aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Briefwechsel zwischen Königl. Regierung und Goldberg/Lewin

Bork, 31.12.1878

Königliche Regierung!

Zu meiner größten Überraschung und Verwunderung erhalte ich eben Ew. Hochl. Bericht vom 11. d.M. betreffend den Religions-Unterricht der hiesigen jüdischen Schulkinder und mit Recht darf ich in meinem eigenen Namen und namens der übrigen interessirten Gemeinde-Mitglieder hier, die Frage aufwerfen,
„Wie konnte ein Hohe Königl Regierung denn eigentlich dazu kommen, bereits seit einem Jahr oder gar noch länger eine Angelegenheit wie die anliegende zu behandeln und in der Schwebe zu halten, wenn der einfache Wortlaut eines Ministerial-Erlasses nach Ew. Hochlöblichen eigenen Mittheilung so Klar und bündig über das Sach-Verhältniß im Princip sich ausspricht!?“
Wer oder was entschädigt die Königl. Hochl. Regierung für die viele Mühe und den Zeitverlust, welchen Sie sich und uns wie den Löblichen und Hochlöblichen Behörden in Lüdinghausen und hier, nutzlos verursachte? – So ganz auf einmal wie vom Zaun gerissen und ohne irgendwelchen Zusammenhang auch Uebereinstimmung z.B. Dekret vom 10.11. mit den früheren und jüngsten Anordnungen und Befehlen, eröffnet mir die Hochlöbl. Regierung unterm 20. d. auf meine Eingabe vom 11. d. etwas, was dem Inhalte nach im Wesentlichen (wirklich) gewissermaßen nur als eine Remedur Ihres eigenen festgesetzten, contrastirenden Verhaltens in dieser Angelegenheit betrachtet werden kann.

Bliebe die Königl. Hochl. Regierung nun wider Erwartens bei Ihrer Eröffnung vom 20.d. strikte stehen und würde durch dieses Ultimatum die Wirkung, resp. das Resultat des Protokolls wieder vernichtet, welches die hiesigen selbständigen Gemeinde-Mitglieder bis auf ein bis zwei nicht mit der Wahrheit harmonirend – sämmtlich bei dem Herrn Amtmann Döpper hier, unter der Verpflichtung unterschrieben, den Lünern jüdischen Lehrer für den bezüglichen Religions-Unterricht zu engagiren, in Folge dessen die Königl. Hochl. Regierung unseren Gemeinde-Vorsteher ja ohne Weiteres das Engagement des Lehrers befahl, so bleibt ausschließlich doch nichts anderes übrig, als bei der Höchsten Behörde vorstellig zu werden und würden wir beim Cultus Minister abgewiesen, so müßten wir mit unserer Sache eine Beschwerde oder Petition [unleserlich] bis zum preuß. Abgeordnetenhause vorgehen, um den Wahlspruch Seiner Majestät des Kaisers und Königs, welchen derselbe als einen erhabenen Grundsatz sowohl als auch Drang der traurigen und sittlichen Verhältnisse in unserem Vaterlande neulich ausgesprochen, nämlich „daß dem Volke die Religion erhalten werden müsse“ auch zu dem unsrigen zu machen und nach Kräften möglichst dafür zu wirken. Ich und die übrigen betreffenden hiesigen Gemeinde-Mitglieder wollen Ew. hochgeneigte, hochl. letzte Verfügung hiernach binnen 8 Tagen gewärtigen.
Bork, 31. Dezember. 1878
I. Goldberg, Repräsentant
Ich tret dem Inhalte als Gegenwärtigen überall bei
H. Lewin Stellvertreter des Synagogenvorstehers zu Bork
An die Königliche Hochlöbliche Regierung zu Münster

 

Münster, 16.1.1879

An den Herz Lewin in Bork

Auf die Eingabe vom 31sten December a.p. in Betreff der Ertheilung des Religions-Unterrichtes an die schulpflichtigen jüdischen Kinder in Bork eröffnen wir Ihnen, daß Sie unsere in dieser Angelegenheit an den Landrath Grafen von Wedel gerichtete, Ihnen mitgetheilte Verfügung vom 20. Debr. a.p. vollständig mißverstanden haben, wenn Sie annehmen dieselbe bezwecke die Vernachlässigung resp, Schädigung des Religions-Unterrichts. Die bisherigen Verhandlungen in der Sache werden das Gegentheil erweisen.
Nachdem indessen unsere Bemühungen, den schulpflichtigen jüdischen Kindern in Bork jüdischen Religionsunterricht zu verschaffen, deswegen erfolgslos geblieben sind, weil die Remunerirung
[Bezahlung] eines Religionslehrers für die wenigen jüdischen Schulkinder, welche im Uebrigen an dem Unterricht in den Ortsschulen theilnehmen, eine zu große Belastung der jüdischen Gemeinde zur Folge haben würde, andererseits weil nach §. 27 des genehmigten Statuts für die Synagogen-Gemeinde Olfen vom 26.Mai (20. Juni 1856) zu Beiträgen für Privatschulzwecke nur diejenigen Mitglieder, welche die Privatschule benutzen, herangezogen werden können, der jüdische Religionsunterricht sich aber als Privatunterricht darstellen würde, weil die jüdischen Hausväter zu den Schulen in Bork eingeschult sind und dazu ihre Beiträge entrichten, so blieb, zumal da uns keine Mittel zu Gebote steht, den Synagogen-Vorstand zu zwingen, einen Religionslehrer für die wenigen jüdischen Schulkinder anzustellen, nur übrig, uns auf den Standpunkt des Rescripts des Herrn Ministers für die geistlichen pp. Angelegenheiten vom 6. Febr. 1856 zu stellen,. Hiernach ist, wo die Entfernung des Wohnortes Kindern der Besuch einer jüdischen Schule nicht möglich macht und diese Kinder auch an dem Religionsunterricht der christlichen Schulen nicht theilnehmen, was ihnen übrigens unbenommen ist, Seitens der Obrigkeit anzunehmen, daß diese Kinder von ihren Eltern oder auf deren freiwillige Veranstaltung jüdischen Religionsunterricht erhalten. Dieser Fall trifft nun aber für Bork zu. Diejenigen jüdischen Eltern, welche ihren Kindern jüdischen Religionsunterricht ertheilen lassen wollen, haben dies hiernach auf eigene Kosten zu thun, was auch den Bestimmungen des obcitirten §. 27 des Statuts entspricht.

An den Landrat in Lüdinghausen

Ew. p übersenden wir den angeschlossenen Bescheid für den Herz Lewin in Bork zur möglichst baldigen Aushändigung.
Kl. R. AI.
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[1] LAV NRW W, Regierung Münster, Nr. 10964.

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