aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Polizeidiener in Bork

Christel Gewitzsch

Um bei der Einstellung von Polizeidienern nicht auf die Falschen zu setzen, gab die Abteilung des Innern der Königlichen Regierung in Münster im April 1827 eine achtzehn Paragrafen umfassenden Instruktion heraus. Danach war von den Bewerbern eine dreimonatige Probezeit zu absolvieren, während der die Landräte und Bürgermeister ihre Geschicklichkeit und körperliche Brauchbarkeit genau prüfen, und vor Ablauf der bestimmten Zeit über ihre Qualifikation oder Unqualifikation berichten[1] mussten. Nach dieser Probezeit erfolgt[e] die Anstellung auf Kündigung, nämlich so, daß wenn sie sich in der Folge unsittlich betragen, dem Trunke, dem Spiele, oder sonst groben Lastern ergeben, ihr Amt mißbrauchen oder in Erfüllung ihrer Pflichten nachlässig werden, und Zurechtweisungen und Strafen ohne Erfolg bleiben, die nach einer dreimonatlichen Kündigung [...] von der Regierung entlassen werden.

Die Aufgaben der Polizeidiener waren sehr umfangreich. Neben der allgemeinen Verpflichtung die zur öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit gegebenen Gesetze, Verordnungen und Vorschriften zu handhaben und deren Befolgung zu erwirken, oblagen ihnen diverse Tätigkeiten für die Gemeinde und das Amt, wie z.B. Aufsicht bei Wegearbeiten, Bestellung der Militärpflichtigen, Transport der Dienstbriefe zur Post etc. Alle ihre Aktivitäten mussten sie in ein Dienstbuch eintragen und dieses mindestens einmal in der Woche ihrem Vorgesetzten, dem Bürgermeister bzw. Amtmann, vorlegen.

1.
Der Polizeidiener aus Altenbork Jodocus H. Kalter ist der erste in der Akte[2] erwähnte Amtsinhaber für Bork. Von seinen Vorgängern erfahren wir von Christian Didon in seiner Chronik[3] die Namen und die Herkunft: Wilhelm Anton Ortsmann aus Bork und Ludwig Frey aus Cappenberg. Wegen der umfangreicher werdenden Aktenführung kann über die folgenden Polizeidiener etwas mehr gesagt werden. Wobei zu berücksichtigen ist, dass es neben den Routinemeldungen in erster Linie zu Aktennotizen kam, wenn der Beamte unangenehm auffiel. Bei Jodocus Kalter war das besonders der Fall.

Auch wenn die oben erwähnte Instruktion ein paar Jahre früher erteilt worden wäre, hätte  Bürgermeister Friedrich Köhler in Bork es gegenüber Kalter wahrscheinlich nicht viel leichter gehabt. Kalter (Ersterwähnung 1824) war durch Trunkenheit im Dienst und Lügerei aufgefallen, hatte aber hoch und heilig Besserung versprochen. Doch wie dies bei Versprechen von Trunksüchtigen so ist: Kalter konnte sie nicht halten. Seine Gesundheit verschlechterte sich rapide. Am Ende des folgenden Jahres war er fast alle Tage betrunken gewesen.[4] Zur Ausübung seines Dienstes war er nicht mehr in der Lage. Köhler wollte einen Gehilfen für ihn einstellen und ließ darüber hinaus Gnade walten, weil er durch eine Absetzung des Polizeidieners nicht dessen Frau, zwei Kinder und die gebrechliche Schwiegermutter an den Bettelstab bringen wollte. Erst 1828 gab auch Köhler jede Hoffnung auf und betrieb Kalters Pensionierung, die nicht mehr ausgesprochen wurde, da Kalter im Juli des Jahres 42-jährig an Auszehrung starb.[5]

2.
Sein Nachfolger hatte zu dieser Zeit die Arbeit schon aufgenommen. Es war der Invalide, Gefreiter der 14. Divisions-Garnison-Compagnie, Friedrich Geischer, der seine Stelle dort aus Krankheitsgründen nicht mehr ausüben konnte. Als erstes musste ihm seine Dienstkleidung beschafft werden, bestehend aus Überrock, Hosen und Dienstkappe. Der Säbel nebst Schulterriemen war von Familie Kalter zurückzufordern.[6]

