Initiativen von Amts wegen (1823-1840)
Dieter Gewitzsch
In der Zeit vor den Vereinsgründungen wandte sich die Regierung über das Amtsblatt und durch Verfügungen an die praktizierende Landwirtschaft. Die zuständigen Landratsämter verbreiteten zu den unterschiedlichsten Themen Botschaften an die Gemeinden des Kreises. Für Bork, Selm und Altlünen war das Amt Bork die zuständige Behörde, hier wurde eine allgemeine Akte über die landwirthschaftliche Polizei geführt und eine spezielle über die Verbesserung des Ackerbaues sowie der Viehzucht.[1] Der Bürgermeister (später Amtmann) hatte für eine „gehörige Bekanntmachung“ zu sorgen und das geschah zumeist am Sonntag über die Pfarrer, dann über die Küster oder Lehrer, die das Küsteramt ausübten. Gelegentlich sind nur die Schullehrer als Multiplikatoren vermerkt. In den 1830er Jahren wurde es vermehrt eine Aufgabe der Polizeidiener, die Bevölkerung zu informieren. Die geneigten und geeigneten Landwirthe direkt anzusprechen, sahen die amtlichen Anweisungen seltener vor, aber das sollte sich durch den landwirtschaftlichen Orts- und Kreisverein ändern.
Rattenplage in Bork
Der älteste Vorgang betrifft eine Rattenplage in Bork, die Bürgermeister Köhler 1823 veranlasste, sich an das Landratsamt zu wenden.[2] Um nicht von diesem Ungeziefer so zu sagen aufgefressen zu werden, wolle er von Polizei wegen einschreiten, schrieb er dem Landrat und pries gleich ein probates Mittel an, dass man zu Wesel ... für die Summe von 40 Stüber erhalten könne. Weil man aber den besten Erfolg nur erwarten könne, wenn es von allen Eingesessenen angewendet würde, forderte Köhler den Landrat auf, bei namhafter Strafe einem jeden Eingesessenen aufzugeben, sich dieses Mittel zu beschaffen und anzuwenden. Für Nichtvermögende sollten die Kosten aus der Armen- oder Gemeindekasse bestritten werden, was der Landrat sofort ablehnte. Köhler machte in der Kostenfrage einen Rückzieher und versicherte, dass die Eingesessenen die Kosten dieses Mittels für die hier weniger Vermögenden zu tragen bereit seien, nur müsse die Beschaffung desselben Befehl werden, weil immer Einige ... widerspenstig sind. In Lüdinghausen vermied man, den Gebrauch eines nicht bekannten Mittels amtlich anzuordnen und nahm den Bürgermeister in die Pflicht. Landrat Schlebrügge antwortete Köhler: ... vielmehr müssen Sie hier durch Ihren Einfluß auf Ihre Untergebenen zu wirken suchen, wenn Sie von dem Erfolge desselben und sonstiger Unschädlichkeit bei gehöriger Vorsicht überzeugt sind.
Belehrende Schriften
Von Zeit zu Zeit wurden belehrende Druckschriften auf dem Weg über die Ämter empfohlen und die Bürgermeister ersucht, sich für die Verbreitung einzusetzen. Die Schrift „Unterricht im Ackerbau und in der Viehzucht für den Bürger und den Landmann“ sollte regelmäßig erscheinen und der Landrat schickte einige Exemplare einer Ankündigung zur Verteilung an Landwirte und Pfarrgeistliche. Köhler überließ es den Pastoren Didon in Bork, Evers in Selm und Dalmöller in Altlünen, geeignete Landwirte anzusprechen und bat die Geistlichen, ein Verzeichnis möglicher Abonnenten anzulegen. Der Autor Philipp Bispinck[3] wurde schon 1819 in den „Annalen“ als ein gebildeter Landwirth [erwähnt], der mit Nutzen auf seine Umgebung einwirkt. Seine Aecker zeichnen sich auffallend vor denen seiner Nachbarn aus. Gelobt wurden der Gebrauch des „brabanter Pflugs“ und die Einführung der „Sommerstallfütterung“, beide als Zeichen der Aufgeschlossenheit für fortschrittliche Methoden.[4] Für seine Aufklärungsschrift dämpfte Bispinck selbst die Erwartungen: Die Herausgabe werde wohl Kopfschütteln hervorrufen, weil der Glaube zu allgemein herrschet, daß der landübliche Ackerbau der beste ist und überdies, daß der ungebildete Mann nicht durch Schriften belehret werden kann.[5] Dabei war die Resonanz im Amt Bork vergleichsweise positiv. Der Borker Kaplan Didon bat wie im Vorgriff auf Vinckes Vorstellungen ein Exemplar ... zu bestellen, welches er mit mehreren anderen halten werde und in Altlünen subskribierten Schultze Wethmar, Schultze Pelleringhoff und Colon Borgschultze die erste Ausgabe. Landesweit hatte die Zeitschrift wenig Erfolg; zwischen 1824 und 1826 erschienen nur zwei Hefte.
