aktenlage
Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Die jüdische Schule in Bork und deren Lehrer - Teil 3

Christel Gewitzsch

Zwischenzeit und Ende

Ab 1857 war der Amtmann davon befreit, jährliche Nachweise über den Schulbesuch der jüdischen Kinder einzureichen. In den Akten klafft danach eine Zeitlücke bis 1871. Nur eine Klage über den immer noch häufigen Lehrerwechsel und den damit verbundenen Unterrichtsausfall ist 1858 zu finden.

Ein reger Schriftverkehr setzte ab Juli 1871 ein, als die beiden Mitglieder der jüdischen Gemeinde Herz Lewin und Jordan Goldberg die Anstellung eines Religionslehrers und Kantors beantragten. Dies war eigentlich Angelegenheit der jüdischen Gemeinde. Laut Paragraf 30 des Statuts für die Synagogen-Gemeinde Olfen, der sich mit den Untergemeinden – so auch mit Bork – befasste, musste jede dieser Untergemeinden als Cultusbeamten einen Cantor und Religionslehrer[1] anstellen.

Die beiden Antragsteller waren sich der Zuständigkeit bewusst und versicherten dem Amtmann:
Wir beschreiten diese Instanz erst, nachdem wir uns vor 4 Wochen vergeblich an den Vorsteher der hiesigen isr. Gemeinde mit der Bitte gewandt, die hiesigen zuständigen isr. Gemeindemitglieder zu einer Versammlung einzuladen, um über unseren Antrag bezgl. Anstellung eines Religionslehrers und Cantors zu berathen und nachdem es auch die Bemühung unseres Obervorstehers, des Herrn Vorstehers der Synagogengemeinde zu Olfen - A. Salomon – nicht gelungen war unseren Vorsteher Herrn I. Rosenberg hier zur Erledigung unseres Antrags und zur Erfüllung seiner gesatzlichen und geschäftsmäßigen Verpflichtung zu veranlassen, was wir erforderlichen Falls alles beweisen können, und so bleibt uns wohl nichts Anderes übrig als das Königl. Amt hier zu ersuchen, bei der Hohen Königl. Regierung zu Münster gemäß dahin wirken zu wollen, daß uns in nächster Zeit, hoffentlich noch diesen Herbst
ein Religionslehrer und Cantor zu Theil werde.[2]

Bevor der Landrat diesen Antrag weiterleitete, wollte er den Vorsteher der jüdischen Gemeinde Isaac Rosenberg dazu hören. Dieser nahm die Angelegenheit auf die leichte Schulter. Er besorgte sich die Unterschriften einiger Gemeindemitglieder, die der Aussage zustimmten, daß, da kein Bedürfniß zur Anstellung eines jüdischen Lehrers in Bork vorliege, den Wünschen der beiden Antragsteller keine Rechnung getragen werden könne. Diese einfache Erklärung wurde vom Landrat nicht akzeptiert, aber kurz danach legte die Gemeinde einen offiziellen Beschluss vor, die Lehrer- und Kantorstelle vorläufig nicht zu besetzen. Das genehmigte die Regierung nicht.

Sechs schulpflichtige Kinder hatten die beiden Antragsteller zu der Zeit, ein weiteres wurde in drei Monaten sechs Jahre alt. Die Gemeinde musste sicherstellen, daß es keinem jüdischen Kinde während des schulpflichtigen Alters an dem erforderlichen Religions-Unterricht fehlte.[3] Die Begründung der Gemeindemitglieder für ihren Beschluss war wenig überzeugend. Sie behaupteten, die Kinder hätten zum Religions-Unterricht das erforderliche Alter noch nicht erreicht, und kamen damit bei der Regierung überhaupt nicht gut an. Binnen vier Wochen war ein anderer Beschluss vorzulegen. Der lautete dann: Das jugendliche Alter der Kinder, deren geringe Zahl sowie die geringe Leistungsfähigkeit der hiesigen jüdischen Eingesessenen dürften doch Umstände sein, die hier schwer in die Wagschaale fallen und daher mit präjustirtem Vorhaben der Eingesessene, ihre Kinder durch den etwa in Olfen anzustellenden Lehrer an 2 Tagen wöchentlich in der Religion unterrichten zu lassen, Berücksichtigung verdienen. Die Regierung stimmte zu.

