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Zeitschrift für Regionalgeschichte Selm und Umgebung - ISSN 2366-0686

Kleinkrieg in Bork (1871/1872)

Christel Gewitzsch

Folge III/V          I, II, IV, V

Scharmützel 5 - Die Fälle Bielefeld und Borgmann

In der Versammlung der Gemeindeverordneten von Bork am 24. Oktober 1871, in der der Verwalter Heindorf vom Lehrer Pohlschröder angegriffen wurde, in der Heindorf seine Unterschrift unter das Protokoll verweigerte und in der dem Lehrer der alte Zugang zu seinem Keller wieder verschafft wurde, ging es in zwei Tagesordnungspunkten auch um die Begleichung von Rechnungen aus dem Gemeindeetat. Die Versammlung lehnte die Bezahlung dieser Rechnungen ab.

Der erste Fall betraf die Verpflegungs- und Beerdigungskosten in Höhe von etwas mehr als 25 Talern für den am 21. April des Jahres verstorbenen 24-jährigen Gefreiten Bielefeld. Dieser war Anfang April krank und hülfsbedürftig in seiner Heimathgemeinde Bork eingetroffen[1]  und da er vollkommen mittellos war und seine Eltern nicht mehr lebten, oblag es der Gemeinde aufgrund ihrer Verpflichtung zur Armenpflege, für diese Kosten aufzukommen. Der Gemeinderatsbeschluss vom 24. Oktober war demnach nicht rechtens.

Dies traf auch auf den zweiten Fall zu, wo es darum ging, für die verstorbene Witwe Borgmann die Wohnungsmiete zu bezahlen. Die wegen Altersschwäche arbeitsunfähige Frau war im Mai 1870 aus dem Krankenhaus in Lünen, wo sie auf Kosten der Gemeinde versorgt worden war, entlassen worden und beim Maurer Gerhard Limbrock in Bork untergekommen. Als sie nach einem Jahr verstarb, reichte der Vermieter eine Rechnung über zehn Taler ein, die vom Amtmann als angemessen bezeichnet wurde. Auch diese Rechnung wollte die Gemeinde nicht bezahlen.

Das Landratsamt ordnete unter der Androhung, daß bei fortgesetzter Weigerung der fragliche Betrag auf dem Wege der administrativen Execution beigetrieben wird, die Bezahlung durch die Gemeinde Bork an. Doch einen Monat lang geschah erst einmal gar nichts. Eine Gläubigerin, Frau Schlierkamp, beschwerte sich, weil sie noch keinen Groschen von ihrem Geld gesehen hatte und das Landratsamt musste sich erneut einschalten. Es forderte die sofortige Ausführung der Anordnung und erklärte, diese Dienstwidrigkeit der Königlichen Regierung zur weiteren Entscheidung vorgelegt zu haben. Wieder ging ein Monat ins Land. Nachdem Geiping nach Lüdinghausen zitiert worden war, erklärte er, sehr bereit zu sein, die Bezahlungen anzuweisen, jedoch die zu zahlenden Summen und die Rechnungen für dieselben ihm unbekannt sein und er um dieselben bitte. Vier Tage später wies der Gemeindevorsteher die Bezahlung der Rechnungen an. Fast ein Jahr war seit den beiden Todesfällen inzwischen vergangen.

Scharmützel 6 - Der Brand

Die nächste Auseinandersetzung wurde erneut durch einen Antrag des Geiping an das Landratsamt in Gang gesetzt. Geiping forderte im November 1871, den Amtmann anzuweisen, zwei Brandspritzen in Bork abholen zu lassen. Der Kreissekretär schickte Geipings Schreiben umgehend nach Bork zurück, woraufhin der Amtmann ganz offensichtlich die Geduld verlor. Er schrieb an den Vorsteher: Bei dem Königlichen Landrathsamt zu Lüdinghausen ist zur Anzeige gebracht worden daß auf der Brandstätte in Netteberg noch 2 Brandspritzen stünden. Dieses ist doch unerhört und veranlasse ich Sie daher schleunigst dafür Sorge zu tragen, daß solche in die gehörigen Spritzenhäuser zurück gebracht und gehörig gereinigt werden. Sie wissen daß die Spritzen Gemeinde Eigenthum sind und finde ich Ihre Nachlässigkeit um so unverzeihlicher als dieselben der Gemeinde Bork viel Geld kosten und es Ihnen bekannt gewesen ist, daß die Spritzen nicht zeitig von der Feuerstelle entfernt worden sind.

Bei dem Brande selbst haben Sie Sich höchst passiv verhalten, weshalb ich hiermit Veranlassung nehme Sie auf den § 41 der Land-Gemeinde-Ordnung vom 19.3.1856 aufmerksam zu machen und Ihnen die Durchlesung so lange zu empfehlen bis Sie solche verstanden haben, und Ihre Handlungen hiernach einzurichten.

Die ausführliche Darstellung des Brandes

Geiping brauchte eine Weile, um darauf zu reagieren. Ende Mai 1872 schaltete er wieder das Landratsamt ein und Döpper musste Bericht erstatten. Er machte das sehr ausführlich.

Wenngleich seitdem die Veranlassung zu dem Antrage des Gemeinde Vorstehers  Geiping gewordenen Brande an der Scheune und Hüterhause des p. Kortenbusch über 6 Monate vergangen sind, so muß ich doch gestehen, daß mich diese Eingabe desselben durchaus nicht befremdet und ich es sogar erwartet habe daß der p Geiping immerhin noch Jemanden finden würde, der ihm dieserhalb eine Eingabe anfertigen und sein Wissen und Können verwerthen werde.