In der ersten Beurteilung Geischers äußerte Köhler sich nur lobend über dessen Einsatz. Er habe sich, wie auch der Selmer Polizeidiener Schwager, besonders thätig bei den stattgehabten Wegebesserungen gezeigt, an 84 Tagen dabei Aufsicht geführt, wobei er zu Mittag meist nicht nach Hause gehen konnte und sich mit einem trockenen Butterbrode begnügen musste. Köhler wollte den beiden dafür eine kleine Belohnung zukommen lassen. Im Folgejahr trübte die allgemeine Zufriedenheit mit Geischers Arbeit nur seine Tendenz zur Parteilichkeit. Wie sich die gezeigt und ausgewirkt hatte, verschweigt uns der Bürgermeister. Landrat von Schlebrügge nahm die Kritik aber ernst und drohte für den Wiederholungsfall mit Kündigung. Das scheint Geischer sich zu Herzen genommen zu haben, der Vorwurf wird nicht wiederholt. Doch musste Köhler im nächsten Jahr melden, dass auch der neue Polizeidiener dem Trunke zugeneigt war. Schlebrügge bestellte ihn auf die Kreisstube und agierte wohl so überzeugend, dass bis 1836, als Geischer am 8. Juni starb, Bürgermeister Köhler immer nur seine Zufriedenheit mit Geischers Arbeit ausdrückte.

3.
Nach Geischers Tod war der Andrang auf die Polizeidienerstelle in Bork groß. Es meldeten sich unverzüglich sechs interessierte Borker Eingesessene beim Bürgermeister. Einer davon, ein Bernard Peters, konnte mit etwas Erfahrung punkten, denn er arbeitete schon als Geischers Polizeidienergehilfe. Landrat Schlebrügge ernannte aber den, mit einem Civil-Versorgungsschein versehen Invaliden Unteroffizier von der Garnison-Compagnie des 28ten Infanterie-Regiments, Johann Niggetiedt, gebürtig aus Hamm, zum Polizeidiener für Borck und Altlünen provisorisch auf dreimonatliche Kündigung. Der Civil-Versorgungsschein war der Türöffner für Niggetiedt, über den die anderen Bewerber nicht verfügten.

Niggetiedts Arbeitsstart verlief erfreulich, doch ließ sein Eifer schnell nach und schon 1838 fiel auch er durch einen zu hohen Alkoholkonsum auf. Der Landrat zitierte ihn nach Lüdinghausen, drohte mit Kündigung und ordnete eine strengere Kontrolle an. An der Kontrolle durch den Bürgermeister hatte er bald ebenso viel auszusetzen wie an Niggetiedts Arbeitseifer. Nur ein Diebstahl sei vom Polizeidiener während des ganzen verflossenen Jahres gemeldet und drei Festgenommene vorgeführt worden. Der Bürgermeister hätte sich Niggetiedts Dienstjournal früher ansehen und ihn zu höherem Arbeitseinsatz veranlassen müssen.

Ein Jahr noch blieb Niggetiedt im Dienst, dann starb er am 16. Februar 1841, 42-jährig, auch an der Auszehrung, und hinterließ eine schwangere Frau und ein unmündiges Kind.

4.
Schon einen Tag später schrieb Landrat Schlebrügge dem Bürgermeister, dass er dem Hilfspolizeidiener Jakob Heinrich Aswerus aus Südkirchen die Polizeidienerstelle in Bork mit einem Jahresgehalt von 80 Talern übertragen habe. Dienstschild, Dienstsäbel und die Polizeidiener-Instruktion des Niggetiedt sollten ihm übergeben und eine Inventarliste mit sämtlichen Utensilien erstellt werden. Aus dieser Inventarliste ersieht man, wie weit die Zuständigkeit des Polizeidieners reichte. Alle Gerätschaften für den Feuerschutz für Bork und Altlünen wurden ihm überantwortet, von den Feuerspritzen mit ledernen Schläuchen, über Wasserschlitten, Feuerleitern und Wasserkübel zu den Feuereimern und Brandhaken; dazu kamen Rammen zum Straßenbau, Längenmaße und der eiserne Ofen, eine Lampe, ein Tisch und zwei Stühle für die Arrestzelle.