Stützung der Getreidepreise
Im Winter 1824 nahm der andauernde Preisverfall für Getreide als Folge einer guten Ernte im Vorjahr so drastische Züge an, dass sich das Kriegs-Ministerium entschloss, in das Marktgeschehen einzugreifen. Man beabsichtigte laut Amtsblatt hier in Münster einige Reserve-Vorräthe von Roggen und Hafer ankaufen und niederlegen zu lassen; wobei mit beabsichtigt wird, den inländischen Produzenten wiederholt eine Gelegenheit zum unmittelbaren Absatz ihres Ueberflusses an Körner ... darzubieten.[6] Landrat Schlebrügge forderte von den Bürgermeistern, die Maßnahme zur allgemeinsten Kunde zu bringen, um dem immer noch im Zunehmen begriffenen Fallen der Getreidepreise, welche ... den Ruin aller Landwirthe über kurz oder lang nach sich ziehen müssen, möglichst Einhalt zu thun. Den berechtigten Bauern sollte das Amt Bork Bescheinigungen ausstellen, dabei aber mit aller Vorsicht zu Werke zu gehen, damit der Aufkäuferey zum Nachtheil der Producenten kein Vorschub geleistet werde.[7]
Kaffeersatz
„Schwedischer Caffee“ sollte ab 1824 im Münsterland angebaut werden und in den Haushalten den indischen Kaffee ablösen, der ohnehin kein alltägliches Getränk war, sondern herkömmlich durch Zichorien ersetzt wurde. Die Pflanze (Astragalus boeticus) wachse in Spanien und im Süden Frankreichs wild, teilte die Regierung per Amtsblatt mit, sie werde in der ganzen Provence häufig als Caffee-Surrogat gebraucht. In Schweden habe der König persönlich Samen beschafft und der dortigen Ackerbau-Akademie übergeben. Inzwischen ersetze Astragalus boeticus in Schweden nicht nur die Zichorien, sondern auch den indischen Kaffee. – Von den Schweden lernen und genießen wie in Südfrankreich, verhieß dieser Versuch, das Spektrum der hiesigen Feldfrüchte zu erweitern. Das großzügige Geschenk eines gemeinsinnigen Gutsbesitzers, der Saatgut zur kostenlosen Verteilung bereitstellte, sollte von den Landratsämtern an den Mann gebracht werden. So kam der Schwedische Kaffee mit einer Kulturanleitung versehen ins Amt Bork. Bewährten Landwirten vertraute man die Aussaatversuche an, wenn sie sich bereit zeigten, einen Teil der Ernte ans Publikum zu verteilen und für die allgemeine Verbreitung zu werben. Dazu solle der Bürgermeister beim Verteilen ausdrücklich auffordern. Köhler verfuhr wie verfügt und konnte im Herbst 1824 berichten, dass der Ertrag der Erndte überall sehr ergiebig ausgefallen und die Behandlung nach der gegebenen Anleitung geschehen [sei], indeß übrigens zur Genießung desselben sich wenig oder gar keine Liebhaber finden und der sogenannte Siegorien diesem noch immer vorgezogen wird. Die ausbleibende Begeisterung im Amt Bork beeindruckte die Regierung wenig, oder sie erfuhr nichts von der Ablehnung. Im Amtsblatt war nur die Rede, dass nach den landrätlichen Berichten dieses nützliche Product gedeiht ... und als ein vorzügliches Surrogat des indischen Kaffees sich bewährt hat. Im Februar 1826 befragte das Landratsamt den Bürgermeister in Bork über das zweite Jahr des Anbaus, den Ausfall der Ernte und die gesammelten Erfahrungen beim Anbau und im Gebrauch als Kaffee-Ersatz. Köhler konnte nur berichten, daß der spendirte Kaffee hier gar keine Aufnahme gefunden und der Gebrauch schon gleich beim ersten Versuch wieder aufgehört hat. Da derselbe nun hier seinen ganzen Credit auf einmal verlohren, so war auch kein Eingesessener geneigt, eine abermalige Pflanzung vorzunehmen.