Am 9. April 1872 meldete Amtmann Döpper dem Landratsamt, dass der jüdische Lehrer von Olfen Liepmannsohn in 14 Tagen mit dem Religionsunterricht beginnen werde. Laut Vertrag erteilte Liepmannsohn den jüdischen Kindern in Bork zwei Stunden Unterricht in Religion und hebräischer Sprache.

1875 forderten die beiden Beschwerdeführer erneut die Anstellung eines eigenen Elementarlehrers und Kantors. Der Olfener Lehrer hatte seine Stunden leicht gekürzt, eine dreiwöchige Ferienreise unternommen, seine Forderungen erhöht und wollte, so war den beiden zu Ohren gekommen, Olfen im Herbst verlassen. Weil der Vorstand und die Repräsentanten der Gemeinde sich sperrten, gab sich die Regierung mit der bisherigen Regelung zufrieden. Nachdem Liepmannssohn Olfen den Rücken gekehrt hatte, legte der Vorstand einen Vertrag mit dem neuen Religionslehrer in Olfen, Herrn Silberberg, vor.

Anfang 1878 wollte die Gemeinde, außer Jordan Goldberg, den Religionsunterricht nicht weiterführen. Nur vier Kinder im Alter von 7 bis 10 Jahren waren zu beschulen und außerdem zu jung für den Unterricht, so meinten sie abermals. Silberberg habe außerdem nur mangelhaft gearbeitet und die Kosten für die Eingesessenen seien zu hoch.

Die vollständige Aussetzung des Religionsunterrichts wurde nicht erlaubt, ein neuer Vertrag sollte her. Der Vorsteher schlug eine andere Lösung vor. Diejenigen Eltern, die den Religionsunterricht wünschten, könnten ihre Kindern nach Lünen schicken. Bisher war das nur Jordan Goldberg und die Gemeinde erklärte sich bereit, ihm einen Beitrag zu den Kosten zu leisten. Andere Kinder besuchten schon die Realschule in Lünen und mit der Eisenbahn könne man leicht hin- und zurückkommen.

Auch der Landrat war um einen Kompromiss bemüht, doch wollte er die Kinder nicht nach dem 2 Stunden von Bork entfernten Lünen schicken, sondern den Lehrer nach Bork kommen lassen. Die Regierung schloss sich dem Vorschlag des Vorstehers an, doch in Bork rührte sich nichts. Die Regierung kapitulierte und beschloss, die Eltern für den Religions-Unterricht ihrer Kinder selbst sorgen zu lassen.

Wegen dieser Vernachlässigung resp. Schädigung des Religionsunterrichts beschwerte sich Herz Lewin vehement, was die Regierung zu einer längeren Erwiderung veranlasste. Doch sah sie sich nicht in der Lage, den Synagogenvorstand zur Einstellung eines Religionslehrers zu zwingen. (siehe unter Dokumente: Briefwechsel zwischen Königl. Regierung und Lewin >)

Goldberg und Lewin gaben nicht auf, doch die Regierung verwies in ihren Antworten nur noch auf den schon erteilten Bescheid.

Hermann Stamm

Im März 1883 wendete sich das Blatt. Dem Kreisschulinspektor Wallbaum war von einem jüdischen Einwohner in Bork mitgeteilt worden, dass es 13 Kinder im schulpflichtigen Alter gebe, die nur von den Eltern zur Erlernung der wichtigsten Gebote und Gebete angehalten würden. Die Errichtung einer jüdischen Privatschule sei der Wunsch vieler. Amtmann Döpper möge doch bitte die Verhältnisse prüfen. Nach elf Tagen konnte Döpper schon den einstimmigen Beschluss der Gemeinde melden, daß für die jüdische Gemeinde Bork die Errichtung einer jüdischen Privatschule ein unabwendbares Bedürfniß sei. Das Schulgeld sollte zehn Mark jährlich betragen und die fehlenden Gelder nach dem Verhältnis der Klassen- und Einkommenssteuer umgelegt werden. Die Regierung genehmigte das Vorhaben.

