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Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Kriegervereine

... begannen als "Begräbnisvereine", siehe unten

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Franz Anton Fels aus Werne schreibt seinem König (1852) 

Dieter Gewitzsch

LAV NRW W, K 001/ Oberpräsidium Münster Nr. 966

Im November 1852 setzte der preußische König in Sanssouci „sein Friedrich Wilhelm“ unter ein Schreiben an den Oberpräsidenten der Provinz Westfalen. Er bedaure, die Bitte des Rendanten des Veteranen-Vereins zu Werne Kreises Lüdinghausen, Franz Anton Felsnicht erfüllen zu können und überlasse dem Oberpräsidium, dem Bittsteller die ablehnende Bescheidung zukommen zu lassen. Die von Franz Anton Fels erbetene (finanzielle) Unterstützung der Veteranen und alten Krieger aus Werne könne man an allerhöchster Stelle wegen zu vermeidender Bezugnahme nicht gewähren.[1] – Die Regierung mochte keinen Präzedenzfall schaffen, in Berlin fürchtete man den Einstieg in eine staatliche Finanzierung von Vereinen, sei es, um bestimmte Zwecke zu fördern oder schlicht Not zu lindern.   

Was hatte Franz Anton Fels einen Monat zuvor bewogen, sich direkt an seinen allerdurchlauchtigsten, großmächtigsten und allergnädigsten König und Herrn zu wenden und Friedrich Wilhelm IV zu bitten, hochgeneigtest Befehl zu erlassen, daß dem hiesigen alten Krieger-Verein zu seinen Zwecken eine angemessene Beisteuer und Unterstützung ausbezahlt werde?[2] 

LAV NRW W, K 001/ Oberpräsidium Münster Nr. 966

In seiner Immediat-Eingabe stellte Franz Anton Fels zunächst seinen Verein vor: Den Veteranen und alte Krieger-Verein Werne habe man am 20. März 1849 gemäß Verordnung über die „Bildung von Vereinen zur Bestattung der Leichen ehemaliger Krieger“ vom 22. Februar 1842[3] gegründet. Er selbst sei in den Jahren 1813, 1814 und 1815 freiwilliger Feldwebel gewesen und so qualifiziert, zum Rendanten des Vereins gewählt worden. 

In Preußen wurden die ersten Krieger- und Militärvereine nach den Befreiungskriegen 1813/15 gegründet. Sie bestanden nur aus Kriegsveteranen und hatten die Aufgabe, ihren Mitgliedern ein ehrenvolles Begräbnis zu sichern.[4] Ein Anliegen, dass sich Friedrich Wilhelm IV bald dreißig Jahre später zur Begründung seiner Verordnung zu Eigen macht. Ehemalige Krieger hätten gewünscht, ihre verstorbenen Kameraden mit militärischen Gebräuchen zur Gruft begleiten zu können und gebeten, zu diesem Zweck Vereine bilden zu dürfen. Wo sich die Neigung dazu findet wolle der König dem Bestreben einen gesetzlichen Rahmen geben, damit dieser schöne Sinn, der ebenso das Gefühl treuer Anhänglichkeit an die früheren Standesgenossen, als auch die im Lande herrschende Achtung für kriegerisches Verdienst ausspricht fortdauernd lebendig bleibe.[5] 

So gestattet die Verordnung vom 22. Februar 1842 Männern, welche im Heere gedient haben, oder noch in der Landwehr dienen, Vereine zu bilden, um ihren verstorbenen Kameraden, welche im Kriege mit Ehren gedient haben, eine kriegerische Leichenfeier auszurichten. Die Ortspolizeibehörde bestätigte den „Kriegervereinen“ die ordnungsgemäße Gründung und erteilte ihnen damit ein für alle Mal die Erlaubniß zur militairischen Begleitung der Leichen verstorbener Waffengefährten. Abschließend informierte das Landratsamt den zuständigen Landwehrbataillons-Kommandeur. 

Jede Begräbnisfeier war bei der Ortsbehörde anzumelden. Schützengilden und Bürgerwachen durften in der üblichen Ausrüstung und Bewaffnung bei der Leichenfeier erscheinen. Die Ehre eines kriegerischen Begräbnisses [setzte] einen unbefleckten kriegerischen Ruf voraus, was übrigens auch für Aufnahme in den Verein galt. Bei aller Betonung der Kameradschaft, blieben die im Leben erworbenen Dienstgrade auch nach dem Tode wirksam. Für die Trauerparade eines Leutnants sah die Verordnung vierzig Mann in zwei Zügen vor, den „Gemeinen“ begleitete ein Trupp von zwanzig Mann zur letzten Ruhestätte. Musikkorps durften den Marsch begleiten, die Parade stand insgesamt unter dem Befehl des Vereinshauptmanns. Das Verhalten der Teilnehmer und der Umgang mit den Orden und Ehrenzeichen des Verstorbenen hatten sich nach den bestehenden Bestimmungen für militärische Begräbnisse zu richten. 