Dem neuen Bürgermeister Carl Rudolph von Stojentin fiel es zu, die erste Beurteilung über  Niggetied abzugeben. Zu der Einreichung der Dienstbücher schrieb er, daß gegen die Führung derselben Klagen nicht zu erheben sind. Auch in den folgenden Jahren war er mit der Arbeit des Aswerus zufrieden.

Trotz alledem wollte 1845 der Landrat einem zu großzügigen Ausdruck der Zufriedenheit nur widerstrebend nachkommen. Bürgermeister Stojentin hatte Beschlüsse der Gemeindeverordneten aus Bork und Altlünen falsch interpretiert und statt einer einmaligen Gratifikation und Zulage eine dauerhafte Gehaltserhöhung für Niggetied beantragt. Der Irrtum konnte schnell aufgeklärt werden und der Landrat genehmigte die einmalige Zahlung. Wegen einer anderen Aktivität handelte sich Aswerus eine Verwarnung ein. Die Rede ist von einem sogenannten „Umgang“, den er in der Gemeinde veranstaltet hatte und dessen Wiederholung ihm streng verboten wurde. Dabei handelte es sich wohl um eine Art Bettelgang, denn später schreibt Aswerus dazu, dass dieser zum mindesten einbrachte 40 Rth. an Roggen Holz und Geld.

Auch in den Folgejahren bemühte sich Aswerus immer wieder um eine Verbesserung seiner Einkommenslage. Frau und sieben Kinder hatte er zu ernähren und bei den so sehr hohe Preisen der Lebensmittel besonders in hiesiger Umgegend konnte er das Nötige von seinem Gehalt nicht beschaffen, so seine Worte. Neben weiteren Gesuchen um Zulagen und Gehaltserhöhungen, dem Verkauf seiner Kuh und Taschenuhr, fiel er dem Landrat in den 50er-Jahren als Unternehmer im Straßenbau auf. Das war mit der Stellung als Polizeidiener, der den Wegebau zu beaufsichtigen hatte, nicht vereinbar – so der Landrat. Amtmann Hermann Foecker allerdings sah darin kein Problem. Aswerus habe dies schon seit dem Tag seiner Anstellung so gehalten und die übernommenen Arbeiten zur größten Zufriedenheit ausgeführt. Seine Arbeit als Polizeidiener leide darunter nicht, denn er habe einen Werkführer angestellt und nähme die Straßenarbeiten nur in seinen Mußestunden in Augenschein. Auch würde er bei den öffentlichen Verdingkommissionen nicht selbst auftreten, sondern sich durch einen Arbeiter vertreten lassen. Man möge ihm, so Foecker, diese Tätigkeit auch weiterhin erlauben, weil hier auch kein Individuum bekannt ist, welches mit der Ausführung von Erdarbeiten so betraut ist, und dabei den Vortheil der Gemeinde so sehr im Auge hält. Landrat von Landsberg war nicht zu überzeugen, da auf diese Weise Unternehmer und Aufseher in Einer Person vereinigt sind, und so die Möglichkeit gegeben ist, daß zum Schaden der Gemeindekasse die Aufsicht nicht gehörig geführt werde. Dem Publicum gegenüber muß in dieser Beziehung, auch der Schein vermieden werden. Also wurde Aswerus beschieden, sich aller weiteren Gemeindearbeiten zu enthalten, für Private keine Arbeiten zu übernehmen und allein seinen Pflichten als Polizeidiener nachzukommen.

Diese Anweisung scheint er befolgt zu haben, denn man liest nichts Negatives mehr über ihn. 1867 muss Foecker in Sachen Aswerus anderes vermelden. Der Amtmann bat um die Genehmigung, für den an einer Lungenentzündung erkrankten Polizeidiener einen Stellvertreter einstellen zu dürfen. Kurz danach kam auch schon die Todesmeldung und der für die Stellvertretung vorgesehen Peters übernahm vorübergehend die Arbeit.

5.
Mit der Meldung über den Tod des Aswerus sprach Foecker die eindringliche Bitte aus, die Stelle schnell wieder zu besetzen und wegen der bekannten hiesigen Verhältnisse einen Mann auszuwählen, der besonders verschwiegen und eifrig und dessen Lebenswandel untadelig war. Nur so könne er, Foecker, seiner Aufgabe als Polizeianwalt zum Wohle des Staates und der Gemeinde erfüllen.