Der Beginn des Unterrichts verzögerte sich, weil die nötigen Utensilien noch fehl[t]en und die Lehrerangelegenheit noch geklärt werden muss[te][4]. Für Anfang Oktober erhielt der Schulamts-Kandidat Hermann Stramm die Erlaubnis, den Unterricht zu erteilen. Er schien noch jünger zu sein als seine Vorgänger, denn der Seminar-Direktor aus Münster schrieb:  
Ich bescheinige hierdurch, daß der bisherige Seminarist Hermann Stamm aus Mogendorf [heute Rheinland-Pfalz] mit unserer Erlaubniß und mit Zustimmung seiner Eltern die jüdische Lehrer und Cantorstelle in Bork übernehmen darf.
Münster, den 2. September 1883 Marks-Haindorfsche Stiftung.
Dr. Steinberg Seminar-Dirigent

Nun musste nur noch der Vertrag bei der Regierung vorgelegt werden, die unter dem 16. Oktober 1883 ihre Genehmigung erteilte. (siehe unter Dokumente: Vertrag zwischen der jüdischen Gemeinde Bork und dem Lehrer Hermann Stamm – 1883 >

Hermann Stamm blieb nur bis Ende Juni 1884 in Bork. Ab Juli wollte er sich allein mit den Vorbereitungen zu der Lehrer Prüfung beschäftigen, schrieb der Kreisschulinspektor Wallbaum an die Regierung und meinte dazu, ich kann ihm das nur dringend empfehlen, da andernfalls nicht nur er selbst, sondern auch die Schule zu Schaden kommen könnte.

Moses Block

Münster wollte der Entwicklung des Hermann Stamm nicht im Wege stehen, was dadurch erleichtert wurde, dass Stamm für einen Nachfolger gesorgt hatte. Noch während Stamms Dienstzeit bewarb sich Moses Block um die Genehmigung zur Leitung der Schule. Auch Block war sehr jung - erst 19 Jahre alt - als er die Stelle übernahm. 

Über seine Lehrtätigkeit und die Schulumstände zu seiner Zeit erfahren wir mehr als bei den anderen, denn in der Regierungsakte befinden sich die Protokolle von fünf Revisionen. 1887, 1889, 1891 und 1892 besuchten ihn der Kreisschulinspektor Pfarrer Arning aus Recklinghausen, bzw. der Regierungs- und Schulrat Friedrich aus Münster.

Die erste Beurteilung fiel nicht sehr günstig aus. Die 14 Kinder leisteten sich mündlich und schriftlich viele grammatische Fehler, ihre Lesefähigkeit war befriedigend. Im Rechnen, in der Heimatkunde und der abendländischen Geschichte genügten die Leistungen nur. Die Schreib- und Zeichenhefte waren dem Prüfer zu unsauber. Ihm gefiel auch nicht, dass die Kinder Hefte mit vorgedruckten Schriftstücken und Zeichnungen benutzten. Wenn diese aufgebraucht waren, empfahl er, sollte der Lehrer an die Tafel schreiben und die Schüler und Schülerinnen abschreiben. Im allgemeinen, so beendete Arning seinen Bericht, fehlt dem Unterricht des p Block Kraft und Lebendigkeit.

Als Friedrich zum ersten Mal nach Bork kam, hatte er einen ungünstigen Tag erwischt.
An dem Revisionstage fand nachmittags in der gesammten Schule Unterricht nicht statt; nur die Mädchen der Schule hatten gemeinsam mit den katholischen Schülerinnen Unterricht in den weiblichen Handarbeiten. Die Revision konnte sich deshalb nur auf die schriftlichen Arbeiten, die Tabellen u. Listen, die Lehrmittel u. die Schulräume beziehen, betreffs derer sich Wesentliches nicht zu erinnern fand. Empfohlen wurde dem Lehrer, sämmtliche deutsche Arbeiten welche während eines Schuljahres von einem Schüler angefertigt sind, in einem Hefte künftig zu vereinen. Die Haltung dieses Heftes und die Korrektur der Arbeiten war befriedigend.
Friedrich

1891 und 1892 benutzten die Prüfer bei ihren Besuchen Formulare. Friedrich fasste unter Punkt VII. Besondere Bemerkungen, seinen Eindruck folgendermaßen zusammen: Die Schule macht bei dem regen Eifer des Lehrers u den Leistungen der Schüler einen im Ganzen recht erfreulichen Eindruck. Leider ist Lage und sonstige Beschaffenheit des Schulzimmers eine wenig günstige. Wandel dürfte bei der geringen Leistungsfähigkeit der kleinen u armen Gemeinde kaum zu schaffen sein. – Unterricht in weibl. Handarbeit wird z. Zt. nicht erteilt, weil die bisherige Lehrerin, an der katholischen Schule beschäftigt, die weitere Leitung des Unterrichts wegen Überbürde abgesagt hat.