All dies hatte Anton Fels wohl vor Augen, als er seinem König vortrug, dass in Werne der gewünschte  Zweck … aus Mangel an den benöthigten Geldmitteln nicht gehörig ausgeführt werden könne. Der größte Teil der Mitglieder sei dergestalt an Jahren vorgerückt, arbeitsunfähig und in Armuth versunken, daß sogar noch viele Rückstände an Beiträgen vorhanden seien. Die Zahl der alten Krieger… belaufe sich gegenwärtig nur noch auf 68, wogegen die übrigen seit Gründung des Vereins verstorben seien. 

Im Werner Verein dachte man 1852 schon über die Begräbnisse hinaus. Fels schrieb dem König, dass man mit einer finanziellen Unterstützung aus der Staatskasse auch den nothleidenden Mitgliedern der Veteranen-Gesellschaft in ihrer drückenden Lage helfen könne. Er sei von vielen Seiten aufgefordert worden, … [sich] behufs Unterstützung und Beschaffung der erforderlichen Geldmittel an Ew. Königliche Majestät zu wenden und Allerhöchst dero Gnade und Vermittelung in Anspruch zu nehmen.

Ohne darauf Bezug zu nehmen, nahm Fels im Oktober 1852 ein Grundrecht in Anspruch, das sein Adressat, König Friedrich Wilhelm IV vor nicht langer Zeit[6] als Artikel 32 der (revidierten) Verfassung für den Preußischen Staat verkündet hatte: Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. 

Die lange Friedenszeit seit 1815 bescherte den Krieger-Begräbnisvereinen in den 1850er Jahren Sorgen. Als reine Veteranenvereine verloren sie im Laufe der Zeit an Bedeutung, weil ihnen die Mitglieder wegstarben. Ein halbes Jahrhundert nach den letzten Kriegen werteten dann die erfolgreichen Feldzüge gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und besonders der deutsch-französische Krieg mit der Gründung des Kaiserreichs das Ansehen des Militärs bei weiten Teilen der Bevölkerung auf. 

StA Selm AB-1, Nr. 399

Im Amt Bork feierten die Eingesessenen des Kirchspiels Cappenberg … am 4. October [1871] ein Sieges- und Friedensfest und wünschten, daß die Krieger, welche aus dem gedachten Bezirke den Feldzug 1870/71 gegen Frankreich mitgemacht oder zur Armee eingezogen gewesen sind, als Ehrengäste … eingeladen werden. Amtmann Döpper war vorbehalten, vier Soldaten für die Teilnahme an den Cappenberger Festlichkeiten von ihren Einheiten loszueisen.[7] 

StA Selm AB-1, Nr. 399

Im Februar 1872 konstituierte sich in der Gemeinde Bork ein „Krieger- und Landwehrverein“. Die Ortspolizeibehörde bemühte sich höheren Orts um Genehmigung der Statuten.[8]  

Dort, wo sich die Motivation der Kriegervereine vorwiegend aus persönlicher Erinnerung und eigenem Erleben speiste, verbrauchte sie sich mit der Zeit und es galt für die Organisation, die anfängliche Euphorie über die deutsche Einigung wachzuhalten. Gedenktage gaben den zugrunde liegenden Kriegsereignissen eine abstraktere Bedeutung als Symbole für nationales und militärtreues Denken. Entscheidender war aber, das Vereinsleben von der exklusiven Position der „Kriegsteilnehmer“ zu lösen und für Reservisten zu öffnen. Das emotionale Band sei nicht mehr das gemeinsame Erleben einer Ausnahmesituation, sondern der Dienst in der gleichen Institution. – Obwohl sich damit das Potential der ehemaligen Wehrpflichtigen erschließen ließe – einige Vereine taten sich mit diesem Gedanken schwer.[9] 

Juli 2019 

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[1] LAV NRW W – Oberpräsidium Nr. 966 I Kriegervereine 1852-1891, Blatt 01.
[2] LAV NRW W – Oberpräsidium Nr. 966, Blätter 02 und 03: Immediat-Eingabe vom 13.10.1852.
[3] Amtsblatt der Regierung Münster, Nr. 14, 2. April 1842, S. 112f.
[4] Thomas Rohkrämer, Der Militarismus der „kleinen Leute“, Die Kriegervereine im Deutschen Kaiserreich 1871-1914. München 1990, S. 27.
[5] Amtsblatt, s. Anm. 3.
[6] Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850.
[7] StA Selm AB-1, Nr. 399 Vereinswesen 1850 – 1909.
[8] StA Selm, a.a.O.
[9] Rohkrämer, Militarismus, a.a.O., S. 57.

 

 
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