"Unter den Hammer kommen" -
Subhastationen, Requisitionen und Adjudikationen
Christel Gewitzsch
Hinter der Fassade so manchen Hauses können sich kleine Dramen abspielen, wenn die Besitzer in eine finanzielle Bredouille geraten, aus der sie sich mit eigener Kraft nicht mehr retten können. Welche Gründe sie auch immer in diese Situation gebracht haben, häufig besteht der einzige Ausweg in dem Verkauf der Immobilie und in noch schlimmeren Fällen im zwangsweisen Besitzerwechsel. Dann kommt der Hammer des Auktionators in Aktion, mit dem dieser durch einen Schlag auf ein Stück Leder einem Bietenden den Zuschlag erteilt.
Das Wort „Subhastation“ ist laut Fremdwörterduden ein veralteter Begriff für öffentliche Versteigerungen. Unter dem Stichwort „Requisition“ verweist das Buch auf das Verb requirieren, was mehrere Bedeutungen hat. Bekannt ist der Gebrauch des Verbs im Zusammenhang mit einer verharmlosenden Darstellung von Diebstählen. In der Akte ist es im Sinne von Nachforschungen, Untersuchungen und Einholung von Rechtshilfe von anderen Gerichten und Behörden zu verstehen. Deshalb besteht die Akte auch weitgehend aus der Korrespondenz zwischen dem Amt und den Gerichten. „Adjudikation“ wird eine richterliche Zuerkennung genannt. In der Veröffentlichung des westfälischen Archivamtes zur Amtssprache[1] ist vom Adjudikationsurteil, -beschluss oder -bescheid die Rede, was mit den Begriffen Zuschlagsurteil oder Zuerkennungsbescheid erklärt wird.
Die hier zugrunde liegende Akte[2] beginnt 1852. Da der Inhalt der Texte sich wiederholt, schauen wir hier nur auf die Vorfälle des ersten Jahrzehnts.
Verlauf
Bei einer notwendigen Versteigerung waren drei Schritte erforderlich. Zuerst wurde der Versteigerungstermin bekannt gegeben.
Nothwendiger Verkauf
Königliches Kreisgericht zu Lüdinghausen Abtheilung I
Nachstehende, den Eheleuten Krämer Heinrich Honerpeik gehöriger, in der Katastralgemeinde Bork belegenen Realitaeten Fl. 14 No 25/0 Baustelle und Hofraum mit dem Hause No 63 Flur 13 No 39/1 und No 40 in der Lütken Heid-Acker – abgeschätzt zu 680 Thaler zufolge der nebst Hypothekenschein und Bedingungen im Bureau einzusehende Sache, sollen am 14. October 1852 Vormittags 11 Uhr an ordentlicher Gerichtsstelle subhastirt werden.
Abschrift zur Nachricht.
Lüdinghausen 23. Juni 1852
Königliches Kreisgericht I Abtheilung
An die Gemeindekasse zu Altenbork zu Händen des Herrn Amtmanns von Stojentin zu Bork
Es folgte die Veröffentlichung des richterlichen Zuschlagsurteils:
Im Namen des Königs!
Adjudicatoria
In Sachen betreffend die nothwenige Subhastation der dem Schmiedt Friedrich Lenfert zu Bork gehörigen Grundbesitzungen Flur 14 Nro 27 Hofraum mit dem Hause N° 61 und Schmiede, Flur 13 Nro 31 an Pastors Kamp Acker -, Flur 10 Nro 373 mit dem Nierenfelde Acker – sämmtlich in der Katastralgemeinde Bork belegen, hat die I. Abtheilung des Königlichen Kreisgerichts zu Lüdinghausen bestehend aus dem Kreisgerichts-Director Strothkamp und den Kreisrichtern Schmitz und Pahl den Acten gemäß für Recht erkannt:
Daß die oben gedachten Realitäten dem Kaufmann Melchior Abraham Melchior zu Bork für das Meistgebot von Eintausend Thalern unter folgenden von den Interessenten genehmigten Bedingungen:
1. der bis zum Tage der Publication des Zuschlagsbescheides laufende Miethzins der vermietheten Räume verbleibt dem Subhastaten, der von da ablaufende Miethzins bezieht der Ankäufer.
2. Ankäufer ist verpflichtet, die Kaufgelder in einem sechs Wochen nach Publikation des Zuschlagsbescheides anzuberaumenden Termine mit fünf Prozent Zinsen vom Tage der Publikation des Adjudikations-Erkenntnisses an einzuzahlen,
zuzuschlagen, daß die Kosten des Werthstempels und Zuschlagbescheides dem Adjudikatar zur Last zu legen, die übrigen Kosten aus der Masse zu entnehmen.