Über die äußeren Umstände des Schulunterrichts waren sich beide Prüfer einig. Das Schulzimmer wird immer wieder als klein, unfreundlich, für die wenigen Schüler aber ausreichend dargestellt. Toiletten standen in ausreichendem Maße zur Verfügung und ihr Zustand wurde nach einer Renovierung 1888 als gut bezeichnet. Der kleine Turnplatz konnte nur im Sommer benutzt werden und reichte noch nicht einmal für die wenigen Knaben aus.

Die vorgeschriebenen Lehrmittel waren vorhanden, nur das Normal-Alphabet hatte wegen Geldmangels noch nicht gekauft werden können. Von den sogenannten Geschäftsbüchern des Lehrers (Schulchronik, Schülerverzeichnis, Schulbesuchsliste, Lehrplan, Stoffverzeichnis, Schultagebuch) fehlte nur die Schulchronik, alle anderen wurden vorschriftsmäßig geführt. Die Kenntnisse und Leistungen der Schüler im Religionsunterricht beurteilten die Prüfer nicht.

In die Zeit des Lehrers Block fällt ein Antrag der Synagogen-Gemeinde auf eine jährliche Unterstützung zur Unterhaltung der Schule (1892). Döpper befürwortete dieses Gesuch in seinem Begleitschreiben. Er hielt die Schule für unverzichtbar. Die Orts-Elementarschule war hoffnungslos überfüllt und nur die zwei Schulen konnten die sittliche und religiöse Erziehung der Kinder sicherstellen. Eine staatliche Unterstützung würde zu einer gerechteren Belastung aller Beteiligten führen.

Münster forderte daraufhin den Landrat zur Stellungnahme auf. Auch Wedel kannte die mißliche Lage der Israeliten in Bork[5] und sprach sich für die Unterstützung aus. Doch die Regierung lehnte die Zahlung einer Beihilfe ab, da ihr Mittel dafür nicht zur Verfügung standen und sie sich von einem Antrage bei dem Herrn Minister auf Gewährung einer Beihülfe in Anbetracht dessen, daß das Fortbestehen dieser Privatschule nicht als nothwendig nachgewiesen ist, keinen Erfolg versprach.

Julius Kann

Moses Block, von Regierungsrat Friedrich in einem späteren Revisionsbericht als sehr tüchtiger Lehrer bezeichnet, blieb bis zum 1. März 1894 in Bork. Julius Kann, 20 Jahre alt, war da schon zur Stelle und schrieb an die Regierung:
Bork a. d. Lippe, den 7.3.1894
Ich ersuche die königliche Regierung, mir die Erlaubnis zur Leitung der israelitischen Privatschule hierselbst zu erteilen.
Das Lehrerexamen habe ich vom 8.-15. Februar dieses Jahres in Soest abgelegt und bestanden.

Er solle sich erst einmal mit der zuständigen Ortsschulbehörde ins Benehmen setzen, erhielt er als Antwort. Das geschah offensichtlich schnell, denn schon am 29. des Monats hatte er den Revisior Friedrich zu Besuch. Der beurteilte die Schule als insgesamt befriedigend und fügte nur einige Bemerkungen hinzu:
1. Die schriftlichen Arbeiten, welche zuerst in das Tagebuch eingetragen u. hier von dem Lehrer korrigiert warn, um dann in das Aufsatzheft eingetragen zu werden, sind in Zukunft nach Anfertigung im Tagebuch u. etwaiger Besprechung gröberer, gemeinsamer Fehler, ohne von dem Lehrer korrigiert zu sein, in das Aufsatzheft einzutragen, damit der Revisor ein richtiges Bild von den Leistungen der Schüler erhält. –
2. Im Rechnen, das den jüd. Schülern besonders leicht wird, ist auf ein schulmäßiges Vorrechnen zu halten, damit die Schüler ihre Sprache schulen und überall auch das „Warum“ anzugeben sich gewöhnen.
3. Besonders in den realistischen Fächern, aber auch sonst, wo die Gelegenheit sich bietet, sind Aufgaben u. zwar in richtiger Form zu stellen. Ein bloßes „Fahre fort!“ sage Du u.a.m. sind ungehörig.
4. Die Geschäftsbücher sollen stets im Lehrzimmer sich befinden. Die Eintragungen in den Lehrbericht haben täglich zu erfolgen und
[?] ist noch einzurichten.
5. Es ist darauf zu halten, daß die Schüler mit gewaschenen reinen Händen, auch nachmittags zur Schule kommen.
6. Das Lehrzimmer sieht sehr wüst aus, an den Wänden ist der Kalk abgefallen; die Decke ist ganz schmutzig; die Dielen sind vielfach durchlöchert, Hier bedarf es einer gründlichen Ausbesserung.
7. Die Knaben entbehren das Turnen, die Mädchen die Handarbeiten ganz.
Weiteres fand ich nicht zu bemerken.
Friedrich

