Kleinkrieg in Bork in fünf Folgen – 1871/1872
Christel Gewitzsch
Scharmützel 1 – Arbeitsübertragung
Unstimmigkeiten zwischen Amtmann Döpper und dem Borker Gemeindevorsteher Geiping hatten wohl schon eine Weile im Raum gestanden, bis sie dann im Februar 1871 offen ausbrachen. Döpper weigerte sich von diesem Zeitpunkt an, die Verwaltungsaufgaben des Gemeindevorstehers mit zu erledigen und forderte diesen auf, die zur Erfüllung seiner Funktion nötigen Formulare und Schriftstücke zu benennen und abzuholen. Geiping wandte sich mit dieser Verfügung des Amtmanns sofort an das Landratsamt, das zu dieser Zeit mit dem Verwalter Callenberg besetzt war, und fragte nach, wie er sich zu verhalten habe. Callenberg hoffte, die obschwebenden Differenzen[1] zwischen den beiden bei seinem nächsten Besuch in Bork klären und das gute Einvernehmen wieder herstellen zu können. Fast beschwörend setzte er hinzu: Solches wird ja gewiß auch von beiden Seiten lebhaft gewünscht werden.
Mit dieser Annahme irrte sich der Landratsamtsverwalter gewaltig. Im Laufe der nächsten Monate achteten die Kontrahenten genau darauf, welche Fehler der andere machte und welche Ungenauigkeiten ihm unterliefen. Die Aufsichtsbehörde wurde immer wieder informiert, eingeschaltet und um Entscheidungen gebeten; eine konflikt- und emotionsfreie Zusammenarbeit zwischen Amtmann und Gemeindevorsteher fand nicht mehr statt.
Scharmützel 2 – Arbeitsverweigerung
Die erste Beschwerde, die Döpper im März an das Landratsamt schickte, betraf die Weigerung des Geiping, ausstehende Zahlungen der Jagdpacht über 110 Taler bei dem Schenkenwirt Knepper in Hassel einzutreiben. Als der Amtmann daraufhin den Rechtsanwalt Laumann mit der Beschreitung des Rechtsweges beauftragen wollte, verweigerte der Gemeindevorsteher die Unterschrift zu dieser Vollmacht mit den Worten, daß die Rückstände aus früherer Zeit herrührten, und daß ihm diese daher nichts angingen.
Döpper fügte diesem konkreten Fall seine Klage über die Arbeit des Gemeindevorstehers an. Dieser käme seinen Verpflichtungen nicht nach, lege ihm in fast jeder Beziehung ein Hinderniß in den Weg und würde zusammen mit anderen Gemeindeverordneten, sobald ihr persönliches Interesse nicht vorherrschend ist, gegen zweckmäßige und nützliche Gemeindeeinrichtungen opperier[en]. Das Landratsamt bat er, den p. Geiping hochgefälligst darüber belehren zu wollen, welche Pflichten er als Gemeinde-Vorsteher zu erfüllen habe und daß diese durch Opposition und Passivität nicht erfüllt werden könnten.
Scharmützel 3 - Dienstpapiere
Der schon im Februar vom Amtmann an Geiping gerichtete Aufforderung, anzusagen, welche Formulare er für seine Arbeit benötige, kam Geiping erst einmal nicht nach. Im April des Jahres bat er dafür das Landratsamt, den Amtmann anzuweisen, ihm sämmtliche, zur Ausführung [s]eines Dienstes nöthigen Acten, Belege, Verfügungen und Formulare zu geben und ihm seine Post auf das Gemeindezimmer in Bork zu schicken, wo er sie selber oder durch den Lehrer Pohlschröder in Empfang nehmen wollte. Der Kreissekretär Allard schickte Geipings Brief zur weiteren Veranlassung umgehend zurück nach Bork und Döpper übersandte dem Gemeindevorsteher die Klassensteuer Zu- und Abgangslisten, weitere Zahlenangaben und den Gesetzestext dazu. Dienstsiegel, Amtsblätter und weitere Akten könne er ihm aber nicht zur Verfügung stellen, die müsse Geiping auf dem Amtsbüro einsehen und abschreiben, beziehungsweise sich selber beschaffen. Auch die amtliche Post für den Vorsteher dürfe er nicht an Dritte ausgeben, so der Amtmann.
