dass die letzte Beschwerde des Spinne unbegründet war und zurückgewiesen werden musste. Mit der Bezahlung der Instandsetzung der Straße – knapp über 50 Taler – konnten der Vorgang und die Akte geschlossen werden.
Mai 2019
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[1] und alle weiteren Zitate: StA Selm, AB-1 – 139.