Derselbe Friedrich fragte fast einen Monat später den Landrat, als Kann sich noch einmal auf dem Dienstweg um die Stelle bewarb, ob überhaupt eine Genehmigung zur Fortführung der Privatschule erteilt worden war. Döpper reichte daraufhin Prüfungs- und Führungszeugnis des Lehrers Kann ein, verwies auf den langen Bestand der Schule und sah keine Bedenken, den Bewerber mit der Stelle zu betrauen. Nun wollte Münster den Vertrag sehen, gab sich mit einer beglaubigten Abschrift nicht zufrieden, sondern forderte das Original an. So dauerte und dauerte es, bis die Regierung am 25. August 1894 endlich den Erlaubnisschein für Julius Kann ausstellte. Der Vertrag mit der Gemeinde war mit dem seines Vorgängers vergleichbar.

Anfang Dezember fand sich Kreisschulinspektor Arning bei Lehrer Kann ein und kam zu dem Schluss: Der erst seit einem halben Jahr dort beschäftigte Lehrer scheint strebsam und fleißig zu sein. Er war recht ernstlich darauf bedacht gewesen, die nach der Revision durch den Herrn Schul- und Regierungsrath Friedrich am 29. 3. 1894 gerügten Mängel abzustellen.

Die Leistungen der Schüler und Schülerinnen fielen recht unterschiedlich aus, von gut bis ungenügend waren alle Noten vertreten. Die Unterrichtsthemen des Tages waren:
... Eine schriftliche Arbeit (Beschreibung des Fuchses) war nach Inhalt, Schrift und Rechtschreibung gut zu nennen. Die Hefte waren sorgfältig corrigirt. ...
In der Geschichte (Zeit des großen Churfürsten), in der Geographie (Skandinavien nach Grenzen, Gebirgen und Flüssen), in der Naturbeschreibung (Geschlecht der Katzen) und in der Naturlehre (Wärmeleitung) waren die Kenntnisse recht befriedigend.

Anfang 1896 ergab sich für Julius Kann eine glückliche Fügung. Er hatte eine Stelle an der öffentlichen jüdischen Volksschule der Synagogengemeinde Wittlich, Regierungsbezirk Trier, in Aussicht, die ihm eine erheblich gesichertere Existenz ermöglichte. Zum 1. März wollte er diese Stelle antreten und versprach, für einen sofortigen Stellvertreter in Bork zu sorgen. Das war auch die Bedingung, die die Regierung für ihre Genehmigung stellte. Kann nannte den Lehramtskandidaten Emil Schürmann aus Lohne bei Soest, der vor kurzem am evangelischen Lehrerseminar Soest die erste Prüfung bestanden hatte und verließ daraufhin Bork am 24. Februar.

Emil Schürmann

Schürmann, von Sassendorf wechselnd, war sofort zur Stelle, doch Amtmann Busch fragte vorsichtshalber nach, ob er die Genehmigung zum Unterrichten habe. Dies sei nicht der Fall, lautete die Antwort aus Münster, und der Lehrer dürfe auf keinen Fall mit der Arbeit beginnen. Wenn nötig, sei ihm die Ausübung des Lehramtes event. unter Androhung von Strafe zu untersagen. Die Kinder sollten vorerst in die Ortsschule gehen.