Zum Zuge kam dann der Tagelöhner Theodor Klinge aus dem Kirchspiel Lüdinghausen. Am 1. Juli 1867 sollte er sich in Bork melden und seine Stelle antreten. Nach genau einem Jahr, dem Probejahr, erwartetet der Landrat einen Bericht zu dessen dienstlicher und moralischer Führung. Der fiel sehr positiv aus. Klinge habe sich in allen Angelegenheiten, sowohl in dienstlichen als außeramtlichen sehr gut geführt. Deshalb schien es dem Amtmann angebracht ihn erstens definitiv anzustellen und ihm zweitens wegen der Theuerungsverhältnisse eine Gehaltserhöhung zuzubilligen. Bisher erhielt er als Diensteinkommen 120 Taler plus 15 Taler Kleidergeld. Das Einkommen sollte nun auf 200 Taler erhöht werden. Die Gemeindeversammlungen von Bork und Altlünen hatten dem schon zugestimmt, was der Landrat lobend anerkannte. Über die Eigenmächtigkeit des Amtmanns, dies ohne einen vorherigen Bericht an ihn in Gang gesetzt zu haben, rümpfte er allerdings die Nase.

Drei Jahre nach der definitiven Anstellung erkrankte Theodor Klinge an einer Entzündung des Kehlkopfes und der oberen Luftröhre. Es bestand die Gefahr der Schwindsucht, weshalb Klinge für 14 Tage vom Dienst befreit wurde. Doch er wurde nicht wieder gesund und starb am 14. September 1871.

6.
Im November des Jahres bestimmte der Landrat den Landwehr Artilleristen Carl Gertz aus Dülmen für ein Jahr auf Probe zu Klinges Nachfolger. Der führte sich außerordentlich negativ in sein Amt ein. Schon nach einem halben Jahr berichtete Amtmann Döpper, er habe den Polizeidiener wiederholt in einem trunkenen Zustande angetroffen und ihn mehrmals verwarnt. Vor einer Woche, als Gertz wegen der polizeilichen Beerdigung einer Pockenleiche tätig werden sollte, war er so betrunken gewesen, daß er zur Ausführung dieser Aufträge nicht mehr fähig war. Döpper legte ihm die Kabinettsorder vom 24. Dezember 1836 vor, in der bei Trunkenheit im Dienst mit Entlassung gedroht wurde, und verhängte eine Ordnungsstrafe von einem Taler.

Überraschenderweise stimmten die Gemeindeverordneten von Bork und Altlünen 1873 trotzdem für seine definitive Einstellung. Im nüchternen Zustand, so hieß es, soll seine Führung sehr gut sein, er sei fleißig und folgsam und genieße das Vertrauen der Eingesessenen.

Bei der Übersendung der Bestallungsurkunde fragte Landrat Freiherr von Landsberg an, ob die Zeit nicht reif sei, den für Bork und Altlünen zuständigen Polizeidiener durch einen Kollegen zu entlasten. Landsberg befürchtete für Gertz eine erhebliche Mehrarbeit wegen des Eisenbahnbaus. Amtmann Döpper stimmte dem Landrat zu. Schon jetzt schätzte er Bork und Altlünen für einen Polizeidiener als zu groß ein, sowohl nach Flächeninhalt als auch nach der Bevölkerungszahl. Der Polizeidiener sei so in Anspruch genommen, daß ihm für die Wahrnehmung mancher Polizeigeschäfte kaum Zeit übrig bleibt. Bevor Döpper sich aber um die Einstellung eines weiteren Polizeidieners kümmern wollte, fragte er an, ob nicht ein Gendarm in Bork stationiert werden könne.

