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Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Dirigenten, Rohrführer, Pumpenbrüder u.a. bilden 1843 eine „Feuerlösch-Compagnie“

Dieter Gewitzsch

Unter der Leitung eines Dirigenten bekämpften Spritzenmeister, Rohrführer und Pumpenbrüder unterstützt von Mannschaften mit Haken und Äxten das Feuer – und eine Sicherheitswache sorgte für Ordnung. Im Selmer Stadtarchiv befindet sich eine Liste mit Namen und Funktionen, die vermutlich 1843 aufgestellt wurde.[1] 

In den ersten Monaten des Jahres 1842 befasste sich der Landrat des Kreises Lüdinghausen mit der schrittweisen Umsetzung der „Feuer-Polizei-Ordnung für die Provinz Westfalen vom 30. November 1841“ (FPO), angefangen mit der Besetzung der vorgesehen Ämter. Im Borker Verwaltungsbezirk hatte man bereits einen „Feuerschauausschuss“ benannt, der über die Einhaltung der Vorschriften zur Verhütung von Feuersgefahr wachen sollte.

In einem zweiten Schritt ging es um die Organisation der Löschmaßnahmen im Brandfalle. Nach §. 85 der neuen FPO fiel dem Bürgermeister als „erstem Ortspolizeibeamten“ die oberste Leitung der Brandbekämpfung zu. Allerdings konnte der Landrat, wenn „erhebliche Gründe“ vorliegen, den „ersten Beamten“ von dieser Verpflichtung entbinden und nach vorheriger Vernehmung der Gemeindevertreter einen anderen achtbaren und umsichtigen Mann zum Feuerlöschdirigenten bestellen.[2]

Landrat Schmising kam mit Blick auf das Amt Bork zu dem Schluss, überall dort, wo Bürgermeister Stojentin die Direktion nicht selbst übernehmen könne, einen Dirigenten einzusetzen. Dieses sei im Verwaltungsbezirk in Selm der Fall, fand Schmising und ordnete an, mit dem Gemeinderat zu überlegen und mehrere Individuen in Vorschlag zu bringen. Namentlich in den geschlossenen Ortschaften käme es darauf an, rasch und energisch die Vorkehrungen zu treffen, welche ein Umsichgreifen des Feuers verhindern. Es sei darauf zu sehen, daß der Dirigent nicht zu fern vom Orte wohne, und daß er die nöthige Ruhe und Einsicht, aber auch Kraft und Ansehen besitze, entschieden aufzutreten, und sich geltend zu machen. Stojentin wurde aufgefordert, auch Stellvertreter (§. 86 FPO) vorzuschlagen. 

Brüning oder Weischer – wer wird Feuerlöschdirigent in Selm?

Der Selmer Gemeinderat verhandelte am 24. Februar 1842 die Personalvorschläge, die Stojentin dem Landrat einen Tag später mit der Anmerkung überreichte , daß unter den in Vorschlag gebrachten Personen, seiner Ansicht nach, der Herr Rentmeister Brüning auf Botzlar die geeignetste Person zum Feuer-Lösch-Dirigenten sein mögte, wenn, wie auch der Gemeinderath bemerkt, wegen der Entfernung von Selm nicht etwa Bedenken zu erheben sind. Im entgegengesetzten Fall dürfte der Beigeordnete Weischer als am geeignetsten erscheinen.

Hinsichtlich der Stellvertretungen sowohl für mich als für den Dirigenten in Selm scheint es meines Erachtens zweckdienlich, wenn in jeder Bauerschaft und jedem geschlossenen Orte ein Stellvertreter angeordnet wird, indem bei entstehenden Brande in den Bauerschaften die augenblickliche Anwesenheit des Dirigenten nicht immer erzielt werden kann, und dadurch der Mangel an Aufsicht gänzlich verloren gehen würde, wohingegen durch die nahe Anwesenheit des Stellvertreters in den Bauerschaften die ordnungsmäßige Aufsicht bis zum Erscheinen des Dirigenten gehandhabt werden kann.