Die Thatsache warum es sich handelt ist einfach folgende:

Am Sonntage, den 5ten November 1871 Vormittags gegen 11 Uhr brannte die Scheune und das Wohngebäude des Kortenbusch auf dessen Ziegelei in Netteberge und hatte ich mich dorthin begeben und die zur Löschung des Feuers erforderlichen Maßregeln zu treffen. Auf der Brandstelle befanden sich bei meinem Eintreffen bereits eine Menge Menschen unter anderen auch der Gemeinde Vorsteher Geiping. Das Feuer hatte schon bedeutend um sich gegriffen und es war in der Nähe der Brandstelle nicht viel Wasser vorhanden, jedoch konnte dieses immerhin aus einiger Entfernung herbeigeschaft – und wenn auch eine vollständige Löschung des in Brand gerathenen Hauses wohl sehr beschwerlich erschien so mußte dieses dennoch versucht und namentlich das Feuer von dem etwa 15 Schritte entfernt liegenden Hause des Nachbarn abgehalten werden. Ich leitete hierauf den Versuch der Löschung mußte aber leider wahrnehmen daß mit einigen Ausnahmen, das Publicum lieber den Zuschauer spielte als sich bei der Löschung betätigte.

Unter andern habe ich die Wahrnehmung gemacht, daß sogar Netteberger Kötter und Kolonen dem Brande mit brennenden Pfeifen wie ein Schauspiel zusehen, und wo man sie zur Mitarbeit aufforderte sich wie Schulknaben entfernten. Wahr ist es jedoch daß ich einem Menschen, welcher statt zu arbeiten seine Pfeife an dem brennenden Hause anzünden wollte diese aus der Hand geschlagen habe. – Den Gemeinde Vorsteher Geiping selbst habe ich auf der Brandstätte nur unthätig gesehen und, eher weitere Anordnungen zur vollständigen Dämpfung und Bewachung der Brandstatte getroffen ware, war derselbe verschwunden.

Wenn derselbe daher glaubt daß ich das gute Einvernehmen auf der Brandstelle unter dem vorhandenen Publicum nicht erhalten habe, dann kann ich ihm nur erwidern, daß die polizeiliche Anordnung nicht deshalb getroffen worden, um hier ein Schauspiel, ein Vergnügen, eine Augenweide zu schaffen, sondern wohl nur, um dem Feuer Einhalt zu thun. Dazu sind wohl ernste Worte und Handlungen nothwendig.

Der Herr Pfarrer Pottgießer aus Bork, welcher sich persönlich beim Löschen bethätigte hat ebenfalls die unangenehme Wahrnehmung über die Unthätigkeit des hiesigen Publicums beim Brande gemacht und sein Erstaunen darüber ausgedrückt. –

Um die Zeit des Brandes und auch in der ersten Woche nachher, hatte ich keinen Polizeidiener, hatte also auch bei dem Brande keine Stütze und mußte sonach alle Anordnungen selbst besorgen.

Die Feuerspritzen sind Eigenthum der Gemeinde, sie sind auf Kosten derselben zu unterhalten und werden, hiesigen Amtes auch auf Kosten der Gemeinde zu der Brandstelle geschafft von derselben entfernt gereinigt und wieder in die Spritzenhäuser geschafft. Wenngleich ich nun auch die oberste Leitung zum Löschen und Retten beim Brande zu führen habe, so dürfte doch wohl der Gemeinde Vorsteher verpflichtet sein für die Wiederfortschaffung der Feuerspritze, Reinigung derselben zu sorgen.

Letzterer nimmt das Recht in Anspruch Ausgabe Anweisungen auf die Gemeinde Kasse zu ertheilen, woraus wohl zu folgen sein dürfte, daß er auch mir die Befugnisse einräumt, auf Kosten der Gemeinde Anordnungen zu treffen, die zu den Angelegenheiten des Gemeinde Vorstehers gehören.

Statt daß nun der Geiping nach dem Brande, wo er um die Spritzen wissen mußte und wußte, dieselben reinigen und in die Spritzenhäuser schaffen ließ, führt er auf dem Königlichen Landraths Amte in Lüdinghausen Beschwerde, daß ich die Spritzen nicht habe fortschaffen lassen. Ich wußte damals nicht daß die Spritzen noch auf der Brandstelle standen, da ich mich bei dem Brande derart erkältet hatte, daß ich fast außer Stande war mich an den folgenden Tagen zur Brandstätte zu begeben.

Wenn der p. Geiping nun glaubt daß dem Amtmann weil er die Polizeidiener zur Seite habe, die Ausführungen der Angelegenheiten der Gemeinde obliegen und er sich mit Unkenntniß und weiter Entfernung von seinen Obliegenheiten befreien könne, so dürfte er sich ebenso sehr irren als ich mich freuen würde wenn meine von ihm schulmeisterliche genannte Verfügung in ihm einen recht leicht auffassungsfähigen Schüler gefunden hätte.

Der Amtmann Döpper




Das Landratsamt entschied

Für die erwähnte schulmeisterliche Verfügung erhielt der Amtmann einen Rüffel vom Landratsamt. Wegen des gereizten Tons, welcher in derselben liegt, könne sie nicht als angemessen bezeichnet werden. Den Geiping verwies man wegen seiner Eingabe  auf die Bestimmungen der Landgemeinde-Ordnung, in der die Aufgaben des Amtmannes und des Vorstehers aufgeführt wären. Einzelne Fälle könnte darin nicht näher dargestellt werden, es müsse vielmehr den betreffenden Beamten und resp. Ihnen überlassen bleiben, sich in gegebenen Fall mit dem richtigen Takt in die ihnen obliegenden Funktionen zu finden.

Fortsetzung folgt.

Oktober 2016
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[1] und folgende Zitate: StA Selm, AB-1 – 50.

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