Von Rechts wegen
Lüdinghausen 24. Januar 1852
Königliches Kreisgericht I. Abtheilung
Strotkamp
Und im dritten Schritt kümmerte sich das Gericht um die Verteilung der Kaufgelder.
In der Subhastationssache wider den Colon Horstmann Ksp. Bork erfolgt hierbei eine Abschrift der am 21ten November crr. publicirten Adjudikatoria mit der Benachrichtigung, daß ein Termin zu Belegung und Vertheilung der Kaufgelder auf den 9. Januar 1854 Vormittags 9 Uhr vor dem Herrn Kreisrichter von Hatzfeld an der Gerichtsstelle hierselbst angesetzt ist, zu welchem die Interessenten unter der Verwarnung vorgeladen werden, daß ihres Ausbleibens ungeachtet mit Belegung und Vertheilung der Kaufgelder verfahren, der auf den Ausbleibenden fallende Theil derselben auf dessen Gefahr und Kosten zu Depositum genommen und nach erfolgter Belegung der Kaufgelder die Löschung der eingetragenen Forderungen im Hypothekenbuch bewirkt werden wird, ohne daß hier zu die Beibringung der Schuldurkunde erforderlich ist, daß sie indeß für jeden Mißbrauch verantwortlich bleiben, der mit letzterer geschehen möchte.
Soll der Termin durch einen Vertreter wahrgenommen werden, so bedarf derselbe, sofern er Gelder in Empfang nehmen soll, einer gerichtlichen Vollmacht. Auch haben die Gläubiger, soweit ihre Ansprüche auf Urkunden beruhen, solche in dem Termin im Originale vorzulegen.
Lüdinghausen, 26ten November 1853.
Königliches Kreisgericht, I Abthlg.
Quantitäten
Das sind keine spannenden Texte. Über die Hintergründe und Ursachen für die diversen Versteigerungen, über die Schicksale, die dahinterstehen können, erfährt man in der Akte nichts. Die zehn Jahre von 1852 bis 1862 sollen hier exemplarisch für die Menge und Art der anfallenden Subhastationen herangezogen werden.
Das Kreisgericht Lüdinghausen beschäftigte sich in diesem Zeitraum mit 21 Zwangsversteigerungen im Amtsbezirk Bork. Nicht immer sind alle drei o.g. Schritte dokumentiert. Zusätzlich geht es in Lüdinghausen und Werne um zwei Eigentumsübertragungen, einmal um einen regulären Verkauf und einmal um eine Nachfrage wegen eines Nachlasses.
Zur Versteigerung kamen Grundstücke und Häuser, Gärten und Äcker, einmal auch zusätzlich um eine Schmiede. Mal erfahren wir die geschätzten Preise, mal die wirklichen Verkaufspreise. Die Schätzungen liegen zwischen 175 und 1.950 Taler, die realisierten Preise zwischen 160 und 3.290 Taler.
Zwei Ausreißer gibt es bei diesen Zahlen. Einmal wird einem Verkauf zu 5 Talern zugestimmt, einmal taucht ein geschätzter Preis von rund 37 Tausend Talern auf. Bei dem Verkauf zu fünf Talern ging es um ein Haus mit Zubehör und einem Acker in Bork, geschätzt auf 600 Taler. Dreimal war dieses Objekt im Amtsblatt angezeigt, an der Gerichtsstelle und der Publikationsstelle des Amtes bekannt gemacht, Interessenten gezielt geladen worden, doch nur ein Gebot wurde abgegeben. Das kam von dem Referendar Eugen Schürmann. Das Objekt war wegen einer rechtskräftigen Forderung vom 8. Oktober 1855 zum nothwendigen Verkauf gestellt worden. Der Referendar übertrug die aus dem Meistgebot erlangten Rechte dem Johann Bernard Woestmann zu Bork ... unter dem Vorbehalt der Rechte der Subhastations-Interessenten.