Münster reagierte auf diese Anfrage sehr verhalten. Der Bau der Dortmund-Gronau-Enscheder Eisenbahn sei nur vorübergehend und würde die dauerhafte Stationierung eines Gendarmen nicht rechtfertigen. Vielleicht könne aber der in Olfen eingesetzte Gendarm für kurze Zeit nach Bork abkommandiert werden, doch müsse man dafür wissen, wie lange der Bau dauern wird und ob die bei dem Eisenbahnbau beschäftigten Arbeiter fremde, oder aber größtentheils aus dortiger Gegend sind. Nach den Aussagen des Amtmanns hielt die Abteilung des Innern es ungeachtet des Eisenbahnbau für unabweislich, einen zweiten Polizeidiener für Altlünen einzustellen. Falls sich die Belastung aber nur während der Bauzeit ergäbe, müsse die Eisenbahngesellschaft, die durch diese Vermehrung des Polizei-Aufsichtspersonals entstehenden Kosten tragen, wie solches in der Conzessions-Urkunde der Dortmund-Gronau-Enscheder Eisenbahngesellschaft vom 8.1.1872 S. 139 ausdrücklich vermerkt sei.

Döpper antwortete, dass der Bau bis ins Jahr 1875 dauern werde und größtenteils fremde Arbeiter, viele aus Polen, beschäftigt seien. Um die Notwendigkeit weiterer polizeilicher Kräfte zu untermauern, berichtete er, daß vor ungefähr 14 Tagen das Haus eines Wirthes zwischen Lünen und Dortmund von diesen Arbeitern stark beschädigt und die Mobilien größtentheils zertrümmert worden sind; daß ferner in jüngster Zeit in Lünen das Hausrecht gröblich verletzt, Sachen beschädigt, mehrere Personen mißhandelt, die Thäter demnach verhaftete und dem Gerichte in Dortmund vorgeführt sind. Es sind im hiesigen Amte zwei Diebstähle vorgekommen und lastet der Verdacht auf Eisenbahnarbeiter.
Unter diesen Umständen dürfte die Stationirung eines Gensdarmen im Amt Bork während des Eisenbahnbaus erforderlich erscheinen und möchte ich daher gehorsamste das Erforderliche hiezu hochgefälligst veranlassen zu wollen
.

Münster sah in dieser Schilderung eine zeitlich begrenzte Notwendigkeit zur Personalverstärkung und empfahl, bis zur Fertigstellung des Baus einen engagierten, ortkundigen Hilfspolizeidiener einzustellen. Über dessen angemessene Bezahlung wollte die Abteilung des Innern schnell informiert werden, um mit der Eisenbahngesellschaft darüber in Kontakt treten zu können. Döpper hielt 25 Taler monatlich für notwendig. Eine geeignete Person konnte er noch nicht benennen, versprach aber, sich darum zu bemühen. In der Akte ist von diesem Hilfsbeamten aber nichts mehr zu lesen.

7.
Im Oktober 1873 meldet Amtmann Döpper dem Landrat, dass der Polizeidiener Gentz sich, um eine bessere Existenz zu finden[7], um die Stelle eines Steuer-Einnehmers in Castrop beworben habe. Da diese Stelle schnell besetzt werden musste, erlaubte es Döpper, dass Gentz sie sofort antrat. Für Bork betraute er den Landwehr-Unteroffizier Bernard Heinrich Leismann aus Altlünen mit der Wahrnehmung der Aufgaben. Dieser war ihm nicht allein von verschiednen Seiten als ein zuverläßiger und nüchterner Mann empfohlen sondern [ihm] auch schon seit einigen Jahren als solcher bekannt. In den ersten Tagen seiner Tätigkeit hatte Leismann das in ihn gesetzte Vertrauen nicht enttäuscht, weshalb Döpper den Landrat bat, dem p Leismann diese Polizeidiener-Stelle hochgefälligst übertragen zu wollen, um so mehr als Bewerbungen anderweitiger geeigneter unbescholtener Personen um diese nicht sehr hoch dotirte Stelle nicht zu erwarten waren.

Beim Landrat waren indes vier Bewerbungen eingegangen, je eine aus Herbern, Metelen, Münster und Essen. Döpper sollte sich dazu äußern. Er blieb bei seiner Empfehlung für Leismann, der in jeder Beziehung zu dieser Stelle brauchbar pünktlich fleißig nüchtern und rechtschaffen [sei] und auch der Achtung und das Vertrauen des Publicums genieß[e]. Das beeindruckte den Landrat nicht weiter, er wollte so ohne Weiteres die Besetzung der Polizeidienerstelle von Bork nicht vornehmen vielmehr eine allgemeine Concurrenz eintreten lassen. Er hatte aber nichts dagegen, wenn Leismann vorläufig die Geschäfte weiter wahrnahm. Erst zwei Monate später übertrug er ihm die Stelle für ein Jahr auf Probe.