Praktische Tipps
Saatgut, Schriften, kleine Geräte und andere praktische Hilfsmittel – die Anregungen für die Landwirtschaft kamen in den 1820er und 1830er Jahren meist über den Landrat und die Bürgermeisterei ins Dorf. Es wurden „echte Holzsämereien“ angeboten, deren Ankauf die Regierung 1824 organsiert hatte, und die zu wohlfeilen Preisen an die Interessenten getheilter Gemeinheiten abgegeben wurden. 1827 waren es zehn Kartoffeln-Augenstecher, die der Kreis erhielt und von deren einer im Amt Bork auf hiesigem Bureau zur Ansicht bereitgehalten wurde. Dazu gab es eine Anleitung, wie man Saatkartoffeln bearbeiten müsse, um mehr Kartoffelpflanzen zu erzielen. Zur Behandlung des aufgeblähten Rindviehs autorisierte die Regierung 1835 sogar den Bürgermeister, in die Gemeindekasse zu greifen. Er sollte den sogenannten Trokar, welcher für 1 Thaler zu haben ist, ... anschaffen und für die zweckmäßige Aufbewahrung dieses Instruments zu sorgen. Es ging darum, aufgeblähtem Rindvieh durch einen fachgerechten Bauchstich zu helfen. Im Amtsblatt fanden sich nähere Erläuterungen.[8]
Ausbildung zum Wiesenmeister
Ein strukturiertes Weiterbildungsangebot für junge Leute welche den Ackerbau treiben erreichte das Amt Bork im Frühjahr 1836. „Höheren Orts“ waren 120 Taler bereitgestellt worden, um geeignete Individuen des Regierungsbezirks in diesem Jahre in Fickenhütten und Keppel zu Wiesenmeistern auszubilden. Die Regierung rechnete vor, dass zwanzig Taler pro Schüler ausreichen würden, man also sechs von den tüchtigen, verständigen und im Schreiben und Rechnen geübten Subjekten auswählen und zur Ausbildung zu Wiesenmeistern schicken könne. Bei einem Reisegeld von gut drei Talern und sieben Talern für einen 14-tägigen Nivellier-Unterricht blieben noch acht bis neun Taler als Entschädigung für den dreimonatigen Verdienstausfall.[9] Im Amt Bork suchte der Bürgermeister diejenigen jungen Leute welche den Wiesenbau zu erlernen wünschen auf dem üblichen Wege der Bekanntmachung. Er verwies auf die günstigen Bedingungen und forderte von den möglichen Bewerbern gesunden Menschen-Verstand; sie sollten auch im Rechnen und Schreiben geübt sein. Das Angebot fand aber kein Interesse, so dass Köhler dem Landrat mitteilen musste, daß in den Gemeinden meines Bezirks sich keine Individuen geneigt erklärt haben, den Wiesenbau zu erlernen.[10] – Die Vorbilder für den Kunstwiesenbau gab es zu der Zeit im Siegerland: 1835/36 wurden die Keppelschen Stiftswiesen im Ferndorftal umgebaut. Fast 50 junge Menschen aus den Bezirken Arnsberg, Breslau, Köln, Kurhessen, Minden und Münster kamen nach Keppel und wurden im Wiesenbau unterrichtet. Hierdurch wurde auch der Siegerländer Wiesenbau in anderen Gegenden bekannt, und die Wiesenkultur bekam im Allgemeinen eine Aufwertung.[11] Für die hiesige Gegend war es wohl etwas zu früh. Erst in den 1840er Jahren setzten die landwirtschaftlichen Vereine die Förderung des Futter- und Wiesenbaues auf die Tagesordnung.[12]
September 2015
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[1] [2] StA Selm, AB-1 Nr. 155 und 156.
[3] Dr. Bispinck, Philipp (1780-1852), Ahaus, Landwirt, Jurist, 1844 Ökonomie-Kommissar zu Münster.
[4] Möglinsche Annalen der Landwirthschaft, herausgegeben von den Lehrern des Instituts unter Leitung des Herrn Staats-Raths Thaer. Dritter Band. Berlin, bei August Rücker. 1819. – google-books, S. 44, 53f. und 62.
[5] StA Selm, AB-1 Nr. 156.
[6] Amtsblatt für den Regierungsbezirk Münster / Hrsg.: Bezirksregierung Münster, 1824, Nr. 4 vom 24. Januar 1842, S. 33f. – Online-Ausgabe: Univ.- und Landesbibliothek, 2013, urn:nbn:de:hbz:6:1-55815.
[7] StA Selm, AB-1 Nr. 155.
[8] Auszug aus dem Text des Amtsblatts 1835, Beilage, S. 184: Die Art der Operation durch das Messer ist nur durch die Noth zu rechtfertigen; bequemer und ohne weniger üble Folgen ist der Stich durch den Trokar; ein Instrument, welches in jeder größeren Wirthschaft und in jeder Gemeinde gehalten werden sollte, und welches bei den hiesigen Instrumentenmachern Levermann und Göpper, gut gearbeitet, für einen Thaler zu haben ist.
[9] [10] StA Selm, AB-1 Nr. 156.
[10] StA Selm, AB-1 Nr. 156.
[11] Heinz Bensberg, Siegerländer Pionierarbeit für den Wiesenbau, h-bensberg.de/html/kunstwiesenbau, 11.04.2015.
[12] Engelberg Kerckerinck zur Borg (Hg.): Beiträge zur Geschichte des westfälischen Bauernstandes, Berlin 1912, S. 545.