Der Schätzpreis von 37 Tausend Talern wurde für das Gut „Große Buxfort“ in Westerfelde abgegeben. Das Gut war 1856 von dem Dortmunder Unternehmer Wilhelm von Hövel zum Preis von 42 Tausend Talern ersteigert worden.[3] Im November 1860 informierte das Kreisgericht in Lüdinghausen den Borker Amtmann Foecker darüber, dass das Gut am 7. Juni des folgenden Jahres zur Zwangsversteigerung kommen sollte und schrieb weiter: Die Wittwe Doktorin Cormann geb. Reismann zu Borghorst, der Oberlandesgerichts Rath Wilhelm Metting zu Münster, der Fabrikant Joh. Heinr. Wening zu Münster, die Geschwister Anna Gertrud und Theodor Heinrich Pentrup beziehungsweise deren Rechtsnachfolger werden hierdurch zum Termin vorgeladen.
Gläubiger, welchen wegen einer aus dem Hypothekenbuche nicht ersichtlichen Realforderung aus den Kaufgeldern Befriedigung suchen, haben sich mit Anspruch beim Gericht zu melden.
Über das im Juni erzielte Ergebnis liegt kein Schreiben vor.
Weitere Regelungen
So wie bei der Rechteübertragung vom Referendar auf Bernard Woestmann, konnte auch die Witwe des Abraham Melchior das Haus und den Garten, einen Schoppen, ein Einwohnerhaus, Grundstücke und Wiesen des Heinrich Reinermann in Übbenhagen 1855 nur unter der Bedingung erwerben, dass sie die im Hypothekenbuch eingetragenen Abgaben an die Kirche in Cappenberg oder Bork übernahm.
Als in Bork 1854 Haus und Grundstück des ehemaligen Lehrers Christian Didon versteigert werden mussten, bestimmte das Gericht am 10. November, dass dem Maurer Scheidler bis zum 11. November ein Mietrecht an dem versteigerten Grundstück zustand. Außerdem wurde der in der Küche des Hauses von Backsteinen aufgemauerte Backofen ... vom Verkaufe ausgeschlossen. Weiterhin musste der Ankäufer die im Hypothekenbuch eingetragenen Reallasten übernehmen.
Bei der Subhastation des in Altenbork gelegenen Kolonats des Johann Wilhelm Horstmann erkannte das Gericht im November 1853 für Recht, dieses dem Kaufmann Joseph Schürmann zur Bork für das Meistgebot von Dreitausend Zweihundert und Neunzig Thaler zuzuschlagen. Vier weitere Dinge wurden noch entschieden: Die im Hypothekenbuch eingetragenen Rechte zu Gunsten der Küsterei und Pfarre zu Bork, sowie der Vikarie Beatae Mariae Virginis zu Selm gingen auf den Ankäufer über. Ebenso ein Wegerecht eines Kaufmanns aus Dorsten. Das Kaufgeld musste vom Tag des Zuschlagsurteils bis zum Kaufgelderbelegungstermin mit fünf Prozent verzinst werden. Zum Schluss wies das Gericht einen Antrag des Constanz Cirkel aus Hamm und des Bernard Lenfert aus Bork als unbegründet zurück. Die beiden wollten eine Verpflichtung des Ankäufers zur Anerkennung ihres Pachtrechtes erreichen, die bei einer nothwendigen Veräußerung aber nicht erteilt wurde.
Andere Verhandlungen
Vier Gerichtssachen in diesen zehn Jahren hatten nichts mit einer Zwangsversteigerung zu tun. Je einmal aus Werne und Lüdinghausen gaben die Gerichte eine Übertragung bekannt. 1854 war der im Hypothekenbuch des Gerichts in Werne eingetragene Kotten des Zimmermanns Theodor Bömken in Nordlünen auf Hermann Bömken übergegangen. Der Selmer Pfarrer Evers übernahm 1860 eine Restparzelle vom Voreigentümer Johann Hermann Sander. Baumanns Kotten in Bork kaufte im Januar 1858 der Weber Johann Bernhard Eismann.
Wegen eines Nachlasses wandte sich das Kreisgericht in Werne an den Amtmann in Bork. Am 18. März 1857 war in Münster der Trompeter Friedrich Hülsmann, aus Altlünen stammend, verstorben und das Gericht benötigte Angabe zu dessen nächsten Verwandten. Der Gemeindevorsteher Schulze Wethmar nannte den Vater des Trompeters, den Schäfer Heinrich Hülsmann aus Alstedde. Diese Information wurde an die Gerichtskommission in Werne weitergereicht.
Februar 2024
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1. Norbert Reimann (Hg.), Texte und Untersuchungen zur Archivpflege, Band 18, Die Amtssprache, Münster 2004.
2. und alle folgenden Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 536.
3. siehe auf „aktenlage“: Der Dortmunder Unternehmer Wilhelm von Hövel ersteigert „Große Buxfort“ >