Mit gleicher Post unterbreitete Stojentin seine Personalvorschläge[3], aber es brauchte noch fast zwei Jahre, bevor der Landrat mit Schreiben vom 11. Januar 1844 seine Wahl bekanntgab: Für die Gemeinde Selm ernannte Schmising den Vorsteher Schulzen Weischer ... zum Feuerlöschdirigenten. Damit überging der Landrat den Vorschlag des Borker Amtmanns, der den Rentmeister Brüning für geeignet hielt und ins Gespräch gebracht hatte. Schmising bezog sich auf den §: 85 der Feuer-Polizei-Ordnung und interpretierte die Vorschrift so, dass es wünschenswert sei, das Amt des Feuerlöschdirigenten – wo immer möglich – mit dem des Ortsvorstehers zu verbinden.

Für jeden Ortsteil einen Stellvertreter

Zu Stellvertretern bestellte der Landrat unter Berücksichtigung der vom Amt Bork gemachten Vorschläge:
für Hassel den Zeller Richter
für Altenbork den Zeller Hördemann.
für Netteberge den Schulzen Haverkamp.
für Altstedde den Schulzen Altstedde.
für Nordlünen den Schulzen Pelleringhoff
für Dorf Selm den Gastwirth Wormstall
für Ohndrup den p. Wilhelm Weischer.
für Westerfeld den Kolon Spinne.
für Beifang den Kolon Evert.
für Ternsche den Kolon Witthoff ...

Dagegen scheint mir – so Schmising –  für Dorf Bork der Lieutenant Cirkel wegen dessen häufiger Abwesenheit nicht geeignet und scheint es anpassender, den Engelbert Lenfert dazu zu ernennen. Statt p. Dobbelstein möchte der Rentmeister Preiser für Uebbenhagen und statt Brockmann der Schulte Wethmar jun. zu bestellten sein. –

Schmising hatte sich die Entscheidungen wohl nicht leicht gemacht und Stojentin eine Frist für eventuelle Einwände gegeben. Der Amtmann war aber einverstanden; er informierte die Borker Amtsträger selbst und beauftragte den Selmer Feuerlöschdirigenten Schulze Weischer, die dortigen Stellvertreter zu benachrichtigen und deren Anordnung durch einen öffentlichen Anschlag und Publikation vor der Kirche unter dem Bemerken bekannt zu machen, dass Jeder bei Vermeidung gesetzlicher Strafe den Anordnungen der bezeichneten Personen bei Brandunglücken pünktliche Folge zu geben hätte.

Man kann den Eindruck gewinnen, dass die auf den Kreis bezogene Konkretisierung der Feuerpolizeiordnung in regem Austausch und enger Abstimmung zwischen dem Landratsamt, den Ortsbehörden und den Gemeindevertretungen stattfand. So stellt Landrat Schmising im Mai 1843 dem Amt Bork noch einmal Einzelheiten des Entwurfs der Kreis-Feuerordnung vor, bevor er das ganze Paket an die Regierung weitergibt.

Er wolle die Ortsbehörden in den Stand ... setzen, ... Bedenken oder anderweitigen Wünsche hinsichtlich des einen oder anderen Punktes einberichten zu können. Die Bezirksregierung hatte zuvor die Landräte aufmerksam gemacht, dass die Kreis-Ordnungen gesetzliche Vorschriften nicht abändern können, sondern mit ergänzenden Bestimmungen auf in hiesiger Gegend ... bestehende Mißbräuche, Fahrläßigkeiten pp. reagieren sollen. Daran anknüpfend erinnert Schmising seine Adressaten, dass er die „zusätzlichen Bestimmungen“ auf Grundlage der von sämmtlichen Herrn Bürgermeistern eingereichten Gemeinderathsbeschlüsse resp. der hinsichtlich der divergirenden Gemeinderathsbeschlüsse eingeholten Vota der Kreisstände entworfen habe. Der ganze Vorgang ist ein Beispiel für die Beteiligung nach- und nebengeordneter Ebenen bei der Ausgestaltung eines Regelwerks.