In diesem Jahr wendete sich das Blatt grundlegend. Dem Selmer Polizeidiener Anton Glowsky war es 1874 gelungen, bei der Dortmund-Gronau-Enschede Eisenbahn als Bahnwärter angestellt zu werden. Amtmann Döpper, der sich ein Jahr vorher für die Anstellung eines dritten Polizeidieners stark gemacht hatte, schlug nun vor, die Selmer Stelle einzusparen und den Dienst dort dem Borker Polizeidiener zu übertragen. Dieser Widerspruch blieb dem Landrat nicht verborgen. Besonders wegen der Errichtung einer Eisenbahnhaltestelle in Selm schien ihm der Zeitpunkt für diese Entscheidung äußerst ungünstig. Döpper argumentierte nun, die Überlastung der Polizeidiener sei auf die vielen Aufträge für Bestellungen, Vorladungen etc. zurückzuführen. Dafür könne man ebenso einen zuverlässigen Boten einstellen. Ein entscheidender Beweggrund des Amtmann war wohl die bisherige karge Bezahlung des Polizeidieners. Ein neuer müsste mindestens das Doppelte verdienen, wenn er nicht auf allerlei Nebenverdienste angewiesen sein sollte. Alle drei Gemeinden zusammen könnten aber sowohl einen Polizeidiener als auch einen Boten gut bezahlen. Der Landrat gab nach – für ein Jahr, dann teilte Landsbergs Nachfolger Graf von Wedel lapidar mit, die Stelle in Selm sei wieder zu besetzen. Für Bork und Altlünen war weiterhin Leismann zuständig.

1878 meldete sich dieser selbst zu Wort. Er erinnert daran, dass zu seinem Bezirk schließlich auch Cappenberg gehöre und er bei den häufig vorkommenden Bekanntmachungen und Beorderungen den ganzen Bezirk durchgehen, und für Altlünen Aufgebote, Bekanntmachungen um Aushang u. Publikation an den Lehrer Markfeld in der Altstadt, im Amtsbezirk Lünen besorgen und auch wieder abholen [müsse]. Er könne diesen Ansprüchen nicht gerecht werden und käme häufig erst spät am Abend von seiner Tour zurück. Man möge doch für Altlünen einen weiteren Polizeidiener einstellen, eine Gehaltsminderung nähme er dafür in Kauf.

Döpper rechnete dem Landrat vor, dass dem Leismann 525 Mark blieben und die Gemeinde Altlünen, wenn sie nur 120 Mark jährlich zulegen würde, ihrem Polizeidiener insgesamt 300 Mark zahlen könnte. Für den Landrat waren beide Gehälter unzumutbar und er kam auf Döppers alten Vorschlag zurück, die nicht so wichtigen Zustellungen einem Boten für zusammen 50 Mark zu übertragen.

Die Angelegenheit spitzte sich zu, als die Altlüner Gemeindevertretung den Amtmann darüber aufklärte, dass Leismann den Bezirk Altlünen gar nicht abtreten wollte, sondern nur um eine Gehaltserhöhung pokerte. Döpper war empört, sprach von einer Intrige und lehnte eine Besserstellung des Leismann ab. Auch der Landrat betrachtete damit die Angelegenheit als erledigt, forderte allerdings für den nächsten Etat die Einstellung einer geringen Summe, um in geeigneten Fällen einen Boten einsetzen zu können.

Nun war für drei Jahre Ruhe. Im September 1881 wiederholte Leismann seine Bitte, um Entbindung der Altlüner Stelle. Dieses Mal schien es ihm ernst zu sein, denn er begründete seine Eingabe mit seinem körperlichen Zustand. Döpper schrieb an den Landrat von einem Blutsturz, von dem sich Leismann nicht wieder erholt hatte und es auch nicht zu erwarten sei, dass er wieder zu vollen Kräften kommen könnte. Die Gemeindevertretung von Altlünen wollte aber keinen eigenen Polizeidiener bezahlen, sondern stattdessen hin und wieder einen Boten für zwei Mark täglich beauftragen.