Scharmützel 4 – Arztrechnungen
Im Juni schrieb Geiping den nächsten Brief an das Landratsamt. Nach seiner Angabe hatte der Amtmann im Mai 150 Taler aus der Gemeindekasse Bork an den Arzt Hilgenberg für das Desinfizieren der Häuser nach einer Pockenerkrankung angewiesen. Dieses stehe dem Amtmann nicht zu. Nach dem Paragrafen 49 der Landgemeindeordnung vom 18. März 1856 habe der Gemeindevorsteher diese Ausgabe zu veranlassen.
Döpper wies in seinem Bericht an den Landratsamtsverwalter genüsslich darauf hin, dass ihm eine Landgemeindeordnung vom 18. März nicht bekannt sei. Nach der vom 19. März habe der Gemeindevorsteher unter Mitwirkung des Amtmanns Ein- und Ausgaben vorzunehmen. Er habe aber gar nicht 150 Taler angewiesen, sondern nur 88, weitere 64 Taler hätte der Beigeordnete Dörlemann veranlasst. Diesen Ausgaben müsste auch kein Gemeindebeschluss zu Grunde liegen, da die Desinfektion der Häuser gesetzlich vorgeschrieben sei und diese Art von polizeilichen Sicherheitsmaßregeln dem Amtmann obliege. Deshalb müsse er das Recht haben, diese Arbeiten zu bestellen und die Bezahlung anzuweisen.
Der wohl auch geäußerten Kritik an der Höhe der Arztrechnung begegnete Döpper mit einer längeren Ausführung über die Gefahren für den Arzt bei dieser Arbeit, mit Zusatzkosten für einen ortsfremden, erst herbeizuholenden Arzt und mit Gesundheitsrisiken für alle Eingesessenen bei dadurch entstehenden Verzögerungen. Auch sei bei einem früheren Pockenausbruch in Bork der gleiche Betrag pro Haus gezahlt worden. Dann allerdings lenkte er ein. Weil die Polizeistrafen 1871 in die Amtskasse geflossen sein, könnten die Kosten für diese Polizeimaßnahmen auch aus dieser Kasse gezahlt werden. Das Landratsamt möge entscheiden.
Im Juli traf der diesbezügliche Brief aus Lüdinghausen in Bork ein. Der Amtmann wurde darüber belehrt, dass er nach den Vorschriften nur in Zusammenarbeit mit dem Gemeindevorsteher Anweisungen auf die Gemeindekasse geben dürfe, doch folgte das Landratsamt im Übrigen der Argumentation Döppers. Die Gemeinde allein müsse die Kosten für die Desinfektion zahlen und die eigenmächtige Ausgabenanweisung des Amtmann in diesem Fall sei nicht zu missbilligen, denn der Vorsteher habe schon einmal eine von der Gemeinde zu zahlende Steuer verweigert. Das war – nach der Aussage Döppers – im verflossenen Winter geschehen, als Geiping einen auf die Gemeinde Bork ausgestellten Steuerbescheid an das Amtsbüro mit der Bemerkung zurückschickte, daß ihm der Steuerzettel nichts anginge und derselbe wohl eine Besteuerung des Abtritts an der Judenkirche betreffen könne.
Mit dem Bescheid des Landratsamts gab Geiping sich nicht zufrieden. Die eigenmächtige Zahlungsanweisung des Amtmanns hätte das Wohl der Gemeinde geschädigt, so klagte er gegenüber Lüdinghausen. Da die Gemeinde keine Gelegenheit gehabt hatte, die Rechnung zu überprüfen, konnte sie auch keine Ermäßigung erlangen. Man würde sich nicht weigern, die Kosten zu übernehmen, aber Kosten in solcher Höhe zu zahlen [... dazu sei] die Gemeinde nicht verpflichtet.
In seiner Stellungnahme gab der Amtmann an, schon nach der zweiten Rechnung des Arztes mit diesem in Kontakt getreten zu sein, damit er seine Preise reduziere. Dr. Hilgenberg sei auch darauf eingegangen, habe die Rechnung ermäßigt und zugesagt, alle weiteren Desinfektionen für zwei Taler auszuführen. Diese kulante Haltung war dem Arzt nicht schwergefallen, denn es gab nur noch wenige Pockenkranke in Bork, so dass der Einnahmeausfall nicht sehr hoch sein würde.
August 2016
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[1] und folgende Zitate, falls nicht anders angegeben: StA Selm, AB-1 – 50.
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