Das Prüfungszeugnis aus Soest lag noch nicht vor. Schürmann machte sich umgehend auf den Weg, um es persönlich abzuholen und verschickte es per Eilboten. Amtmann Busch bat außerdem um eine telegrafische Verfügung und der Landrat versah die nötige Post mit der Aufschrift Eilt sehr! Die zustimmende Antwort der Regierung kam nach einer Woche.

Die angeordnete Überweisung der Kinder in die örtliche Schule hatte auf Wunsch der Eltern nicht stattgefunden. Für vier Tage war der Unterricht ausgefallen. Der Lehrer erklärte sich gern bereit auf Anordnung Königl. Regierung diesen Ausfall in den Ferien nachzuholen.

Von Schürmann liegt das Zeugnis der Marks-Haindorf-Stiftung für das Sommer-Semester 1895/96 vor. Sein Betragen wurde mit gut, sein Fleiß mit sehr gut beurteilt. Bei den 25 Einzelbeurteilungen bekam er zehnmal gut, achtmal recht gut, viermal ziemlich gut und viermal genügend. Die nur genügenden Leistungen erbrachte Schürmann im schriftlichen Rechnen und in den Kenntnissen der Mischna, einer ersten Niederschrift mit Bestimmungen der jüdischen Religionsgesetze.

Im September 1897 verlängerte die Gemeinde den Vertrag mit dem Lehrer bis zum 1. Mai 1899. Eine Revision im folgenden Jahr bestätigte Schürmann, sehr fleißig und mit gutem Erfolg gearbeitet[6] zu haben. Friedrich, inzwischen Vertreter der Abteilung für Kirchen- und Schulwesen, bemängelte wieder – wie schon 1894 – den Zustand des Schulzimmers. Eine gründliche Erneuerung und Ausbesserung sei von Nöten, Wände, Fußboden und Fenster pp. machen wie der Abort einen höchst unwürdigen Eindruck. Amtmann und Ortsschulinspektor Busch erhielt den Auftrag, für Abstellung der vorgefundenen Mängel Sorge tragen zu wollen.

Grünewald

Schürmann wurde 1899 vom Lehrer Grünewald abgelöst. Grünewald reichte den Stundenplan und die Pausenverteilung ein und bat um die Ferienordnung. Die gab es nicht. Amtmann Busch konnte nur ein paar Notizen des Lehrers Schürmann vorlegen.

Vier Schüler, zwei Jungen und zwei Mädchen, besuchten zu Anfang des Jahres die Schule, als im April ein Antrag des Händlers Moritz Strauss einging. Er bat um vorzeitige Entlassung seiner Tochter Selma. Seine Frau war krank und schwach und ein Dienstmädchen konnten sie nicht bezahlen. Die Tochter aber, groß und kräftig, wäre für die Frau eine hilfreiche Unterstützung und so möge man ihr die restlichen drei Monate ihrer Schulpflicht erlassen.

Busch bestätigte die Angaben des Vaters. Das Zeugnis der Schülerin sah gut aus (siehe unter Dokumente: Schulzeugnis der Selma Strauss >) und ihr Schulbesuch war bisher regelmäßig gewesen. Deshalb wurde die vorzeitige Entlassung genehmigt.

Damit war das Ende der Schule eingeläutet. Im Oktober verließ Grünewald Bork. Für die restlichen drei Kinder, nur ein weiteres stand vor der Einschulung, wollte die Gemeinde keinen Lehrer mehr einstellen. Die abschließende Notiz in der Akte lautet: Die israelitische Privatschule in Bork ist mit September 1899 eingegangen. Die vorhandenen der Schulpflicht unterliegenden israel. Kinder sind der Ortsschule hiers. überwiesen worden.

Dezember 2020
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[1] Statut für die Synagogen-Gemeinde zu Olfen, Lüdinghausen 1857.
[2] und folgende Zitate: LAV NRW W Regierung Münster, Nr. 10964.
[3] und folgende Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 304.
[4] und folgende Zitate: LAV NRW W, Regierung Münster, Nr. 10964.
[5] und folgende Zitate: LAV NRW W, Regierung Münster, Nr. 10965.
[6] und folgende Zitate: Stadtarchiv Selm, AB-1 – 306.


 
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