Landrat Wedel wiederum konnte nicht zulassen, eine Gemeinde, von Patrouillen-Ritten eines Gendarmen abgesehen, ganz ohne Polizeikontrollen zu lassen. Er gab zu bedenken, dass Leismann, wenn seine Gesundheit ihm den kurzen Marsch nach Altlünen verbietet, auch als Polizeidiener von Bork nicht mehr auf seinem Platze [sein dürfte] und auf seine Ersetzung durch einen rüstigeren Mann ... Bedacht zu nehmen sei. Bevor man dazu schritt, könne man, wie schon wiederholt vorgeschlagen, ihm die Arbeit durch einen Boten erleichtern. Bis zum 1. November des Jahres erwartete Wedel einen Bericht über die getroffenen Anordnungen. Der erübrigte sich, denn Heinrich Leismann starb, 43 ½ Jahre alt, am 31. Oktober 1881.

8.
Gut eine Woche vorher beschlossen die Gemeinde-Verordneten für Bork, einen neuen Polizeidiener für den Bezirk der Gemeinde Bork anzustellen. 600 Mark Gehalt plus 60 Mark Kleidergeld bewilligten sie ihm jährlich, Pensionsansprüche wurden ihm verweigert, was der Kreisausschuss 1891 korrigierte. Einen Tag danach bat Amtmann Döpper den Landrat um die Genehmigung zur Anstellung des fast 41-jährigen Gefreiten und Zimmermanns Theodor Fleige aus Lüdinghausen. Schon zwei Tage später schickte Lüdinghausen die Bestätigung der kommissarischen Anstellung für sechs Monate an Fleige mit der Versicherung, ihn nach tadelloser sechsmonatiger Amtsführung definitv zum Polizeidiener zu ernennen.

Der Amtmann stellte ihm im Juni 1882 ein gutes Zeugnis aus. Er lobte seinen umsichtigen und tatkräftigen Diensteifer und ergänzte, er sei allgemein respektiert, nüchtern und zuverlässig und als Polizeidiener sehr brauchbar. Der definitiven Ernennung stand also nichts im Wege.

Zehn Jahre später wurde Fleige, wie die anderen Polizeidiener des Amtes auch, zusätzlich mit der Aufgabe eines Vollziehungsbeamten betraut. Seine Ausstattung dafür bestand aus einer Geschäftsanweisung, Pfändungsprotokolle und Mahnzettel. Als Bezahlung setzte der Kreisausschuss 100 Mark jährlich – zahlbar aus der Gemeindekasse – fest. Aber auch mit diesem Zusatzverdienst konnte der Beamte kein Leben in Saus und Braus führen. In einem Brief vom November 1897 schrieb Fleige: Der Wohllöblichen Gemeindevertretung erlaube ich mir Folgendes ergebenst vorzutragen.
Die Beschaffung eines neuen Mantels für diesen Winter war für mich zu einer unbedingten Nothwendigkeit geworden.
Ich habe mir deshalb einen solchen beschaffen müssen, und kostet derselbe laut Rechnung 60 Mark bei gleich Zahlung 57 Mark. Da ich nun bereits 16 Jahre der Gemeinde Bork bei dem vielleicht etwas niedrigen Gehalt von 700 Mark nebst 60 Mark Kleidergeld meinen Dienst gewidmet und noch niemals Anspruch auf extraordinäre Anschaffung für mich gemacht habe, so bitte ich die Wohllöbliche Gemeindevertretung mir für dieses Mahl den Mantel aus Gemeindemitteln zu beschaffen, und mir dem für den Mantel gezahlten Betrag der Prozente wegen schon gezahlt, gütigst erstatten zu wollen.