Die "Feuerlösch-Compagnie"

Jeder Feuer-Lösch-Dirigent oder dessen Stellvertreter hatte eine Feuerlösch-Compagnie unter sich, in der für jede Spritze die folgenden Positionen zu besetzen waren:
1. Spritzenmeister,
2. Rohrführer,
3. Mannschaften zur Pumpe
4. Mannschaften mit Feuerhaken, Axten, Beilen, Brecheisen pp.
5. Sicherheitswache

Landrat Schmising legte Wert darauf, dass alle Einwohner wissen, wer im Brandfalle wofür zuständig ist. Besonders wichtig war ihm offenbar, den Sinn und Zweck einer „Sicherheitswache“ bewusst zu machen. In seinem Entwurf zu den „Zusätzlichen Bestimmungen für den Kreis Lüdinghausen“ heißt es:

Der Name des Dirigenten und der für die einzelnen Abtheilungen ausersehenen Eingesessenen, sowie die Abzeichen der zur Sicherheitswache berufenen Männer, deren Geschäft es ist, bei statthabendem Brandunglück Diebereien und das unnöthige Werfen, Stoßen, Erbrechen, Beschädigen p der zu rettenden Effecten zu verhüten, auch für die zweckmäßige und sichere Aufbewahrung der geretteten Sachen zu sorgen; werden jeden Orts bekannt gemacht.

Alle übrigen Eingesessenen, welche nicht zu den unter 1 bis 5 bezeichneten besonderen Dienstleistungen berufen, aber nach §: 76 und 79 der allgemeinen Feuer-Polizei-Ordnung verpflichtet sind, mit Feuereimern zur Brandstelle zu eilen, haben für Herbeischaffung des erforderlichen Wassers Sorge zu tragen, aber auch den anderweiten Anordnungen des Feuerlösch-Dirigenten, des Spritzenmeisters und der Sicherheitswachtmeister bei Vermeidung einer Ordnungstrafe von 10 Silbergroschen bis 5 Thalern Folge zu leisten. –

Zwischen diesen Papieren befinden sich im Selmer Stadtarchiv fünf Blätter ohne Datum mit Notizen, die wie das Konzept zur Aufstellung einer „Feuerlösch-Compagnie“ der Gemeinde Bork aussehen. Vermutlich wurden die Listen im Jahre 1843 angelegt. Die blasse Schrift konnte digital etwas verstärkt werden; es gelang dem Autor aber nicht, alles zu entziffern.

Dezember 2017
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[1] StA Selm AB-1 Nr. 463 - Feuerpolizei spezial 1843-1903
[2]
FPO, S. 25.
[3] Vgl. Stojentins Liste der vorgeschlagenen Stellvertreter vom 24.02.1842:
1. Bork – Lieut. J. Cirkel, 2. Hassel – Zeller Richter, 3. Altenbork – Zeller Hördemann, 4. Netteberge – Schulze Haverkamp, 5. Uebbenhagen – Inspector Dobbelstein, 6. Alstedde – Schulze Alstedde, 7. Nordlünen – Schulze Pelleringhoff, 8. Wethmar – Zeller Brockmann, 9. Selm – Schulze Weischer (sofern selbiger nicht als Dirigent gewählt werden möchte, in welchem Falle dann der Gastwirth Wormstall als Stellvertreter eintritt), 10. Ondrup – Gemeinderat W. Weischer, 11. Westerfelde – Colon Spinne, 12. Beyfang – Colon Evert (möchte aber der H. Rentmeister Brüning nicht als Dirigent eintreten, so würde letzterer hier die Stelle eines Stellvertreters zweckmäßig einnehmen), 13.Ternsche – Colon Witthoff.

 
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