Gemeindevertretung und Kreisausschuss stimmten zu und einige Monate später wurde Fleiges Gehalt auf 850 Mark festgesetzt. Damit reagierte der Kreisausschuss wahrscheinlich nur auf die drei Jahre alte Bestimmung, dass das Kleidergeld nicht mehr zum pensionsfähigen Gehalt gezählt werden durfte. Schon damals war beschlossen worden, in Zukunft das Kleidergeld in das Gehalt einzubeziehen. Zwei Jahre später informierte der Landrat den Amtmann nur noch darüber, dass das Gehalt des Fleige auf 1000 Mark festgesetzt worden war. Wieder zwei Jahre später wurde Fleiges Bitte um Gehaltserhöhung sofort erfüllt, 100 Mark umfasste diese.

Als Fleige 1900 wegen der Stürmischen Witterung und wegen [s]eines vorgerückten Alters, um einen wasserdichten Mantel bat, den seine jüngeren Kollegen schon erhalten hatten, wurde ihm auch dieser zugestanden.

1906 war Fleige seines Amtes müde. Zum 1. Dezember des Jahres beantragte er seine Pensionierung. Er war inzwischen 66 Jahre alt und fühlte sich den Anforderungen nicht mehr gewachsen. Seit einiger Zeit litt er an Ohnmachtsanfällen und seine Augen hatten sich so verschlechtert, dass er im Dunkeln nicht mehr zurechtkam. Für die letzten zwei Monate bat er, ihn zu beurlaubten. Amtmann Busch reagierte wenig verständnisvoll und teilte dem Mann mit:
Der Urlaub, welcher bei mir hätte beantragt werden müssen, muß versagt werden.
Wegen des gänzlich unentschuldigten Fehlens im Dienste am 8. October und wegen des Nichtinnehaltens des vorschriftsmäßigen Dienstweges bei Stellung des nebenstehenden Antrages soll nach Rücksprache mit dem Herrn Landrat für dieses Mal von Bestrafung Abstand genommen werden.
Es muß treue Pflichterfüllung bis zum Schluß erwartet werden.

„Das muss Busch gerade sagen“, geht einem da durch den Kopf.[8] Den Nachruf auf Theodor Fleige verfasste Buschs Nachfolger Dr. Hendrichs.
Nach einem langen und arbeitsreichen Leben verstarb heute hierselbst im Alter von nahezu 85 Jahren
der Polizei-Sergeant a. D.
Theodor Fleige.
Vom Jahre 1881 bis zum Jahre 1907, also 25 Jahre lang, hat der Verstorbene mit vorbildlicher Gewissenhaftigkeit u. Treue das Amt eines Polizei-Sergeanten der Gemeinde Bork versehen u. sich in dieser Zeit die Achtung u. Wertschätzung aller, welche dienstlich oder außerdienstlich mit ihm in Berührung kamen, zu erwerben gewußt.
18 Jahre lang hat er sich des wohlverdienten Ruhestandes erfreuen können. Sein Andenken wird stets in Ehren gehalten werden.
Er ruhe in Frieden.
B. 26.1.25
Dr. Hendrichs, Amtmann

April 2024

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1. und folgende Zitate: LAV NRW W, Kreis Steinfurt, 1. Landratsamt Nr. 1258.
2. Stadtarchiv Selm, AB-1 – 38.
3. Christian Didon, Chronic des Amtes Bork, Selm 1995, S. 28.
4. und folgende Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 38.
5. mehr zu Kalter siehe: Christel Gewitzsch, Ruthenhiebe und Lebenshülfe, Polizeiarbeit im Amt Bork, 1815-1866, Selm, 2014, S. 50ff.
6. Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Münster. Jahrgang 1824; Nro. 21, Bekanntmachungen und Verordnungen der Königlichen Regierung, S. 183, Dienst-Kleidung der Polizeidiener.
130) Den Polizeidienern wird verstattet, eine Uniform zu ragen bestehend in einem blauen Rocke oder Ueberrocke mit dunkelrothem Kragen, und dergleichen Aufschlägen, mit gelben Knöpfen, und einem mit einem Port-d’Epee von gelber und blauer Wolle versehenen Säbel. In sofern den Polizeidienern nicht ausdrücklich behuf einer Dienstkleidung eine Summe aus Commmunal-Mitteln bewilligt worden, sind sie jedoch zur Anschaffung und Tragung dieser Uniform nicht verpflichtet.
Münster, den 14. Mai 1824
7. und folgende Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 49.
8. siehe auch: Hermann Busch, der letzte Borker Amtmann im 19. Jahrhundert >


 
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